Gegen das Vergessen...Charly
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2 Monate ist Charly jetzt im Hundehimmel....es war besser so, aber ich wollte hier jetzt doch einmal schreiben, wer Charly war, wie sehr er mein Leben geprägt und sicher auch verändert hat, wie unser Leben gemeinsam so war. Und gegen das Vergessen anschreiben, dass sich in den Alltag drängt, was ja eigentlich gut ist, aber doch weh tut, wenn man bemerkt, dass man es langsam tut. Vergessen ist vielleicht das falsche Wort, es ist mehr das Weiterleben ohne ihn und trotzdem glücklich zu sein. Ja, es ist gut, dass es so ist, aber manchmal überfällt einen das schlechte Gewissen....
Charly war ein Drahthaar - Epangol Breton Mix, sah aber aus wie ein zu plüschig geratener Drahti. Er hatte die doppelte Staatsbürgerschaft und stammte aus einer Gartenzaun-Liaison (Zaun kaputt...) in Südfrankreich, wo Freunde meines Vaters ihren Zweitwohnsitz hatten. So kamen sie im August 2000 Heim nach Deutschland und berichetet, Paula (Drahthaar aus dem Tierschutz) bekäme Welpen. Ich war damals 15 und ein Kampf gegen den Unwillen meiner Eltern begann. Immer schon wollte ich einen Hund haben, bekommen habe ich einen Wellensittich.... Da meine Eltern Paula aber sehr gern hatten und mein Vater vermutlich einen Hund auch nicht soooo schlecht fand, hatten wir meine Mutter dann doch irgendwann rum.
Am 28.8.2000 (der Geburtstag meines Vaters, praktisch, denn den Hundegeburtstag vergisst man ja nicht und so auch den des Papas nicht...) kam Charly dann also mit 5 Geschwistern zur Welt. Einen Tag später sah ich sie das erste Mal, seit dem habe ich ihn höchstens eine Woche am Stück nicht gesehen und half seit dem jeden Tag bei der Versorgung der Welpen, entschied mich 4 Wochen später für Charly. Mit 8 Wochen zog er dann bei uns ein....und meine Eltern ließen mich hängen....klingt fieß, aber sie halfen mir kein bisschen, gingen nicht mit ihm raus, auch nachts nicht. Als ich 3 Tage und Nächte fast nicht geschlafen hatte, heulte ich nur noch und wollte den Hund wieder zurück geben, weil ich das nicht schaffte. Ich war am Boden zerstört mit meinen 15 Jahren, ich wusste, dass es anstrengend wird, aber dass meine Eltern mir gar nicht helfen würden, das hatte ich nicht erwartet... Ich wollte ihn schon nehmen und zurück geben, da haben meine Eltern mir dann doch geholfen und vor allem erlaubt, den jammernden Welpen Nachts ins Bett zu lassen. Seit dem....war Ruhe! Wir wurden Freunde, Charly kam überall mit hin, wo es möglich war. Sogar beim Handballtraining saß er in der Halle und wartete auf mich, wurde von den Mädels abwechselnd bespaßt oder schlief ein. Er war so niedlich (klar, war ja ein Welpe)....
Ich versuchte, ihn so gut es ging und mit allem, wa ich gelesen hatte zu erziehen, nur leider hatten meine Eltern diese Bücher nicht gelesen.... Naja...im Hundesportverein geriet ich dann zum Glück an viele Menschen, die mir sehr geholfen haben und über Welpengruppe und später Turnierhundsport wuchsen wir noch enger zusammen. Charly hatte es sicher nicht immer einfach in einer Familie, wo die Erwachsenen ihn oft falsch verstanden und mir nicht glaubten, wenn ich es besser wusste, aber nicht durchsetzen durfte.... das tut mir heute noch sehr leid für ihn... aber ich glaube, die schönen Zeiten haben die Überhand gehabt...Meine Jugend zu Hause war nicht immer einfach....und ich weiß nicht, was ohne Charly aus mir geworden wäre. er gab mir Halt, er hat im richtigen Moment lustige Dinge getan, kam zum kuscheln, wenn ich weinte, war da, wenn ich das Gefühl hatte, dass nichtmal meine Eltern mich mögen und gab mir die Möglicheit zu gehen, wen ich es nicht mehr ausgehalten habe....denn gegen "der Hund muss raus" hat nie jemand etwas gesagt. Er gab mir das Gefühl, dass er immer da sein wird, wenn ich ihn brauche, er hing sehr an mir und ich an ihm. Wir passten gut zusammen, etwas überdreht, hibbelig und doch sehr sensibel, feinfühlig und durch Druck und laute Worte schnell einzuschüchtern.
