Konditionierung bedeutet, ein Hund darf nicht Hund sein

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    Ich finde schon, dass Gesten lesen etwas damit zutun hat. Bestes Beispiel auf der Hundewiese: Der Hund einer Bekannten weiß, dass er nicht alles vom Boden fressen soll. Meine Bekannte hat in dem Moment nicht hingesehen, Hund versucht klammheimlich an seinem aufgesammelten Zeug rumzukauen. Meine Bekannte guckt hin, Hund kriegt super schlechtes Gewissen, duckt sich. Meine Bekannte hebt eine Augenbraue und guckt grimmig, der Hund spuckt aus.
    Die beiden haben eine super Bindung, weil Hund und Mensch sich gegenseitig wie ein offenes Buch lesen können.


    Mein Jungspund macht das so :ugly: :


    Er schnappt sich den vergammelten Apfel, wenn ich es nicht bemerke - er liebt Äpfel - oder er stellt sich davor, kuckt den Apfel an, kuckt mich an, bis ich es bemerke. Er ist nicht geduckt (ist mir sehr wichtig). Ich grinse und sag ähäh bzw. Aus, dann, wenn er ihn schon in der Gusch hat. Bei Aus spuckt er es stantepete aus und kuckt wieder zu mir - er hat dabei noch kein Stückchen davon gefressen - bei ähäh kuckt er nochmal drauf, kuckt zu mir und wartet drauf, was jetzt kommt. Dann sag ich entweder gleich weiter oder, je nachdem, was es war, was er NICHT gefressen hat, bekommt er ein wirklich dickes Lob mit Spiel etc.. Ist es besonders schwer für ihn, üben wir verstärkt mit dem Objekt der Begierde, es da zu lassen.


    Manchmal bemerke ich nur, dass er was in der Gusch hat, weil er stehen bleibt und mich auf gespannte Weise anschaut: er hat ja ne grosse Klappe :hust: , da passen Dinge rein, ohne dass man es sieht.


    Das ist bei uns intensiv konditioniert worden, genau im Alter Deines Hundes und früher - und er hat es sehr angenehm verknüpft. Es wurde ihm mit dem geilsten Spiel seines kurzen Lebens beigebracht - mit Zergeln und Aus und Nimms. Ebenso wie Komm sind das unsere (lebens)wichtigsten Kommandos. Bei diesen Kommandos möchte ich, dass er wie eine Maschine funktioniert ;) . Aber das funktioniert besser ohne Strafe als mit.


    Dafür kann er keine Rolle rückwärts, kein Männchen etc., zumindest nicht auf Befehl und wird es auch wohl nie können. :smile:


    Aber mit Bindung hat das nicht viel zu tun - höchstens insofern, dass wir, um es zu üben, viel schöne Zeit miteinander verbracht haben und uns diese gemeinsamen Zeiten, wo wir üben oder was suchen, sehr verbinden, da es uns viel Spass macht.

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    Hmm okay, ich kann ja anscheinend als Anfängerin mit einem 4 Monate alten Welpen nicht mitreden, weil ja alles auf Folgetrieb geschoben wird.


    Weisst Du - mit 4 Monaten macht es einem ein Hund idR noch relativ leicht.


    Die meisten blutigen Anfänger sind so was von stolz, wenn sie erzählen, wie toll ihr 4-5 Monate alter Hund denn schon "hört".
    Und dann kommt die Pubertät ... und das böse Erwachen.


    Abhängig vom Charakter fällt das dann mehr oder weniger stark aus. Aber ca. 99% aller Hundehalter machen diese Erfahrung.



    Du hast einen Berner Jungspund wenn ich das richtig mitbekommen habe?


    Dir ist schon klar, dass der Berner nicht wirklich der ideale Anfänger-, Kinder-, Familienhund ist, als der er immer wieder gern dargestellt wird?


    Berner - zumindest die, die ich kennenlernen durfte (und wir hatten drei eigene), waren alles andere als das, was heutzutage klischee- und vorurteilsbehaftet im Berner gesehen wird.


    Mit "Mensch als Mittelpunkt ansehen" war da nichts. Im Gegenteil. Die eine unserer Hündinnen hat ganz klar und deutlich gemacht, dass sie sich auf einer Höhe mit ihren Menschen sieht. Und grundsätzlich selbst entscheidet, ob sie bereit ist, mitzuarbeiten, Kommandos zu befolgen etc.


