Wie funktioniert der Rückruf?

  • Der Rückruf soll eine bewusste Handlung auslösen...zum Menschen rennen.


    Zum Menschen rennen ist eine bewusste Handlung und wird nicht autonom/unbewusst ausgeführt wie die Atmung, der Lidschutzreflex, das Speicheln bei leckeren Gerüchen etc.


    Und bewusste Handlungen unterliegen immer der willentlichen Kontrolle, d.h. man kann sich nen Wolf abtrainieren, wenn der Hund sich gegen die Ausführung des Rückrufs entscheidet, dann ist das halt so. Er wird nie nie niemals automatisch und "ohne darüber Nachzudenken" ausgeführt. Der Hund entscheidet sich bei jedem Rückruf bewusst für die Belohnung des Menschen und gegen die Umwelt.


    Um es mal ganz drastisch zu verdeutlichen: Wenn ich den Hund zurückrufe und zwischen mir und dem Tierchen eine große Bucht ist, wird und kann Hundi stoppen.


    Bei einer automatischen Reaktion würde er sich in die Tiefe stürzen. Geht bei bewussten Handlungen nicht, von daher..

  • Naja, das ist vermutlich tatsächlich der Knackpunkt. Zu einer Abwägung kann es erst kommen, wenn der Hund eine größere Motivation in Aussicht hat. Das ist auch der Grund, warum man ganz besonders am Anfang auf sein Timing achten muss. Z.B. rufen bevor der Hund das Mauseloch zu sehr in der Nase hat.


    Ich meine du wägst im Leben ja auch erst ab, wenn du überhaupt was anderes in Aussicht hast.


    Edit: @dragonwog hat es besser erklärt.


    Zu den trockenen Leckerlies: sicher kann man beim konditionierten Rückruf auch mit trockenen Leckerlies von Mäuselöchern abrufen. Es wird aber nicht lange funktionieren, weil die Motivation zu kommen bei trockenen Leckerlies schnell abnimmt und der Hund sich unter Umständen gegen das Kommen entscheidet.

  • Wie machst du das? Nur bei wenig Ablenkung rufen und eine hochwertige Belohnung haben oder steckt mehr dahinter?
    Und würdest du dann auch sagen, dass der Hund dadurch fest verknüpft 'Ruf'->Ich laufe hin und deswegen auch bei hohen Ablenkungen kommen wird, die man mit keiner Belohnung ausgleichen könnte?

    Liv antwortet vielleicht etwas anderes - aber nach dem Lesen dieses Threads und speziell bei der Frage drängt sich mir "unsere" Antwort darauf auf.


    Der Hund (bzw. Dakota) hatte bei uns in den ersten 1,5 Jahren nie die Möglichkeit den Rückruf zu ignorieren oder zu lernen, dass sie theoretisch die Möglichkeit hat ihn zu verweigern, da sie (a) nur dann gerufen wurde, wenn sie auch in der Lage war den Rückruf zu befolgen (also geistig anwesend) und (b) sie im Zweifel "gezwungen" wurde dem Rückruf zu folgen.


    Sie hatte also immer die Wahl zwischen (a) Party, weil ich folge und (b) ich werde gefolgt, ohne Belohnung. Es gab keine zusätzliche Strafe, sie wurde lediglich an der Schleppleine heran geangelt. Meistens genügt ein Zupfen als Erinnerung, danach folgt wieder Lob, wenn sie sich zuwendet. Die richtig gute Belohnung eben erst, wenn sie aus eigenem Antrieb und möglichst zügig folgt.


    Ein "nur" Locken mit Belohnung hätte zu einer Belohnungsspirale nach oben geführt, m.E.n., da die Wertigkeit einer Belohnung irgendwann gegen einen anderen Reiz nicht mehr ausreicht und dann eine neue, noch bessere her muss etc. pp. Und da sich die Belohnung eben auch abnutzt bei zu häufiger Nutzung (s. u., meines Erachtens nach), kommt irgendwann der Schritt Belohnungen zu variieren bzw. auszusetzen.


    Darüber hinaus:


    Natürlich wägt ein Hund ab. Der Drang einem Kommando zu folgen, der aus Konditionierung entsteht, beruht ja auf der zwanghaften Erwartung einer (bestimmten) Belohnung. Wenn aber diese Belohnung nicht wertig genug ist, dann ist der Drang dem Kommando zu folgen auch weniger hoch angesiedelt. Und wenn der Zwang etwas anderes zu tun, etwa angestachelt durch eine hohe Trieblage, deutlich höher ist als der konditionierte Drang - dann "entscheidet" sich der Hund eben dagegen bzw. folgt dem größeren "Zwang".