Mit 20 zog ich aus, erst zu meinem damaligen Freund, dann alleine. Charly kam natürlich mit! Meine Eltern haben ab und an auf ihn aufgepasst, bei ihnen lassen konnte und wollte ich ihn nicht, das war immer klar, auch wenn es schwierig war. Studium, Berufseinstieg, da ist eben keine Zeit mehr zum feiern oder groß weggehen, denn dann wäre der Hund ja so lange alleine. Das verstanden viele nicht und ich fand es nicht immer toll, aber Charly ging vor. Typen, die den Hund nicht mochten, wurden gleich wieder abgesägt...
Und so wurden die Vereinskollegen zu meinen Freunden, meine heutige beste Freundin habe ich auch dort kennengelernt vor vielen Jahren. Ich machte meinen Trainerschein, leitete mit 18 die Welpengruppe, dann auch eine BH-Gruppe, Charly war meistens mit dabei. Nebenbei sind wir Turniere gelaufen und waren viel joggen. Nicht zuletzt dafür habe ich mit dem Handball spielen aufgehört. Und es nie bereut.... Seit wir alleine wohnten (ich stellte Charly immer als meinen Mitbewohner vor, der nie im Haushalt hilft, aber so niedlich guckt, dass das schon ok sei :D), fanden wir noch besser zusammen. Charly stellte manchmal auch echt lustige Dinge an, klaute frisch gebackenen Kuchen oder den Rehbraten oder trank Bier und war besoffen! Ohne den Einfluss von anderen lebten wir ein bisschen in unserer eigenen Welt. Wir unterhielten uns auch, denn wenn man mit ihm sprach, fing er an zu fiepen und echt ulkige Geräusche zu machen, er antwortete, ganz sicher!!!er konnte sogar sagen, wie der Dackel, die Taube und der Hund macht (fiepen, gurren und bellen) und einmal fragte in der Hundeschule jemand, wo denn hier die Taube säße, die so laut gurrt. Dass es Cahrly war, wollte erst keiner glauben und dann hielten sich vor Lachen alle die Bäuche. Er hatte Talent zum Stimmenimmitator!!
Wir hatten eine schöne Zeit zusammen, auch wenn Charly so seine Macken mit anderen Rüden hatte....aber auch das bekamen wir hin! 2007 dann der Schock - Charly ist krank! Erst hieß es, er hat nur Halsschmerzen, dann lag er krampfend auf dem Teppich und war ganz heiß! 42,9° Fieber, fast tot!!! Klinik! Tetanus! Höchstens 20 % Überlebenschance, 3 Wochen Intensivstation, 2000 Euro! Er hat es geschafft und verließ die Klinik zwar wackelig, aber als ein kleines Wunder. Und mit der Prognose, dass er nie wieder so wird wie vorher und vermutlich auch nicht alt....
Kein Jahr später liefen wir wieder 10 km zusammen und trainierten auf dem Hundeplatz THS, Turniere gingen nicht mehr, das verkrampfen bei Stress blieb, außerdem musste er oft Pipi seit dem, da haben wir uns auf "just for fun" geeinigt! Und hatten viel Spaß!
