Therapiehund, ein geschützter Begriff?

  • Zitat

    Finanziell sollten meiner Meinung nach Hundebesuchsdienste eine kleine Aufwandsentschädigung bekommen. Mit professioneller kynotherapeutischer Arbeit hingegen kann man durchaus seinen Lebensunterhalt verdienen; ich tue dies zum Beispiel.


    Hi Lutz,


    mir kommt ehrlich gesagt ein sehr ungutes Gefühl auf, wenn jemand für so einen Besuchsdienst, wie mein (Ex)Mann es macht, Geld verlangt. Oder meintest du nur extra ausgewiesene Fahrtkosten und vielleicht eine Hundesteuerbegünstigung von der Gemeinde?


    Die Zeit des Hundeführers bezahlen zu wollen, wenn es um reinen Besuchsdienst geht, das geht doch nicht, das ist vom Prinzip her genauso, als würde man Geld dafür verlangen, einmal die Woche zum Kaffeekränzchen ins Altersheim zu gehen. Das wäre menschlich gesehen total armselig.


    Liebe Grüße
    Kay

  • Hallo Kay,


    hast Recht; deshalb spreche ich auch ausdrücklich von einer "Aufwandsentschädigung" und nicht z.B. von einem Honorar. Ich weiß, dass einige Vereine, die hier in Berlin solche Hundebesuchsdienste organisieren (wir nicht!!!), ca. 20€ pro Stunde nehmen und davon 5€ bis 10€ an den Hundehalter weiterleiten für Fahrkosten, extra Leckerli, etc. Werten möchte ich diese Praxis nicht; auf jeden Fall funktioniert sie und bringt damit vielen pflegebedürftigen Menschen Freude und Abwechslung.


    Zu kritisieren ist meiner Meinung nach lediglich die mangelnde oder komplett fehlende Ausbildung von Mensch und Hund, weshalb wir relativ oft von kleinen, aber doch unschönen Zwischenfällen hören.


    Es wird halt oft vergessen, dass auch der freundlichste Retriever immer noch ein Raubtier ist, welches beim Überschreiten einer bestimmten Reizschwelle aggressiv reagieren kann. Es entsteht dadurch kein nennenswerter Schaden (materiell oder gesundheitlich), aber es ist dem Ruf der Tiergestützten Therapie (wozu mangels Abgrenzung leider auch die Besuchshunde oft gezählt werden) nicht gerade zuträglich.


    Aber ich denke schon, dass jemand, der sich ehrenamtlich in diesem Bereich engagiert, wenigstens seine Unkosten erstattet bekommen sollte (nicht die Zeit!). Sieh es doch mal von der anderen Seite; nämlich aus der wirtschaftlichen Sicht der Heime. Ich kann hier natürlich nur von Berlin reden, aber hier gibt es inzwischen ein Überangebot an Heimplätzen. Die Heime müssen sich ziemlich strecken, um genügend Bewohner zu bekommen, und dazu liegt es auch im Interesse der Heime, eine umfangreiche Betreuung anzubieten. Für viele Menschen gehören regelmäßige Tierbesuche ganz einfach dazu, das heißt so ein Hundebesuchsdienst gehört auch zur marketingstrategie moderner Heime - und profesionelle Tiertherapeuten natürlich noch mehr. Und ehrlich gesagt: Dafür können die Heime auch einen Obolus entrichten.


    Unsere Praxis zeigt ja, das sie dies auch tun, und zwar sogar gerne, denn die Bedeutung einer regelmäßigen tiergestützten Betreuung ist mittlerweile zum Glück allgemein bekannt.


    Mit der Hundesteuer haben die betreuten Einrichtungen leider nichts zu tun; hier bewegen wir uns noch immer auf Terra incognita. Beispiel: unsere Angestellte hat vom Bezirksamt ihres Bezirkes eine Steuerbefreiung erhalten, unser Antrag (anderer Bezirk) wurde abgelehnt. Trotzdem natürlich immer versuchen!


    Viele Grüße
    Lutz

  • Die Praxis nicht werten, hm. 20 Euro pro Stunde für einen gesellschaftlichen Besuch bei älteren Leuten im Heim -- das ist irgendwie schon eine Wertung in sich.


