Ist Hundeerziehung heutzutage zu verkopft?

  • Natürlich braucht es nicht nur Erfahrung. Hab ich auch nicht gesagt. Aber Bauchgefühl ohne Erfahrung oder Wissen geht halt eventuell auch schief.


    Wie mein Anfangsbeispiel mit dem Rammeln. Wie kommt man ohne Wissen darauf, dass eine sexuelle Handlung auf Stress hindeuten kann?

    Es geht ja nicht darum, NUR nach 'Bauchgefühl' zu erziehen, sondern eben seine Intuition oder wie immer man das nennen mag, wieder zuzulassen. Und vielleicht auch einfach mal ein strenges Nein zu sagen anstatt drumrumzuclickern. Weil ein Nein vielleicht gar nicht immer so böse ist, wie man es uns heute weismachen möchte.
    Und es gibt eh nicht auf alles eine Antwort, und viele heutige Interpretationen über das Verhalten von Hunden (und Tieren generell) bleiben immer nur das: Interpretationen. Denn wirklich wissen tun wir es nicht, denn fragen können wir sie nicht. Es ist also so oder so immer der Mensch, der seinen Standpunkt vertritt, Hunde würden uns vielleicht einfach nur den vogel zeigen ;-)


    Heutzutage zb ist alles 'Stress". Und Burnout. Also ist es auch In, bei Hunden alles Stress sein zu lassen. Das mag in vielen Fällen zutreffen und in vielen nicht. Oder auch: Wenn ein Hund hektisch ist, dann heißt das nicht automatisch, daß ER darunter leidet, nur weil Mensch heutzutage meint, alles müßte impulskontrolliert ruhig von statten gehen.

  • Und das ist dann die Erfahrung, die ich meine.


    Ich habe ein Verhalten öfter beobachtet, die offensichtliche Lösung scheint mir nicht logisch, also such ich nach alternativen Erklärungen.


    Jetzt kann ich meinen Hund mehrmals beobachten und versuchen, die Erklärung zu finden. Oder ich lese in Büchern, spreche mit Trainern und kürze eventuell den Weg ab.


    Ich glaube, es ist nicht das Bauchgefühl vs. Verkopftheit das Problem, sondern die von dir erwähnte Selbstreflektion. Wenn die nicht vorhanden ist, können beide Vorgehensweisen schief gehen.


    @Cindychill
    Manchmal funktioniert diese Methode aber vom Hundehaltercharakter einfach nicht. Das kenn ich von mir selber, ich kann noch so streng Neinen, mein Hund nimmt mir das einfach nicht ab. Aldo clickere ich lieber. Mag verkopft sein, funktioniert aber besser, weil in diesem Fall authentischer.

  • Womit wir wieder auf einem Nenner wären. ;) So sehe ich das auch.



    Mir fällt da gerade ein Beispiel für Bauchgefühl von eben ein. Sind eine kurze Runde "um den Block" (bedeutet bei uns eher Park ähnlich) und ich denke mir: "Lass die Sumpfkuh an der Leine!" denn Rosie jagt ja schon mal gern. Irgendwas hatte ich offenbar unbewusst wahrgenommen, beobachtet an Rosie oder was weiß ich. Wir haben die Runde gemacht und auf dem letzten Viertel war sie plötzlich voll in der Jagd und ohne Leine wäre sie weg gewesen.


    Mittlerweile ist sie ja schnell wieder mit dem Kopf bei mir (dank Training). Aber da hat auch irgendwas mein Bauchgefühl ausgelöst (was auch immer es war, es wurde unbewusst von mir wahr genommen). Andere, die das nicht hätten, hätten sie von der Leine gelassen und hätten den Salat gehabt.


    Bauchgefühl ist nicht nur in der Erziehung wichtig, sondern auch im allgemeinen Umgang im Alltag. Hatte sicher schon jeder von uns. Dieses: Hab ich's doch gewusst! Gefühl.

  • Die Welt der Extreme ist schön, gell?

