Sinn und Unsinn von Beschwichtigungssignalen (CS)

  • Darüber, daß bei lediglich 3 Verhaltenssignalen (Pföteln, Licking Intentions und das Sich-Klein-machen) eine beschwichtigende Wirkung nachgewiesen wurde, sprachen wir schon an anderer Stelle.


    Diesmal geht es mir aber um die fälschlicher Weise in Umlauf gebrachte Theorie, selber bei einem/seinem Hund CS einzusetzen, wie es doch immer wieder von div. „Trainern“ empfohlen, aber seltsamer Weise nie vernünftig begründet wird.


    Grundlage ist die Begegnung von zwei Hunde, die in irgendeiner Form (z.B. Beute) aneinander geraten. Im Vordergrund steht eine Kommunikation, die auf Konfliktvermeidung aus ist. Kein Hund beginnt freiwillig einen Kampf, jeder schont seine eigenen Ressourcen und geht kein Verletzungsrisiko ein, vorher müssen alle anderen Varianten ausgeschlossen werden. Für den Hund gibt es zwei Lösungen: Angriff oder Flucht – Fressen oder Hungern. Für eine der beiden Varianten muß er sich entscheiden, oder gerät in einen inneren Konflikt und wird unsicher.


    Der selbstbewußtere (oder hungrigere) Hund, wird selbstsicher auftreten und den zweiten Hund „herausfordern“. Hund 2, sofern nicht gnadenlos selbst- und siegessicher, gerät in einen Gewissenskonflikt zwischen Angriff oder Flucht. Während dieser überlegt, zeigt er eine Menge von Signalen, welche die Unsicherheit ausdrücken, beginnend von Übersprungshandlungen bis hin zu unbeeinflußbaren physischen Reaktionen (z.B. Kratzen).
    In dieser Phase ist noch nicht geklärt, wie die Begegnung ausgeht. Hund 1 wird versuchen, noch überzeugender seine Bereitschaft zu verdeutlichen und Hund 2 einzuschüchtern, Hund 2 hingegen, hin- und hergerissen wird vermutlich aufgeben (ausser er ist zu hungrig, um die Chance verstreichen zu lassen). Tut er dies, muß er mit einem „Nachsetzten“ von Hund 1 rechnen, der damit kurz nochmal sehr klar demonstriert, daß Hund 2 keine Chance gehabt hätte und auch nie haben wird.


    Wäre von Anfang an Hund 2 bewußt gewesen, daß er A keine Chance hat und B er es auch gar nicht darauf anlegt, würde er niemals ein unsicheres, unentschlossenes Verhalten zeigen, sondern gleich die „weiße Fahne“ hissen, um möglichst ungeschoren aus der Situation herauszukommen (sofern er nicht frühzeitig flüchten kann).
    Hierzu bedient er sich der Beschwichtigungssignale, die Hund 1 demonstrieren : Ich will dir nix, ich ordne mich unter, jawohl, du bist der Chef.
    Hund 1 würde demonstrativ selbstbewußt, souverän, aber kampflos an Hund 2 vorbeigehen, eher noch ein wenig freundlicher sein – es geht keine Gefahr von Hund 2 aus, da kann man sich nett geben und seine grenzenlose Güte und den (im Rudel) vorhandenen Zusammenhalt beweisen.


    Soweit zur Vorgeschichte, Fazit der kurzen :wink: Erklärung:


    Gerate ich persönlich mit meinem Hund in eine vergleichbare Situation und habe einen unsicheren Hund, wäre es das fatalste was ich machen kann, selbst Beschwichtigungssignale einzusetzten. Ich würde dem Hund dadurch mitteilen, daß ich mich selber in unterster Position sehe, ihm die Führung überlasse und in jeder Beziehung passiv bleibe !!!!


    = Sehr aufbauend und hilfreich für den sich eh in einem Konflikt befindlichen Hund !!!! :shock:


    Ich werfe mich praktisch mit dem Bauch nach oben vor den Hund und erwarte eine Entscheidung von ihm. Genau das Gegenteil von dem, was unsere Hunde von uns erwarten und wir ihnen besonders in unsicheren, ängstlichen Situationen bieten müssen:


    Eine souveräne, vertrauensvolle Führerschaft, basierend auf selbstbewußtem und Sicherheit/Schutz gebendem Handeln !