    Zitat

    Aber ich denke schon, dass jemand, der sich ehrenamtlich in diesem Bereich engagiert, wenigstens seine Unkosten erstattet bekommen sollte (nicht die Zeit!).


    Fahrtkosten ist eine Sache. Alles andere kann man genausogut als sinnvolle Beschäftigung der Hunde ansehen.


    Stell dir vor, ein paar unternehmerisch pfiffige Altersheimbewohner würden auf die Idee kommen, den Spieß umzudrehen. Die älteren Leute könnten ja genausogut Geld für die einmaligen Kopfarbeit-, Koordinations- und Sozialisierungsmöglichkeiten verlangen, die sie da den Hunden bieten... Von der Sache her wäre die Logik genauso schlüssig.


    Die Kommerzialisierung ganz normaler zwischenmenschlicher Beziehungen muss man als Hundehalter Gott sei dank nicht mitmachen.


    Liebe Grüße
    Kay

  • ... darum sag ich ja: keine Wertung :smile:


    Mit der "sinnvollen Beschäftigung" legst Du den Finger auf einen ganz, ganz wunden Punkt. Grundsätzlich hast Du absolut recht: Richtig vorbereitet und ausgeführt ist das eine ganz tolle geistige Auslastung für den Hund, und die kommt neben der körperlichen (3x am Tag 10 Minuten Bällchen werfen ;) ) leider oft zu kurz.


    ABER es gibt glaube ich kaum einen anderen Einsatzbereich für Hunde, bei dem der Grat zwischen Aus- und Überlastung so schmal ist. Und ohne ein fundiertes Fachwissen zu Themen wie Körpersprache, Stress, Lernverhalten, Motivation, etc. wird dieser Grat leider noch zu oft überschritten, und dann ist es für den Hund alles andere als positiv, besonders wenn man es regelmäßig macht.


    Für uns kann ich sagen, dass wir und unsere Hunde mit dieser Arbeit bestens klarkommen. Das nötige Wissen haben wir, und wir sorgen ganz bewusst für einen, wie soll ich es formulieren? - ausgleichenden Gegenpart zu dieser "positiven Belastung". Damit meine ich eine optimale, natürliche Fütterung, soweit möglich den Verzicht auf Chemie (in den Bereichen Tiermedizin, Wurmkur, Zeckenvorbeugung, etc), und genug Möglichkeiten zur Entspannung (gezielter Hundekontakt, Spaziergänge, Entspannungstherapie, etc.). So macht das Leben und Arbeiten mit fröhlichen, gesunden Hunden Spaß; und das unsere Hunde auch nach jahrelanger Praxis total gerne zur "Arbeit" gehen spricht glaube ich für sich :smile:


    Viele Grüße
    Lutz

  • :???:
    Ein gesunder Lebensstil -- deine Ausführungen dazu unterschreibe ich übrigens in allen Punkten, ich machs selbst nicht anders -- hat doch nichts damit zu tun, ob man für den Besuchsdienst Geld nimmt oder nicht.


    Auch die Qualität der Vorbereitung auf den Besuchsdienst hat nichts damit zu tun, ob selbige bezahlt wird oder nicht -- leider, meine ich, denn ich fände es durchaus angebracht, dass gute Trainer auch gut bezahlt würden und schlechte lieber gar nicht erst aufgesucht. Schön wärs jedenfalls.


    Aber ob die Vorbereitung auf den Besuchsdienst gut oder schlecht ist, das dürfte eher Glückssache sein. Jedenfalls bin ich sehr froh, die hiesige ehrenamtlich arbeitende Tiere-Helfen-Menschen-Trainerin erlebt haben zu dürfen: Von ihr habe ich nämlich sehr viel gelernt, genausoviel wie von den 1-2 besten Berufstrainern, die ich bisher kenne, sprich bedeutend mehr als von den meisten.


    Mir geht das von dir beschriebene Bezahlungsmodell nicht aus dem Kopf. Mein Gott, das muss man sich erst vorstellen können, dass sich ein Hundetrainer über Wochen und Monate (Jahre??) jede Stunde bezahlen lässt, in der „seine“ Hundehalter zum Besuch ins Altersheim gehen. Sowas ist einfach unter aller Würde.


