Extreme Übersprunghandlung

  • Ich klickere auch keinen Blickkontakt zu den Haltern oder zu dem anderen Hund mehr (dadurch kann sich eine extreme Erwartungshaltung aufbauen bzw. wird fixieren geklickert= beides will ich nicht haben). ich clicker lieber desinteressiertes Verhalten (Bogen gehen, am Boden schnuppern usw.) und die Belohnung fliegt auch noch von dem Auslöser abgewandt weg.

  • Das ganze Thema, das staffy ansprach, hat wenig mit dem klassischen "wer ist der Chef/Rudelführer/Boss/große Häuptling der Indianer" zu tun und es muss auch nicht um offensichtliches "auf der Nase rumtanzen" gehen.


    Bei extrem vielen Hunden ist es doch so: sie benehmen sich recht anständig, so lange es um nichts geht. Sobald ihnen aber etwas wirklich wichtig wird, verabschieden sie sich im Kopf vom Halter, hören nicht mehr zu, suchen Lücken im System und wenn der Halter nun "Nein" sagt, sagen sie ganz einfach "Doch".


    Was ich aber doch will, ist, dass ich meinem Hund in Situationen, die mir wichtig sind, einfach sagen kann "lass das" und sich der Hund ohne Diskussionen und langes Rumgeeiere einfach zurücknimmt und mir das Feld überlässt. Und dazu brauche ich eben die Positition, um Platz im Kopf meines Hund einnehmen zu können und weiterhin muss ich die Autorität bei meinem Hund genießen, die mich in die Lage versetzt, "Nein" sagen zu können, so dass es auch ernst genommen wird.


    Um das zu erreichen, muss ich mich aber neu positionieren. Der Hund muss mich in einer neuen Rolle wahrnehmen, die er mir abkauft und die mich eben in die Lage versetzt, die oben genannten Dinge zu erreichen. Das ist das Fundament für die weitere Arbeit.


    Viele Grüße
    Frank

  • Zitat


    Es fängt ja schon damit an, dass mein Herz klopft, wenn ich um Ecken gehe, weil ich befürchte, dass da ein Hund ist... das wird nicht so einfach.


    Und das Herz des Hundes klopft ebendso. Ihr seid beide aufgeregt.
    Wäre es dir nicht auch lieber, jemand würde dir sagen: DORT ist ein Hund. Und dann hättest du die Chance hinzugucken.


    Das wäre Zeigen und Benennen. 1. Stufe.
    In dieser Stufe darf man allerdings nicht verharren.


    So wie ich dein bisheriges Training verstehe, bist du bis hierhin ängstlich/nett.
    Dann guckt dein Hund weiter und wird mit Schellen unterbrochen, was aber nicht klappt, denn nun dreht er sich auch noch um, und beisst euch.
    Wobei ich das Beissen in den Oberarm als deutlich gefährlich, weil mit Beschädigkungsabsicht, interpretieren würde.


    Habe ich das so richtig verstanden?

  • Zitat

    So wie ich dein bisheriges Training verstehe, bist du bis hierhin ängstlich/nett.
    Dann guckt dein Hund weiter und wird mit Schellen unterbrochen, was aber nicht klappt, denn nun dreht er sich auch noch um, und beisst euch.
    Wobei ich das Beissen in den Oberarm als deutlich gefährlich, weil mit Beschädigkungsabsicht, interpretieren würde.


    Habe ich das so richtig verstanden?


    NEIN NEIN NEIN! !!


    Das was du da beschreibst klingt ja gruselig! Das kann man ja nicht Training nennen!


    Also nochmal:


    Wir treffen einen Hund, Diego guckt entspannt hin, ich clicke, Diego guckt zu mir und es gibt eine Belohnung. Diego guckt wieder entspannt zum Hund, C&B usw. Irgendwann guckt Diego dann vllt zum Hund und fängt an das Nackenfell aufzustellen oä, dann sage ich"nein!", reagiert er, kommt ein Alternativverhalten, passend zur Situation, reagiert er nicht, kommen erst die Schellen und danach das Alternativverhalten.


    Zu dem "Biss":
    Wir waren auf der Nachtrunde. Erst stand da die Hass-Katze (die einzige bei der es noch große Probleme gibt). Diego also völlig aufgeregt, dann gehen wir um eine Ecke und treffen einen Hund. Diego also völlig am ausflippen,bellen und in die Leine springend. Mein Freund hat ihn dann hinter sich hergezogen und ist ihm dabei wohl auf die Pfote getreten - wie er mir später erzählte- worauf hin Diego sich zur Seite drehte und schnappte. Man sieht aber an der Verletzungen, dass Diego ihn nicht treffen wollte, er hat ihn nur gestriffen.


