Keine Gefühle für den "Nachfolger"

  • Hallo liebes Forum,


    Knapp 14 Jahre lang hatte ich die großartigste kleine Hündin der Welt an meiner Seite. Ich habe einige Zeit in Argentinien gelebt, und eines Tages ist sie auf dem Gelände der Schule aufgetaucht, an der ich als Englischlehrerin tätig war.
    Ich habe sie einige Tage gefüttert, und sie schließlich mit mir nach Hause genommen, als ich sie nach Feierabend und als schon alle die Schule verlassen hatten, schlafend unter meinem Schreibtisch vorgefunden habe.
    Wir waren von Anfang an unzertrennlich, und solche Sachen wie Stubenreinheit oder „Komm“ musste ich ihr nicht beibringen: Sie hat mich auf Spaziergängen nie aus den Augen gelassen und kam nie auf die Idee, in die Wohnung zu pieseln.
    Nach 14 wunderbaren Jahren stand mir schließlich die schwerste aller Entscheidungen bevor: Sie hatte akute Nierenprobleme und auch die Bauchspeicheldrüse begann, zu versagen. Sie hat nichts mehr gefressen, konnte kaum noch stehen geschweige denn spazierengehen. Ich habe wochenlang alles versucht, aber dann kam doch der Tag, an dem ich sie einschläfern lassen musste.
    Die Zeit nach ihrem Tod war furchtbar, und auch heute, 6 Monate später, vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke oder um sie weine.


    Es war für mich aber auch die ganze Zeit klar, dass ich wieder einen neuen Hund haben wollte, und in den letzten Tagen ihrer Krankheit als immer klarer wurde, dass es keine Rettung geben würde, war der Gedanke an einen neuen Hund so ziemlich mein einziger Trost.
    Tja, und jetzt ist der neue Hund da … und ich empfinde nichts für ihn.
    Er ist freundlich und verspielt, auch er war von Anfang an stubenrein, er ist weder ein Kläffer noch ein Beisser und auch der Rückruf beim Spazierengehen klappt. Er ist insgesamt weniger aktiv, als ich es mir gewünscht hätte, ist relativ „unanhänglich“ und scheint andere Menschen mehr zu mögen als mich (wen wundert’s …).
    Wir waren beim Hundetrainer in Einzelstunden und Gruppenunterricht, wir üben täglich und arbeiten an der Bindung. Und ich empfinde auch weiterhin nichts für ihn.
    Hinzu kommt, dass er, wie vor Kurzem herausgefunden, an IBD leidet und ich mit ihm in den letzten 6 Monaten öfter beim Tierarzt war, als mit meiner Hündin in den 14 Jahren davor.
    Nach (erneuter) Nahrungsumstellung ging knapp 5 Wochen alles gut, bis heute morgen wieder der Durchfall anfing. Und irgendwie war das dann alles zu viel.
    Mir ist jetzt klar, dass ich mir mehr Zeit hätte geben müssen: Erst den Tod meiner Hündin verkraften und dann einen neuen Hund zu mir nehmen. Ich war egoistisch und gedankenlos, als ich glaubte, mein Schmerz würde mit einem neuen Hund schneller vergehen.
    Und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich gehe natürlich auch weiterhin mit ihm zum Tierarzt, ich füttere ihn, ich bürste ihn, ich gehe mit ihm spazieren und wir gehen auch immer noch zur Hundeschule, aber ich bin unglücklich dabei, und natürlich merkt auch mein Hund, dass ich ihn im tiefsten Inneren ablehne. Einfach deswegen, weil er eben doch nicht meine geliebte alte Hundedame ist und sie auch nicht ersetzen kann.
    Ich fühle mich extrem schlecht mit all diesen Gedanken und habe ein schlechtes Gewissen dem „Nachfolger“ gegenüber.
    War jemand von euch auch schon mal in einer solchen Situation? Weiß jemand Rat, wie ich damit umgehen soll? Habt ihr vielleicht Tipps für mich, wie ich aus diesem schwarzen, emotionslosen Loch wieder herauskommen kann?


    Vielen Dank an alle im Voraus.


    LG
    Mari

  • In so einer Situation war ich zwar noch nicht, hoffe aber trotzdem ein wenig helfen zu können...