    Liebe Grüße
    Kay

  • Hallo Geordie,


    dieses "Bezahlmodell" für von Vereinen (wie gesagt nicht von unserem) organisierte Hundebesuchsdienste ist ziemlich weit verbreitet. Solange es sich dabei nur um die schon besprochene Aufwandsentschädinung handelt finde ich das auch ok.


    Aber ich möchte noch mal den Unterschied zu unserer Arbeit deutlich machen, die wir - mangels einer klaren Abgrenzung der Begriffe - als Kynotherapie bezeichnet haben. Diese hat mit einem Hundebesuchsdienst nicht mehr viel zu tun; es handelt sich hierbei vielmehr um eine hochqualifizierte, therapeutische Tätigkeit. Sie setzt eine umfangreiche Ausbildung und ständige praktische und Theoretische Weiterbildung von Hund und Mensch voraus. Daraus resultierend sind wir in der Lage, die für unsere Arbeit nötigen Befundungen zu erstellen und mit unseren Klienten (wir sprechen nicht gerne von Patienten) gezielt und effektiv therapeutisch zu arbeiten. Auch wenn die Kynotherapie noch nicht stattlich anerkannt und damit auch noch nicht von den Kassen bezahlt wird, kann sie sich ohne weiteres z.B. neben der Ergo einordnen. Der Mensch als Kynotherapeut ist hierbei derjenige, der die Arbeit macht; der Hund ist dabei Motivator. Neben den oben beschriebenen Aus- und Weiterbildungen für Hund und Mensch ist es außerdem notwendig, mehrere einsatzfähige Tiere zu haben, um eine Überlastung ausschließen und trotzdem alle Termine wahrnehmen zu können. All das lässt sich auf diesem Niveau nicht nebenberuflich realisieren. Deshalb haben wir daraus einen Vollzeit-Job gemacht. Eben ganz wie andere Therapeuten, nur dass uns nicht die Kassen, sondern die Heime (natürlich nicht deren Bewohner!!!) bezahlen. Und Du kannst mir glauben: die Heime sehen sehr genau hin, wofür sie wieviel Geld ausgeben!


    Diese Arbeit würde es also ohne das von Dir angesprochene Bezahlmodell nicht geben. Darum ist es so wichtig, den Unterschied zwischen Hundebesuchsdiensten (die wir übrigens auch in keiner Weise als Konkurrenz, sondern als ganz tolle Ergänzung zu unserer Arbeit ansehen - Thema ganzheitliche Betreuung, aber das führt hier zu weit) und der Kynotherapie klar zu definieren. Gleichzeitig ist das schwer, weil die Kynotherapie noch sehr unbekannt ist. Hier in Berlin haben wir in den vergangenen Jahren aber fleißig daran gearbeitet und die Kynotherapie ziemlich bekannt gemacht.


    Für mich kann ich sagen, dass es eine ganz tolle Arbeit ist. Ich arbeite gerne mit Menschen und Hunden; und wenn ich sehe, was man mit einer qualifizierten Therapiearbeit alles erreichen kann und wieviel Freude die Hunde an dieser Arbeit haben (wenn man's richtig macht ;) ), dann bereue ich die viele, viele Arbeit, die zur "Erschaffung" unserer Branche erforderlich war in keiner Weise. klar könnte ich woanders mehr verdienen, aber ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und gehe mit meinen Hunden tag für Tag immer wieder gerne zur Arbeit - wer kann das schon von sich behaupten :smile: ?!


    Viele Grüße
    Lutz

  • Moin, Moin!


    Meine Emma und ich sind seid Januar ein fertig ausgebildetes Therapiebegleithundeteam :D !
    Die Ausbildung hat 1 Jahr gedauert. Es fing mit 2 Theorieblöcken an, indem der Umgang mit einem Therapiebegleithund, erste Hilfe am Hund, rechtliche Dinge und Einsatzmöglichkeiten durchgearbeitet wurden. Dann folgten 2 Praxisblöcke über je 1 Wochenende mit unseren Hunden. Hier wurden verschiedene Kommandos eingeübt, die die Hunde im tiergestützten Alltag benötigen, sowie Tricks!!! Es wurde einem gezeigt, wie man mit dem Hund umzugehen hat, eine intensive Bindung zum Halter wurde gefördert. Das letzte war dann ein Prüfungsvorbereitungswochenende und direkt im Anschluß ein schriftlicher Teil, ein Video von der eigenen Arbeit mit dem Hund und passendes Referat und Prüfung mit Hund!!!


