Deprivationsschäden

  • Unserer hat ja v.a. draußen Probleme. Innerhalb der Familie, mit dem Allein bleiben usw ist alles kein Problem. Früher musste er auch bei Besuch weg, das geht heute schon und er kann dabei bleiben. Er hat quasi höchstens zwei Stunden am Tag Stress, wenn es schon arg blöd läuft. Wir vermeiden halt stark frequentierte Wege zu den Stoßzeiten und so ist es für den Hund fast immer OK. Man muss sich nur darauf einstellen und entsprechend spazieren gehen. Da gibt es absolut keinen Grund zur Einschläferung.

  • Das heißt ja nicht, dass der Hund das nicht lernen kann, oder? Es passiert halt viel langsamer, für mich absolut kein Grund zum Einschläfern. Vielleicht eher ein Grund zum Auswandern in die Pampa :D


    Ich hab mir jetzt das Buch "Leben will gelernt sein" von Birgit Laser und Wiebke Hagemann. Bin schon sehr sehr gespannt.

  • Den Hund, den ich kennen gelernt hatte, mit der Diagnose, den konnte man nur nachts rausführen :/ Das war echt schlimm. Auch bei meinem habe ich halt im Nachhinein ein schlechtes Gewissen. Was habe ich meinem Tier zugemutet? Aber auch er konnte langsam lernen..

  • Ein durchaus berechtigter Gedankengang. Es ist tatsächlich die Frage "wie weit man es aus egoistischen Gründen treiben darf."


    Ich habe keine endgültige Antwort darauf. Es hängt sicher immer vom Ausmaß der Deprivation und dem Umfeld, dass man dem Hund bieten kann, ab.

  • hmm, die Frage hab ich mir nie gestellt... Meine ist ein toller Hund, der ganz viel Spaß hat, super gerne tobt, spielt und schnüffelt. Sie hat auch kein Problem mit neuen Gassi-Strecken oder so. Sie darf sich halt nur nicht von Fremden bedrängt fühlen, dann gehts ihr in ihrer/unserer eigenen kleinen Welt super gut. Wenn ich ihr neue Sachen beibringen will, ist sie schnell überfordert, dreht hoch und fängt als Übersprungshandlung an zu spielen, aber wenn ich kleinschrittig und geduldig genug vorgehe, geht das auch alles. Hab ne Zeitlang mit ihr getrickst, aber das macht ihr keinen Spaß.
    Solange kein Besuch kommt merkt mans ihr drinnen kaum an und draußen merkt mans auch nicht wirklich, wenn man an ihr ständiges Umgebung-scannen gewöhnt ist und keiner unterwegs ist. Da gibts für mich keinen grund, sie einschläfern zu lassen. Klar ist sie gestresster als andere Hunde, aber dafür lass ich sie auch lange Strecken am Tag einfach in Ruhe. In der Zeit liegt sie dann im Bett und schläft, weil sie sicherlich ein höheres Schlafbedürfnis hat als andere Hunde. Wenn man ihr Zeit lässt, gewöhnt sie sich ja auch an neue Menschen oder Situationen, es ist also nicht so, dass sie über Jahre wegen derselben Sache gestresst wäre. Wie gesagt, für mich gibt es keinen Grund darüber nachzudenken ob es besser für sie wäre, sie sterben zu lassen. Ich denke, sie hätte da schon ihre Einwände gegen ;)

