Wie weit wuerdet ihr gehen?

  • Hallo ihr Lieben,


    Wir wohnen mittlerweilen in Amerika und ich arbeite seit 7 Monaten in einer TA-Klinik.
    Eigentlich ist uns ja bekannt wieviel die Amis fuer ihre Tiere ausgeben, aber mir graut's manchmal wenn ich die Rechnungen und die OP-Listen mancher Kunden sehe.
    Ich arbeite mit 3 Aerzten, wobei einer den Namen "Doc of the undead" traegt, weil er immer wieder Hundehalter ueberredet die 19 und 20 jaehrigen Hunde doch noch weiterhin mit Schmerzmittel voll zu pumpen um sie am Leben zu halten. Und glaubt mir, diese 19- oder 20-jaehrigen Hunde sind nicht mehr fit: sie koennen nicht mehr gehen oder stehen, haben keine Blasenkontrolle mehr, muessen per Hand gefuettert werden, usw.


    Dieser Arzt fuehrt auch regelmaessig Hirn-OPs und Chemotherapien an 14 bis 15-jaehrigen Hunden durch. Er ueberredet Kunden jeden Monat um die 600 Euro fuer ein Krebsmedikament auszugeben fuer Hunde die einfach null Ueberlebenschance haben. Laut Arzt leben 20% der Patienten 6-12 Monate laenger mit Medikament, als ohne!


    Glaubt mir, ich liebe meine Hunde sehr, aber ich befinde mich ganz oft in einer Situation in der ich echt mit meinen Werten zu kaempfen habe. Ich versteh dass man sein Tier, seinen besten Freund "fuer immer" bei sich haben will, dass man den besten Freund nicht einfach aufgeben will, aber man will diesen besten Freund doch nicht leiden sehen? Ich koennt's nicht...und ich find es auch moralisch nicht ok, den Tierhaltern einzureden dass "man da noch was rausholen kann" und "die OP alles aendern wird".


    Ab und zu ist mir echt zum Weinen, wenn ich Kunden sehe die ihre alten, kranke Hunde auf der Pritsche reintragen (!), sich drauf einstellen dass "es an der Zeit ist" und die gleichen Kunden froehlich lachend ihren Hund wieder raustragen weil der Doc ihnen irgendwie mal wieder eingeredet hat dass das alles schon hinhaut.
    Ich muss dann immer an meine Hunde denken und ich bin einfach der Meinung dass die es nicht verdient haben meinetwegen zu leiden. Bloss weil ich zu egoistisch waer um die von ihrem Leiden zu befreien? Bloss weil ein Arzt mir einredet mein lahmer, krebskranker, 18jaehriger Hund waer ja noch "top fit" und koennt mit ein paar Schmerzmitteln noch das Leben geniessen.
    Ich versteh's nicht und ich frag mich wie weit andere (Europaer) gehen wuerden.
    Wuerdet ihr alles tun um den Hund so lange wie moeglich am Leben zu halten (wenn auch unter miserabelen Zustaenden), oder wuerdet ihr irgendwann sagen "genug ist genug"?

  • Hmm...das ist ein schwieriges Thema. Ich habe mich darüber auch schon oft mit anderen Hundehaltern unterhalten. Generell bin ich absolut deiner Meinung: Man muss ein Tier nicht leiden lassen, wenn es keine Lebensqualität hat!


    Aber jetzt kommt die anderer Seite: "Ein Tier hat auch ein Recht auf Schmerzen, wieso also immer so schnell erlösen?" Das ist kein Zitat von mir! Aber es hat mich kurz zum Nachdenken angeregt. Das ist in etwa ähnlich, wie die Frage in Deutschland nach aktiver, bzw. passiver Sterbehilfe. Nur dass wir unsere Hunde nicht fragen können, ob sie noch bei uns bleiben wollen, oder erlöst werden...bei Menschen ist das etwas anderes.


