Vom Strassenhund zum Partner

  • Zitat

    Nun muss wahrscheinlich nur noch ICH den Mut haben, sie laufen zu lassen (wenn kein Wild in der Nähe ist!

    ).


    ... ich weiss ganz genau, was Du meinst!
    Jannis ist mein 6. Hund, alle seine Vorgänger sind frei gelaufen.
    Einen Hund an der Leine zu halten, war mir völlig fremd geworden.
    Bei allen seinen Vorgängern existierte auch diese Angst gar nicht, dass sie weglaufen könnten.
    Bei Jannis hatte ich lange Zeit regelrechte Panik, dieser Hund könnte "durchstarten", weglaufen, sich wieder für ein Leben in Freiheit entscheiden.
    Mittlerweile weiss ich, dass er sich für "uns" entschieden hat und dass es ihm auch wichtig ist, mich nicht zu verlieren, aber das hat sehr lange gedauert.
    Vor zwei Jahren habe ich mich erstmals getraut, ihn im Wald abzuleinen ... und es lief hervorragend .... nur: Jannis baute seine Entfernung zu mir immer mehr aus ... es kam der Tag, an dem Jannis meinte: okay, wenn Du den Seitenweg nehmen willst, dann geh ...aber ich geh hier weiter ... wir können uns ja am Auto treffen ...
    meine Nerven machen das nicht mit! sobald mein Hund aus meinem Blickfeld verschwindet, werde ich nervös.
    Heute habe ich Jannis im Alltag wieder an der Schleppe, meinen Nerven zuliebe .. ich finde es einfach erholsamer und entspannter. Aber als Ausgleich sind wir drei mal die Woche auf einer eingezäunten Freilaufwiese.
    Mir ist bewusst, dass so manch anderer Jannis ohne weiteres im Freilauf beliesse, er ignoriert Passanten, Jogger und Radfahrer, er ist absolut sozialverträglich und rudelerfahren, er verhält sich immer und überall richtig, an Streitereien ist er nicht interessiert und und und ... der absolute "Tut-Nix" ...
    Und mittlerweile habe ich meinen früheren Ehrgeiz (und Druck), ihn im Wald ableinen zu können, tatsächlich verloren. Wir laufen mit durchhängender Schleppe, Jannis zieht nicht, zerrt nicht, er hat einige Meter Freiraum ... aber im Falle eines Falles habe ich das Ende der Leine...

  • Oh ja, das mit dem Spielen kenne ich auch...am Anfang hat sich Lina überhaupt nicht dafür interessiert. Nun kriegt sie manchmal ihre 5 Minuten, wo sie sogar einen Ball oder Stock zurückbringt und damit spielt wie ein Welpe. Das macht so eine Freude! Es tut auch gut zu hören, dass es auch bei anderen Straßenhunden lange dauert, bis eine Bindung da ist. Als sie mich nach nem 3/4 Jahr zum ersten Mal bei einem Spaziergang so von unten angeguckt hat, hätte ich heulen können vor Glück!!

  • Hurraaa - eben war ich mit meiner Maus im Wald, ohne Leine -o.k., momentan gibts ja auch nix zu jagen...-, und sie ist total brav mitgelaufen, ist gekommen, wenn ich sie gerufen hab, und...sie hat sich an mir orientiert. Ich glaube, diese Freude verstehen nur Straßenhund-Besitzer! Nun ist es einzig und allein der Jagdtrieb....wenn 'die Luft rein ist', darf sie frei laufen. :smile: :lol: !!!:
    Viele Grüße!

  • Super !!!
    Herzlichen Glückwunsch, Kegalai :gut:
    ich drück Euch die Daumen, dass es weiterhin so toll klappt.
    und? war es eine schwere Entscheidung ???


    als ich damals Jannis zum ersten Mal im Wald von der Leine ließ, da hab ich das absolut spontan gemacht, ohne es mir konkret vorzunehmen. Hab das von einem Moment zum anderen gemacht ... und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie selig ich war, als es so toll lief.


