Rasselisten - Entstehung? Warum diese Hunderassen?

  • Aber wieso welche Rasse, dazu bin ich noch nicht fündig geworden.

    Dazu habe ich zumindest zum Teil etwas in einem Urteil vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01). Das Urteil habe ich bis jetzt auch nur überflogen, aber bei den Randnummern 33 sowie 75 ff. wird etwas begründet, warum Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier als besonders gefährlich eingestuft werden/wurden.

  • hallo hektorine,


    also, bayern hat 1995 als erstes bundesland die rasseliste eingeführt. auf dieser liste findest du hunderassen, die es gar nicht gibt (z.b. "bandog").


    dann passierte in 2000 der schreckliche vorfall in hamburg, bei dem ein kleiner junge von einem pit bull und einem staffordshire terrier tödlich verletzt wurden. die "geschichte" hierzu kannst du hier nachlesen:


    http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2000/erste7372.html


    daraufhin wurden in panik in den restlichen bundesländern praktisch über nacht gesetze und verordnungen aus dem boden gestampft, die unterschiedlicher nicht sein können.


    ich kann dir leider nur sagen, wie es die rassen in hessen auf die liste geschafft haben und dazu möchte ich herrn willnat zitieren, der bisher (soweit mir bekannt ist) als einziger damit an die öffentlichkeit gegangen ist. und das auch nur innerhalb einer anhörung im hessischen landtag in wiesbaden am 23.8.2012, bei der ich persönlich anwesend war und mir die knie schlotterten bei dieser aussage:


    "
    Zu der Entstehung möchte
    ich sagen, dass ich kurz nach dem Vorfall in Hamburg vom
    Hessischen Innenministerium angerufen wurde in meiner Eigenschaft als damaliger Le
    iter des Fachbereichs Diensthundewesen der hessischen Polizei. Der Anruf kam gegen
    Nachmittag. Da habe ich den Auftrag bekommen, eine abgespeckte Liste mit minde
    stens 16 weiteren Rassen zu ergänzen. Auf meine Intervention hin, dass so etwas nicht
    machbar wäre, wurde mir die Weisung erteilt, bis spätestens am nächsten Vormittag
    diese Liste vorzulegen. Ich habe es getan.
    Dafür schäme ich mich noch heute.!
    "


    quelle bzw. ganzes protokoll (herr willnats aussagen ist auf seite 37 zu finden)
    http://www.hessischer-landtag.…111-1111-111111111111.pdf


    und ich kann mir vorstellen, dass es in den anderen bundesländern ähnlich zugegangen ist. ist aber reine spekulation von mir... wissen tu ich es nicht.

  • danke euch allen, da habe ich einiges zu lesen ...


    Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass diese Listen einfach willkürlich entstanden sind. Die Behörden müssen doch irgendwelche Grundlagen dafür haben (Statistiken über Angriffe, Beißvorfälle etc.).
    Bitte versteht meine Fragen nicht falsch, ihr kennt euch viel besser aus als ich auf dem Gebiet.
    Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass man in unserem bürokratischen Land einfach gesagt hat, ähm ja... diese und jene Rasse... die sind doch einfach ... rauf auf diese Liste.

  • nein, es gibt keine grundlagen... wenn es grundlagen gäbe, würden die mich auch interessieren.


    es gibt zwischenzeitlich etliche (wenn nicht sogar an die 1000) wissenschaftliche studien, die belegen, dass es keine gefährlichen hunderassen gibt, sondern nur einzelne hunde-individuen... rassespezifisch kann man die gefährlichkeit eines hundes nicht festmachen.


    aber die politiker richten sich nicht nach wissenschaftlichen studien...


    schau dir die liste der bundesländer an, wo welche hunderasse als gefährlich eingestuft ist. wenn du einen bullterrier hast, bist du in rheinland-pfalz ein normaler hundehalter, in hessen ist dein hund aber dann gefährlich. wenn du in berlin einen staffordshire bullterrier hast, ist alles in ordnung und wenn du nach hessen kommst, ist dein hund gefährlich. wenn du in hessen einen rottweiler hälst, hast du alle auflagen zu erfüllen, gehtst du nach baden-württemberg, ist er plötzlich ein "normaler" hund.


    in nrw gibt es noch die 20/40 regelung. wenn dein hund über 20 kilo und/oder 40 cm hoch ist, dann hast du auch auflagen zu erfüllen.


    etc. pp.


    reine willkür... sonst wäre es ja einheitlich

  • Im Landeshundegesetz NRW steht ja auch nur vermutet.


