Vererbte Rudelstellung II

  • Hey wildsurf & WELSH-AUSSIE



    Ich sehe es weder als Methode noch als Theorie, sondern höchstens als eine Annahme (Hypothese).



    Sinngemäße Kurzform.


    Dass so wenig als möglich vom Menschen beeinflusst, soll heißen, nach der Geburt nicht dem üblichen Prozedere durch den Züchter z. B. aus dem Nest nehmen zum Wiegen usw.
    Denn dadurch würde die (vererbte Rudelstellung) Liegepositionen der Welpen, so sehr durcheinandergebracht, dass es ihnen schwerfällt (zu großer Kraft aufwandte usw.), in die richtigen Liegepositionen zurückzugelangen.
    Die ist aber notwendig, so die Annahme, damit die Kleinen sich frühzeitig professionalisieren können, und nicht durch das Handling des Züchters, ihre vererbte Rudelstellungsfähigkeit verlieren.



    Der Mensch hat das Sozialverhalten von Hunden tief greifend verändert (D. U. Feddersen - Petersen).

  • Ich beeinflusse meine Hunde auch tagtäglich!


    Zum einen, weil man nunmal nicht auf einer einsamen Insel lebt, aber zum anderen auch, weil ich gerne mit ihnen allen kommuniziere mittels Gesten, Handlungen, Worten, Streicheleinheiten, Kuscheln, Spielen, Leckerlis geben....... nicht, weil ich sie "beherrschen" möchte, sondern weil ich nunmal mit "meiner Familie" gerne rede :)


  • hm.


    ich stimme da Feddersen-Petersen zu: ja, "der mensch" hat das sozialverhalten von hunden verändert - er verändert es immer noch. und nicht nur das.


    und ja, das hatte seine gründe. je nach zeitalter wichtige und richtige gründe. je nachdem, wofür man sie grad brauchte.


    und ja, ich bin der meinung, dass auch unsere vorfahren bereits "eingriffen", sehr frühzeitig - ich denke, jeder hirte wird sich wohl die welpen seiner hütehündin genauer angeschaut haben - vielleicht, um die körperlich schwächsten auszuselektieren, vielleicht um frühzeitig zu erkennen, ob der eine oder andere schon ein besonders erwünschtes verhalten zeigt, auch unsere vorfahren werden schon geschaut haben auf den gesundheitszustand, darauf, welches geschlecht die welpen haben usw. usw. usw. - ich kann mir eine vielzahl von gründen vorstellen, warum vor hundert oder tausend jahren da der mensch schon "eingegriffen" hat.


    und ich denke nicht, dass so ein hirte auf irgendwelche liegepostionen geachtet hat - sondern für den war nur wichtig, ob da ein wurf guter hütehunde lag, die er später entsprechend verwenden konnte.


    dem hirten wirds auch völlig egal gewesen sein, welcher hund welche "rudelstellung" eingenommen hat, oder welcher hund wo gerne gelaufen wäre - der hirte hat den hund da hin geschickt, wo das vieh war und der hund sollte seinen job tun.


    die haben damals lediglich in "brauchbar" und "nicht brauchbar" eingeteilt - höchstwahrscheinlich ziemlich gnadenlos. je nachdem, auf welche art das vieh gehütet werden sollte und um welches vieh es ging und in welchem gelände und ob die hunde eng mit dem menschen arbeiten sollten oder eben selbstständiger - genau danach wurde selektiert.


    auf deutsch: die sollten schafe schubsen - und nicht im stuhlkreis rudelstellungen besprechen.

  • Und wenn ich Dinge wie wiegen beim Wurf sein lasse, kontrolliere ich die Entwicklung der Welpen wie? Wie funde ich raus, dass Welpe X im Vergleich zum restlichen Wurf zu wenig zunimmt und daher an eine bessere Zitze gelegt werden muss? Das kann lebenswichtig sein..
    Der Wurf muss durch den Zuchtwart abgenommen werden, er muss entwurmt und geimpft werden.. Alles Aktionen/Manipulationen durch Menschen, die sein muessen..
    Wobei ich 'drueben' nicht gelesen habe, das wiegen etc. nicht stattfinden soll. Der Welpe soll nur wieder exakt so zurueck gelegt werden, wo/wie er vor dem rausholen lag..

