Hund aus dem Tierschutz - mit einem Haufen voll Macken

  • Hallo liebe Foris,


    auch wenn das hier ein Thread unter vielen ähnlichen ist, möchte ich euch doch mal nach euren Erfahrungen fragen...


    Ich habe mich wahnsinnig in einen Hund - Paul - aus dem Tierheim verliebt. Die Beschreibung (auf der Internetseite und an seinem Zwinger) hörte sich eigentlich ganz gut an. Sollte stubenrein sein, bis zu 4 Std. alleine zuhause bleiben, leinenführig und so weiter. Die einzige Baustelle sollte seine Leinenaggression sein.


    Was mir die Tierpflegerin erzählt hat war allerdings etwas gänzlich anderes. Pauls erster Besitzer soll mit ihm in einer vollkommen abgedunkelten Bude mit ihm den ganzen Tag gehaust haben und dann nur nachts einmal für 15 Minuten mit ihm raus. Dementsprechend sah die Wohnung wohl auch nicht aus, als sei der Hund stubenrein.


    Von Leinenführigkeit war bei unserem ersten Spaziergang auch nicht viel zu merken, wohl aber von seiner Aggression anderen Hunden gegenüber. Laut der Tierpflegerin sei es wohl schon vorgekommen, dass er in so einer Situation so frustriert war, dass er den Menschen am anderen Ende der Leine gebissen habe.
    Wir haben in den Situationen, wo uns auf dem Tierheimgelände Hunde entgegen kamen häufig einfach umgedreht und ihn viel gelobt, sobald er seine Aufmerksamkeit mal vom anderen Hund abgewendet hat. Ich denke, das hat für den Moment auch ganz gut gewirkt und insgesamt wirkte der Hund auf mich auch sehr freundlich, schmusig und vor allem gelehrig.


    Die Probleme Leinenführigkeit bzw. Leinenaggression sehe ich nicht als unlösbar an, der Hund scheint einfach nur unerzogen zu sein.


    Aber wie lehrt man einem dreijährigen Hund Stubenreinheit? Lernt er das überhaupt noch zuverlässig?


    Hat da jemand schon Erfahrungen gemacht? Ich wär sehr dankbar, würdet ihr sie mit mir teilen :)


    Vielen Dank schon mal,
    die lynya

  • Hi Du!


    Das klingt nach einem schwierigen, aber nicht unlösbaren Problem.
    Zur Stubenreinheit:
    Wir haben hier Dunja, sie hat ihr ganzes Leben (ca 8-10 Jahre) im Zwinger verbracht und war nie drinnen. Trotzdem hatten wir sie innerhalb von 3 Tagen stubenrein! Nur auf Betonboden pinkelt sie manchmal, das kennt sie halt von damals und da haben wir jetzt auch nicht so dran geübt, denn das hat man in der Wohnung ja selten ;)
    Auch die Pflegis aus Mallorca werden alle innerhalb einer Woche stubenrein, man muss das aufbauen wie bei nem Welpen, nur dass es allermeistens wirklich viel schneller klappt.
    Was die Leinenaggression angeht: Ich würde von vornherein mit Hundetrainer arbeiten. Wüsstest Du jemanden?
    Hattest Du denn vorher schon einen Hund?
    Bist Du mit dem Hund alleine? Hast Du Kinder?
    Ich finde es sehr wichtig, dass Du Dir klarmachst, dass mit dieser Art von Leinenaggression nicht zu spaßen ist. Da kommt harte Arbeit auf Dich zu, das kann locker 1 Jahr dauern! Und je nach dem wie Du wohnst, musst Du viele Umwege gehen und der Hund kann kaum ohne Leine laufen.


    LG

  • Danke für deine Antwort...


    Bisher dachte ich eigentlich, dass die Stubenreinheit das größte Problem werden wird...


    Hundeerfahrung hab ich nicht, Kinder allerdings auch nicht. Mein Freund wohnt mit mir zusammen, alleine mit dem Hund bin ich also nicht. Und einen Trainer hab ich mir schon ausgeschaut/empfehlen lassen, die werde ich die Tage mal anrufen.


    Puh, dass das so lange dauern kann, hätte ich jetzt nicht gedacht. Einerseits halte ich es für recht realistisch, weil in unser zukünftiges Gassigehgebiet doch sehr gut frequentiert ist, andererseits scheint er aber so schnell und gerne zu lernen...