    Die Listen haben sich irgendwelche Bürokraten ausgedacht, eben aufgrund von Vermutungen. ;)


    Wie die Verteilung tatsächlich aussieht, kann man an der Statistik für Berlin sehen:



    Quelle: http://www.bz-berlin.de/artike…he-hunde-am-meisten-beien


    Bei den Rasselisten wird dem Volk gerne aufs Maul geschaut. Wenn der Mob einen Soka vermutet, vermutet der Gesetzgeber auch. Gibt ja Wählerstimmen. ;)

  • Die Rasselisten basieren in keinster Weise auf Statistiken. Die wurden auf die Schnelle zusammengepfuscht weil es politischen Druck gab, "etwas zu tun".


    Die Basis bildet der "Pitbull" (wegen des Vorfalls in Hamburg und der Rassegeschichte). Es ist ja leider auch nicht zu verleugnen, dass "Pitbulls" gerne von gewissen sozialen Randgruppen als Statussymbol gehalten werden.
    Das Problem ist, dass der Pitbull als Rasse schwer zu definieren ist, grade in Deutschland, weil sie von der FCI überhaupt nicht anerkannt ist. In Amerika gibt es ein paar Verbände, die den American Pitbull Terrier anerkennen (z.B. ADBA, UKC), aber auch da sind die Standards sehr weit gefasst und uneinheitlich. Es lässt aich also schlecht ein einheitliches Aussehen definieren.


    Drum hat man wohl andere Rassen, die ein Laie nicht von einem Pitbull unterscheiden kann (AmStaff, Staffordshire Bullterrier) gleich noch mit in die Liste aufgenommen.
    Ich weiss nicht, ob es z.B. mit Staffordshire Bullterriern in Deutschland auch nur einen einzigen Vorfall gab. Ich weiss jedenfalls von keinem. In England z.B. ist der Staffordshire Bullterrier ein weit verbreiteter und beliebter Familienhund (während es dort "Pitbulls" mit aller Härte an den Kragen geht).


    Der Bullterrier steht wohl auf der Liste, weil 2000 der Normalbürger an den Bullterrier dachte, wenn jemand "Pitbull" sagte.


    Weiterhin stehen grosse Molosser fast überall auf der Liste, aber auch das sehr willkürlich. Viele der gelisteten Molosserrassen sind absolut unauffällig (Bordeauxdogge z.B.), oder haben eine so kleine Basis in Deutschland, dass man gar keine Statistiken erheben kann (z.B. Tosa Inu).
    Von den deutschen Rassen, die ursprünglich als Wach- und Schutzhunde dienten, steht aber lediglich ab und zu der Rottweiler auf einer der Listen.


    Ich kenne die anderen Bundesländer ausser Bayern nicht besonders gut, aber in Bayern wurde die Rasseliste auch immer wieder verändert. So stand z.B. der Rhodesian Ridgeback mal für zwei Jahre drauf (Kat.2), oder die Liste wurde um den Alano erweitert - wohl weil viele Hunde, die nach Listenhund aussahen als Alano-Mixe angemeldet wurden.


    Mit Mischlingen ist es ja noch komplizierter, da wird die Entscheidung, ob das nun ein Listenhund ist oder nicht, auf vereidigte Sachverständige ausgelagert.


    Die Rasselisten wurden dilletantisch erstellt und werden ebenso dilletantisch überwacht. Viele Mitarbeiter der deutschen Ordnungsämter haben wirklich von Tuten und Blasen keine Ahnung. Immer wieder gibt es auch Rechtsstreits, wie z.B. um zu gross geratene Miniatur Bullterrier oder um Olde English Bulldogs.
    Auch haben sich durchs Band weg seit der Einführung der Rasselisten die Beisstatistiken überhaupt nicht verbessert. Es bleibt dabei, in erster Linie war das eine populistische Aktion, unter der viele Hundehalter und ihre Hunde sehr gelitten haben.

  • Bayern Phantasierassen wie den "Bandog" auf die Liste setzte...