    Mit Bindung hat das übrigens nichts zu tun. Die Bindung zu "ihrem Rudel" war gut. Sie hätte bsp. jeden einzelnen "ihrer Menschen" bis auf's Letzte verteidigt. Sie wäre auch nie auf die Idee gekommen, mit ihr fremden Personen mitzugehen oder sonstiges. Grundsätzlich waren ihr als Erwachsene Hündin fremde Menschen so was von egal.
    Sie ganz klar gezeigt "hier gehöre ich hin, das sind 'meine Menschen', das sind 'meine Hunde'" - also in Bezug auf unsere anderen Hunde.


    Aber ein Demuts- und eindeutiges Angstverhalten (Meiden), wie Du das so von dem Hund deiner Bekannten schreibst, der sich schon auf einen Blick von ihr duckt - DAS hätte sie nie gezeigt. Im Gegenteil.

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    Liv - stell dir vor, der deprivierte nordische Hund fühlt sich unwohl, wenn ich 20 Meter wegstehe und kommt sofort, von sich selbst aus. Der nicht deprivierte, sehr verträgliche, gutmütige Shiba hat einen seeeeehr weiten Radius und geht auch gern mal seinen eigenen Weg...


    Das ist schön. Sagt aber nichts zur Bindung aus. Ich denke eher, der gutmütige Shiba hat mehr Urvertrauen, der andere ist depriviert und demzufolge im Verhalten gestört.

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    Das ist schön. Sagt aber nichts zur Bindung aus. Ich denke eher, der gutmütige Shiba hat mehr Urvertrauen, der andere ist depriviert und demzufolge im Verhalten gestört.


    Wie weit sich ein Hund vom Besitzer entfernt hat für mich auch nichts mit der Bindung zutun...


    Das hängt meiner Meinung nach eher mit dem Charakter des Hundes zusammen und/oder teilweise mit der Genetik. (die Hunde meines Züchters sind bekannt für ihren großen Arbeitsradius und ihre Selbstständigkeit).


    DAS alles hat ja aber nichts damit zutun, wie die Bindung ist...
    Und auch nicht damit wie gut der Hund erzogen ist ;) Ein top erzogener Hund darf doch gerne einen großen Radius haben - wenn er auf ein Signal hin sofort da ist.

  • Hmmm.. ich suche ja schon länger nach so was wie einer Definition von Bindung, aber es scheint keine zu geben.


    Für mich bleibe ich dabei - ein Hund, der die enge Zusammenarbeit mit dem Menschen sucht und sich am Menschen orientiert hat für mich eine höhere Bindungsbereitschaft.
    Gerade Jagdhunde müssen eng mit den Menschen zusammenarbieten, also eine hohe Bindungsbereitschaft haben. (mal abgesehen von Meutehunden...)


    Ein eigenständiger Hund (da würde ich pers. aus meiner Erfahrung mit der Rasse den Berner auch dazu zählen) hat eine geringere Bindungsbereitschaft - wird eher mal sagen "ist mir doch egal" und eigenen Wege gehen.


    Ich glaube schon, dass auch Hunde mit einer nicht so starken Bindung ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Halter haben können. Aber z.b. die Verteidigungsbereitschaft des "Rudels" würde ich persönlich nicht als Zeichen einer starken Bindung werten, sondern als Zeichen einer hohen Eigenständigkeit (Job selbst erledigen wollen).


    Starke oder schwache Bindung muss ja nicht gleich gut oder schlecht sein. Der Begriff wird leider absolut wertend und normativ gebraucht, das halte ich für falsch.

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    Wie weit sich ein Hund vom Besitzer entfernt hat für mich auch nichts mit der Bindung zutun...


    Das hängt meiner Meinung nach eher mit dem Charakter des Hundes zusammen und/oder teilweise mit der Genetik. (die Hunde meines Züchters sind bekannt für ihren großen Arbeitsradius und ihre Selbstständigkeit).


    DAS alles hat ja aber nichts damit zutun, wie die Bindung ist...
    Und auch nicht damit wie gut der Hund erzogen ist ;) Ein top erzogener Hund darf doch gerne einen großen Radius haben - wenn er auf ein Signal hin sofort da ist.



    Das sag ich doch schon die ganze Zeit...