    Ich werde wohl Ende dieser Woche wieder zu ihm ins Tierheim fahren und mich dann noch mal ausführlicher mit ihm beschäftigen. Macht es wohl Sinn, da schon mit ihm zu üben? Zumindest was die Leinenführigkeit angeht hatte ich das schon vor, um mal zu schauen, wie "gravierend" seine Probleme da überhaupt sind. Nur, wie mach ich das am besten? Und wie verhalte ich mich dann am besten, wenn uns wieder andere Hunde über den Weg laufen? Im Moment ist er ja einfach nur froh, wenn er mal raus und Zeitung lesen darf, da hab ich schon Schwierigkeiten überhaupt zu ihm durch zu kommen. Vielleicht gehts ja mit Leckerlie besser?


    Hachja, Fragen über Fragen. Wenn jemand Anregungen hat: Her damit, bitte! :)

  • Huhu,


    also ich würde auch sagen, dass sich die Situation noch einmal ändert, wenn ihr den Hund wirklich zu euch nach Hause holt. Denn das Tierheim bedeutet noch einmal zusätzlichen Stress, wenig Auslauf, wenig Beschäftigung...


    Leinenaggressionen lösen sich natürlich nicht in Luft auf, wenn der Hund dann ein Zuhause hat, aber möglicherweise ist das eine andere Grundlage um zu arbeiten. Denn Ruhe und Entspannung im einen Bereich wirken sich positiv auf andere Bereiche aus.


    Deshalb ist es ohne Frage gut, wenn du jetzt schon versuchst, im Tierheim mit ihm zu arbeiten. Sind ja auch keine Kleinigkeiten und du solltest dir auch wirklich sicher sein, wenn du ihn zu dir holst.

  • um welche rasse handelt es sich bzw. wie groß ist denn Paul? es ist wichtig bei leinenaggression, dass du auch deinen hund halten kannst.

  • Angeblich ist Paul ein Windhund-Mix. Soll so 55 cm groß sein (gemessen hab ich ihn jetzt nicht selber^^). Halten könnte ich ihn wohl so grade eben, wenn ich darauf vorbereitet bin...

  • Oh.


    Windhunde leiden oftmals unter Schilddrüsenunterfunktion. Das könnte auch die Leinenaggression bzw. die niedrige Reizschwelle erklären. Ich gehe davon aus, dass der Hund aus Spanien ist, von dort kommen einige mit schlechten Werten. Das sollte auf alle Fälle abgeklärt werden. Bei Werten an der untersten Grenze innerhalb der Reverenz sollte auf alle Fälle TSH, T4 und T3 durch einen weiteren Bluttest bestimmt werden. Nach richtiger Einstellung ist der LA - wenn sie auf eine SD-Unterfunktion basiert - sehr gut beizukommen.

  • Hi lynya!
    Vielleicht wäre es auch eine Möglichkeit, die Hundetrainerin mit ins Tierheim zu Paul zu nehmen? Dann kann sie sich die Sache mal angucken, sieht, wie Du mit ihm umgehst und sie kann Dir dann natürlich auch eine viel bessere Einschätzung geben als wir hier.
    Sicher ist es so, dass Hunde in einem Zuhause, wenn sie sich eingelebt haben und Vertrauen gefasst haben, manchmal Verhaltensweisen ablegen bzw. sich diese deutlich mildern. Aber darauf verlassen darf man sich nicht.


    LG

  • Hallo lynya,


    Zu den medizinschen Aspekten weiß ich rein garnichts, zumindest nichts was sich auf das Verhalten auswirkt. Das Feld überlasse ich mollrops :D