    Je klarer das Köpfchen ist, desto leichter wird es einem Hund fallen zwischen zwei verschiedenen Möglichkeiten zu seinen Gunsten zu entscheiden. Je weniger wach und klar das Köpfchen ist, desto weniger kann der Hund tatsächlich eine Entscheidung fällen. (Und umso mehr greifen reflexartige Reaktionen.)


    Und eine dauerhafte Belohnung (immer! bei jedem Kommando!) führt eben auch dazu, dass die Wertigkeit der Belohnung sinkt. Da der Hund immer mit einer Belohnung rechnen kann, ist das einmalige Ausbleiben der Belohnung verschmerzbar (zumal wenn es etwas anderes, sehr erstrebenswertes zu tun gibt). Wenn es aber nicht immer eine Belohnung gibt sondern nur die Chance auf eine solche besteht, dann ist das vertun dieser Chance deutlich schwerwiegender. Denn ausgerechnet "jetzt" hätte es ja etwas geben können. (Aber das ist nun nichts anderes als klassische Konditionierung.)


    Ich schweife ab - und lese interessiert weiter mit. :D

  • Die Erklärung von dragonwog ist einleuchtend. Vor allem das mit der Bucht. :fear:


    Aber ich verstehe einen Teil trotzdem noch nicht ganz:

    Naja, das ist vermutlich tatsächlich der Knackpunkt. Zu einer Abwägung kann es erst kommen, wenn der Hund eine größere Motivation in Aussicht hat. Das ist auch der Grund, warum man ganz besonders am Anfang auf sein Timing achten muss. Z.B. rufen bevor der Hund das Mauseloch zu sehr in der Nase hat.


    Ich meine du wägst im Leben ja auch erst ab, wenn du überhaupt
    was anderes in Aussicht hast.

    Eigentlich nicht. Ich hätte jetzt gedacht, dass ich immer abwägen würde, ob sich allein schon der weite Weg lohnt. Und je nachdem kommt ja fast immer doch noch mindestens eine kleine Ablenkung dazu. Und sei das nur einer von tausend in der Luft liegenden Düften, die vielleicht interessant sein könnten?

  • Un würdest du sagen, beide Hunde wägen jedesmal bewusst ab, (was könnte rausspringen, wenn ich hinlaufe, was hat sie dabei...) nur dass die Entscheidung bei dem einen eben immer für dich ausfällt, weil ihm das das wichtiger ist als alles andere?

    Meine Hündin wägt bei einem Pfiff nicht ab, da ihr Ball für sie wichtiger ist als alles andere, daher kann ich sie auch zurückpfeiffen, wenn sie bereits im Jagdgalopp ist.
    Beim Rückruf fängt sie an abzuwägen, wenn ich ihn in kurzer Zeit zu oft benutze, da ist ihr dann auf einmal auch die Wurst egal, die sie nach dem "hier" bekommt.
    Auf diesen bestimmten Ball hab ich sie "narrisch" gemacht, damit der was ganz Besonderes für sie ist. Das hatte schon bei meinem letzten Dackel funktioniert, daher habe ich es bei meiner Hündin genauso aufgebaut.

  • Also ehrlich gesagt besser kann ich es jetzt nicht erklären.


    Vielleicht ein menschliches Beispiel (Fiktiv!): man geht zur Uni. Jeden Tag, man lässt sich da auch nicht auf dem Weg hin ablenken. Man läuft an diesem und jenen vorbei, aber es ist einfach keine Motivation, sodass ich gar nicht abwäge. Nun werde ich aber auf ein Eis eingeladen und erst jetzt fange ich an abzuwägen.


    Ich meine ich persönlich überlege oft hin und her. Aber ganz sicher nicht immerhin wegen jedem noch so kleinen Reiz der meinen Weg kreuzt.

  • Meine bescheidenen Erfahrungen ohne ganz so viel Hintergrundwissen wie einige hier haben:


    Bei Baby-Ted habe ich den Ruf genutzt, den die Züchterin immer nutzte um die Welpen heranzurufen (der war klassisch konditioniert, ich denke, das nennt man so?). Ich habe dann das Kommando welches ich für den Rückruf nutzen wollte, vor den bekannten Ruf gesetzt, und natürlich immer hochwertig belohnt. Ted kam als junger Hund immer, auch aus dem Spiel mit seinen Geschwistern in der Welpenstunde, beim Inspizieren des Katzenfutters bei den Nachbarn usw. Ich denke, er ist der Typ Hund dafür und ich habe es (anfangs) immer korrekt gemacht, weil mir der Rückruf so wichtig war.