  • Zitat

    Wobei ich 'drueben' nicht gelesen habe, das wiegen etc. nicht stattfinden soll. Der Welpe soll nur wieder exakt so zurueck gelegt werden, wo/wie er vor dem rausholen lag..



    Das stimmt. Aber ich habe meine Welpen nie rausgenommen, wenn sie am Schlafen oder am Trinken waren. Nur wenn sie zum Gesäuge hin und von dort wieder weggerobbt sind, also aktiv waren. In der Zeit, die ich brauche, um einen zu wiegen und kurz anzuschauen, ob alles ok ist (Nabel etc) haben die anderen sich ja auch schon wieder weiterbewegt. Setze ich ihn also dahin zurück, wo ich ihn gegriffen habe, ist er ja "seiner Zeit hinterher", normal wäre er ja gar nicht mehr da.


    Was ist mit dem Welpen die die Mutter entweder durch tragen woanders platziert oder aber beim Beleken etwas wegschiebt?

  • Zitat

    auf deutsch: die sollten schafe schubsen - und nicht im stuhlkreis rudelstellungen besprechen


    Vor zwei Jahren habe ich eine 80 jährigen Schäfermeister aus dem Oderbruch getroffen und mich sehr lange mit ihm unterhalten. Er hat mir erzählt wie er seine Würfe gezogen hat. Die Hündinnen haben die Welpen immer im Ehebett des Schäfers geworfen. Der Schäfer seine Frau, die Hündin und ihre Welpen, haben dann bis zur 4. Lebenswoche der Welpen zusammen in dem Bett geschlafen.
    Dann wurde der gesamte Wurf mit der Hündin in den Schafstall gebracht. In der
    6. Woche wurden die Welpen einzeln an die Schafe herangeführt, wurde ein Welpe durch die Schafe verletzt, wurde er aussortiert. Nur die, die es unverletzt überlebt haben, wurden weiter aufgezogen. Mit 12 Wochen wurde noch mal selektiert und nur die Welpen, die dann schon Hüteverhalten anzeigten und unverletzt geblieben sind, hat er behalten. Der ein oder andere Welpe ist leider auch im Bett von dem Schäfer oder seiner Frau im Schlaf zerdrückt worden. Oft sind von einem 6-8ter Wurf nur ein oder zwei Welpen „übrig“ geblieben.
    Für mich war das absolut unvorstellbare und das hatten der Schäfer und seine Frau mir natürlich auch angesehen. Seine Frau sagte dann zu
    mir, dass sie sich auch erst daran gewöhnen und einsehen musste, dass das unbedingt nötig war, um richtig gute Hütehunde zubekommen. Sie haben mir auch erzählt, dass viele Schäfer ihre Würfe so aufgezogen haben.

  • Danke für diesen interessanten Einblick. Selektion war bei arbeitenden Hunden schon immer knallhart, und es wurde auf Arbeitseignung selektiert, nix anderes. Laufen in Rudelstellung (falls es dies in der unflexiblen Form je gegeben hat) war für die wenigsten Hunde nötig, eher hinderlich. Also wäre seit Hunderten von Jahren dagegen selektiert worden, Hunde, die sowas nicht brauchen wären bevorzugt worden. Die Hunde sollten sich schon immer am Menschen orientieren, mit diesem kommunizieren und zusammenarbeiten. Ausnahmen wären selbständige Herdenschutzhunde und Jagdhundemeuten - wobei Laufordnung-Rudelstellungen eher nur für letztere relevant wären.


    Aber da passt es wieder nicht. Jagdhundemeuten waren und sind üblicherweise viel grösser, da leben und arbeiten Hunde im Mehrfachbesatz harmonisch miteinander. Da wurden keine passenden Siebnerwürfe gepäppelt/zusammengestellt, die Hunde wurden u. a. auf Verträglichkeit gegen Artgenossen selektiert; sie mussten in grösseren Verbänden zurecht kommen. Es gibt da zwar Strukturen und "Leaders", aber nix so rigoroses, das würde nicht rentieren. Der Erkundungsdrang von Junghunden wird durch einen Koppler an zuverlässige Althunde verhindert, das spart dem Menschen auch Einzelerziehung.


