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aber man muss auch nicht aus jedem Erziehungsproblem eine Deprivationssyndrom oder -schaden machen.Die Übergänge sind fließend.
Ich greif das mal raus, weil ich das ziemlich wichtig finde und es sich mit meinen Erfahrungen deckt. Die Hunde, die mir von ihren Haltern als "gestört", verhaltensauffällig, depriviert geschildert werden, zeigen interessanterweise kein!! Problemverhalten bei mir.
Beispiele:
Hund 1: reagiert panisch, übersensibel, flüchtet in seine eigene Welt, wenn Halter etwas von ihm will - und sei es, sich nicht durch die Tür zu drängeln. Man könne ihn nicht erziehen, weil er ja immer gleich panisch weg wolle, sobald man ihn anspricht. Mit Doppelsicherung geführt, stellt sich heraus: der Hund ist völlig normal, weit entfernt von gestört. Ganz im Gegenteil, hochintelligent und verarscht die Halter nach Strich und Faden, nachdem er einmal die Lernerfahrung gemacht hat, dass er mit diesem Verhalten jeden Erziehungsversuch seiner Halter unterbinden kann. Ich dagegen erlebe einen sehr netten, offenen, ansprechbaren Hund, der durchaus versteht, was man von ihm will, der nicht an der Leine zieht, nicht drängelt und einfach ganz normal ist.Hund 2: angeblich null Frustrationstoleranz, lässt seinen Frust massiv an den Haltern aus, kann sich an der Leine nicht auch nur 1 Minute konzentrieren, massiver Leinenpöbler, reagiert mit Stress auf Umweltreize. Bei mir ist die junge Hündin eine ruhige, gelassene, aufmerksame Maus, die wunderbar auf kleine Signale reagiert, Frust aushalten kann und keinen Stress hat.
Hund 3: schlecht sozialisierter Bauernhofwelpe, der alles anging, was in seinem Umfeld geatmet hat. Im neuen Zuhause eine coole, unauffällige Socke und einfach nur unkompliziert.
Hund 4: gestresst, unruhig, kann nicht normal an der Leine laufen, wie in seiner eigenen Welt, nicht ansprechbar. Bei mir entspannt, meistens ohne Leine unterwegs, immer ansprechbar.
Guck ich mir dagegen Mara an: die zeigt ihre Verhaltensauffälligkeiten bei jedem Menschen, absolut unabhängig, wer, wo und wann und wie. Immer. Und vor allem immer in der gleichen Art und in der gleichen Intensität. Setze ich die auf 2 Hektar Land ohne Menschen, nur mit bekannten Hunden, ohne Autos, Fahrräder, Jogger, Wild, Plastiktüten, Bäume, Moos, Wurzeln, Blätter etc. pp - würde sie überhaupt nicht auffallen.
Ich glaube schon, dass es viele Hunde gibt, die ein Problem haben, aber ich glaube auch, dass es viel von der Art und Weise des Umgangs abhängt, wie "auffällig" dieses Problem wird bzw. ob es überhaupt zu einem Problem wird.
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Ich weiß nur, dass er bald 7 wird und er die vergangenen 5 Jahre gebraucht hat, um dahin zu kommen, wo er jetzt ist. Den Stand der Erziehung und der Ansprechbarkeit, den ich bei meinem Züchterhund nach anderthalb Jahren hatte.Meiner Erfahrung nach hat das auch oft was mit dem angepassten Umgang zum Hundetyp zu tun.
Bei mir versammeln sich ja gerne die Besitzer von spezialisierten Arbeitshunden. Und da hat man immerzu mit dem Problem zu tun, dass es hausgemachte Arbeitsjunkies sind, für die es keine arbeitsfreie Zeiten gibt, weil ihre Menschen sie dazu treiben bzw. es nicht wussten und beigebracht bekommen haben, wie man denen das vermittelt, dass der größte Teil des Lebens arbeitsfrei ist. Nicht selten sind diese Hunde durch die Hände vieler meiner "Kollegen" gegangen... und das Credo dort war immer "Noch mehr beschäftigen."
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Es ist mittlerweile klar, dass mangelnde Sozialisation und Habituation Auswirkungen auf das Immunsystem hat. Die Forschungen laufen da zum Beispiel im Bezug auf den Mensch - ich denke, dass man das durchaus auf den Hund übertragen kann.
Der Schaden ist im Grunde schon nachweisbar, wenn man das Hirn sezieren würde... da erkennt man ganz schlicht an den Strukturen, dass die nicht so angelegt sind wie die eines "normalen" Hirns.
Ich persönliche denke, dass es vielmehr Hunde mit dem Problem gibt als man so denkt... aber man muss auch nicht aus jedem Erziehungsproblem eine Deprivationssyndrom oder -schaden machen.
Die Übergänge sind fließend. Ich sage mal ganz platt: Ein Hund, der in einer Schäferrei geboren wird, dort aufwächst, in einer lebt, arbeitet und stirbt, wird vielleicht nie Probleme zeigen. Würde der selbe Hund nach einigen Monaten in eine zivilisierte Wohnungshaltung gehen, könnte das Leben für vielleicht deutlich gestresster verlaufen...