    Die Vorraussetzungen für diesen Hund war schon eher schlecht, denn die Anschaffung sollte ja nur ein Ersatz sein. Das ein "Seelenhund" aber nicht einfach mal so ersetzt ist, ist völlig normal! Ich habe hier auch zwei Hunde, ich liebe beide, doch zu meinem "Seelenhund" ist die Bindung nochmal viel tiefer. Ich würde mir von daher garnicht den Anspruch geben auf ein gleiches Niveau zu kommen. Hast du denn Schuldgefühle deiner alten Hündin gegenüber? Das sehen ja viele Halter als Problem, dass sie ja "fremdgehen" würden.


    Es ist jetzt eine absolute Gefühlssache. Entweder du gibst den Hund ab, oder du gibst euch und vorallem dir Zeit mit der Situation umzugehen. Macht Dinge miteinander die Spaß machen. Zwing euch nicht Dinge zu tun, nur weil sie angeblich der Bindung dienen. Versuche dir klar zu machen, dass das nun ein anders Individuum ist und deine frühere Hündin nicht zu ersetzen ist. Vermutlich tut es einem noch mehr weh, wenn man 14 Jahre bestimmten Handlungen aus Gewohnheit ausgeführt hat und diese auf einmal nichtmehr funktionieren. Ich seh das immer wenn ich von meinen Hunden getrennt bin und ich mal mit einem anderen Hund umgehen muss. Man merkt, man ist noch kein Team. Handlungen die man schon unterbewusst macht um einen Hund zu lenken funktionieren auf einmal nichtmehr. Das ist frustrierend. Davon musst du dich etwas befreien, bzw. mit der Zeit wirst du neue Gewohnheiten entwickeln...

  • Hallo!


    Es tut mir wirklich sehr leid um deine Hündin und ich kann mir nur schwer vorstellen, wie schlimm der Verlust sein muss.


    Ich kann dir auch leider nicht wirklich mit Erfahrungsberichten helfen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass du dir (wie du ja selbst gesagt hast) für deine Trauer nicht genug Zeit genommen hast.


    Nun ist dein neues Familienmitglied aber da. Er ist natürlich nicht wie deine Hündin, er ist ein ganz anderes Individuum, mit eigenem Charakter. Auch wenn es schwer fällt, aber du musst ihm eine Chance geben. Er kann ja nichts dafür. Du musst versuchen, ihn nicht mit deiner Hündin zu vergleichen. Sie hatte ein schönes Leben bei dir und hat dir viel Freude bereitet. Das kann dein neuer Hund auch, wenn du ihm nur die Möglichkeit dazu gibst.


    Wenn du allerdings der Meinung bist, dass sich deine Gefühle für den Hund auf keinen Fall ändern werden, wäre es vielleicht dem Hund gegenüber fairer, ihm ein Zuhause zu suchen, wo er die Liebe erfährt, die er verdient.

  • Kann es sein das Du Dich im Moment einfach ein wenig unter Druck setzt? Gefühle kann man ja nicht erzwingen oder an- und ausschalten...
    Dein neuer Hund ist krank, das ist sicherlich stressiger und nicht so relaxt wie mit Deiner alten Hündin. Vielleicht braucht ihr einfach ein wenig mehr Zeit um euch aneinander zu gewöhnen und eine Bindung aufzubauen.


    Meinst du, er würde dir fehlen, wenn er nicht mehr da wäre? Kannst du vielleicht ein paar "hundefreie" Tage organisieren (Hund zum Sitter geben) um dir klar zu werden, was du willst und wie du zu deinem Hund stehst?

  • Ich habe schon mehrmals von geliebten Hunden Abschied nehmen müssen und jedes Mal ging ein Stück meines Herzens mit. Man glaubt nie mehr lachen zu können und nie wieder diese Gefühle, die der alte Hund geweckt hatte, erleben zu können.


    Es mag Menschen geben, die dazu nicht fähig sind, ich konnte es und werde es auch wieder können.


    Warum, weil ich in einem anderen Hund keinen Ersatz sehe, sondern etwas Neues. Eine neue Aufgabe, eine neue Herausforderung, auf die ich mich gerne einlasse. Es gibt nicht Schöneres, als sich Vertrauen und Zuneigung zu einem anderen Lebewesen aufzubauen, Bindung herzustellen.
    Und aus dieser Bindung heraus wächst die tiefe Zuneigung, die Du heute noch vermisst. Laß dich auf deinen Hund an deiner Seite ein, sieh ihn mit neuen Augen und bald wirst Du ihn um keinen Preis der Welt mehr her geben mögen.