    Noch Fragen ? Bitte ...

  • Hallo,


    interessant.


    Würde es dann nicht für den nicht selbstbewussten Hund nicht besser
    sein, wenn ich als Rudelführer ihn aus dieser Situation heraus zu mir rufen würde?


    Im Prinzip gebe ich ihm doch dann die Sicherheit das er sich auf keinen Kampf einlassen muss.
    Oder bin ich da jetzt auf dem Holzweg? :gruebel:

  • Das ist Situationsabhängig !
    Wenn ich das Problem kommen sehe, rufe ich meinen Hund rechtzeitig zurück. Befindet er sich aber bereits in einer Zwickmühle, kann beides richtig sein - rausrufen oder abwarten.
    Es gibt aber auch Momente, in denen würde ein Abrufen den Hund in einen noch größeren Konflikt oder gar in Gefahr bringen, wenn er z.B. um zu mir zu kommen dicht an dem Kontrahenten vorbei laufen müßte.
    Viele kennen das Problem bei Spaziergängen in gemischten Gruppen. Man ruft seinen Hund, der schwänzelt aber aussen um die Gruppe herum, weil er einem anderen nicht zu nahe kommen will/darf/kann - oft ein Mißverständnis zwischen Halter und Hund.


    Stehen sich zwei Hunde noch unentschlossen gegenüber, oder befindet sich einer in einer ausweglosen Position (bevor es zum Kampf kommt), hilft ein sehr ruhiges, souveränes, kommentarloses zwischen den Hunden durchgehen um die Situation zu entschärfen.


    Das sind die Momente, wo der Griff nach dem Halsband den Hund zu 100% aufstachelt und alles nur schlimmer macht.


    Es gibt auch den Typ Hund, der dankbar ist, nimmt man ihm die Entscheidung ab ! Dann folgt noch ein "Ich würde ja, aber Frauchen hat gerufen" Blick und der Hund trabt erleichtert zu einem.

  • Irgendwie verstehe ich den Beitrag nicht...


    Ist das eine Frage? Eine Aussage?
    Und was hat Beute verteidigen (von Individuuen, die in dieser Hinsicht züchterisch stark manipuliert wurden - das Verhalten also zum Überleben unnötig ist) mit CS zu tun?


    Viele Grüße
    Corinna

  • Hallo,


    ich glaube nicht, daß es als Mensch so sinnvoll ist, dem Hund gegenüber Beschwichtigungssignale auszusenden. Siehe Beitrag Staffy. Ich kann meinen Hund nicht ständig angähnen, oder mir über die Lippen lecken. Ich bin nun mal kein Hund.
    Ganz witzig bei meiner Hündin, wenn ich mir irgend wann mal die Lippen lecke, egal aus welchem Grund, sie kommt angerast und versucht in mein Gesicht zu kommen. Lasse ich sie, dann werden meine Mundwinkel geleckt.
    Bei mir fremden Hunden wirken die Signale recht häufig, blinzele ich einen unsicheren Hund an, so kommt er viel entspannter auf mich zu. Auch hier sehr gut einsetzbar Lippenlecken, Kopf auf die Seite drehen.
    Hunde untereinander setzen diese Signale immer wieder ein. In der Regel sind es ja nur Bruchteile von Sekunden. Für ein nicht sehr geübtes Auge praktisch nicht wahrnehmbar. Auf Fotos deutlich erkennbar, oder im Film in Zeitlupe. Wie oft sehe ich den Hund in einer brenzligen Situation von vorne, um überhaupt irgend etwas erkennen zu können.Bogenlaufen, züngeln, schnuppern, langsam werden. Ich merke es deutlich bei meinem ängstlichen Hund anderen Hunden gegenüber. Kommt von der Gegenseite ein Signal, dann ist sie deutlich entspannter. Neuerdings hat sie das Bogenlaufen entdeckt (d.h. hier habe ich eingegriffen und bin mit ihr Bogen gelaufen). So kommen wir nun relativ gut an fremden Hunden vorbei, meine läuft riesige Bögen.


    Während vor ein paar Jahren die Beschwichtigungssignale in aller Munde waren, kommt nun die Gegenströmung, die sagt, es gibt sie gar nicht. ich denke schon, daß es sie gibt, allerdings unter Hunden. Und ich bezweifle, daß es die Aussage von Turid Rugaas war, daß nun alle Hundebesitzer ihre Hunde mit Beschwichtigungssignalen zumüllen müssten.