    Unabhängig vom Thema finde ich es teilweise schon krank, was die Amis da mit ihren Hunden machen...wie kommst du damit klar, als Einwanderte?

  • Ich komm teilweise garnicht damit klar, aber andererseits hab ich mir angewoehnt manches zu ignorieren einfach um mich selbst zu schuetzen.
    Das ist der Hammer wie anders viele Amis ihre Hunde behandeln; einfach eine total andere Kultur. Zum einen werden die Hund wie Babies behandelt und werden richtig arg verwoehnt und sind dann dadurch total ausser Kontrolle und haben null Erziehung. Andererseits haben hier im Sueden fast alle 1-5 Hunde im Garten. Also, so richtige Kettenhunde. Und da kann ich euch Geschichten von erzaehlen, da wuerdet ihr euch von uebergeben muessen!
    Um's mal so zu sagen: ich sehe fast jeden Tag einen Hund mit aufgeschnittener Kehle weil das Metallhalsband nach Jahren eingewachsen ist! Traurig aber wahr: das ist hier Gang und Gebe!

  • Ich schau regelmäßig C.M. und dachte mir schon so manches Mal, das Amis manchmal nicht ganz dicht sind, was ihre Haustiere angeht :headbash: Ich hatte aber irgendwie doch die Hoffnung dass Sendungen wie diese das Bild verzerren und die Schnitte und Übersetzungen einfach nur übertrieben sind :(


    Es gibt Krankheiten, bei denen ich mir legale Euthanasie für Menschen wünsche. Und genau da zieh ich die Grenze. Das ist nichtmal die finanzielle Frage, ich könnte keine finanzielle Grenze ziehen, wo ich nichts weiter versuchen würde, sondern vielmehr eine moralische. Was ist es für ein Leben, wenn das Tier dauerhaft nur noch durch Schmerzmittel bedröhnt auf Wolken durch das Leben schwebt? Was ist das für ein Leben, wenn der Körper langsam von innen zerfressen wird?


    Langwierige Heilungsprozesse möchte ich mal ausschließen, auch Amputationen sind kein Thema, damit kommen Menschen und Tiere super klar, wenn sie es wollen und unterstützt werden. Aber Krebs der sich inoperabel im ganzen Körper ausbreitet, eigentlich tödliche Organausfälle, oder schlicht weg massive Alterserscheinungen, sind für mich der Moment Lebe wohl zu sagen. Man kann den Tod nicht austricksen, wenn er kommt, dann sollte man bereit sein.


    Und mit diesem Gedanken haben wir unser Haustier bei uns aufgenommen. Wir haben mit unseren Kindern besprochen und überlegt, ob wir bereit sind, ein Tier aus tiefstem Herzen zu lieben, wie einen Bruder, eine Schwester, oder wie ein Kind zu behandeln, und auch bereit sind, wenn es soweit ist, auf Wiedersehen zu sagen und weiter in die Zukunft zu blicken.



    Naja, eine finanzielle Grenze gibt es schon, das Tier hat ein Budget wie jeder im Haushalt auch. Alles was über das Machbare hinaus geht, geht einfach nicht. Ich werde niemals einen Kredit aufnehmen um eine schwierige risikoreiche OP zu finanzieren. Ich werde nicht auf qualitativ akzeptables Essen für Menschen verzichten, nur damit mein Hund ein Luxusleben führen kann. Auch (Tier-)Liebe hat irgendwo ihre Grenzen.

  • Danke für deinen Bericht, das hört sich ja wirklich schlimm an.


