schwerst traumatisierte Hunde

  • Hallo =)



    Seit langem möchten wir einen Zweithund zu unserem Rüden. Fest steht es soll ein Tierheim/Tierschutzhund werden und das wir direkt nach einem gehandicapten Tier suchen, um auch so einem Tier eine Chance zu geben.


    Durch das Internet bin ich auf der Seite eines Tierheimes in unserer Nähe gestoßen, die eine kleine Hündin nach langer und intesiver Kennenlernphase vermitteln wollen. Habe mit dem TH Kontakt aufgenommen und wir haben uns über die Kleine unterhalten. Sie kommt aus Rumänien, wurde dort als Streuner mit der Schlinge eingefangen und saß gewisse Zeit in der Tötung, bis die Orga sie herausgekauft hat. Höchstwahrscheinlich ist, dass sie dort den Hölle auf Erden erlebt haben muss. Die Hündin kam schwer traumatisiert, bis auf die Knochen abgemagert und mit schweren Verletzungen nach Deutschland, hat sich nicht anfassen lassen und sofort unter sich gemacht sobald auch nur ein Mensch in der Nähe war. Sie ist jetzt bereits 1/2 im TH und lässt sich zumindest vorsichtig streicheln, nimmt Futter aus der Hand und akzeptiert ein Geschirr...kleine Spaziergänge im TH sind lt. der Leiterin möglich, aber sobald sie sich erschrickt, legt sie sich zitternd auf den Boden und läuft nicht weiter.
    Eine Altersbestimmung konnte noch nicht gemacht werden, da sie nur das TH-Personal an sich ran lässt und nicht den TA. Auch eine genaue körperliche Untersuchung gabs noch nicht, da man sie dafür in Narkose legen müsste und das will man dem Hund noch nicht zumuten.


    Mir tut die Kleine einfach nur leid...aber nicht falsch verstehen, ich will den Hund nicht aus Mitleid adoptieren und zu uns holen, ich glaube so ein Traum-Hund würde in unseren Haushalt nicht passen, da wir aktiv sind und hier doch mal bisschen Trubel herrscht...außerdem würde ich mir so eine große Aufgabe ich glaube auch nicht zutrauen. :pfeif:


    ich will einfach mal nach Erfahrungen und Geschichten fragen.


    Habt ihr schon mal ähnliches erlebt mit einem Hund?
    Was gibts für Erfahrungen mit schwer traumatisierten Hunden?
    Was gibts für "Therapiemöglichkeiten"?
    Kann man so einem schwer misshandelten Tier eigentlich helfen?
    Ist es besser so einen Hund im TH zulassen, was für ihn die gewohnte Umgebung mit vertraunen Personen ist?


    Einer Patenschaft haben wir für die Kleine Hündin aber zugesagt und untersützen das TH ab sofort indem wir das Futter für sie bezahlen.


    Freue mich auf Beiträge :smile:

  • Puh... wenn sie in einem halben Jahr nur so kleine Fortschritte gemacht hat, finde ich es grenzwertig, muss ich ehrlich sagen. Andererseits kann sie da natürlich auch nicht so gefordert werden wie in einem richtigen Zuhause.
    Ist sie denn gelöster, wenn sie mit anderen Hunden zusammen ist, ohne Menschen? Oder hat sie da auch immer Angst?

  • Zitat

    Ist sie denn gelöster, wenn sie mit anderen Hunden zusammen ist, ohne Menschen? Oder hat sie da auch immer Angst?


    Achso das habe ich vergessen. Lt. der TH-Frau lebt sie zusammen mit einem älteren Rüden im Zwinger und orientiert sich an ihm, deswegen wird sie nur als Zweithund zu einem ausgeglichenen Ersthund vermittelt.

  • also wir haben einen solchen hund adoptiert im dezember. riesige angst vor menschen, hunden, gegenständen usw...


    wir konnten zb. anfangs nur im geschützten innenhof pinkeln gehen, die kleine konnte sich draussen nicht lösen (angst und anspannung zu gross).


    was man wohl generell sagen kann: solche hunde brauchen sehr viel ruhe. bei uns bedeutet dies seit 6 monaten keinen besuch- spazieren um 5.30 am morgen (keine radfahrer, reiter usw), ständige betreuung durch uns. generell kann man wohl sagen dass solche extrem ängstliche hunde ein umfeld geboten werden sollten in welcher sie keine angst haben müssen, respektive man muss niederschwellig an ihrer angst arbeiten.


    es braucht einfach riesen viel zeit. wir können zb. nun nach 6 monaten an fremden passanten in einem abstand von 5 metern vorbeigehen. aber wehe ein fussgänger will sie anfassen, oder spricht mit ihr. dann fällt sie wieder zurück und man muss zeitintensiv wieder aufbauen.


    einem solchen tier kann man helfen. es braucht einfach sehr viel zeit. ein durch deprivation geschädigter hund lernt zwar, aber meist langsam, meist mit vielen rückschritten.


    therapiemöglichkeiten gibt es eigentlich nur eine, das langsame angewöhnen an unsere lebensumstände. man muss die angst therapieren. bei absoluten härtefällen kann man medizinisch unterstützen.

