Belohnen statt verbieten in der Praxis?

  • Ich weiss, der Titel ist blöd, aber trotzdem.... :ops: Ich möchte gern ein Experiment machen. Es läuft ja gerade eine heisse Diskussion darüber, wie Hund möglichst stressfrei und erfolgreich lernt, dem Menschen ein angenehmer Hausgenosse zu sein. Vieles, unter anderm das Bauchgefühl spricht dafür, das möglichst hundegerecht zu gestalten und sich daher eng an die meist massregelnden Kommunikations- und Lernprozesse im Hunderudel anzulehnen. Wissenschaftliche Erkenntnisse scheinen eher in eine andere Richtung zu gehen und andere Lernstrategien zu favorisieren, die auf der Belohnung erwünschten Verhaltens basiern.


    Aber egal, was die Theorie sagt, hier habe ich eine Frage zur Praxis. Und zwar betrifft es eine Hausregel, die eindeutig zur sozialen Grunderziehung gehört und nicht zur Ausbildung, und daher auch nach meiner gaz persönlichen Ansicht besser über elementar-hundliche Interaktion vermittelt wird.


    Es geht um die Etablierung einer Tabuzone. Ganz klar ein Fall für Ansage, Verwarnung und Bestrafung, und so habe ich es bisher eigentlich ganz erfolgreich gehandhabt. Konkret: Küchen waren bei uns immer off limit. Meine letzte Hündin Naijra hat sogar in fremden Wohnungen sofort die Küche (auch offene) identifiziert und nicht betreten. Ohne Stress und aversivere Methoden als anfänglich ein schärferes Nein. Bei Rhian klappt es deutlich weniger gut, bzw es klappt 1A, solange ich die Küche durch meine Präsenz oder Nähe als meine markiere - da genügt meinem supersoften Hund ein minimales Signal. In meiner Abwesenheit nicht - denn da hat die Erfahrung gezeigt, dass ihr nicht immer sofort der Himmel auf den Kopf fällt, wenn sie trotzdem reingeht.


    Nun postulieren Anhänger der positiven Bestärkung, dass Verbote nicht notwendig sind und zuverlässigere Resultate möglich sind über Bestärkung von Alternativverhalten. Das leuchtet mir auch in vielen Fällen ein, aber eben nicht in allen. Wenn ein Hund nie auf die Idee kommt, Menschen anzuspringen, dann sehe ich keine Notwendigkeit, das zu verbieten. Dasselbe gilt für relativ selten auftretende Situationen. Aber was ist mit solchen, die täglich über 12 - 18 Stunden auftreten? Wie genau etabliere ich da ein Alternativverhalten, welches ich in einem sinnvollen Rhythmus (und das heisst anfänglich 100%) bestätigen kann? Das ist ja keine Handlung, sondern eine Unterlassung derselben, das klassische Anwendungsgebiet einer Hemmung.


    Konkret:
    Ich nehme das Bad, welches bisher frei zugänglich ist. Wollte ich den Hund nicht drin, habe ich die Tür zugemacht, end of story. Nun möchte ich dem Hund beibringen, dass er trotz geöffneter Türe das Bad nicht zu betreten hat. Eine leichte Aufgabe, denn der Anreiz, dies zu tun ist minimal und fast nur gegeben, wenn ich dusche oder ein Bad nehme. Ansonsten wird das Bad eher mit Augen- und Ohrentropfen negativ verknüpft. Normalerweise würde ich dem Hund durch aversive Körpersprache klarmachen, dass das Bad meins ist, Ende der Diskussion. Strafe bei Übertretung.


    Also: Wie bestärke ich das Nichtbetreten des Bads, ohne den Hund 12 -18 Stunden pro Tag belauern zu müssen? Ich will ja auch nicht einen ganz normalen Zimmerwechsel des Hundes bestärken. Ich bin gewillt, das ganz ohne Druck mal zu probieren, habe aber nur vage, und in meinen Augen mässig taugliche Ideen zur Durchführung. Kann, aber muss nicht per Clicker sein, Hauptsache nicht aversiv. Mir selber ist bisher nix in den Sinn gekommen, das so einfach ist wie das Verbieten (zumindest für mich), hoffe daher auf praktische Anregungen. :smile:

  • Zitat


    Also: Wie bestärke ich das Nichtbetreten des Bads, ohne den Hund 12 -18 Stunden pro Tag belauern zu müssen? Ich will ja auch nicht einen ganz normalen Zimmerwechsel des Hundes bestärken. Ich bin gewillt, das ganz ohne Druck mal zu probieren, habe aber nur vage, und in meinen Augen mässig taugliche Ideen zur Durchführung. Kann, aber muss nicht per Clicker sein, Hauptsache nicht aversiv. Mir selber ist bisher nix in den Sinn gekommen, das so einfach ist wie das Verbieten (zumindest für mich), hoffe daher auf praktische Anregungen. :smile:


    Distanzkontrolle? Du tipperst ins Bad... Hund mag hinterher kommen... Du gibst vor Überschreiten der Schwelle ein Sitz/Platz/irgendwas... Click und Lecker werfen?

  • Ui,
    wie fies ein Tabu mit Bestärkung aufbauen.