Kurz danach begann für mich eine schwere Zeit. Ich fing an unter Depressionen zu leiden, nicht die allerschlimmsten, aber doch so, dass ich nicht mehr richtig arbeiten konnte und mich behandeln ließ. Ohne Charly, da bin ich mir ganz sicher, wäre es ohne Medikamente und Klinik nicht gegangen. Aber Charly war da, scheuchte mich raus, forderte mich zum spielen auf! Er war immer noch so niedlich und man musste einfach lachen! Und es war ihm auch egal, wenn ich ne Woche nicht geduscht hab oder mal nen Tag nur kurz raus ging, so lange er den Rest des Tages mit im Bett liegen durfte! Er gab mir einen Grund, das Haus zu verlassen und wenn man schon raus muss, kann man auch mal joggen....so raffte ich mich langsam wieder auf und kam wieder zurecht. Und bei jedem Rückschlag fand ich in ihm einen Freund, den kein Mensch ersetzen konnte. Ich hatte nie viel Vertrauen zu Menschen, konnte mit manchen nichts anfangen, war oft unsicher und hatte Probleme, meine Gefühle zuzulassen. Bei Charly war das alles anders. Er öffnete Türen, in die dann langsam auch Menschen treten durften. Ich glaube, das hat mich gerettet!
Nachdem die schweren Zeiten für uns beide um waren, hatten wir noch einige wunderbare Jahre zusammen, in denen Menschen (und Männer :D) kamen und gingen, wir beide hatten uns und wir hatten viel Spaß! Ende 2011 zogen wir nach Hannover, raus aus der Kleinstadt. Charly fand sich unglaublich schnell zurecht mit seinen 11 Jahren, hatte dank der entspannten Stadt-Hundehalter hier auch keine Probleme mit anderen Hunden mehr und fühlte sich, denke ich, wohl! 6 Monate später lernten wir meinen jetzigen Freund kennen, der Charly erst nicht soooo toll fand (der haart und fiept und riecht numal auch wie ein Hund). Das änderte sich aber ziemlich schnell, Charly hatte es iwie raus, Menschen von sich zu überzeugen. Nun gut, wer kann einem Hund, der auf einmal mit fragendem Blick und dem Mülleimerdeckel um den Hals vor einem steht, weil er verbotenerweise nach 3 jahren mal wieder am Mülleimer war, noch widerstehen??? Er war einfach ein Komödiant im Hundekörper! Und auf Felix hörte er sogar schnell ziemlich gut, was nicht selbstverständlich war, Männer nahm er selten ernst, die waren zum spielen gut, aber er machte mit ihnen, was er wollte. Die beiden Herren konnte man aber schnell auch alleine mal raus schicken, ohne Angst haben zu müssen, dass einer danach weg ist....
So waren wir also zu dritt (Chalry hatte Felix abgenickt...) in unserem kleinen Rudel, zogen vor einem Jahr in eine seniorengerechte Wohnung mit Aufzug (Charly hatte Spondylose, bekam Cortison) und die Runden mit Charly wurden schleichend kleiner. Im Februar konnten wir noch joggen, zwar langsam aber es war kein Problem, im Sommer wurden es Runden, die den Namen nicht mehr verdienten. Ohne zu wissen, dass es so schnell für Charly enden würde, kam im April 2013 Alf zu uns, ein kleiner Drahthaar-Welpe. Ich wollte, dass ein neuer Hund Charly noch kennenlernt, von seinem so angenehmen Wesen profitiert, seine Ruhe im Alltag miterlebt und vielleicht ein bisschen von Charlys Charakter abfärbt. Vielleicht wollte ich ihn so lebendig halten....gut möglich....
Charly lebte nochmal ein bisschen auf, wurde aktiver, was seinen wenigen Muskeln sicher nochmal gut tat. Auch schien es uns, als würde ihm auf seine alten Tage das alleine sein nochmal leichter fallen mit dem Welpen als Gesellschaft. Er übte auch immer ganz engagiert mit, wenn Alf etwas lernen sollte. Die Motivation war ihm abhanden gekommen und flackerte mit Alf nochmal auf.Doch dann ging es rapide berab....seit dem Spätsommer wollte Charly nur noch wenig raus, schlief viel, spielte nicht, baute auch im Kopf stark ab, veränderte sich äßerlich, verlor Fell.... Bis wir Ende November die Entscheidung trafen, ihn zu erlösen und ihm größeres Leid zu ersparen.... Er spielte an diesem Tag, bevor die Entscheidung beim Tierarzt entgültig fiel, noch einmal mit mir, wie er es Monate lang nicht mehr konnte, als hätte er gemerkt, dass er das jetzt alles nicht mehr ertragen muss und erleichtert darüber war. So schien es, auch wenn es stark vermenschlicht ist....ich glaube, so war es. Es war ein guter Abschied, er schlief schnell und friedlich ein, hatte es schnell geschafft auf die andere Seite, zu meinem ein Jahr zuvor verstorbenen Vater. es klingt vielleicht komisch, aber ihn auf der anderen Seite nicht alleine zu wissen, machte es erträglicher....