    Es mag sein, dass es in ganz speziellen Fällen Leute gibt, die mit einem abgestimmten Team von 4 - 7 Hunden ganz spezielle Beute jagen, aber daraus für sämtliche Haushunde gültige angeborene Verhaltensmerkmale ableiten zu wollen, ist doch sehr gewagt. Wahrscheinlicher ist, dass solche Praktiker ihre Hunde durch Selektion und Ausbildung passend machen - wer nicht passt, fliegt raus.


    Es ist mir ein Rätsel, wieso man solche Verhaltensmuster, ob real oder fiktiv, beim heutigen Haushund, der als Begleiter im meist dörflichen oder urbane Umfeld lebt, als erstrebenswert ansieht. Stichwort war vermutlich das "natürliche Verhalten", was immer das beim heutigen Haushund sein mag. Hunde wieder mehr Hund sein zu lassen tut sicherlich Not, wenn ich mir den verkrampften Kontrollzwang vieler HH ansehe. Dazu brauchen wir aber nicht neualte rigorose Schablonen, sondern bessere Kenntnis über rassetypische Bedürfnisse und Ausdrucksverhalten der Hunde. Wir wollen doch einen Hund, der gern mit uns arbeitet, nicht einen, der uns nur als drittklassigen Schauspieler in Hunderolle wahrnimmt. Ich sorge im Idealfall dafür, dass der Hund seinen rassetypischen und individuellen Anlagen nachgehen kann, verlange dafür aber auch eine gewisse Disziplin. Das Laufen in Stellung ist da (abgesehen vom Radius, der keine Stellung ist) für die meisten Hunderassen von untergeordneter Bedeutung auf der Bedürfnisskala.


    PS:
    Was mir auch gar nicht einleuchtet ist der evolutionäre Nutzen, den die rigorosen Rudelstellungen den Caniden bringen sollen. Ideale Rudel würden nach der Hypothese tatsächlich einen Vorteil haben und mehr Welpen aufziehen, aber sie könnten genau deshab die ideale Siebnerkonstellation nicht aufrechterhalten. Und jeder Abgang und jede Doppelbesetzung würde sie laut Theorie in enormen Stress stürzen. Die ideale Konstellation wäre so selten und so kurzlebig, dass die Nachteile des unflexiblen Stellungssystems überwiegen würden.


    Da hätte es eine Spezies viel leichter, die zwar kein ideales Rudel kennt, bei der aber Störungen im Verband durch Lernverhalten und Anpassung an Umweltbedingungen relativ kostengünstig abgefangen werden können. Genau das war und ist der evolutionäre Vorteil höher entwickelter Tiere - die Lernfähigkeit, die eine flexible Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen ermöglicht. Beim Haushund sehr deutlich ausgeprägt.

  • Zitat


    Was mir auch gar nicht einleuchtet ist der evolutionäre Nutzen, den die rigorosen Rudelstellungen den Caniden bringen sollen. Ideale Rudel würden nach der Hypothese tatsächlich einen Vorteil haben und mehr Welpen aufziehen, aber sie könnten genau deshab die ideale Siebnerkonstellation nicht aufrechterhalten. Und jeder Abgang und jede Doppelbesetzung würde sie laut Theorie in enormen Stress stürzen. Die ideale Konstellation wäre so selten und so kurzlebig, dass die Nachteile des unflexiblen Stellungssystems überwiegen würden.


    Da hätte es eine Spezies viel leichter, die zwar kein ideales Rudel kennt, bei der aber Störungen im Verband durch Lernverhalten und Anpassung an Umweltbedingungen relativ kostengünstig abgefangen werden können. Genau das war und ist der evolutionäre Vorteil höher entwickelter Tiere - die Lernfähigkeit, die eine flexible Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen ermöglicht. Beim Haushund sehr deutlich ausgeprägt.


    Besser kann man die Fakten nicht zusammenfassen.


    Danke
    cazcarra

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