  • Zitat


    Wie wäre es, wenn ihr mal explizit erklärt wodurch sich die Bindung zwischen euch und euren Hunden äußert? Hier versteht ja irgendwie jeder was anderes darüber. Definitionen sind schön und gut, aber ich kann mir die Dinge am besten anhand von Beispielen vorstellen. Also schießt los!!!! :)


    Ganz einfaches Beispiel.


    Meine Hunde mögen meinen Bruder sehr. Sie freuen sich ihn zu sehen, sie albern mit ihm rum.
    Wir gehen fast jeden Morgen zusammen spazieren.


    Am Ende des Spaziergangs trennen sich unsere Wege, meine Hunde sehen meinem Bruder hinter her, mehr nicht.
    Ohne, daß ich ein Wort sagen muß, ohne Gesten, gehen sie wie selbstverständlich mit mir mit.


    Noch ein Beispiel.


    Sehr gute Freunde von uns, die meine Hunde sehr gut kennen, wollen mit ihnen spazieren gehen.
    Meine Hunde begleiten sie bis zum Gartentor, drehen sich um, schauen zu mir, sehen ich gehe nicht mit und sie bleiben auf dem Grundstück. Kein freundliches Wort, keine liebe Aufforderung, läßt sie sich zu diesem Spaziergang bewegen.


    Natürlich beruht Bindung auf sozialer Partnerschaft, die muß man eingehen. Aus Sicht des Hundes bedeutet das Schutz und Versorgung seiner Grundbedürfnisse. Biete ich ihm das, bindet er sich an mich.


    Und auch, wenn es dem einen oder anderen nicht gefällt, für mich bedeutet das nonverbale Verstehen auch Bindung.


    Meine Hunde "verlieren" mich nicht gern, darum bekommen sie jede Richtungsänderung, auch aus Entfernung und/oder unter Ablenkung mit. Keiner meiner Hunde klebt an meinen Hacken oder am Knie.


    Eine gute Bindung ist eine unsichtbare Leine, die es dem Hund ermöglicht, stressfrei mit seiner Umwelt zu kommunizieren. Je besser die Bindung zum Sozialpartner Mensch, umso leichter ist die Erziehung/Ausbildung des Hundes.


    Gaby, ihre schweren Jungs und Finn


  • Nein - Bindung ist auf sozialer Ebene. Wie sie sich äußert, hat etwas mit dem Hund selbst zu tun. Ein Hund kann eine sehr tiefe und starke Bindung haben und sich fast nie freiwillig zum Hundehalter orientieren oder mit ihm kooperieren - auch ohen Bindung gibt es Hunde, die eng mit dem Menschen zusammenarbeiten. Da sind zwei Ebenen vermischt, die nichts miteinander zu tun haben.





    Quebec
    Auch Richtungsänderungen sind kein Indiz...
    Ich glaube hier werden Ausbildung, Erziehung, Bezeihung und Bindung einfach durcheinander geworfen.


    Ich kann mit einem Menschen eine Bindung haben, den ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Den muss ich weder füttern noch streicheln.