    So, ist jetzt alles klarer?


  • Klingt plausibel. Und doch recht unkonkret. Wie sieht das im Alltag dann konkret aus? Wie bekommst du das hin, dass dein Hund am Ende nicht "doch" sagt? An welchen Beispielen würdest du sowas fest machen? Ich frage jetzt us ehrlichm Interesse.

  • Ich klink mich hier mal ein.


    Mir fiel das hier auf:

    Zitat

    Wir haben nach Z&B trainiert... eewig... Wenn er Lust auf die Leckerli hatte, war alles gut und wenn nicht, hat er gepöbelt. Wirklich verbessert hat sich sein Verhalten dadurch nicht.


    Hast du auch mal versucht, mit anderen Belohnungen ("funktionalen Verstärkern") zu belohnen? Z.B. weggehen dürfen, den Abstand so weit aufbauen, wie der Hund diese Situation eben aushalten kann?


    Kennt Diego eine Intermediäre Brücke und ein konditioniertes Entspannungssignal?


    Liebe Grüße,
    Anni


  • Was ist eine intermediäre Brücke?
    Ein Entspannungssignal brauchten wir bisher nicht, weil Diego halt von sich aus sehr entspannt ist.


    Belohnung für Diego wäre hingehen und schnüffeln, er würde nie von sich aus in nem Bogen um einen Hund drumrum laufen. Also nein, wir haben eigentlich nur Leckerli als Bestärker benutzt...

  • Zitat


    Was ist eine intermediäre Brücke?
    Ein Entspannungssignal brauchten wir bisher nicht, weil Diego halt von sich aus sehr entspannt ist.


    Belohnung für Diego wäre hingehen und schnüffeln, er würde nie von sich aus in nem Bogen um einen Hund drumrum laufen. Also nein, wir haben eigentlich nur Leckerli als Bestärker benutzt...


    Eine IB ist ein Signal, das dem Hund sagt "mach weiter mit dem was du grade tust, noch ein bisschen Geduld, bis der Klick kommt" - so übe ich zum Beispiel weitergehen (und nicht in Panik wegrasen oder einfrieren) mit meinem Hund. Man benutzt dafür immer die gleiche Silbe, die man mehrfach hintereinander sagt. So was wie "go-go-go".


    Verstehe ich es richtig: Diego pöbelt, weil er eigentlich hin will? Könntest du ihn theoretisch als Verstärker hinschicken (natürlich nur bei Hunden, für die das ok ist), oder würde dann durch die "aufgeheizte Stimmung" irgendwas passieren?
    Ich benutze als Verstärker übrigens "hinterher schnüffeln" - wenn der andere Hund vorbei ist, darf Titus ihm nachschnüffeln.


    Das Entspannungssignal könnte glaube ich bei euch, wenn so was passiert, wo der Hund eher aus dem Schrecken heraus eine Übersprungshandlung zeigt und an der Leine rumtillt, schneller wieder zur Beruhigung führen, so dass man ihn nicht wegzerren o.Ä. muss ;-) Mein Stinker ist auch ein Schisser, der manche Umweltreize als sehr bedrohlich/erschreckend einstuft. In solchen Situationen hilft die KE und von mir angebotener Körperkontakt ungemein.


    Liebe Grüße,
    Anni

  • Ich finde den Ansatz gut, zu Hause mal einiges zu verändern. Das schafft Raum für einen anderen Umgang miteinander, es regt zum nachdenken an (siehe Begrüssung des Hundes beim nach Hause kommen) und schafft neue Möglichkeiten.
    Veränderungen bringen immer eine neue Dynamik mit sich, die man nutzen kann. Es bedeutet ja nicht, dass man diese neuen "Regeln" die nächsten 10 Jahre anwenden muss.


    Und ich würde mir einen Trainer suchen der mit MIR arbeitet. Der mir zeigt wie ich souveräner werden kann, wie ich agieren kann, um das dann mit dem Hund zusammen umzusetzen. Hab auch solche Kurse besucht und war beeindruckt wie die Teilnehmer das im Alltag umsetzen konnten.