    Diese Ausbildung an dem Institut können nur Menschen mit vorheriger Ausbildung im pädagogischen oder therapeutischen Bereich machen. Das heisst: Ergotherapeuten(so wie ich ;) ), Logopäden, Physiotherapeuten, Lehrer, Sozialarbeiter, Psychologen,Erzieher, etc.....


    Mir macht die Arbeit mit Emma sehr viel Spaß und das merken auch die Patienten...Es ist sehr erfüllend und man bewirkt sehr viel bei den Patienten! Ob Kind, Schlaganfallpatient, Pat. mit Demenz, Bettlägerige, psychisch Erkrankte, usw....


    LG Kati

  • Zitat

    Diese Arbeit würde es also ohne das von Dir angesprochene Bezahlmodell nicht geben.


    :???:


    Das Bezahlmodell, was ich angesprochen hatte, war die von dir beschriebene Praxis, dass ein Hundetrainer 10-15 Euro für jede Stunde kassiert, in der einer "seiner" Hundehalter einen Besuch im Heim abstattet.


    Ich hoffe, du hast dich nur missverständlich ausgedrückt und meinst nicht wirklich, dass so eine Praxis die Arbeit eines qualifizierten Therapeuten erst ermöglicht -- ? Das wäre ja noch schöner :/


    Liebe Grüße
    Kay

  • Nein, da sind wir uns völlig einig. Übrigens sind es keine Hundetrainer, die ihre Leute in die Heime schicken. Es sind Vereine, die sich nur auf die Organisation solcher Hundebesuchsdienste spezialisiert haben. Diese Vereine suchen immer interessierte Hundehalter, denn der Bedarf in den Heimen ist groß. Einige Vereine verpassen den Haltern eine kurze Schulung und unterziehen den Hund einem kleinen Test, und dann gehts los.


    Ich stehe dieser Praxis recht neutral gegenüber. Einerseits sehe ich ihre gravierenden Schwachpunkte, andererseits begrüße ich das Engagement, das ja letztlich völlig im Interesse der Bewohner der besuchten Heime ist. Gut finde ich auch, dass es dort Ansätze gibt, den Hundehaltern zumindest ein Minimum an Wissen mit auf den Weg zu geben. Ist zumindest der erste Schritt auf einem noch langen, langen Weg.


    Und die Finanzen? Da es ja nicht die Bewohner der Heime sind, die es bezahlen müssen, ist mir dieser Punkt relativ egal. Hast Du ne Ahnung, wieviel Heime z.B. für einen Musiktherapeuten ausgeben? Wenn sie für die gleiche Summe statt einer Musikveranstaltung 3 bis 5 (oder noch mehr) Hundebesuche bekommen, ist es auf jeden Fall gut angelegtes Geld. Einen Teil davon bekommt wie gesagt der Hundehalter als Aufwandsentschädigungen, mit dem Rest finanzier der Verein seine Arbeit. arum denn nicht? Es schädigt niemanden, und es hilft vielen!


    Unsere Arbeit vergleiche ich wie gesagt damit gar nicht. Außer dass ein hudn dabei ist hat sie damit nichts gemein. Wollte nur sagen, dass auch unsere Arbeit ohne das Prinzip "Bezahlung für Leistung" nicht funktionieren würde; war also wirklich etwas missverständlich formuliert.


    Viele Grüße
    Lutz

  • Hi


    Leider ist es kein geschützer Begriff, da müsste erst die Ausbildung dazu vereinheitlicht werden.


    (Wobei da schon vieles gut läuft. Laut der Inhalte von verschiedenen Seminaren über die ich mich informiert habe sind viele Ausbildungen ähnlich)


    Ich musste gerade an eine Mietpartei denken, mit der ich in einem Mehrfamilienhaus gewohnt hab, die gaben ihre Hund als Therapiehunde aus.... dabei waren die meine Meinung nach nichtmal erzogen. Bellten immer wenn jemand zur Tür reinkam, einer der Hunde lies mich nichtmal die Trepper runter...


    Naja, sicher waren die Hunde für die Familie eine Art Therapie, in dem Haus haben einige Assos gewohnt, aber Therapiehunde wie wir sie verstehen waren sie nicht.

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