Ich habs deswegen erwähnt, weil zum eigentlichen Schaden viele andere Dinge kommen und das Ganze sehr komplex ist. Ich finde auch wichtig, dass es publik gemacht wird, Hundehalter und vor allem Tierschutzvereine sensibilisiert werden. Eben weil viele unerkannt depriviert sind und das die typischen Hunde sind, bei denen man denkt, die machen ja nie Fortschritte...
Natürlich ist es so, dass dann vielleicht ein paar Menschen ihren Hund falsch beurteilen und ihn depriviert machen, obwohl er es nicht ist, allerdings ist der daraus resultierende Umgang auch für andere Angsthunde, für hyperaktive oder sonstwie extrem gestresste Hund nicht der schlechteste!
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Natürlich ist es so, dass dann vielleicht ein paar Menschen ihren Hund falsch beurteilen und ihn depriviert machen, obwohl er es nicht ist, allerdings ist der daraus resultierende Umgang auch für andere Angsthunde, für hyperaktive oder sonstwie extrem gestresste Hund nicht der schlechteste!
genau. gefährlich wirds nur wenn man deprivationsstörungen als "ausrede" benutzt nicht mit seinem hund zu arbeiten.
das höre ich ja oft: ach, mit dieser vorgeschichte ist dieses und jenes verhalten normal, da kann man nichts machen. da wehr ich mich heftig dagegen! man darf nie den mut und die freude verlieren eben doch daran zu arbeiten.
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Ich find es ja immer ganz interessant wie mein Hund reagiert, wenn ihn dann doch wer anders führt.
Gestern bin ich mit einer Freundin unterwegs gewesen, die ihn an der Flexi hatte. Und prompt zog der Hund alle Register, kläffte bis zum Umfallen, versuchte wirklich alles, um nicht das tun zu müssen, was sie von ihm wollte.
Bei mir verhält er sich anders, solche Sperenzchen haben wir nicht. Dafür aber blieb sie gelassen bei seinen Allüren und er hatte schnell keinen Stress mehr, versuchte dann aber umso mehr, seinen Willen durchzusetzen.
Daher sehe ich ganz gut, wann er sich einfach nur anstellt und wann er wirklich nicht anders kann.
Und dass ihm ein anderer Umgang natürlich hilft und dass das Hunde/Mensch-Team passen muss, ist sowieso klar.Zuviel machen wir eher nicht, auch wenn ich manchmal denke, es ist doch ein bisschen arg wenig, aber die Tatsache, dass er im Haus relativ unauffällig ist und auch gut den ganzen Tag auf dem Sofa verbringen kann zeigt mir, dass er damit gut fährt.
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Stimme den letzten Beiträgen von Waheela und lajosz voll zu. Man muss halt geduldiger sein und trotzdem Grenzen setzen. -
Ich setze mal ein Lesezeichen mit der Befürchtung sich hier bald dazu gesellen zu können.
Ich habe eine Xer Hündin aus isolierter Aufzucht, inklusive Hungern und ohne regelmäßige Ansprache von Menschen. -
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genau. gefährlich wirds nur wenn man deprivationsstörungen als "ausrede" benutzt nicht mit seinem hund zu arbeiten.
Das wäre dann wirklich schade, wenn man die Erkenntnis einfach nicht nutzt, um dann richtig mit dem Hund umzugehen und mit ihm zu üben. Alleine schon, um die Lebensqualität des Hundes zu verbessern. Ich finde, das Wissen sollte helfen, mit manchen Situationen besser fertig zu werden, weil man einfach weiß, woran es liegt, dass der Hund gerade dicht macht und nicht so toll mitmacht wie Nachbars Lumpi.
@Nightstalcer
Nun, das impliziert fast, dass dein Hund kein deprivierter ist. Denn deprivierte Hunde wollen mit ihren "Sperenzchen" nichts durchsetzen, sie können nicht anders. Sowas schaut mir nach antrainiertem Verhalten (vielleicht auch aus der Vorzeit bei anderen Menschen) aus. Auch deprivierte Hunde können solche Verhaltensweisen zeigen und die kann man sogar relativ einfach und schnell beheben, sodass sie nicht mehr gezeigt werden.Rotbunte
Deprivierte Hunde brauchen vor allem "Grenzen", denn sie brauchen Notanker, an denen sie sich festhalten können, weil sie in Stressituationen meist nicht adäquat handeln können. Rituale sind wichtig, damit sie stabilisiert sind. Grenzen bedeuten nicht Strafen. -
@ Waheela:
"Grenzen bedeuten nicht Strafen."
Sachichdoch -
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Deprivierte Hunde brauchen vor allem "Grenzen", denn sie brauchen Notanker, an denen sie sich festhalten können, weil sie in Stressituationen meist nicht adäquat handeln können. Rituale sind wichtig, damit sie stabilisiert sind.
ja ich denke, daran kann man einen deprivierten Hund sehr gut erkennen. Ohne seine klaren Tagesstrukturen läuft Jordan komplett neben der Kappe. Urlaube sind ein Gräuel für ihn, obwohl wir schon schauen, das wir einigermaßen für ihn berechenbar bleiben.
Der letzte Urlaub hat ihn aber trotzdem aus der Bahn geworfen und als wir wieder arbeiten gingen, brauchte er noch ganze 14 Tage um wieder in seine Gewohnheit zu kommen und entsprechend ausgeglichen zu sein.
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