Vom Strassenhund zum Partner

  • gibt es hier noch mehr ehemalige Strassenhunde?


    Im Februar lebt mein Jannis seit 5 Jahren bei mir:
    5 Jahre voller Höhen und Tiefen, Gefühlsturbulenzen wie auf der Achterbahn, aber auch 5 Jahre Faszination beim Erleben, wie aus einem Strassenhund ein Partner des Menschen wird.
    Wie oft schon habe ich gesagt: schaff dir einen Strassenhund an, und du erlebst "Hund verkehrt" ... vieles ist so völlig anders als bei unseren sozialisierten Hunden.
    und immer wieder entwickelt sich neues....
    seit ein paar Tagen wedelt mein Hund mit dem Schwanz, wenn ich von der Arbeit nach hause komme!!!!!
    Nach 5 Jahren ! ein deutlicher Ausdruck von Freude, mich zu sehen.
    Alleinbleiben war nie ein Problem für ihn = null Reaktion, wenn ich ging. Aber auch null Reaktion, wenn ich zurück kam.
    In unserer Wohnung benimmt er sich wie ein Gast, dem bei schlechtem Benehmen der Rausschmiss droht: Hund geht nicht auf die Couch, erst recht nicht ins Bett, liegt nie im Weg, ausschliesslich auf seinen Bodenkissen, frisst nur nach ausdrücklicher Erlaubnis...
    Vor ein paar Monaten hat er zum ersten Mal ne Packung Kekse vom Couchtisch geklaut, als ich auf der Arbeit war !!!!
    Was hab ich mich gefreut!!! :headbash:
    Endlich hat er sich getraut! Endlich kommt so was auf wie " das gehört uns", ein "Wir-Gefühl" ...


    völlig beknackt :hust: ich weiss ...
    aber eben "Hund verkehrt"


    kennt Ihr sowas auch???
    würde mich über einen Austausch freuen... ich glaube, ich könnte mittlerweile ein Buch schreiben.

  • Zitat

    gibt es hier noch mehr ehemalige Strassenhunde?


    Was genau ist denn ein "Straßenhund"?


    Denn die Hunde, die ich kenne, lebten sehr wohl einige Zeit in einer Familie oder bei Bauern oder Jägern, bevor sie auf die Straße gesetzt wurden und dort dann - weil verletzt oder einfach hungrig - über kurz oder lang von Tierschützern aufgegriffen wurden.


    Oder aber die Hunde kamen bei der Jagd abhanden und schlagen sich einige Zeit selbst durch, bis sie unter die Räder kommen oder von Tierschützern aufgelesen werden.


    Hunde, die auf der Straße geboren wurden, werden heutzutage doch oft gleich von Tierschützern in Sicherheit gebracht.


    Und die, die schon länger auf der Straße leben, die werden mittlerweile zumeist kastriert und gekennzeichnet und wieder an ihren gewohnten Platz gebracht. Gefüttert und medizinisch versorgt werden diese Hunde zumeist eh. Und wenn keine Not besteht, werden diese Tiere auch nicht nach Deutschland verfrachtet.

  • Hallo!


    Die Vergangenheit meiner Spanierin kenne ich leider gar nicht.
    Ich weiß nur,dass sie wohl als Welpe oder Junghund aus der Tötung geholt und dann nach Deutschland vermittelt wurde.
    Ich kann nur vermuten, dass sie nur sehr wenig kennenlernen durfte und dafür machte sie sich von Anfang an super bei uns! Sie ist eine echte Anpassungskünstlerin, was Alltagsdinge angeht.
    Auch Sachen wie Stubenreinheit oder Alleinebleiben waren nie ein Problem. (Unser einziges Problem ist das Jagen.)
    Was mir aber aufgefallen ist: Wenn jemand einen Hund zu sich nimmt, dann heißt es immer: Ich hatte schon nach ein paar Tagen o.ä. das Gefühl, dass der Hund schon immer hier gewesen wäre etc.
    Das Gefühl, der Hund sei angekommen und gehört wirklich zu uns, hatte ich nach einem vollen Jahr noch nicht ganz.
    Jetzt, nach etwas mehr als zwei Jahren, sind wir aber wirklich zu einem Team geworden (zumindest meistens. :p )

