konditionierte emotionale Reaktion und Angst

  • Ich hab da mal ne Frage an die Experten, denn ich bin grad ein wenig verwirrt:


    Es heißt immer wieder, man soll einen Hund, der Angst hat, nicht trösten, weil man sonst sein ängstliches Verhalten belohnt.


    Aber andersrum ist es doch möglich per Gegenkonditionierung die Gefühle, die ein Reiz auslöst zu verändern....


    In meinen Augen wiedersprechen sich die beiden Theorien (zumal im ersten Fall die Gefahr der Furchtkonditionierung nicht ausgeschlossen wird)


    Kann jemand das ganze so erklären, dass ich es verstehe und (noch wichtiger) dass ich es in Zukunft erklären kann...


    Vielen Dank schon mal

  • Ich hab mir das immer so erklärt, daß mit "trösten" ein "ach du aaarmes Hundchen, ja hast du Angst?", vorgetragen mit mitleidendem Blick des HH gemeint ist. Das vermittelt dem Hund, daß die Situation wirklich nicht ganz geheuer ist, wenn schon der HH so komisch reagiert.
    Wenn meine Hündin vor einem Gegenstand Angst hat, dann gehe ich hin, locke sie freudig zu mir & erklär ich ebenso erfreut, wie super das Teil ist. Nicht übertrieben, das würde sie genau so verunsichern. Einfach so, wie ich sie auf etwas Tolles aufmerksam machen würde. Funktioniert bei uns prima, erklären warum kann ich aber leider nicht.


    Dafür hab ich ne Gegenfrage: Kannst du mir bitte erklären, was "Furchtkonditionierung" ist? ;)
    Edit: Habs schon rausgefunden!

  • Danke Zora...


    so rein praktisch mache ich es ähnlich wie Du, aber mich hat jetzt mal der Lerntheoretische hintergrund interessiert.


    Vielleicht haben wir ja Glück und es erklärt uns noch jemand, warum das, was wir aus dem Bauch raus machen richtig ist, bzw. was wir besser oder anders machen könnten.


    (Wobei ich da mit Lotte garkeine Probleme habe, die hat vor nix Angst...)


    Also, ich freu mich über zahlreiche Beiträge und ne rege Diskussion...

  • Interessante Frage. :roll:


    Bin kein Experte, aber ich denke, "trösten" ist a) ein ungewöhnliches Verhalten, welches also dem angstauslösenden Reiz auch eine ungewöhnliche Bedeutung gibt, und b) ist es deutlich bestätigend. Wenn ich Rhian tröste, reagiert sie praktisch gleich wie wenn ich sie überschwänglich lobe - von da her wäre es eine Bestätigung der Angst.


    Gegenkonditionierung, um die emotionale Reaktion zu verändern, arbeitet im viel niederschwelligeren Bereich, bevor der Reiz übermächtig wird. Beispielsweise, wenn der Hund noch Futter nimmt. Das muss kommen, bevor der Hund Angst zeigt. Oder wenn er eine milde Furcht überwindet, und sich dem angsteinflössenden Ding nähert. Er muss noch lernfähig sein, einen panischen Hund kann man auf dem Level nicht gegenkonditionieren.


    Nochmal was anderes ist eine klassisch konditionierte Entspannung, damit kann man den Hund auf ein etwas niedrigeres Erregungsniveau bringen, evt. sogar ansprechbar machen. Das ist aber nicht trösten, sondern eine vorher in neutraler Situation gut konditioniertes Ritual, dessen Wirkung nicht der Kontrolle durch das Bewusstsein unterliegt.


    Just my 2 Cents.....

  • Zitat

    Interessante Frage. :roll:


    Bin kein Experte, aber ich denke, "trösten" ist a) ein ungewöhnliches Verhalten, welches also dem angstauslösenden Reiz auch eine ungewöhnliche Bedeutung gibt, und b) ist es deutlich bestätigend. Wenn ich Rhian tröste, reagiert sie praktisch gleich wie wenn ich sie überschwänglich lobe - von da her wäre es eine Bestätigung der Angst.


    Dass Trösten als "seltsames Verhalten der Bezugsperson" den Hund zusätzlich verunsichert leuchtet mir ein.


    Den Rest der Erklärung kenne ich auch so, allerdings meine ich irgendwann mal gelesen zu haben, dass es nicht möglich ist, Gefühle zu belohnen oder zu bestärken. Damit würde also nicht die Angst belohnt werden, sondern höchstens die dazugehörigen Verhaltensweisen.


    Der Hund würde sich also unter Umständen zwar noch so verhalten, wie es bei Angst der Fall ist, aber diese Angst nicht mehr empfinden??? Ich bin verwirrt...


    Hm... ob das dann auch auf Aggression zutrifft?


    Abgesehen davon, Nijra: Schöne Beschreibung der Gegenkonditionierung!! Dank Dir :gut:

  • Man kann Angst durch für den Hund angenehme Zuwendung nicht verstärken. D.h. wenn man sich über den Hund beugt, um ihn zu streicheln und er mag es nicht, verstärkt man die Angst. Hund auf den Arm nehmen, wäre auch nen gutes Bsp. ;)


    Bei dem Hund meiner Mitbewohnerin ist es so, dass mMn die äußeren Anzeichen für Angst verstärkt wurden. Also innerlich hat er wahrscheinlich sogar weniger Angst als früher (ist nen Spanier aus Tötungsstation...), nur zeigt er wirklich überdeutig, wenn er Angst hat.


