Aversiv absichern

  • Sehe ich anders: ein Aversivreiz ist nicht per se eine Strafe.
    Aversivreiz heißt für mich einfach nur: "unangenehmer Reiz", der abgestellt werden möchte. Das ist für mich ein Zwischending zur positiven Strafe und negativen Verstärkung... nicht jeder Aversivreiz hemmt das vorher gezeigte Verhalten (=/=Strafe), aber wenn dieser Reiz vorhanden ist, möchte er vom Hund abgestellt werden.


    Ja, widerspricht sich nicht.


    Das wäre dann das Nutzen von "active avoidance" wie es bei Skinenr heisst.


    Impliziert aber, dass der aversive Reiz erkannt wird (vom Empfänger) als steigerungsfähig bis er eben effektiv als Strafe wirkt.
    Sonst wird der Reiz einfach ignoriert.
    Der Lernende - der Hund - muss den Reiz abstellen wollen und herausfinden wie - diese Handlung, das WIE, wird dann - negativ, durch Wegnahme des aversiven Reizes - verstärkt.


    Bei Pferden ist es Standard, so auszubilden.


    Man setzt einen aversiven Reiz erst ganz leicht, dann immer stärker, bis die erwünschte Reaktion kommt und nimmt den Reiz sofort weg (und DAS ist der Moment, der zählt).


    Das ist das Grund-Prinzip der Hilfengebung (natürlich muss das mit vernünftiger körpersprachlicher Kommunikation verbunden sein, denn sonst hat des das Pferd schwer, rauszufinden, was es tun soll).


    Aber - wichtig - wenn man so arbeitet, dann muss man auch wirklich durchziehen, also den Reiz tatsächlich immer schwach ansetzen, ABER auch so weit steigern, bis eine Reaktion kommt. Sonst stumpfen Pferde einfach nur ab und ignorieren den Reiz (die Hilfe)


    Die berühmten Phasen bei Parelli sind ja vielleicht bekannt. Phase 1 ist ein Hauch, ein Blick - aber es KANN sein, dass das auch mal bei Phase 4 richtig donnert, wenn die Phasen vorher nicht durchkommen.


    Und wenn man das nicht perfekt richtig macht - das Release, also das aufhören, nicht schon beim geringsten Gedanken des Pferdes, jetzt das richtige zu tun, wirklich nicht schon bei der ersten Gewichtsverlagerung, kommt - dann gerät man schnell in ein sinnloses Druckmachen und Kampf. Man kann keinen sinnvollen Release geben und es gibt kein Lernen.


    Die korrekte Arbeit mit negativer Verstärkung - was nichts anderes ist als die Androhung von Strafe, die das Pferd aber zu jedem Zeitpunkt vermeiden kann, und es MUSS wissen, wie - erfordert ein unheimlich gutes Timing vom Trainer. Schlechte Trainer pressen ihre Pferde gerne mal in die erlernte Hilflosigkeit - die Pferde tun alles wie Roboter, haben aber immer Angst, irgendeine eigene Initiative zu zeigen.


    Ich selber arbeite beim Pferd viel damit (Natural Horsemanship), setze aber auch viel positive Verstärkung ein.


    Ich kenne also diese Prinzipien recht gut und habe mich - im Pferdebereich - auch intensiv damit auseinandergesetzt.


    Aber beim Hund sehe ich das selten angewendet, kenne niemanden, der explizit so arbeitet und bin persönlich der Überzeugung, dass es mit Hunden viel leichter komplett schief gehen kann. Hunde meiden viel zu schnell zu stark - man kriegt kaum die Möglichkeit und Zeit für einen echten Release, bräuchte schon übermenschliches Timing.



    Macht Sinn, wenn man sich die innerartliche Kommunikation anschaut. Und auch logisch für mich, dass Beutegreifer -Hirne viel mehr auf Belohnung ausgerichtet sind.


    Beim Pferd ist es in der Quintessenz immer das Weichen, um das es geht (wie Pferde untereinander eben auch). Aber bei Hunden? Welcher aversive Reiz wäre so klar zu setzen, steht nicht im Widerspruch zur Kommunikation, und ist von mir als Trainer so klar, nuanciert und kontrolliert einsetzbar, dass man sich das wirklich zu Nutze machen kann?