    Bei Baby-Jill habe ich den doppelten Rückruf (wie hier im Forum beschrieben) ausprobiert. Also Umorientierungssignal und Ankersignal. Den Anker habe ich gerufen wenn sie jeweils enthusiastisch zu mir gerannt kam. Zum ersten Mal im "Ernstfall" angewendet habe ich das Ankersignal, als Jill Fuchsdreck essen wollte und das UOS ungehört verschallte. Auf mein "schnell, schnell, schnell" hat es sie regelrecht herumgeworfen und sie ist zu mir gerast. Ich war beeindruckt. Ich denke, das war dann schon eine automatisierte Reaktion, bei der sie nicht noch nachdachte, sondern einfach reagierte. Oder nicht? Also müsste das, wenn man es immer wirklich ganz korrekt trainiert, nicht auch wirklich immer funktionieren? Ausser wenn, wie schon gesagt wurde, der Hund durch einen Reiz "in einer anderen Welt" ist? Ich halte Hunde keineswegs für Reiz-Reaktions-Maschinen, aber ich würde denken, dass diese Konditionierung schon funktioniert.


    Liebe Grüsse
    Franziska

  • @dragonwog
    Hast du da Literatur zu? Ich könnte mir vorstellen, dass es eine Art Vorrichtung gibt um auch bei automatisierten Handlungen das Überleben nicht zu gefährden. So dass zum Beispiel ein Hund in einer Jagdsequenz sich ebenfalls nicht in die Tiefe stürzen würde.


    Und was heißt es, dass es eine bewusste Entscheidung ist. Heißt das wirklich, dass die Motivation durch die Belohnung immer höher sein muss als der Reiz der Ablenkung?


    @RuDako
    Also bist du für eine variable Belohnung beim Rückruf. Bei anderen Dingen habe ich das schon oft gelesen, aber beim Rückruf bisher nicht.
    Muss für eine variable Belohnung wirklich manchmal die Belohnung fehlen oder reicht es auch verschiedene Belohnungen mit verschiedenen Wertigkeiten anzubieten? So dass der Hund nicht immer sich sein kann, die beste Belohnung zu bekommen.

  • Zitat

    Und was heißt es, dass es eine bewusste Entscheidung ist. Heißt das wirklich, dass die Motivation durch die Belohnung immer höher sein muss als der Reiz der Ablenkung?


    Meiner Meinung nach: Ja

  • @dragonwog
    Hast du da Literatur zu? Ich könnte mir vorstellen, dass es eine Art Vorrichtung gibt um auch bei automatisierten Handlungen das Überleben nicht zu gefährden. So dass zum Beispiel ein Hund in einer Jagdsequenz sich ebenfalls nicht in die Tiefe stürzen würde.


    Und was heißt es, dass es eine bewusste Entscheidung ist. Heißt das wirklich, dass die Motivation durch die Belohnung immer höher sein muss als der Reiz der Ablenkung?

    Literatur...puh, da reicht jedes kleine Biologiebuch ;)


    Jagen ist keine automatisierte Handlung. Deswegen würde sich der Hund natürlich beim Jagen nicht in die Tiefe stürzen (Ausnahme bilden Hunde, deren Sinneswahrnehmung bei hoher Erregung stark eingeschränkt ist...hängt dann aber mit der Perzeption und nicht mit Automatismen zusammen).


    Automatisierte Handlungen gibt es nur bei Reaktionen des autonomen Nervensystems, also Reflexen.


    Die Motivation muss bei der bewussten Rückrufhandlung nicht in jedem Fall immer höher als die des konkurrierenden Reizes sein. Manche drehen gewohnheitsmäßig ab und gehen zum Besitzer (man sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, dass dies bei hoher Ablenkung und zu jeder Zeit zuverlässig funktioniert). Andere entscheiden sich bei vielen Arten von Belohnungen für das Lottospielen (uh, der Reiz da hinten ist interessant, aber bei Mensch krieg ich eine Überraschung). Geht auch wieder nur bei einigen Hunden und bestimmten Ablenkungen. Und dann gibts ja noch zig begleitende Maßnahmen, wie z.B. das Abschwächen der Wichtigkeit des konkurrierenden Reizes, aversive Abbruchsignale etc.


    Aber grundsätzlich, ja! Die Motivation, zurückzukommen muss größer als der ablenkende Reiz sein

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