    Wenn das so ein kleiner, agiler Hund ist, der froh ist, wenn er rauskommt. Da kann man keine Leinenführigkeit erwarten!
    Ich habe in meinen 2 Jahren als Gassigeherin im Tierheim noch keinen Hund erlebt, der nicht gezogen hat, wenn er endlich rauskam, auch wenn er vorher noch so leinenführig war. Der Hund will einfach weg weg weg, laufen laufen laufen.
    Ich handhabe das so, dass ich den Hund sobald wir vom Tierheimgelände runter sind an die 10 m Schleppleine nehme und erst einmal laufen lasse.
    Sind die 10 m ausgenutzt, muss der Hund entweder zu mir kommen oder sich umdrehen und schauen. Dann wird er gelobt und bekommt ein Leckerchen. Biegt der Hund an einer Möglichkeit von mehreren wegen in den einen ab, nehm ich ganz bewusst den anderen, damit er von vorneherin lernt ,an wem er sich auf diesem Spaziergang orientieren soll. Diese Richtungswechsel führe ich im Laufe des Spaziergangs möglichst häufig durch.
    In diese Austobphase bau ich ein paar Spielchen mit Stöcken ein, mit Spielzeug, Bällen ( es sei denn der Hund dreht dadurch zu sehr auf)
    ich lass ihn rennen, aber ist die Leine ausgenutzt, ruf ich ihn zu mir und lobe ihn, lass ihn manchmal noch "Sitz" machen und lobe ihn wieder (mit einem Leckerchen)
    Ach und wenn er draussen macht, egal ob groß oder klein lobe ich ihn auch jedesmal, damit die TH-Hunde ihre Stubenreinheit nicht verlernen.
    Ist der Stau, der sich die Tage über aufgebaut hat erst einmal raus, mache ich ein paar Suchspiele mit ihnen, ich verstecke Leckerlies während sie noch mit dem anderen Leckerliesuchen beschäftigt sind. Dann zeig ich mit dem Finger auf die ungefähre Position - auch das fördert das Interesse und die Orientierung an mir.
    Da ich nach dieser ersten Power-Phase durch ein Wohngebiet muss, kommt der Hund dazu wieder an die kurze Leine. Die etwas älteren, ausgeglicheneren Hunde, die vor ihrem Tierheimaufenthalt Leinenführig waren, laufen ab da auch wieder brav nebenher - gut etwas ziehen lässt sich nicht ganz vermeiden, aber die Hunde sind eben meistens schon wieder viel ausgeglichener und ruhiger.
    Kommen wir dann im Wald an kommt der ernstere , aber für den Hund auch der spannendste Teil des Spaziergangs.
    Erstmal darf er wieder an die lange Leine und rennen und zudem üben wir ein bisschen Grundgehorsam , wie Sitz, Platz, Bleib, Hier und Fuß (für Fortgeschrittene) und daneben wird der Hund noch ganz viel geistig gefordert. Ich lege eine Fährte aus Schinkenwurststückchen, verstecke ein Spielzeug unbemerkt im Gebüsch und geben den Auftrag zu suchen.

    Und gemeinerweise mit ich auch manchmal hinter Bäumen verschwunden und der Hund muss suchen.
    Ist der Hund verträglich kommen Spielpausen mit Artgenossen hinzu.
    Ist der Hund zu überdreht lege ich eine kleine Sitzpause ein, wobei ich dem Hund eine Kaustange anbiete oder wir legen eine kleine Kuschel, Schmusepause ein. Danach gehts ruhig und gelassen weiter.


    Dann müssen wir an der kurzen Leine wieder durch das Wohngebiet zurück und nach zwei Stunden kommen wir erschöpft, aber glücklich am Tierheim wieder an.


    Du wirst sehen nach so einem Spaziergang hängt der Hund mehr an dir, als nach 25 Leinenspaziergängen. Die Orientierung und Bindung ist einfach viel größer, an der kurzen Leine wirst du vom Hund viel zu leicht übersehen und vergessen.


    Hast du schon abgeklärt, ob der Hund ohne Leine verträglich ist mit anderen Hunden?
    Denn das sind sehr viele. Mit Leine machen sie ein Heidentheater und hängen sich voll rein und ohne spielen sie mit anderen Hund, zumindest des gegenteiligen Geschlechts.


    Du wirst noch an ein paar Punkten arbeiten müssen, aber wenn der Hund ausgeglichen und ausgelastet ist, weil er täglich rauskommt und auch geistig gefordert wird, ist das alles nur noch halb so schwierig.


    Die Stubenreinheit wird allerhöchstens ne Sache von einer Woche sein ;)



    LG Jana

  • Danke euch allen für eure lieben Ratschläge...


    Leider hat sich die Sache heute gravierend verändert: Nachdem Paul einen Tag nach unserem Besuch auf der Internetpräsenz des Tierheims nicht mehr zu finden war, hat mein Liebster heute doch noch mal angerufen. Mit dem (für mich ziemlich beschissenen - mein Herz ist ziemlich verloren an dieses Tier - für Paul aber hoffentlich guten) Ergebnis, dass er bereits vermittelt ist.


    Da verliebt man sich in einen Hund, macht sich monatelang Gedanken, rechnet, informiert sich, organisiert (vom Futter bis zum Trainer alles) und einen Tag nach der Entscheidung pro Hund - pro Paul, wird dieser Hund, der jetzt seit fast nem Jahr im Tierheim sitzt plötzlich vermittelt. :kopfwand:


    Hauptsache er hats jetzt gut.

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