Ist der Hund ein Rudeltier?!
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Die Diskussion hier zeigt anschaulich, warum jede wissenschaftliche Diskussion immer mit einer Begriffsklärung anfängt. Um sich auseinanderzusetzen, muss man dieselbe Sprache sprechen und sich auf gültige Definitionen festlegen.
"Rudel" = wölfischer Familienverband kann natürlich nicht die soziale Struktur sein, in der der Hund lebt. Schlicht und einfach, weil der Mensch die Sozialstruktur, in der der Hund lebt, bestimmt - und nicht der Hund. Es gibt keine freie Partnerwahl, keine Abwanderung, keine Fortpflanzung, keine Familienstruktur, keine kooperative Jagd usw. - also auch kein Rudel.
Das ist voll und ganz im Interesse des Menschen, denn würden unsere Hunde in einer festen Rudelstruktur leben, wäre kein Platz mehr für die enge Beziehung zum Menschen, die die Zusammenarbeit Mensch-Hund ja erst ermöglicht.Die Ausgangsfrage, die diese Diskussion angeregt hat, war aber: braucht der Hund das Zusammenleben mit Artgenossen, oder genügen ihm gelegentliche Kontakte.
Diese Frage ist absolut nicht beantwortet - nur weil das Zusammenleben mit Artgenossen nicht gleich Rudelbildung ist, heisst das noch lange nicht, dass der Hund das Zusammenleben mit Artgenossen nicht dem Zusammenleben nur mit dem Sozialpartner Mensch vorzöge.
Das dürfte extrem individuell sein und von der jeweiligen Konstellation abhängen.Empirische Daten dazu gibt es nicht. Nur Einzelbeobachtungen und Erfahrungswerte. Außerdem dürfte ein Blick auch das Zuchtziel, das bei der Entstehen einer Rasse zugrundelag, durchaus einleuchten. Eine Rasse, die für die Verwendung in einer Gruppe gezüchtet wurde (Meutehunde, Schlittenhunde) hat vermutlich andere Anlagen als eine Rasse, die für die Verwendung als Einzelhund gezüchtet wurde.
Es gibt zumindest eine Untersuchung, in welcher der Cortisollevel vom Tierheimhunden durch Kontakt mit dem Menschen gesenkt werden konnte, durch Kontakt mit anderen Hunden jedoch nicht.
Und Daten darüber, inwiefern sich Straßenhunde zusammenfinden gibt es doch auch (wurde bereits hier verlinkt
).
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Wer hat denn behauptet, dass die Hunde gezwungen werden? Ist das nicht ein bisschen zu allgemein?
Wieso Herumdehnen? Wenn man merkt, dass sein eigener Hund mit einem Artgenossen einfach entspannter, ausgeglichener, glücklicher ist - warum darf man nicht sagen "jawoll, MEIN Hund ist ein "Rudel"- Tier!" ?
Schaut man sich hier im Forum mal um, findet man viele Beispiele, in denen man sieht, dass dahinter viel mehr steht, als ein bloßes Zusammenleben mit Arrangements.Von daher finde ich, dass man das nicht einfach so verallgemeinern kann.
Ich behaupte das. Die Hunde suchen sich ihre Hundepartner (anders als der Wolf ist dieser auch nicht monogam) und -freunde in der Regel nicht aus, mit denen sie zusammenleben.
Wenn wir "Rudel" als einfachen Gruppenzusammenschluss definieren, dann haben wir Tiere, die dazu befähigt sind. Dass Hunde aber "Rudeltiere" sind, ist alleine durch die zugrundeliegende semi-soltäre Lebensweise verneint.
Ob ein Hund gern mit Artgenossen zusammen lebt, ist natürlich individuell zu betrachten, aber "brauchen" tut er sie nicht, wenn der Mensch seine Rolle als Sozialpartner einnimmt. Und das hast du bei keinem anderen Tier. Das heißt nicht, dass ich den Hund von anderen Hunden isoliere.
Ein verwilderter Hund (also über mehrere Generationen), der zieht wahrscheinlich seine Artgenossen vor, aber der "normale Hund" von Nebenan... da wette ich auf den Menschen.
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Hey
ZitatClaudi, ich hab das sogar auf Video irgendwo rumliegen...und ich kenn mehrere Hunde, die das tatsächlich machen.