    Grüße Christine

  • Ich habe gute Erfahrungen mit Blinzeln und Kopf- /Körperabwenden bei ängstlichen Hunden gemacht.


    Das habe ich auch bei unseren Hunden untereinander erlebt, wenn sich mal wieder ein hysterischer Zwerg vor meinem Hund in die Büx macht, dreht der erst den Kopf weg und legt sich sogar mit dem Rücken zum Zwerg hin. Meist beruhigen sich die Hunde dann und nehmen vorsichtig Kontakt auf.
    Das Hunde zum Beschwichtigen züngeln, glaube ich eher nicht. Züngeln ist nur ein Ausdruck von Unwohlsein. Ein aus Unsicherheit züngelnder Hund kann auch nach vorn losgehen...

  • Schwieriges Thema, da streiten sich ja die Gelehrten :wink:


    Also, ich hab schon CS beobachten können, wo ich sicher bin, dass es Signale waren, mit denen sich Hunde gegenseitig ihre Harmlosigkeit mitgeteilt haben oder sich selbst beruhigt haben.


    Sehr deutlich ist mir in Erinnerung, wie ein fremder Collie auf unser Grundstück kam und Snoop begrüßen wollte.
    Er ging zwar relativ gerade auf Snoop zu, aber sehr langsam und drehte dabei lehrbuchmäßig seinen Kopf mal nach links, dann nach rechts.


    Snoop, der sonst sehr unsicher und vorsichtshalber mal eher kampflustig auf fremde Hunde reagiert, blieb ganz ruhig und sie begrüßten sich normal.
    Nach einem kleinen "Wettpinkeln" ging der Hund wieder weg.


    Der andere Fall: wir waren auf einer Feier, viele Leute im Wohnzimmer und der aufdringliche Bobtail meiner Freundin hatte ständig Interesse an Snoop. Dem war das gar nicht geheuer.
    Er lies den riesigen Bobtail (der da auch noch zu Hause war) zwar an sich ran, aber er gähnte immer wieder. Nicht wie normales Gähnen, sondern eher so, als ob seine Kiefer auseinander schnappten.
    Wir haben die beiden dann getrennt, dann wars okay.


    Ich glaube auf jeden Fall an CS zwischen Hunden, auch an andere, als die, die Blochs Mitarbeiterin den Hunden zugesteht (das Gähnen hat sie glaub ich nicht anerkannt), aber
    ich als Mensch würde sie nicht benutzen.
    Zumindest nicht Mimik wie Lippen lecken oder Gähnen.


    Komplette Körpersprache (Bögen laufen, Körper abwenden) finde ich wiederum superwichtig, um sich den Hunden leichter verständlich zu machen!


    lg
    Christine

  • Zitat

    Irgendwie verstehe ich den Beitrag nicht...


    Der Beitrag sollte lediglich (ohne Namen zu nennen) eine Aufklärung zu den hier so oft empfohlenen CS bedeuten und ein wenig zur Diskussion anregen.
    Immer wieder lese ich hier "Setzt Beschwichtigungssignale ein", "Gähnt den Hund an", ...


    Diese These hat eine Frau aufgestellt (die nicht einmal deren genaue Anzahl wußte), eine andere übernommen und nun gibt es eine Menge "Anhänger", die an deren Wirkung glauben - ohne Hintergrundwissen. Die Forschung (nicht nur Mirjas Studie) ist aber bedeutend weiter und widerlegt viele dieser haltlosen Thesen. Das Beispiel mit der Ressoucenverteidigung diente lediglich zum besseren Verständnis.
    Ich hätte auch schreiben können: Vergeßt den ganzen Sch.. über CS, es gibt eine handvoll, die Hunde untereinander benutzen, alles andere ist Humbug !!
    ... ist aber nicht meine Art, vor allem nicht ohne Erklärung !

  • Zitat

    Der Beitrag sollte lediglich (ohne Namen zu nennen) eine Aufklärung zu den hier so oft empfohlenen CS bedeuten und ein wenig zur Diskussion anregen.


    Diese Beiträge sind dann wohl irgendwie an mir vorbeigegangen... :ka:

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