    So sehr ich meinen Hund auch liebe, aber ich denke schon bei einer Chemotherapie wäre bei mir Schluss, vorallem bei einem Alter über 10 Jahre. Soetwas ist für Menschen schon eine schlimme Sache und die verstehen warum es ihnen nach so einer Behandlung so dreckig geht, für einen Hund muss das nur eine Qual sein & am Ende ist es keine Rettung sondern nur eine "Lebensverlängerung". Die Frage ist ob die Verlängerung dann noch lebenswert ist.
    Ich würde alles für meinen Hund tun, egal was es kostet & wie aufwendig es ist, solange ich merke dass mein Hund noch Spaß am Leben hat & ohne Schmerzen über den Tag kommt.
    Sobald mein Hund selbst mit Schmerzmittel keine schmerzfreie Zeit hat und keinen Lebenswillen mehr zeigt wäre bei mir der Punkt gekommen ihn gehen zu lassen, egal wie schwer es für mich ist. Ich habe mir die Verantwortung für meinen Hund ausgesucht, ich muss auch die Verantwortung übernehmen ihm ein qualvolles Ende zu ersparen egal wie schwer das für mich sein wird.


    Selbst wenn ein "Tier Recht auf Schmerzen hat", es geht hier ja nicht um vorrübergehende Schmerzen sondern um einen Dauerhaften Zustand aus dem es keine Verbesserung mehr gibt. Eben weil unsere Hunde nicht sagen können was sie wollen müssen wir Menschen im Sinne unseres geliebten Tieres entscheiden & ich glaube jeder der sein Tier liebt und es leiden sieht weiß genau wann der Zeitpunkt gekommen ist an dem es für das Tier das Beste ist schmerzfrei gehen zu können.

  • Für sowas musste aber nicht nur in Amerika schauen. Ist hier in Europa auch nicht wirklich anders bzw. entwickelt sich auch dahin. Je weiter fortgeschritten die Tiermedizin wird, umso mehr wird geschaut, wo noch Grenzen zu finden sind. Auch wollen die ganzen teuren Apparate ja auch abgezahlt werden und dafür müssen sie auch genutzt werden. Bevor ein Aufschrei kommt: nein ich empfinde Tierärzte nicht grundlegend als Abzocker, viele machen einen tollen Job und sind um Tiere bemüht. Aber ich kenne inzwischen auch andere Exemplare und genau die, sind mir meist da begegnet, wo viele Apparate in der Praxis waren.


    Diese Entwicklung finde ich überhaupt nicht gut und ziehe für mich da schon bei der TA-Wahl Konsequenzen.


    Ich bemühe mich immer, genau zu schauen, wie es dem Tier geht. Aber das ist nicht immer einfach, vor allem nicht, wenn einem ein Strohhalm als die Lösung verkauft wird. Bei uns wird bei allen Tieren eine Kosten-Nutzen-Rechnung im Sinne des Tieres durchgeführt, wenn große Untersuchungen/OPs anstehen: was bringt es dem Tier an Lebensqualität und wieviel Leiden steht dagegen. Im Zweifelsfall geht hier Qualität vor Quantität.

  • Zitat

    Wuerdet ihr alles tun um den Hund so lange wie moeglich am Leben zu halten (wenn auch unter miserabelen Zustaenden).......


    Definitiv NEIN.
    Wenn der Hund nur noch leidet wird er erlöst.
    Da haben die Tiere mehr Glück als die Menschen.
    Sie können wenigstens erlöst werden von ihrem Leiden.
    Und wenn es so weit ist, muss man so furchtbar schwer es auch ist, diesen Schritt für den Hund tun.

  • Zitat


    Selbst wenn ein "Tier Recht auf Schmerzen hat", es geht hier ja nicht um vorrübergehende Schmerzen sondern um einen Dauerhaften Zustand aus dem es keine Verbesserung mehr gibt. Eben weil unsere Hunde nicht sagen können was sie wollen müssen wir Menschen im Sinne unseres geliebten Tieres entscheiden & ich glaube jeder der sein Tier liebt und es leiden sieht weiß genau wann der Zeitpunkt gekommen ist an dem es für das Tier das Beste ist schmerzfrei gehen zu können.