    Bei meiner verstorbenen Dobihündin hatte ich das Drohen, also Schneidezähne zeigen, verstärkt, sie hat dadurch sehr lange gedroht. War bei fremden Hunden ne ziemliche Zicke. :D


    Die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund eher und intensiver drohen wird, ist hoch. Heißt, Hund sagt immer eher und deutlicher bescheid, wenn da etwas Pöses ist. Und wenn Hund in der Situation den Click erwartet, ist er ansprechbarer, weil mit einem Ohr bei dir. ;)


    LG Theresa

  • Zitat


    Es heißt immer wieder, man soll einen Hund, der Angst hat, nicht trösten, weil man sonst sein ängstliches Verhalten belohnt.


    Aber andersrum ist es doch möglich per Gegenkonditionierung die Gefühle, die ein Reiz auslöst zu verändern....


    Die Theorien widersprechen sich m.E. nicht.


    Wenn ein Hund in einem Angst/Panikzustand ist, dann sollte ein souveräner HH sowohl seinen Hund als auch die angstauslösende Situation weitgehends ignorieren und gelassen abwarten, bis sein Hund wieder ansprechbar ist.


    Bei einer Gegenkonditionierung von Angstzuständen ist man hingegen darauf angewiesen, dass sein Hund aufmerksam und ansprechbar ist, um sich behutsam, gezielt und schrittweise an die "Schmerzgrenze" heranzutasten und sie nach und nach zu verschieben.

  • Öhm, Theresa... ich bin mir grad nicht sicher, ob ich Deinen Post richtig verstanden habe, ich versuche mal, es mit eigenen Worten wiederzugeben:


    1. Möglichkeit: Ich versuche meinen ängstlichen Hund zu trösten, verhalte mich aber so, dass es dem Hund unangenehm ist (was ja je nach Hund ganz unterschiedlich sein kann) und verstärke dadurch seine Angst, weil zum angstauslösenden Reiz auchnoch die "bestrafung" sprich unangenehme Zuwendung des Halters kommt


    2. Möglichkeit: Ich belohne meinen Hund wenn er ängstliches (oder aggressives) Verhalten zeigt. Dadurch verstärke ich zwar Verhaltensweisen, die normalerweise Angst oder Aggression ausdrücken sollen, aber nicht das Gefühl selbst, was im Grunde den Hund zu einem Schauspieler erzieht... (Er lernt Knurren oder ängstlich gucken ebenso wie andere Tricks)


    3. Möglichkeit: eben wuste ich noch eine Dritte, ist mir grad entfallen.... :headbash:


    suoma: Dass es die Angst eines Hundes verstärkt, wenn der Halter sich angesichts des Reizes seltsam verhält, ist klar. Dass ein Halter, der selbst keine Angst hat/zeigt mehr sicherheit ausstrahlt, ist auch klar.


    Aber ich hatte den Text in meinem Link so verstanden, dass durch körperliche Zuwendung verschiedene Hormone ausgeschüttet werden, die den Hund beruhigen (Oxitocin war es, wenn ich mich recht erinnere). Allein das sollte gegenkonditionierend wirken.


    Wirklich bewußt und gezielt kann man natürlich nur daran arbeiten, wenn der Hund aufnahmebereit ist, was sich ja leicht daran bemerken lässt, dass er bereit ist, leckerchen aufzunehmen.


    Ich danke Euch auf jeden Fall für Eure Beiträge und werde über das ganze nochmal schlafen ;)


  • Ja, genau. Richtig 'übersetzt'. :smile: Zu 2. will ich noch hinzufügen, dass es bei den äußeren Reaktionen drauf ankommt, wie bewusst dem Hund sein Verhalten ist. Denken kann auch der Hund nur im Vorderhirn. 'Steckt' er im Hinterhirn fest, kann er nimmer denken. Das sind alles Reaktionen, die unbewusst ablaufen.


    Also ich glaube bei Teddy schon, dass er in den Situationen, wo er Angstreaktionen zeigt, auch welche empfindet.


    Zum Oxytocin. Das ist ein Bindungshormon. *fachsimpel* Und wird ausgeschüttet bei festem Streicheln, aber auch, wenn Hund sich an dich drückt, beim Körperband nach TT. Ich glaub, es dauert so ein bis zwei Minuten bis der Körper mit der Ausschüttung beginnt. Dadurch entspannt sich der Hund und Entspannung führt zu verringerter Angst. Weil Entspannung und Angst quasi Gegenspieler sind.


    Was mir grad noch einfällt... Ob man die Angst oder Aggression verstärkt, ist auch davon abhängig, wie der Hund aus der Situation gebracht wird.


    Möglichkeit 1: Hund sieht etwas, erschrickt, darf fliehen.


    Möglichkeit 2: Hund sieht etwas, erschrickt, Mensch fragt Alternativverhalten ab, Hund macht, Click, Mensch sagt 'Flucht' (benennen, weil als Belohnung einsetzbar), fliehen bzw. geordneter Rückzug.


    Frag ruhig nach, wenn irgendwas verwirrend rüber kommt. :ops:

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