    Ich werde mal meinem Labrador-Gast fragen, wie er es gelernt hat - der geht nicht meine Treppe hoch - abe rich fürchte es liegt daran, dass er das einfach nie gelernt hat, im Haus Treppen zu gehen...
    Oder Crispel, der geht nicht in den Keller - warum, keine Ahnung...


    Mit einem Welpen würde ich einfach den Zugang mit einem übersteigbaren Dings verbauen, sodass er einfach nicht hinterher kommen kann, und dann anfangs zusätzlich geduldiges draussen bleiben ohne rumgejammer bestärken.
    Ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch mit erwachsenen Hunden funktionieren kann. Bad ist eine gute Auswahl - es läd einen Hund ja in Abesenheit nicht wirklich ein, genau da hin zu wollen. Bett, Sofa, sessel würde ich jetzt extrem schwierig finden :D
    Denn, und das gehört ziemlich OT: ich habe keine Tabuzonen errichtet.
    Hund darf auf Sofa, muß aber auf ein "runter" eben runter gehen, darf überall rein, muß aber auf ein "raus" selbiges machen.
    Und wenn ich jemanden einfach vor den Füßen weg haben will, sage ich "Decke" oder "Korb" und die Bande verschwiendet in/auf selbige...

  • Leela hat ihrem Hund beigebracht, dass er eine von ihr "gezogene Linie" nicht übertritt.
    siehe hier


    Im Prinzip ist es doch da, wie mit nem "Bleib".


    Ich würds wohl so machen, dass ich das Draußenbleiben, vielleicht sogar ein sich Abwenden, belohne.


    Erst so, dass der Hund mich sieht, bzw ich den Hund sehen kann, dann beginnt man damit, den Hund für 2 Sekunden aus den Augen zu lassen.


    Desinteresse belohnen.


    Dann eben die Zeitspanne vergrößern.
    Vielleicht noch solche Situationen mit einbeziehen, in denen der Anreiz, die Linie zu übertreten, größer ist, zb wenn du zügig ins Bad gehst.


    Ich kann mir schon vorstellen, dass das klappt. Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass es durchaus zu Situationen kommen kann, in denen man korrigieren muss.
    Um diesen vorzubeugen muss man also echt sauber arbeiten und eben im Prinzip den ganzen Tag nix anderes mehr machen :D

  • Wenn man es wirklich nur positiv aufbauen wöllte, müsste man jedes nicht überschreiten belohnen. Also ein Formen in der Hinsicht, dass jede Tendenz zum Anhalten oder Zurücktreten an der Schwelle belohnt wird.


    Ist mit Sicherheit eine mühsame Arbeit. Viel Spaß dabei :D


    Aber es geht. Ich für meine Stücke möchte keinen Hund, der mit Strafe, Druck und Stress nicht umgehen kann. Den könnte ich dann gar nicht wirklich bei der Arbeit einsetzen.


    Viele Grüße
    Corinna

  • Naijras Beispielaufgabe zeigt wieder deutlich die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis der rein auf positiver Verstärkung basierenden Erziehung und den praktischen, realitätsnahen Vorteil der Differenzdressur im alltäglichen Leben mit dem Hund. :lol:


    LG, Anna

  • Zitat


    Distanzkontrolle? Du tipperst ins Bad... Hund mag hinterher kommen... Du gibst vor Überschreiten der Schwelle ein Sitz/Platz/irgendwas... Click und Lecker werfen?


    Damit fängt man an.


    Zitat

    Wenn man es wirklich nur positiv aufbauen wöllte, müsste man jedes nicht überschreiten belohnen. Also ein Formen in der Hinsicht, dass jede Tendenz zum Anhalten oder Zurücktreten an der Schwelle belohnt wird.


    Und das ist dann die Steigerung

  • Zitat

    Leela hat ihrem Hund beigebracht, dass er eine von ihr "gezogene Linie" nicht übertritt.
    siehe hier


    Im Prinzip ist es doch da, wie mit nem "Bleib".


    Das wurde aber mit Stoppsignal aufgebaut, was einem Verbot gleichkommt....


    Das ist das Problem - muss ich jedesmal, wenn der Hund durch den Flur latscht, das bestärken, auch wenn er gar nicht ins Bad wollte? Da werde ich bald zum Clickerautomaten.... Ich werde Rhian in Versuchung führen müssen, denn es ist keinenfalls so, dass sie mir ständig ins Bad folgt. Passendes Alternativverhalten wäre Platz an der Schwelle, aber eigentlich muss sie ja nicht liegen.


    Eins ist sicher: es ist viel mühsamer als ein simples Raus! und ein mahnenedes Naah!, wenn die Nase wieder am Türrahmen erscheint. Werde mal sehen, ob ich die Botschaft überhaupt vermitteln kann. :roll:

  • ich frage mich gerade (bei dieser Frage)
    warum Einfach wenns auch Kompliziert geht :???:
    was ist denn falsch an einem "Raus" oder "naaaah" ?


    was bewegt dich dazu etwas komplizierter zu machen, wenn die einfachere Lösung auf der Hand liegt ?
    es ist ja nun nichts verwerfliches ein Stopp-Signal einzubauen ?

  • nun wenn der Hund das "Stop" oder das "Raus" beherrscht, dann ist es doch die Alternative für das über treten der Schwelle. Entsprechend kannst du auch dann das daraus resultierende Verhalten positiv belegen.

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