  • oje, ich hab auf den ersten Seiten hier im Thread einen ellenlangen Beitrag dazu geschrieben. Kurz: Die ersten fünf Monate saß sie nur in TH-Zwingern mit anderen Hunden. Diese sind auch toll und alles andere (auch ich) ist abgeschrieben, wenn sie mit anderen Hunden zusammen ist, also da ist sie voll drauf geprägt. Sie ist definitiv nicht dumm, lernt aber seeehr langsam und kleinschrittig und ist super schnell überfordert. Als ich sie bekam hatte sie vor allem Angst: Mülleimer, unterschiedliche Bodenbeläge, Türen, Fahrräder, Autos, sie traute sich nicht mal, vom Weg runter aufs Gras zu gehen. Alles was künstlich erzeugt ist, hat ihr Angst gemacht. Auch heute noch findet sie genau die zwei Glasflaschen, die im Wald nix zu suchen haben und knurrt sie an, oder muss sie erst untersuchen bevor sie weiter gehen kann. Das haben wir (auch dank sehr geduldigem Trainer im hundeverein) größtenteils in den Griff bekommen, auch wenn sie immer noch im Wald und Feld ein ganz anderer (wesentlich ausgelassenerer) Hund ist als an befahrenen oder bewohnten Straßen. Ansonsten hat sie noch riesige Angst bei bestimmten Wetterphänomenen (also sie geht nur bei gutem Wetter und wenn es nicht zu windig ist gerne raus). Menschen sind immer noch ganz fürchterlich und sollten sich möglichst in Luft auflösen, wenns nach Zolly ginge. Der größte Anhaltspunkt ist aber neben ihrer Ängstlichkeit und Unsicherheit die Tatsache, dass sie absolut nicht (positive Erlebnisse) generalisieren kann. Gerade bei Menschen ist es auffällig, das sind alles Massenmörder oder so, abgesehen von der Handvoll Leute, die sie so nach und nach kennen gelernt hat und die wir oft sehen (hauptsächlich andere HH). Hat sie aber ein negatives Erlebnis mit einem Menschen (jemand will sie steicheln, Kind fährt auf nem Skateboard, jemand kommt um die Ecke und sie erschreckt sich, Fahrradfahrer klingelt zu spät und ich erschrecke mich, jemand trägt die falschen Farben (neon) oder hat nen Regenschirm aufgespannt oder so) sind gleich alle gemeingefährlich, die uns daraufhin begegnen und es dauert teilweise Wochen, bis sie wieder an Menschen vorbei gehen kann ohne jeden anmaulen zu müssen. Auch bei Gegenständen. Hat sie einen gruseligen, weil neuen Gegenstand akzeptiert muss ich trotzdem bei null anfangen sie daran zu gewöhnen, wenn derselbe Gegenstand plötzlich an einem anderen Ort auftaucht.
    Und die Fortschritte, die wir gemacht haben, hätten wir so bestimmt nicht erreicht, wenn sie nicht eigentlich ein neugieriger Hund wäre. Wäre sie eher passiv, hätte sie bestimmt nich so vieles gelernt wie sie es bisher getan hat.
    Ich weiß nicht, ob sie wirklich nen Deprivationsschaden hat, das wurde nie diagnostiziert oder auch nur untersucht, aber ich gehe davon aus, weil vieles in ihrem Verhalten dafür spricht.

  • :lachtot: Ja, genau das war bei meinem auch- Menschen generalisieren??? Was ist das denn? Alles Massenmörder. Und Hundefutter.
    Nach drei Jahren Training konnten ihn andere Personen streicheln ODER ansehen ODER rüberbeugen. Zwei kombiniert= Narbe.

  • bei meiner gehts etwas schneller, aber i.d.R. vor allem bei anderen Hundehaltern. Die werden viel schneller akzeptiert, weil die befinden sich in angemessener Begleitung ;) wer keinen Hund dabei hat ist sowieso unten durch.

  • Da hast du aber Glück. Finde ich. :)
    Gehstöcke- nein
    Plüschjacken- nein
    andere Hautfarbe als helles weiss(schon Südländer waren unten durch)- nein
    Der Mann der gestern noch in Ordnung war und heute eine andere Jacke trägt ist auch Mist.
    ER war ein super Reitbegleithund, ein verdammt guter Beschützer. Ich hab ihn einfach so strikt trainiert, das er mich immer ankuckte, wenn ich das wollte. Und das er immer abrufbar ist. Das hat geholfen. Bei ihm hat auch tatsächlich DRohverhalten belohnen geholfen- weil ich ihm das dann erlaubt hatte und wollte, konnte er dadurch wohl verdammt viel DRuck ablassen und wurde viel entspannter. Ich glaube, er fühlte sich ernst genommen dadurch.
    Was bei ihm auch geholfen hat ( Ich sage ausdrücklich, das dies niemand nachmachen soll, der keine fachkundige Unterstützung hat!) war, ihm zu sagen, das er angreifen soll. Klingt erstmal blöd. Da er aber alles angreifen wollte und wir ganz früher über Bestrafung gearbeitet haben, was nicht funktioniert hat, habe ich Probanten, die aufgeklärt waren, ins Training mit einbezogen. ER war mit Maulkorb gesichert, jedenfalls zu anfang. Sie bekamen einen Futterbeutel. Um Futter zu bekommen musste er erst massiv angreifen und ERreichen der Person vor ihr sitzen und weiter minutenlang bellen. (Mein Ziel war, das er im Falle einer nicht überblickbaren Situation ein abgespeichertes Verhalten kann mit dem Kompromiss, das er sein Verhalten ausleben kann, aber keine Menschen gefährdet). WEnn er das tat, bekam er Futter. Im Trainingsverlauf durfte er, um Futter zu bekommen, nurnoch bellen, wenn ich ein Signal gegeben habe.
    Das war, so komisch das klingt, unser Durchbruch. Er hat Menschen, die ähnlich aussahen wie die im TRaining, nie wieder bedroht, den für ihn war das alles ein riesen Spiel und er konnte endlich das machen, was er wollte: Menschen anbellen. ER hat nie wieder Menschen ohne Kommando angegriffen, wenn ich dabei war. Muss natürlich betonen, das er nie lernen sollte, zu beissen, sondern Menschen auf Signal massiv anbellen und sich vor denen hinsetzen. War super :)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!