  • @ zamikimo
    nun denn, die Vergangenheit meines Hundes ist mir nicht bekannt.
    Nur so viel: er wurde schwer verletzt in Griechenland von Tierschützern gefunden, med. versorgt und dann nach D vermittelt. In der Vermittlung hiess es "Strassenhund".


    wenn ich zurückblicke auf die Anfangszeit unseres gemeinsamen Weges, dann liegt mir die Vermutung nahe, dass mein Hund noch nie mit einem Menschen zusammengelebt hat.
    Er ist ein Hirtenhund - Mix ... vorstellbar wäre, dass er als Hirtenhund geboren wurde und da entweder weggelaufen ist oder vertrieben wurde .....


    was ich oben meinte und was meine Faszination ausmacht, ist eben dieser langwierige Prozess, in dem ein autarker, unabhängiger, selbstsicherer Hund, ein "Selbstversorger", sich mehr und mehr auf ein Mensch-Hunde-Team einlässt, langsam Bindung und Vertrauen entsteht

  • Hier, wir! Senta ist auch ein Straßenhund, aus Rumänien, man weiß nicht viel über ihre Vergangenheit. Und ja, ich hab solche Momente, wie du sie beschreibst, auch mit ihr erlebt.
    Kennen gelernt habe ich sie, weil ich im Tierheim ihre Trainerin wurde, soll heißen, ich bin zweimal die Woche mit dem panischen, vor allem flüchtenden und pinkelnd im Erdboden versinkenden Hund unterwegs gewesen, habe ihr die Welt gezeigt und erklärt, dass Menschen nicht per se schlimm sind. Es hat drei Monate gedauert, bis sie zum ersten Mal nicht beim Spaziergang panisch die Umgebung nach potentiell mörderischen Gefahren abgescannt hat, denn dann hatte sie das erste Mal das Gefühl, dass ich den Beschützer-Part übernehmen könnte. Nach etwa sechs Monaten kam sie nach dem Spaziergang und dem Ausziehen im Zwinger das erste Mal an mich rangeschleimt und wollte ein wenig kuscheln. Keinen Monat später hatte ich sie bei solchen Gelegenheiten auf dem Schoß hocken.


    Nach 15 Monaten Training im Tierheim war sie einigermaßen Kleinstadttauglich, und ich hab sie mitgenommen. Jetzt lebt sie seit etwas über einem Jahr bei mir, und auch heute noch kommt es zu Situationen, bei denen mir die Tränen der Rührung runterkullern. So hat sie sich jetzt z.B. angewöhnt, sich beim Pennen auf die Seite zu legen und wenn ich vorbeikomme mit einem schmelzenden Blick ein Vorderbein anzuheben. Soll heißen: KUSCHELN! Dann leg ich mich zu ihr und es wird auf dem Boden geschmust, wobei sie manchmal sogar total aus sich herausgeht, sich auf meinem Arm wälzt und ein Maulspiel anfangen möchte.
    Oder ihre neueste Macke, die ich ganz wundervoll finde: Wenn es ein Kauteil gibt, wirft sie es erst einmal in die Luft, knallt es auf den Boden und schaut mich dann ganz erwartungsvoll an: SPIELEN! Dann geh ich hündisch auf Hände und Knie und schleich mich an, klau ihr das Teil, werf es ein Stück und sie sprintet hinterher. Das muss ich einige Male machen, bis sie zufrieden ist und ihren Schatz zu fressen beginnt.


    Super auch, als sie sich nach monatelangem Misstrauen endlich an meine guten Bekannten, die Bahnschaffnerinnen, rangewagt und diese beschnüffelt hat. Ich kann dir sagen, die Damen haben ebenso ihre Tränen der Rührung runtergeschluckt wie ich selbst. :ops:


    @zamikimo: Ich hab irgendwie nicht den Eindruck, dass dieser Thread die Definition des Wortes Straßenhund zur Grundlage hat. Im Prinzip ist es doch egal, ob der Straßenhund mal in einer Familie gelebt hat oder nicht - wir alle wissen, wie dieser Begriff im Tierschutz angewendet wird, und eigentlich geht es hier doch einfach darum, sich gemeinsam über Kleinigkeiten zu freuen, die für viele andere Hundebesitzer total selbstverständlich sind. ;)