    Zitat

    naja..fazinierend finde ich das nicht.
    klingt eher nicht danach, dass die tiere freiwillig bei euch eingezogen sind.


    aber hallo! mal ganz abgesehen davon, dass ich, ehrlich gesagt, keinen meiner vorherigen Zuchthunde gefragt habe, ob sie denn auch freiwillig bei mir einziehen wollen, als ich sie beim Züchter ausgesucht, gekauft und mit nach hause genommen habe.....


    auf meinen Jannis bezogen ist da tatsächlich was Wahres dran: Jannis war und ist absolut freiheitsliebend! Ich denke schon, dass er sein früheres Leben ganz prima fand und dass er es wohl gerne wieder aufgenommen hätte ... er hat so was vom lonesome wolf ...
    Und im ersten Jahr bei mir hatte ich immer wieder das Gefühl, dass Jannis sich wie in Gefangenschaft fühlte .... manches Mal las ich in seinen Augen: ihr habt mich gefangen genommen... aber beim ersten Fehler bin ich weg! ....
    aber seine Verletzungen waren eben so, dass er nun leicht gehbehindert ist, er ist nicht mehr so schnell, er ist nicht mehr so ausdauernd (kann maximal eineinhalb Stunden laufen) ... kurz: er wäre in Griechenland als Strassenhund nicht mehr konkurrenzfähig gewesen, hätte evtl. kein Fressen mehr gefunden, weil die anderen fixer waren .. evtl. wäre er auch ausgeschlossen worden, da er ein Rudel so sicherlich behindert hätte...

  • Heute wieder ein Meilenstein: Senta musste zum Tierarzt, denn die Blase sollte geröntgt werden. Problem: Hund muss sich dazu auf die Seite legen. Blöd nur, dass ich bisher nie Wert auf ein Liegekommando gelegt habe und der Hund sich eh nur auf die Seite legt, wenn er kuscheln will. Okay, ich wusste Freitag, was Montag auf uns zu kommt, also haben wir innerhalb von zwei Tagen das Legen auf Kommando gelernt, auch wenn das unter Stress in der Praxis eh nicht geklappt hätte - einfach, damit sie lernt, dass ich an ihren Beinen rumzuppeln kann, wenn sie liegt. Als wir sie dann auf den Röntgentisch gelegt haben, musste ich Vorderbeine und Kopf festhalten, und sie war SO entspannt, weil ich da war und sie somit wusste, dass ihr nichts passieren wird. Hätte ich draußen warten müssen, wär das undenkbar gewesen. Und keine zwei Minuten später haben wir zwei dann im Wartezimmer mit Wurststückchen Faxen gemacht, während wir auf die Entwicklung der Aufnahme warteten. Bin gerade total stolz auf meine Süße!!


    Boomerang: Mag ja sein, dass unsere Hunde nicht unbedingt freiwillig bei uns eingezogen sind, aber wie dreamboy schon sagte, ich kenn keinen Hund, der vorher gefragt wurde, ob ihm das recht ist. Senta war halt vom rumänischen Tierschutz eingesammelt und über eine europaweite Partnerschaft zu uns ins Tierheim gebrach. t worden, also, sie war schon da. Und glaub mir, wenn ich jemals einen Straßenhund gesehen habe, der heilfroh ist, keiner mehr zu sein und nichts mehr regeln zu müssen, dann ist es meiner. Sobald sie verstanden hatte, dass ich sie beschütze, hatte ich nen ganz anderen Hund an der Leine, der plötzlich entspannen und neugierig durch die Gegend laufen konnte. Ich denke, würde man meine Schwarze fragen, sie würd sagen, sie ist froh, von der Straße zu sein.

  • Zitat

    ich drück Euch die Daumen, dass es weiterhin so toll klappt.

    Danke :D !!

    Zitat

    und? war es eine schwere Entscheidung ???

    Ja, schon, aber dank des grauen Regenwetters waren wir die einzigen im Wald, und da meine Lina überhaupt nicht auf Regen steht und dann eh nicht ganz so lustig ist wie sonst, ist es mir leichter gefallen. Interessant war, dass es besser ging, als ich die SL ganz abgemacht hab. Vorher hatte ich das Gefühl, dass sie nicht so genau wusste, was das jetzt soll...schleicht durch den Regen hinter mir her und soll auch noch die (Biothane-)Leine ziehen...ganz ohne war sie richtig nett. Aber wie gesagt...wir waren allein. Ich denke, ich taste mich langsam ran. Allerdings finde ich Deine Einstellung auch richtig gut, zur eigenen Stressminderung auch ruhig eine SL zu nehmen - schließlich merkt das Hündchen ja, ob man Stress hat. Lina läuft ähnlich wie Dein Hund sehr ruhig und zufrieden an der SL (wenn nix Jagbares in der Nähe ist... ;) ), und durch ihr kaputtes Bein ist sie auch etwas gehandicapt, länger als 1,5 Stunden kann sie auch nicht laufen. Ich glaube, Lina würde Deinen Hund mögen -ein großer Tutnix, das mag sie! :smile:


    Boomerang:
    Wie die anderen schon schrieben: Kein Hund kommt freiwillig, der Mensch sucht sie aus. Viele Welpen aus der Zucht vermissen anfangs Mama und die Geschwister auch, aber der Bindungsaufbau an die neue Familie geht relativ schnell. Anders eben bei einem Straßenhund, der während seiner Prägephase auf sich allein gestellt war und so eine gewisse Autonomie entwickelt hat. Da dauerts halt länger, bis eine Bindung entsteht.