Eine Malamutemixhündin hat ihre Schnüss immer ganz weit aufgemacht, in den Nacken des anderen Hundes gelegt und ihn herumgedreht - immer dann, wenn der andere Hund zudringlich wurde und andere Signale (Blicke, Drohverhalten, Schnauzengriff) nicht verstand.
Diese Hündin ist sowieso n bissel special in allem, was sie tut. Ich hab noch niemals einen so sauber und konsequent kommunizierenden Hund gesehen wie sie :)
Das ist auch so ein Punkt, wir reden von Kommunikation, tatsächlich ist es oft nicht mehr als nur Interaktion!
Der wahre Egoist kooperiert.
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Wer hat denn behauptet, dass die Hunde gezwungen werden? Ist das nicht ein bisschen zu allgemein?
finde ich gar nicht so falschwenn Kira wählen könnte, wäre sie wohl Einzelhund
wenn Luna wählen könnte, wäre sie nie Einzelhundso unterschiedlich sind die Hunde
aber man merkt anhand der Interkation und wohl auch Kommunikation, wie sehr sie sich aneinander gewöhnt haben
und wie gut sie sich "absprechen" in allem, was sie tunist bei "haushaltsfremden" Hunden anders
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Es ging um die These, dass der Hund ein "Rudeltier" ist. Und die ist einfach überholt. Aber es wird dennoch darauf herumgeritten. Man will sich davon nicht trennen, sonst müsste man sein gesamtes Handeln und Wirken dem Hund gegenüber überdenken. Deshalb kann man sich auch nicht von den "Trieben" verabschieden, sie sind einfach eine so schöne Erklärung.
Ich finde einfach, das die Rudelsache den Hunden gegenüber unfair ist. Ja, sie sind gruppenfähig, ja, sie haben gerne Kontakt zu Artgenossen, aber es kann durchaus sein, dass als "richtiger" Sozialpartner der Mensch im Allgemeinen genügt.
Alleine deshalb macht es mir nichts aus, das mein Hund kein Spieli-Spieli-Typ ist.Bei Katzen wird deren Lebensart sofort akzeptiert. Bei Hunden gibt es komische Vorstellungen. Verstehe ich nicht.
Ich habe es verstanden. Und danke dir, dass du es erklärt hast. Es verändert wirklich meinen Blickwinkel. Ich hatte das zuerst nicht nachvollziehen können, aber jetzt sind mir Schuppen von den Augen gefallen. Und das ist immer richtig toll.
Wieder ein Meilenstein gelernt! Und das nur duch Lesen deiner Texte. Ich musste kein Seminar bezahlen, keine Bücher kaufen. Du stellst dein Wissen einfach so zur Verfügung.Danke dir!
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Die Diskussion hier zeigt anschaulich, warum jede wissenschaftliche Diskussion immer mit einer Begriffsklärung anfängt. Um sich auseinanderzusetzen, muss man dieselbe Sprache sprechen und sich auf gültige Definitionen festlegen.
Sehr treffend!
Und um es mit Hansgeorgs Worten zu sagen:Zitat
Aber es schadet nicht, zu wissen, was man unter einem Rudel in der Verhaltensbiologie versteht.WISSEN schadet nicht
Und tud auch nicht weh...auch wenn manche hier so tun, als wenn ihnen einer wegnimmt
, nur weil der Hund kein Rudeltier ist aus "Verhaltensbiologischer" Sicht.
Ich weiss das jetzt und dennoch kann ich gut damit leben, wenn andere Menschen von ihrem "Rudel" berichten. Dass ich IN einem Rudel lebe und ein Alphawolf bin, das habe ich für mich schon immer aus dem Bauch heraus komplett ausgeschlossen
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Kurze OT-Frage:
ZitatZitat Wikipedia (auch wenn Wikipedia hier nicht nur Freunde hat): "Obwohl man auch einzelne Wölfe in der Wildnis antrifft, ist die normale Sozialordnung des Wolfes das Rudel. Das Wolfsrudel besteht im Regelfall aus dem Elternpaar und dessen Nachkommen, es handelt sich also um eine Familie. Wölfe werden erst mit zwei Jahren geschlechtsreif (Haushunde schon mit 7 bis 11 Monaten) und verbleiben bis zur Geschlechtsreife bei den Eltern. Die vorjährigen Jungwölfe unterstützen das Elternpaar bei der Aufzucht der neuen Welpen. Unter normalen Bedingungen besteht ein Rudel im Herbst also aus dem Elternpaar, dem Nachwuchs aus dem Vorjahr und dem Nachwuchs aus demselben Jahr. Mit Erreichen der Geschlechtsreife wandern die Jungwölfe in der Regel aus dem elterlichen Territorium ab und suchen sich ein freies Revier, wo sie mit einem auf der Wanderung getroffenen und ebenso ausgewanderten Jungwolf als Partner eine eigene Familie gründen."