  • ja, danke, damit sprichst Du mir aus der Seele, sunti.
    Sorry, ich war längere Zeit nicht hier, weil ich beruflich total im Stress war und mir die Arbeit leider auch mit nach hause nehmen musste.
    Aber nun ist das Schlimmste geschafft.
    Danke auch an Dich, friedapaula, für Deine Antwort.
    Ja, dieses "ankommen" läuft in ganz anderen Zeitspannen ab...
    irgendwie habe ich das Gefühl, dass mein Hund immer noch im Prozess des Ankommens steckt ...
    und täglich wird es mehr...
    wir sind drei mal die Woche auf einer eingezäunten Freilaufwiese und gestern ist mir erstmals bewusst geworden, dass Jannis ein völlig anderes Verhalten zeigt.
    bisher sah das bei uns immer so aus: wir kommen auf die Wiese ... ich leine ihn ab... er rennt los und dreht seine Runden, läuft das Gelände ab, schnüffelt hier, schnüffelt da ... buddelt hier, buddelt da... rennt zum Zaun, weil auf der anderen Zaunseite jemand lang läuft ...
    Sprich: sobald er von der Leine war, machte er "sein Ding" und ich war völlig abgeschrieben. Jannis war in der ersten halben Stunde für mich nicht ansprechbar ... der hat einfach nicht reagiert, mich völlig ignoriert, quasi nach dem Motto: ich hab hier Freizeit und mache nur, was ich will!


    und jetzt scheine ich das Zentum der Hundewiese geworden zu sein:
    Jannis ist immer nah bei mir... startet mal einen Sprint zum Zaun, weil da jemand langläuft ... kommt dann aber wie magnetisch angezogen wieder zu mir zurück! im Sprint! dann steht er da und guckt mal hierhin und mal dahin, düst dann vielleicht in die eine Richtug, kommt aber sofort und unaufgefordert wieder zu mir zurück...
    wenn Ihr versteht, was ich meine.


    und ich weiss überhaupt nicht, warum, weshalb, wieso
    klaro finde ich das wunderbar ....
    aber ich habe keine plausible Erklärung für seine Verhaltensänderung ... ausser: da wächst immer mehr Bindung, Vertrauen, Zugehörigkeitsgefühl


    Zitat

    So hat sie sich jetzt z.B. angewöhnt, sich beim Pennen auf die Seite zu legen und wenn ich vorbeikomme mit einem schmelzenden Blick ein Vorderbein anzuheben. Soll heißen: KUSCHELN!


    irre!
    genau diese "Aufforderung" zeigt Jannis auch!
    auf mich wirkt das immer so leicht verschämt: wo Du doch gerade so zuverlässig hier vorbeikommst, wäre es da vielleicht möglich, dass Du mich mal knudelst .....

  • Siva lebte 6 Monate in der Türkei auf der Straße bevor sie nach Deutschland kam.


    Inzwischen ist ein toller Hund aus ihr geworden, der zu jedem Menschen freundlich ist und kaum Unsicherheiten zeigt.


    Als sie zu mir kam kannte sie weder Treppen noch Halsband und hatte vor allem und jedem Angst.


    Grüße Bernd

  • Hallo,
    die Eltern meines Welpens waren beides Straßenhunde. Die Mutter kam damals schwanger nach Deutschland zu einer Bekannten von mir und gebar dort ihre Welpen. Ist mein Welpe Straßenhund? Ich würde sagen, größtenteils nein, denn er lebt ja schon sein ganzes Leben in einer Familie, aber ein bisschen etwas wird er von dr Mutter bestimmt gelernt bekommen.
    Über die (ehemaligen) Straßenhunde, die ich kenne kann ich nur das Beste sagen.
    Als ich Luna(die Mutter der Welpen) das erste Mal sah, habe ich sie kurz schnüffeln lassen, sie gestreichelt und ihr dann ein kleines Leckerli angeboten. Und sie hat sich mir vor die Füße geworfen und sich den Bauch kraulen lassen...ist das normal?! Nein, aber furchtbar toll!!!
    LG Elisabeth(Papaya77)