    Alles braucht seine Zeit, die Trauer und auch die Freude an neuem. Gib euch die Zeit und Du wirst die selbe Vertrautheit erleben, wie mit deiner Hündin.


    Ich wünsche es dir und deinem Hund.


    Gaby, ihre schweren Jungs und Finn

  • Wunderschön geschrieben und wunderschön und wahrhaftig beschrieben :smile:

  • Ja, in solch einer Situation war ich schon einmal. Auch ich hatte mir zu früh wieder einen Nachfolger geholt.
    In der ersten Zeit konnte ich überhaupt keine Beziehung zu dem Hund aufbauen, ich habe ihn versorgt, bin mit ihm zum Hupla und, und....
    Ich hatte ständig ein schlechtes Gewissen dem Hund gegenüber. Es hat ungefähr zwei Jahre gedauert, bis ich ihn akzeptieren konnte. Aber mein Seelenhund ist er nie geworden.
    Ich glaube ganz einfach, wenn man seinen Herzenshund verliert, dauert es sehr lange, bis man wieder bereit ist für einen neuen vierbeinigen Gefährten.


  • Das finde ich wirklich ganz ganz wunderbar geschrieben!

  • Sie war Dein Seelenhund. Du hattest das Glück, so etwas zu erleben.


    Ich hatte als Kind meinen ersten Hund. Als ich ihn verlor, konnte ich nicht weinen. Sie war so eine liebe Hündin und Jahre später und auch jetzt kommen mir die Tränen.......


    Ich wollte nie wieder einen Hund. Wenn ich Hundebegegnungen hatte, war ich freundlich, spielte auch mal, aber mehr nicht.


    Mein Mann wünschte sich schon immer einen Hund. Ich war immer dagegen- richtig begründen kann ich das nicht.


    Er wählte die Rasse, den Züchter. Der kleine Welpe kam und wählte................ mich als Bezugsperson. Vielleicht, weil ich distanziert war, mich die Nacht um ihn kümmerte- ich weiß es nicht. Sie sollte der Hund meines Mannes werden, nicht meiner.


    Jetzt ist sie schon 2,5 Jahre alt und meine Beziehung zu ihr wächst. An ihr Aussehen, welches ich nicht schön finde, habe ich mich gewöhnt. Ich verlieb(t)e mich langsam in ihr Wesen.


    Vielleicht ist es die innere Angst, die nicht nochmal so einen Schmerz empfinden will, dass Du Dich nicht so öffnen kannst?


    Zeit heilt Wunden- nicht ganz- aber sie vernarben. Gib dem kleinen Kerl eine Chance. Vergleiche ihn nicht. Er ist ein Wesen für sich, speziell, kein Ersatz, den gibt es nicht.


    Liebe Grüße!

  • Ich kann dich so gut verstehen.


    Mein Seelenhund ging letztes Jahr im Januar. Es war schrecklich und auch heute fehlt er mir noch furchtbar. Niemand wird ihn ersetzten können.


    Unser neuer Hund ist ein wirklich feiner Kerl. Aber eben nicht sein Vorgänger. Bei mir hat es eine ganze Weile gedauert bis da liebevolle Gefühle kamen. Aber sie kamen. Und ich bin sehr froh Yoko in unserer Familie zu wissen. Gib dir Zeit!!!! Diese Liebe auf den ersten Blick Geschichte hat man nicht mit jedem Hund. Das heißt aber nicht, dass du den anderen nicht trotzdem lieben kannst.


    Ich hatte manchmal ein bisschen das Gefühl meinen ersten Hund zu verraten, wenn ich den neuen Hund mag. Aber das stimmt nicht. Ich hab mir irgendwann in Gedanken ein Stück Platz in meinem Herzen reserviert für meinen Seelenhund und gleichzeitig ein Stück für den neuen geöffnet. Lass es zu das der neue Hund sich in dein Herz schleicht. Jeden Tag ein bisschen. Und sei dir sicher: Der Platz für deine tolle Hündin, die dich so lange und treu begleitet hat wird bleiben. Ich bin mir sicher du hast genug Platz für beide Hunde. Mit Zeit und Geduld und vor allem ohne Druck.


    Kopf hoch und alles Gute für euch!

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