  • Puh, wenn ich eure Stories hier so lese, scheine ich mit meiner Maus richtig Glück gehabt zu haben.
    Als Welpe zu einer Familie vermittelt, ein paar Wochen/ Monate später wurde sie von den Tierschützern wieder gefunden- auf der Straße lebend. Von da kam sie in ein "Tierheim" bis ich sie entdeckte und sie dann zu mir nach Deutschland kam.
    Von ihrer Zeit auf der Straße merkt man ihr zum Glück wenig an. Einzig fremden Menschen (und das sind fast alle :D ) ist sie skeptisch gegenüber und die wird sie nie mögen. Achja: Regen kann sie überhaupt nicht ab... ;)
    Ansonsten klaut sie nicht, jagt nicht, orientiert sich an mir, läuft viel ohne Leine und ist auch vom Wesen her ein kleiner, glücklicher Hund, dem man die Vergangenheit zum Glück kaum anmerkt. :)
    Übrigens war sie von Anfang an sehr auf mich fixiert. Irgendwie scheint sie eher ein Anti- Straßenhund zu sein. :D

  • Zitat

    schließlich merkt das Hündchen ja, ob man Stress hat


    bei Jannis ist das ganz extrem!
    Vor Jannis hatte ich einen hochsensiblen Collie, der als Junghund schwer misshandelt worden war ... von daher habe ich reichlich Übung, mit einem ängstlich-sensiblen Hund umzugehen und einzugehen...
    aber Jannis stellt da noch mal weit höhere Ansprüche!
    Sobald ich auch nur einen Anflug von Büro-Ärger mit nach hause bringe, spürt Jannis das und er hält Abstand zu mir, ist sozusagen auf der Hut, erwartet nichts Gutes ....
    wenn ich das gerade so schreibe, wird mir bewusst, dass ich in der Vergangenheit schreiben müsste: es war sehr schlimm, sehr ausgeprägt, dass er darauf skeptisch mit Abstand zu mir reagierte.... das hat sich absolut zum Positiven verändert.
    Aber das war ein regelrechter Teufelskreis: Jannis läuft frei im Wald, läuft weit vor, biegt um die Ecke und ist für mich nicht mehr zu sehen ... ich werde nervös .. ich rufe ihn zurück... Jannis spürt meine Nervosität und reagiert nicht auf den Rückruf, da er Ungutes befürchtet.
    Ich denke, dass diese "Alarmsirenen" für ihn zu seiner Strassenhund-Zeit überlebenswichtig waren.

  • Ja, Lina merkt auch, wie es mir geht - aber in der Wohnung macht es ihr nix aus, da ist sie absolut tiefenentspannt. Draußen wird sie langsam souveräner, aber das hängt natürlich damit zusammen, dass ich auch souveräner werde. Das Kennenlernen fremder Hunde war Anfangs mit großer Spannung verbunden - aber das führe ich auch ganz klar auf die Zeit auf der Straße zurück, dort traf man fremde Hunde ja eher selten zum Rumtoben, sondern es hieß: dein Revier oder mein Revier. Mittlerweile geht das schon viel besser, sie neigt zwar schon manchmal zum Mädchen-Gezicke, was ihr die Jungs gern verzeihen, ranghöhere Hündinnen allerdings nicht so gern mögen, aber auch hier gilt: Je cooler ich bin, umso cooler ist mein Hund. Heute habe ich im Wald die dünne Nylonschleppleine drangebastelt, die hat sie dann beim Hinterherschleppen gar nicht gemerkt und ich war beruhigt ;) und sie ist wieder so freundlich und lieb mitgekommen, dass es eine Freude war. Zwei Jahre jeden Tag üben machen sich plötzlich bezahlt, und ich dachte schon, mit dem Freilauf, das kann ich komplett vergessen.
    Wie alt war Jannis, als Du ihn bekommen hast?
    Deine Alarmsirenen-Theorie klingt übrigens sehr schlüssig!


    P.S. Ist Jannis so groß, wie er auf dem Foto aussieht?

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