Das war sein Leben mit mir, natürlich fehlt hier jede Menge, aber es ist ein Einblick aus dem hoffentlich hervor geht, wie wunderbar dieses kleinen Wesen war! Immer wieder erwische ich mich noch dabei, wie ich nach Hause will wen ich mit Alf unterwegs bin, weil Charly ja wartet.....ach nee.... schlimme Momente. Aber schlimmer sind die, in denen man bemerkt, dass man gerade einige Stunden nicht an ihn gedacht hat, auch wenn ich weiß, dass das so besser ist, weil er in meinem Herzen immer einen Platz haben wird, von dem ihn auch keiner schubsen kann, auch wenn er in meinem Kopf manchmal nicht in erster Reihe sitzt.
Jetzt jagt Charly mit Papa Himmels-Hasen, wie sie es die letzten Jahre immer mit den Erden-Hasen taten, wenn Charly zu Hause zu Besuch war und teilen sich ihr Essen, vermutlich sitzt Charly sogar mit am Tisch. Und ich bin mir sicher, dass wir uns alle wiedersehen und dann wieder eine schöne Zeit haben werden, nur dann ohne Ende und vermutlich mit einigern Hundefreunden!
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eine sehr ergreifende lebensgeschichte um einen besten freund...
danke dass du uns daran teilhaben lässt. -
Das hast du wirklich sehr schön geschrieben und bei mir sind sogar Tränen gekullert.
Jetzt wird es aber auch Zeit, dass du uns ein paar Bilder von Charly zeigst....er war bestimmt ein bildhübscher Rüde. -
Ich sitzt grad vor dem PC und hab Tränen in den Augen, obwohl ich manchmal herzhaft grinzen
musste .... eine sehr liebevoll geschriebene Lebensgeschichte mit zwei tollen HauptdarstellernDass du Charly stundenweise "vergessen" kannst ist gut und richtig für deine Trauerarbeit ... mach
dir keine Sorgen oder Gedanken, du trägst deinen Süßen immer im Herzen bei dir ....Ich hab mir beim Lesen immer versucht vorzustellen, wie dein drahtiges Wollknäul wohl ausgesehen
hat ... hast du Bilder von Charly und Alf ?? ... ich würd mich drüber freuen.
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Was für eine schöne Liebeserklärung an den besten Freund.
Und keine Angst, Du wirst ihn nicht vergessen. Nur die Traurigkeit wird weichen und Du hast mehr Platz für all die schönen Erinnerungen in Deinem Herzen.Auch ich würde gern noch ein paar Bilder von einem so tollen Hund sehen.
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Danke für deinen Beitrag.
Ich bin auch sicher, dass du Charly nie vergessen wirst.LG, Friederike
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Danke das du uns hast an Charly' s Lebensgeschichte teilhaben lassen hast.
Mit sehr viel Liebe geschrieben.
Alles Gute für dich und LG
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Danke euch! Fotos kommen auf jeden Fall, hab nur grad wenig Zeit/viel Dienst. Stelle da aber mal ein bisschen was zusammen :)
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So, es ist lange her, aber jetzt kommen doch mal ein paar Bilder von meinem Charly. Langsam erinner ich mich auch gerne an ihn, ohne dass es zu sehr weh tut. Klar bin ich noch traurig, dass er nicht mehr da ist, aber die schönen Erinnerungen, die mich zum Schmunzeln bringen und die Dankbarkeit für die vielen Jahre in denen wir sooo viel Spaß zusammen hatten, überwiegen nun!
Wobei doch Tränen kullern, wenn ich jetzt die Bilder alle sehe und nur der kleine Alf neben mir auf dem Sofa liegt.... Aber das kennen ja sicher viele von euch auch....
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Hier noch ein Bild, aufgenommen ca 4 Wochen bevor Charly gestorben ist. Da ging es ihm schon ziemlich schlecht, aber für Alf das Körbchen räumen kam gar nicht in Frage
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