    Vielleicht habe ich mich unmissverständlich ausgedrückt...ich sehe das nämlich genau so wie du. Wir Menschen sind die, die entscheiden müssen, ob die Quälerei damit nur verlängert wird, oder ob der Hund noch Lebensqualität hat. Das darf nicht unüberlegt sein (manchmal sind TÄ schon schnell mit so Entscheidungen), aber darf auch nicht von Egoismus beeinflusst sein...


    Zitat

    Und wenn es so weit ist, muss man so furchtbar schwer es auch ist, diesen Schritt für den Hund tun.


    :gut:

  • Zitat

    Ich arbeite mit 3 Aerzten, wobei einer den Namen "Doc of the undead" traegt, weil er immer wieder Hundehalter ueberredet die 19 und 20 jaehrigen Hunde doch noch weiterhin mit Schmerzmittel voll zu pumpen um sie am Leben zu halten. Und glaubt mir, diese 19- oder 20-jaehrigen Hunde sind nicht mehr fit: sie koennen nicht mehr gehen oder stehen, haben keine Blasenkontrolle mehr, muessen per Hand gefuettert werden, usw.


    Genauso so machen wir es hier auch mit unseren älteren Mitmenschen und das selbst wenn sie darum betteln zu sterben! (wenn sie denn überhaupt noch dazu noch in der Lage sind).
    Entschuldige, wenn ich das jetzt anbringe, aber ich habe lange im Altenheim in der Pflege gearbeitet und ich finde es immer wieder.. lustig? zum heulen?.. das wir unsere Vierbeiner vor jedem Leid erlösen wollen, aber Menschen hier, genau so wie du es dort oben beschrieben hast, bis zum Tod "durchgeschliffen" werden.


    Das Problem ist nur, dass es ein sehr schwieriges und auch empfindliches Thema ist, wo man niemals auf eine Einigung kommen wird. Weder für Menschen noch für die Vierbeiner.
    Ich selber wüsste nicht, wie genau meine Meinung ausfallen würde. Einerseits wünsche ich niemandem, dass er übermäßig leiden muss.. andererseits möchte ich auch niemandem vorschnell "das Leben nehmen".


    Ich habe auch schon sehr Angst vor dieser Entscheidung bei meinen Hunden. Ich denke aber auch, dass ich dort eher in Richtung "Erlösen" gehe. Bei Menschen sehe ich das genauso.


    Ich kann dich aber dahingehend gut verstehen, dass ich ähnliches eben bei Menschen "mitgemacht" hatte und das kann einen richtig runter ziehen. Wenn Ärzte nur aufs Geld aus sind (und das sind leider viele), dann ist man dort eh verloren. Hoffe du hältst durch, oder findest etwas anderes.

  • Das sind wirklich ALTE und/oder schwerkranke Hunde, von denen ich rede. Und ich bin auch der Meinung dass man den Hund erloesen soll wenn er einfach nur noch miserabel ist. Das ist doch abscheulich ein Lebewesen so leiden zu lassen! Mir tun auch oft die Hundebesitzer leid. Ich erinnere mich noch ganz genau an eine Familie die angerufen hat und meinte "es sei an der Zeit". Frauchen hat mir erzaehlt dass ihr Mann den Hund jeden Tag raustragen muss damit der Hund sein Geschaeft erledigen kann und draussen ein bisschen rumschnuppern kann. Weil der Hund aber nicht mehr laufen kann, binden die Besitzer ein Tuch um den Bauch und lassen den Hund so "Schubkarrenmaessig" umherlaufen. Drinnen traegt der Hund Windeln weil er jegliche Muskelkontrolle verloren hat und staendig unter sich macht. Die Familie war bereit ihren 16jaehrigen Hund zu erloesen und die sind nach 40Minuten mit Hund wieder nach Hause....mit Hund und einer staerkeren Dosis Schmerzmittel! Es regt mich manchmal so auf, weil ich echt nicht klar komme mit manchen Einstellungen der Aerzte. Ich versteh schon dass es deren Job ist, aber auch sie sollten einsehen wann es reicht.

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