  • Hallo,


    habe nur die ersten und die letzten Seiten gelesen. Zu dem komischen Trainer wurde ja schon ausreichend viel gesagt ...und das Konditionierung IMMER stattfindet steht doch ausser Frage. Alles Andere ist gefährliches Wunschdenken (...und ich weiß nicht mal ob sich überhaupt irgendeiner wünscht bei der heutigen Hundedichte von lauter unkonditionierten Hunden umgeben zu sein).
    Jeder Hund hat einen anderen Charakter, der andere Ansprüche an seinen Halter stellt. Im Idealfall findet der Topf eine passenden Deckel - dann läuft es halt traumhaft und man fühlt sich als hätte man den Hundeverstand mit der ganz großen Kelle eingetrichtert bekommen, die Probleme der anderen können doch nur durch ihren "Unverstand" kommen. Beim nächsten Hund sieht die eigene Welt aber vielleicht schon wieder ganz anders aus.... :p Es funktionieren doch manchmal Teams da würde jeder "Hundetrainer" die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
    Andere Hunde von seinem berammeln zu lassen damit der eigene mal "einfach Hund" sein darf gehört zu den Dingen die absolut nicht komisch sind. Genauso wie "die regeln das schon unter sich" ...das sagen übrigens meistens die mit den großen Hunden (heißt wohl soviel wie "ich habe da jetzt leider keine Kontrolle mehr über meinen Hund"). Wenn ich mit meinem großen, schwarzen Rüden z.B. auf einen Chihuahua treffe sagt das komischerweise niemand ...weiß der Teufel warum ;)
    Auch Hunde mobben gerne mal Schwächere und wenn man schon an eine "Rudeltheorie" glaubt (so wie bei Wölfen), dann sollte man sich auch vor Augen führen, dass eine zufällige Begegnung unter rudelfremden Wölfen nur selten glimpflich abgeht (dafür werden unter anderem auch Gebiete markiert, damit der andere weiss wessen (Achtung jetzt kommts!) REGELN hier herrschen (allerdings habe ich mit der Rudelthorie so meine Probleme...).
    Ein Hund MUSS Regeln einhalten um überhaupt irgendwo zu überleben. Da wir die Regeln UNSERES Zusammenlebens kennen - der Hund aber nicht - müssen wir ihm helfen sich einzuordnen ...schon allein damit der Mensch nicht Schwierigkeiten wegen seines Hundes bekommt. Optimale Freiheit bedingt optimalen Gehorsam (nicht von mir - aber trotzdem wahr :ops: )!
    Und Regeln haben immer Bestand - das ist KEINE Willkür! Klar reicht auch ein "Nein" in den meisten Situationen, aber wie schon jemand sagte erleichtert ein "Platz" und ein zuverlässiges "Bleib" das Leben manchmal ungemein - von der Reaktion der hundeunkundigen Mitmenschen mal abgesehen. Von Hunden die quasi für die Arbeit "leben" mal ganz abgesehen - da geht es ohne 100%ige Umsetzung von Regeln nicht. Sag mal einem Schäfer "pfeiff doch auf Regeln, lass ihn doch einfach mal Hund sein...!
    Wie gesagt ist jeder Hund anders. Meiner interessiert sich zwar für andere Hunde, aber nur bedingt - Hundewiese wäre nicht so sein Ding - er sucht halt eher den Umgang mit mir :roll:
    Schon wieder so ein langer Text ...aber zur Distanz möchte ich noch etwas sagen:
    Wenn ich mit meinem Hund draussen unterwegs bin dann unternehmen wir Dinge zusammen - mein Hund hat aber auch Freiraum. Ich gehe manchmal weiter und weiter und mein Hund schnuppert sich fest. Zwischendurch guckt er mal hoch, damit er mich nicht aus den Augen verliert und auch wenn er 50 Meter entfernt ist ...wenn ich mich nur bücke um den Schuh zuzumachen kommt er angerannt um nachzuschauen was da los ist. Wenn er dann sieht "da is nix" ... dann gehen wir im gleichen Trott weiter - mal ist er ein Stück vor mal zurück. Manchmal spiele ich auch mit ihm und ich lasse ihn dann z.B. einen Cent in einer Natursteinmauer suchen - dann ist das etwas das wir nah beisammen und gemeinsam machen. Ein anderes mal sitzen wir irgendwo rum und machen nix ausser dösen. Kurz drauf sucht er in großer Distanz auf einer Wiese einen Ochsenziemer oder den Futterbeutel und ist stolz darauf wenn er ihn mir bringt und ihn gegen ein Leckerlie tauscht. Dann machen wir in der Woche mantrailing und er muss wirklich vollkonzentriert Leistung bringen - da bin ICH der Partner der IHM vertraut - und da muss er auf meine wenigen Signale unbedingt reagieren. Das alles ist für mich Gemeinsamkeit - mit Entfernung hat das nichts zutun. Klar ist seine Beziehung zu mir besser als zu anderen - mich kennt er aber auch und wir sind aufeinander eingespielt - ich biete ihm Zuverlässigkeit (ob man das als Bindung bezeichnet, naja - er bietet mir ja auch Zuverlässigkeit ...und da Hunde irgendwie Opportunisten sind sucht er wohl den für sich besten Weg. Wenn ich einen anderen Hund bekäme müsste ich auch erst mal schauen ...wie ist der denn so? wie reagiert er auf mich? was lässt der zu und wie weit kann ich die Grenzen problemlos verschieben? - warum sollte es meinem Hund anders gehen....!


    Tschüss und viele Grüße
    Ralf

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