    Ich persönlich würde mir überlegen, den Hund draussen konsequent mit positiv aufgebautem Maulkorb zu führen. Für den eigenen "Seelenfrieden" ;) So weisst du, auch wenn du mal zu langsam bist, es kann nichts passieren. 1. Schritt um die eigene Herzfrequenz zu senken. :D

  • Zitat

    Klingt plausibel. Und doch recht unkonkret. Wie sieht das im Alltag dann konkret aus? Wie bekommst du das hin, dass dein Hund am Ende nicht "doch" sagt? An welchen Beispielen würdest du sowas fest machen? Ich frage jetzt us ehrlichm Interesse.


    Es ist ein bisschen schwer zu erklären, weil es nicht viel mit konkreten Handlungen sondern viel mehr mit Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und einer Einstellung zum Hund zu tun hat.


    Das ganze ist bei mir aus einem Workshop bei Michael Grewe gewachsen, auf dem ich vor einer guten Woche war. Ich würde mich nicht unbedingt als konfliktscheu bezeichnen und dachte bis zu diesem Tag, dass ich eigentlich schon vieles "richtig" mache. War mit Sicherheit auch so, was die Fortschritte an allen möglichen Stellen belegten. Aber letztlich artete es doch immer in Diskussionsrunden mit meinem Hund aus, wenn es drauf ankam.


    In dem Workshop wurde mir klar, wieviel Aktion mit wie wenig Wirkung ich eigentlich mache. Und das, obwohl ich mich eigentlich nicht zu den Hektikern zähle. Ich hatte ständig ein Auge auf dem Hund, um eingreifen zu können, wenn er Mist baut. Und wenn es dann darum geht etwas zu verhindern, was dem Hund wichtig ist (z.B. dem Hasen hinterher rennen), haben wir ein wunderschönes Tänzchen aufgeführt in dem ich zehnmal "Nein" sagte und mein Hund elfmal "Doch!" sagte.


    Was sich bei uns nun konkret geändert hat, sind eigentlich Feinheiten, die man wahrscheinlich von Außen gar nicht wahrnimmt. Ich verhalte mich deutlich abgegrenzter. Was mein Hund tut, ist einfach nicht mehr so wichtig. Mein Fokus liegt nicht mehr so sehr auf dem Hund. Ich gehe nicht mehr mit meinem Hund spazieren, sondern mein Hund darf mich auf meinem Spaziergang begleiten. Ich agiere noch ruhiger als bisher und rede noch weniger (obwohl ich schon vorher keine große Babbeltasche war, aber ich habe eben immer versucht Situationen durch Kommandos in den Griff zu bekommen). Mein Hund muss sich nun wirklich um mich bemühen. Ich bin einfach nett zu ihr, wenn sie sich Mühe gibt, aber mehr eben auch nicht. Gibt sie sich keine Mühe, ist das für mich auch ok. Alles, was ich tue, geschieht eher beiläufig.


    Auf der anderen Seite verlange ich aber immer mal wieder hundertprozentige Orientierung an mir (auch unter Ablenkung). Das habe ich erst mal an der kurzen Leine angefangen und beginne nun langsam damit, dies auch im Freilauf zu etablieren. Konkret heißt das, dass mein Hund in dieser Zeit genau zwei Dinge darf: atmen und laufen, ganz egal was um uns herum passiert. Schweift sie ab, nehme ich wieder Raum für mich ein.


    Die oben genannten Punkte sind eigentlich nicht die großen Neuheiten und tauchen in dieser oder leicht abgewandelter Form eigentlich immer wieder im Rahmen von Hundeerziehung auf. Neu war es für mich auch nicht und ich dachte eigentlich, dass ich vieles davon schon anwende. Aber ich muss zugeben, dass es mir wohl doch nicht so klar war, wie ich bisher dachte.


    Es ist nicht so, dass sich mein Hund nun um 180 Grad gedreht hat und nun der Vorzeigehund ist. Aber man merkt, dass etwas in Bewegung gekommen ist und sich an vielen kleinen Stellen (auch Dinge, die mich nie gestört haben) etwas tut.


    Ich hoffe, es wurde nun ein bisschen konkreter. Auch wenn es mir schwer fällt das ganze Thema wirklich zu beschreiben, weil es auf der einen Seite so komplex und auf der anderen Seite so einfach ist und eben nicht an irgendwelche Techniken und Handlungsanweisungen gekoppelt ist.


    Viele Grüße
    Frank

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