    Daher dieser Thread - der Einsatz von Strafe bzw. Active Avoidance/Negative Verstärkung beim Hund ist mir noch nie irgendwo wirklich untergekommen. Also wirklich erklärt, wirklich aufgedröselt, wirklich stimmig.


    Alles, was man über positive Strafe (die nur für "Grnzen setzen" aber nicht für Lernen taugt m.M.n.) oder negative Verstärkung beim Hund liest, bleibt immer ziemlich nebulös.


    Vielleicht macht es ja auch keiner? (klar, Strafe und Härte, das gibt es, aber das meine ich nicht, wie hoffe ich klar geworden ist. Die (gute) Arbeit mit negativer Verst. ist NICHT hart - schon mal jemand die Freiarbeit von Pignon gesehen? Alles über neg. Verstärkung)


    Anne Krüger hab ich mal gehört, sie würde über neg Verstärkung arbeiten - da muss ich sagen, die hab ich noch nie gelesen, weil sie wohl nur mit Bordern arbeitet - und das fand ich immer zu speziell. Sollte ich vielleicht mal anschauen...


    Jedenfalls, ich dachte ich starte mal diesen Thread und gucke, ob in der Richtung was konkreteres kommt.

    • Neu

    Hi


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    • Beim Hüten spielt man permanent mit den Nuancen. Ich bin erstaunt wie leicht mir das bei Pferden fällt... habe das aber beim Hüten ja sehr fein geübt. Ich persönliche finde es sinnvoll auch dabei klare Kommandos zu verknüpfen, letztendlich wird die mäßig angewendete Strafe dann ja zum Kommando (Grundprinzip der Pferdeausbildung), was ich manchmal nicht möchte aus praktischen Gründen.

    • , letztendlich wird die mäßig angewendete Strafe dann ja zum Kommando (Grundprinzip der Pferdeausbildung), was ich manchmal nicht möchte aus praktischen Gründen.

      Ja, das stimmt... warum möchtest du es nicht?

    • Aber beim Hund sehe ich das selten angewendet, kenne niemanden, der explizit so arbeitet und bin persönlich der Überzeugung, dass es mit Hunden viel leichter komplett schief gehen kann. Hunde meiden viel zu schnell zu stark - man kriegt kaum die Möglichkeit und Zeit für einen echten Release, bräuchte schon übermenschliches Timing.

      Super dein ganzer Beitrag, aber DAS scheint mir auch der entscheidende Unterschied zu sein! Für ein Beute-/Fluchttier ist ein differenziertes Meideverhalten absolut überlebenswichtig, aber für den Beutegreifer ist die Belohnung des Beutemachens entscheidend. Heisst nicht, dass Pferde nicht auf Belohnungen ansprechen, oder Hunde nicht auf Strafe, aber es erklärt, warum und wo ihnen das Differenzieren leichter fällt.

    • Der Unterschied Pferd/Hund finde ich persönlich sehr gross. Mir fällt es bei den Pferden viel leichter, Lob und/oder Strafe wohl dosiert, punk genau und korrekt einzusetzen, auf feinste Signale den Druck nachzulassen, im richtigen Sekundenbruchteil zu reagieren etc. Aber da hab ich auch 25 Jahre Erfahrung und sehr gute Trainer. Sehr wahrscheinlich liegt es daran :D

    • Seelische Schäden find ich genauso schlimm wie körperliche. Und bei sensiblen Hunden können solche Zischsachen dafür schon ausreichen. Ja, man sieht keine direkten körperlichen Auswirkungen...die Hunde haben dann aber eine stark eingeschränkt Lebensqualität..


      Und ich denke, man sollte ganz deutlich die Hunde- von der Kindererziehung/ dem Aufwachsen von Jugendlichen unterscheiden..