  • Was ich bei solchen Tieren ganz besonders wichtig finde (von daher finde ich Deine Entscheidung GEGEN die Hündin auch richtig), ist ein ruhiger Haushalt mit einem souveränen Ersthund. Geregelter Tagesablauf, hundertprozentig sicher eingezäunter Garten. Verständnisvolle Menschen mit Zeit und sehr, sehr viel Geduld. Umgebung für Gassigänge sollte ebenfalls ruhige Lage haben. Erfahrung mit solchen Tieren ist empfehlenswert.


    Die Schritte bei solch einem Hund sind anfangs minimalst, klitzeklein. Es dauert Monate, bis so ein Hund halbwegs Vertrauen fasst, diese Zeit muss man ihm geben. Aber eben dadurch, dass in einer Familie zumeist besser auf den Hund eingegangen werden kann, denke ich, dass es durchaus möglich ist, Fortschritte zu erzielen.


    Bei uns lebte eine traumatisierte Hündin, wobei ich nach meiner Einschätzung nicht sagen würde, dass sie schwer traumatisiert war. Man bekam sie teils nicht zu fassen, musste man es doch, biss sie um sich. Vor Angst kroch sie bei den kurzen Spaziergängen mit dem souveränen Ersthund unters Auto, sofern man nicht aufpasste. Sie zog zu einer wirklich tollen Frau und kann dort heute, nach 3 Jahren, sogar klitzekleine Strecken vor dem eigenen Grundstück (also dort, wo es nicht eingezäunt ist), frei laufen. Aber nach wie vor ist bei ihr die Stubenreinheit ein Problem. Selten, aber dennoch. Wobei man bei ihr immer merkte, dass sie Liebkosungen genoss, ihnen aber nicht traute, uns nicht traute. Das hat sich dank dessen, dass wir versucht haben, sie so selten wie möglich zu bedrängen, gelegt.


    Von daher bin ich an sich der Meinung, dass ein solcher Hund in den richtigen Händen (die zu finden, ist die Kunst), wirklich Lebensqualität gewinnen und ein halbwegs normales Leben mit seinen Menschen führen kann.

  • Tja, bei so Hunden die wirklich Traumata mitbringen ist wohl Management das A und O. Management, Management, Management. Und bis man da angekommen ist, erfährt der Hund wahrscheinlich tausendmal am Tag irgendwelche Traumata, solang man nicht weiß warum weshalb wieso. Ohne ersichtliche Fortschritte werden manche Menschen schnell ungeduldig und schlampen beim Training. Angst kann ein Hund nunmal nicht aktiv kontrollieren und Traumata sind ja nochmal eine ganz andere Liga, die unverhältnismäßig stark und plötzlich im Hinblick auf einen "schwachen" Auslöser auftreten.


    Mein Hund hat zB noch sein Traumata vom Einfangen, als ihn das TH-Personal von der Straße geholt hat. Um das Traumata auszulösen, müssen aber (gott sei dank) mehrere Bedingungen erfüllt sein, die aber nicht mehr einfach so zustande kommen. Auch ist die Stärke des Traumata durch Training und Habituation deutlich gesunken.


    Es gibt ein schönes Buch von Nicole Wilde "Der ängstliche Hund". Ich persönlich würd in Sachen Therapie mit Medikation, Thundershirt, Entspannungssignal, Desensiblisierung und Gegenkonditionierung etc. pp. arbeiten. Aber auch da muss man erstmal hinkommen. Bei einem Hund der Menschen absolut gruselig findet kannt das ein weiter, harter und seeeehr langer Weg sein.

  • Zitat

    Es gibt ein schönes Buch von Nicole Wilde "Der ängstliche Hund"


    genau, eines der ausführlichsten und umfangreichsten bücher über den umgang mit extremer angst. tolles buch.

  • Ich hatte persönlich noch nie mit einem wirklich traumatisierten Hund zu tun. Mit einem ängstliche Hund ja, der hatte ein Problem mit fremden Menschen, was jetzt im Gegensatz zu "deinem" beschriebenen Hund wohl eher ein kleines Problemchen ist.


    Wie die anderen schon meinte, wenn du viel Zeit, Geduld, Erfahrung hast und auch mit vielen Rückschlägen leben kannst, ist es eine Überlegung wert.


    Das Ding ist nur, es gibt nur eine Chance, wenn du die Kleine hast, hast du sie und zurückgeben geht dann eben nicht mehr...rein vom Gewissen her. :-)

  • Wichtig, wie meine Vorschreiber gesagt haben ...


    Mag sie Artgenossen?
    Ist dein Ersthund souverän und unerschrocken?
    Habt ihr einen wirklich sicher eingezäunten Garten?
    Lebt ihr reizarm auf dem Land?


    Wenn du eine der Fragen mit Nein beantwortest, dann lass es bitte.


    In der Stadt etc. tust du dem Hund keinen Gefallen.

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