Da stehen auch noch ein paar Unterschiede zwischen wild lebenden und in Gefangenschaft lebenden Wölfen, wenn dich das weiter interessiert :)Das passt so gar nicht zu der Theorie, mit der die Scheinschwangerschaft der Hündinnen immer erklärt wird.
Stützt die sich also auch nur auf Mutmaßungen, wie die Vorfahren von Wolf und Hund wohl gelebt haben könnten? -
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Wer hat denn behauptet, dass die Hunde gezwungen werden? Ist das nicht ein bisschen zu allgemein?
Ich stimme da Kareki voll und ganz zu.
Ich habe entschieden, das die Damen zusammenleben. So wie es vorher schon bei meinen Hundeteams war.
Klar darf der schon vorhanden Hund "mit reden". Im Sinne von, findet er den zukünftigen Partner interessant, oder ignoriert er ihn völlig, bzw. will ihn am liebsten aus seiner Nähe weg haben.Ich hab ja vorne schon mal geschrieben, wenn es nach meinen Hunden ginge, wäre jeder als Einzelhund glücklich.
Warum ich nun aber zwei Hunde habe?
Zum einem weil ich egoistisch bin und die Mehrhundehaltung bevorzuge. Dann weil ich es liebe wie Hunde untereinander agieren und kommunizieren.
Und weil es für einen ängstlichen Hund von grossen Vorteil ist, einen relativ gelassenen Hund zu haben an dem er sich orientieren kann.Und Danke an eure tollen Posts. Es ist unglaublich was ich hier lerne.
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Hey
ZitatDie Wölfe, die sich fortplanzen natürlich nicht, die Elterntiere sind nicht verwandt.
Das ist auch wieder nicht so ganz zutreffend!
Denn die sogenannten Inse-Wölfe, ein Wolfsrudel das gezwungenermaßen auf natürliche Art und Weise, die auf einer Insel seit ca. 1950 eingewandert ist und vom Festland isoliert sind.
Die dadurch massiv von Inzest/Inzucht bedroht sind, aber nicht von Nahrungsproblemen, obwohl ihre Nahrungsgrundlage zu ca. 80% aus Moosen besteht.Das zeigt wieder einmal eindrücklich, welchen Faktor auch die natürliche Umwelt ausmacht, in der Wahl des Zusammenlebens. Hier leider eher negativ.
Der wahre Egoist kooperiert.
Genotyp + Umwelt = Phänotyp
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Hey
ZitatAber nur weil es Gemeinsamkeiten gibt, verwischen wir die interessanten Unterschiede? Es gibt auch andere Caniden, die semi-solitär leben, wie z.B. Kojoten.
"Coyotes are semi-social animals; they can be solitary, or form traveling pairs or packs (kind of the midway between solitary foxes and pack-forming wolves). Social habits vary depending on geographic area; for example, animals that live at northern latitudes tend to coalesce into packs in order to bring down larger prey like ungulates (especially in the winter when other prey are scarce), whereas animals that live in the desert tend to be solitary hunters, pursuing smaller prey like rabbits and rodents."
Es könnte wie Haarspalterei klingen, ist es aber nicht.
Denn wird hier nicht von semi-sozial gesprochen, das ist etwas anderes, als semi-solitär?!Semi-solitär wäre sowieso unsinnig, da Einzelgänger schon aus fortpflanzungstechnischen Gründen z. B. kurzfristig semi-sozial leben müssen.
D. h., sie vergesellschaften sich aus unterschiedlichen Gründen, aber ihre überwiegende Lebensform ist das Einzelgängertum.Beweise haben nicht wirklich die Aufgabe, jemanden davon zu überzeugen, dass etwas wahr ist. Sie dienen nur dazu, um zu zeigen, warum etwas wahr ist. (Andrew Gleason)
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