  • Hallo!
    Wie schön, von anderen Straßenhund-Besitzern zu lesen!
    Meine Lina kommt aus Rumänien. Sie ist jetzt seit 3 Jahren bei uns, war ca 1 Jahr alt als sie zu uns kam. Von Anfang an war sie so wunderbar, eine Seele von Hund. Zuerst hatte sie Angst, das Haus zu betreten, aber irgendwie war es okay, wenn wir dabei waren. Sie hat sich auf der Straße eine Beinverletzung zugezogen, ein falsch verheilter Bruch, und alle Untersuchungen in der TiHo hat sie total brav über sich ergehen lassen (leider ist die Verletzung inoparabel)- und orthopädische Untersuchungen sind echt nicht ohne! Unseren Tierarzt liebt sie über alles, egal, was er tut. Menschen und vor allem Kinder sind das Tollste, bei anderen Hunden muss sie erstmal gucken und bei Bedarf ein bischen mädchenhaft rumziocken :D ! Nur ihr Jagdtrieb und ihre große Autonomie draußen waren etwas schwierig. Ich übe jeden Tag, habe aber leider keine eingezäunte Wiese, darum kann ich nur im Wald an der langen Schleppleine üben. Das klappt schon gut, aber vielleicht bin ich auch Perfektionist, denn ich habe das Gefühl, sie kommt dann 100%ig, wenn nix anderes spannender ist - sonst vielleicht 75 %ig...! Morgen nehm ich das Quietschehuhn mit, vielleicht hilft das. Aber heute hat mein Mann sie einfach mal frei laufen lassen (ohne mich , wäre 1000 Tode gestorben) - und siehe da...all das Üben hat sich gelohnt, sie hat genauso gut gehört wie der ultrabrave Labrador, der mit Freunden mitgekommen ist. Ich bin soo stolz. Nun muss wahrscheinlich nur noch ICH den Mut haben, sie laufen zu lassen (wenn kein Wild in der Nähe ist!).
    Sie ist so vertrauensvoll und verschmust zu uns, und sie hat auch schnell gelernt, dass ein Anstupser mit der Pfote in Verbindung mit einem seelenvollen Blick fast jeden Menschen dazu bringt, sie zu streicheln... :smile: !
    Viele Grüße!!

  • Zitat

    was ich oben meinte und was meine Faszination ausmacht, ist eben dieser langwierige Prozess, in dem ein autarker, unabhängiger, selbstsicherer Hund, ein "Selbstversorger", sich mehr und mehr auf ein Mensch-Hunde-Team einlässt, langsam Bindung und Vertrauen entsteht


    Ja, das ist genau das Tolle dran. Unsere Maite (inzwischen gute 5 Jahre alt), ein ehemaliger italienischer Straßenhund ist nun seit 2 Jahren bei uns. Und ich könnte mich kugeln vor Freude. Seit kurzem fängt sie an zu spielen,d.h sie nimmt ein Quietscheteil mal in den Mund, beißt sogar mal drauf, springt hoch, wenns einen Ton von sich gibt. Und führt sich dann mit ihren 5 Jahren auf wie ein 3 monatiger Welpe. Und noch viel schöner, sie nimmt auch mal ein Zerrtau in den Mund und kommt damit zu mir. :rollsmile: Ich darf es anfassen und ganz ganz zaghaft dran ziehen und sie zieht zurück. Das sind Fortschritte, die mich soooo glücklich machen. In der Hundeschule macht sie sich ganz toll. Und unsere Angstmaus geht inzwischen offen zu allen (bekannten) Menschen. Und freut sich richtig dolle. So dolle, daß sie wie ein Känguruh rumhüpft und die Leute anspringt. Und sich stehe immer daneben und freue mich so darüber. Andere würden sicher den Hund dafür tadeln. Draußen sind wir seit ein paar Monaten so weit, daß sie nach 2 Jahren Leine frei laufen kann. Anfangs habe ich die Leine abgemacht - und weg war sie. Rennen, rennen und nochmals rennen. Daraufhin war sie praktisch nur an der Leine und wir haben geübt und geübt. Heute hat sie einen super Ruckruf. Was es uns recht leicht macht, sie hat praktisch keinen Jagdtrieb.
    Am Anfang hatte sie eine fürchterliche Angst vor Männern. Auch vor meinem Mann. Das ist heute Vergangenheit.
    Ja, und das mit dem Schmachtblick,kraule mich doch bitte, das kennen wir auch.

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