    Bekannt geworden ist die andere Bedeutung im Rahmen der Kampfhunddebatte. In einschlägigen Kreisen der Hundeszene bezeichnet der sogenannte Bandog einen besonders großen Kampfhund. Dazu werden zum Beispiel American Pit Bull Terrier mit Molossern verpaart. Das Ergebnis ist ein großer, nicht ganz so massiger Hund, der aber noch sehr beweglich und agil ist.
    Im bayerischen Hundekatalog (Rasseliste) wird der Bandog folgendermaßen definiert:[2] Als Bandog (Kettenhund) werden im Allgemeinen Kreuzungen großrahmiger Hunde (Schulterhöhe über 45 cm, Gewicht über 30 kg) mit hoher Aggressivität bezeichnet. Es besteht kein einheitliches äußeres Erscheinungsbild, die Farbschläge variieren.
    In der Schweiz steht der Bandog im Kanton Zürich auf der Rasseliste; Haltung, Zucht und Import sind dort verboten.


    So ganz "Phantasie" ist der Bandog nicht... Bayern sichert sich damit mal gleich das Recht zu, alles was im Entferntesten nach SoKa aussieht "aussortieren" zu können....Zudem hat Bayern mit Hohenfels, Vilseck, Grafenwöhr überdurchschnittlich viele US-Bürger die bis in die Mitte der 90er Jahre eben diese Hunde mitgebracht haben... Ärger gab´s damit eigentlich nicht, aber sie sehen halt so schön gefährlich aus...Mittlerweile hat es sich rumgesprochen, daß wer nach Bayern versetzt wird solch einen Hund besser in den Staaten läßt!
    Das die Listen hirnlos sind, darüber brauchen wir gar nicht zu disskutieren....

  • Das stimmt so nicht ganz. Hunde von Angehörigen des US-Militärs sind sowohl vom Einfuhrverbot als auch vom Haltungsverbot befreit, solange sie auf dem Armeegelände leben. Auf dem Militärgelände gelten US-Army Regeln. US-Soldaten und ihre Familien haben ja auch keine Meldepflicht in Deutschland.


    Zumindest in den 90er Jahren, als es in Bayern schon Rasselisten gab, war die Haltung von Pit Bulls auf der Base auch noch erlaubt. Ich meine, mittlerweile hat die US-Armee das aber ebenfalls verboten.


    Nein, der Bandog ist keine freie Erfindung, aber eine etablierte Rasse ist es auch nicht.


    Der Bandog war ein amerikanischer Versuch, einen funktionellen, auf Leistung gezüchteten Molosser zu schaffen. Im Prinzip war das gar kein so schlechter Ansatz. In erster Linie entstand das aus der Unzufriedenheit mit der Zuchtrichtung der modernen Molosser - immer schwerer, immer behäbiger und als Wach- und Schutzhund kaum noch zu gebrauchen, geschweige denn im Sport. Die so entstandenen Hunde waren allerdings nie in einem Verband eingetragen uns hatten nie einen Standard.


    Angefangen hat das wohl mit John Swinford in den 60ern, und so ab den 90ern bis ca 2005 gab es ein paar sehr Engagierte. Meistens wurden Pitbulls in Molosser eingekreuzt, aber je nach Züchter waren die beteiligten Rassen und auch das Aussehen sehr verschieden. Dominic Donovan z.B. bei seinem "Donovan Pinscher" kreuzte viel Schäferhund und Dobermann mit ein. Lucero benutzte viel Mastino, andere versuchten es mit Bullmastiff, Bordeauxdogge oder Presa Canario.


    Der Konsensus war dass die Zuchtauslese ausschliesslich auf Leistung beruht, aber wie das halt bei der "Erschaffung" einer neuen Rasse so ist konnten Bandog Züchter und - Halter sich nie auf eine Zuchtrichtung oder einen einheitlichen Leistungsnachweis einigen. Ist ja bei etablierten Rassen schon schwer genug. Es bildeten sich auch schnell verstrittene Gruppen, so dass immer jeder sein eigenes Süppchen kochte. Seit so ca 2008-2010 sind die einschlägigen Bandog-Foren praktisch tot.


    Einer der Hunde aus dem Hulk-Film (2003) war übrigens ein Lucero Bandog (Mastino x Pit Bull).

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