      Seelische Schäden sind ebenso schlimm wie körperliche, da stimme ich Dir voll zu, aber nicht jeder Hund erleidet sofort einen seelischen Schaden, wenn ein NEIN oder ein ZISCH kommt, auch nicht wenn dieser eher sensibel ist, denn man sollte das NEIN oder ein ZISCH sicherlich dem Wesen des Hundes anpassen.
      Das Wort "sensibel" muss man in meinen Augen sowieso auf den jeweiligen Hund definieren.


      Und eine ganz deutliche Unterscheidung zwischen Hundeerziehung / Kindererziehung würde ich nicht unterschreiben, denn ich sehe doch viele Teile, die man sehr gut übertragen kann. Der Schwerpunkt liegt auf "übertragen" nicht auf ""gleich machen".
      Ich würde nämlich z.B. meine Kinder für positives Verhalten nicht mit Süßigkeiten vollstopfen.... ;) ... während mein Hund für positives Verhalten durchaus das ein oder andere Leckerlie bekommt.

    • Da ist für mich keine Strafe zu sehen, sondern lediglich ein Kommando, nämlich "nein".
      Strafe wäre für mich, wenn er auf das "nein" nicht reagiert und ich dann z.B. mittels Leinen"ruck" einwirken würde.

      Ja, das ist halt fertig trainiert... sorry, dass es schon klappt. Den Aufbau habe ich nicht gefilmt.

      Ja natürlich. Wenn das "Nein" aversiv aufgebaut wurde z.B. in dem "Nein" gesagt wurde und ein Schlüsselbund oder Disks vor den Hund geworfen wurden oder nach Pitralla ein Nasses Handtuch au dem Nichts auf dem Hund landete ist das ein aversiver Abbruch weil der Hund durch Meiden seine Handlung nicht fortsetzt.
      Im Gegensatz dazu wäre ein Positives "Nein" der Aufbau dass der Hund freiwillig aufhört eine Handlung fortzusetzen indem er sich z.B. umwendet.


      In beiden Fällen kündigt das "Nein" etwas an - einmal was unangenehmes und einmal was angenehmes.

      Mein Nein ist tatsächlich doppelt belegt: Weitermachen heißt, Strafe kassieren, aufhören heißt, Belohnung kassieren. Ich möchte die Hemmung in Richtung weitermachen bewusst drin haben und eben die Aktion in Richtung nicht-weitermachen.

      Mich hätte interessiert, wie die Strafe ausgesehen hat und was die Videos mit aversiver Absicherung zu tun haben, oder besteht da gar kein Zusammenhang?

      Ich weiß immer noch nicht genau was mit Absichern überhaupt gemeint ist. In meinem Kopf ist das ein Verhalten, das positiv aufgebaut wurde, halbgar trainiert ist und dann steigt man auf Strafe um...


      So trainiere ich nicht. Wenn ich Strafe verwende, dann benutze ich die von Anfang an. Ich strafe über soziales Verhalten - Bedrängen, auch mal an der Schulter schubsen.


    • So trainiere ich nicht. Wenn ich Strafe verwende, dann benutze ich die von Anfang an. Ich strafe über soziales Verhalten - Bedrängen, auch mal an der Schulter schubsen.

      Ich hab ja bisher recht wenig "Erfahrung" in der bewussten Anwendung von aversiven Abbruchsignalen etc. aber bisher sind mir deutlich mehr Nebenwirkungen von anonymen Strafen untergekommen.


      Ist glaub ich schon was anderes, ob das im sozialen, zuordenbaren Rahmen geschieht oder "aus heiterem Himmel" den Hund nachhaltig verunsichert.


      Vor ein paar Jahren habe ich mal den Bomper nach Pietralla aufgebaut, für den Pointer war es eine Katastrophe.


      Und es gibt so viele nachhaltig durch Wurf- und Klappergeschosse verunsicherte Hunde.

    • Bei mir wird immer angekündigt. Insgesamt ist mir wichtig, das ich einschätzbar bin.


      Letztendlich - um noch mal die Kurve über die Pferde zu machen - sind auch im Pferdebereich diejenigen die erfolgreichen "Pferdeflüsterer", die ankündigen. Dort wird es dann unter anderem Deckmantel verkauft, viele nennen es "Fragen".

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