    Für mich ist das, was Hundeerziehung "damals" ausgemacht hat, ein unschönes Extrem. Beispiele dazu habe ich gebracht und in diese Reihe passt auch das von mir erwähnte Beispiel mit meinem verstorbenen Hund. Es ging mir nicht um das Thema Gewalt, sondern um eine möglichst deutliche Darstellung des Auseinanderklaffens von menschlicher Intuition/Authentizität und hündischer Motivation. Genau darum geht es doch hier.


    Es geht mir nicht darum, ob Du oder sonst jemand Gewalt anwendet. Es geht nicht um positive versus negative Ansätze. Es geht darum, dass man sich früher schlichtweg selten mit der Motivation für bestimmte Verhaltensweisen auseinandergesetzt hat und für mein Empfinden eine unfaire Reaktion als intuitiv richtig bezeichnet hat. Genau darauf wollte ich hinaus.


    Du kannst doch täglich in diversen Hundeforen lesen, dass von unerfahrenen und somit "intuitiv handelnden" Haltern das Aufreiten regelmäßig und ausschließlich als Dominanzgeste interpretiert wird. Oder dass Mobbing unter Hunden mit Spiel verwechselt wird. Oder dass das Knurren eines Hundes, der Distanz einfordert, aus Unwissenheit bestraft wird und das Geheule groß ist, wenn der Hund irgendwann nicht mehr warnt, sondern sofort beißt. Oder dass einem Welpen immer wieder das Futter weggenommen wird, damit er lernt, dass er keine Ansprüche darauf stellen darf und anschließend Staunen herrscht, wenn der Hund Ressourcen verteidigt. Oder dass Welpen ausgepowert werden und dann Verwunderung darüber herrscht, dass der Hund irgendwann überschnappt. All das spiegelt eine intuitive Einschätzung des Menschen wider, die eine menschliche Reaktion nach sich zieht, aber absolut nichts mit der Motivation des Hundes zu tun hat.


    Für mein Empfinden hat die "moderne Hundeerziehung" eine Menge dazu beigetragen, Hunde besser einschätzen, verstehen und gut und sicher durch das Leben führen zu können. Ob man sich von der Informationsflut verunsichern lässt und jeden Trend mitmacht, oder ob man abwägt, bleibt doch jedem selbst überlassen und ist sicher kein Problem, das ausschließlich Hundehalter betrifft.

  • Nur um klar zu stellen. Bauchgefühl bedeutet für mich nicht veraltete Erziehungsmodelle von Anno Pief!


    Welche moderne Erziehungsart man sich aussucht für seinen Hund, ist völlig unerheblich. Wichtig ist, dass man sich dabei immer wieder mal selbst kontrolliert und den Hund dabei im Auge hat.


    Aber viele haben heutzutage echt Bammel ob sie einem Hund gerecht werden, ob sie es richtig machen können, ob der Hund sie lieben kann. Sie stressen sich schon vor Einzug des Hundes mit vielen Nebensächlichkeiten und machen sich damit das Leben schwer.

  • Aber auch das ist der Verdienst des heutigen Trends, alles was "anders" ist, ist gleich gewaltsam

    Liegt sicher auch daran, dass viele einfach ihre absolute Unwissenheit und ihr Unvermögen, den Hund im Hund zu sehen mit "Mein Bauchgefühl sagt mir...." vertuschen (wollen). Ist auch im Forum von Zeit zu Zeit zu sehen... ;)

  • Aber es gibt durchaus Hundehalter die seit Jahrzehnten Hunde halten und das Schwanzwedeln immer noch für Freude halten und Mobbing für lustiges Spielen.

    Und würden diese HH "wissender" durch 200 Bücher 15 Wochenendseminare und 3mal wöchentlicher Besuch in der HS?


    Ich denke, dass viele von denen sich die Bücher suchen, die ihnen bestätigen, dass Hunde sich nicht mobben, sondern immer lieb haben und glücklich spielen, die eine HS empört wegen "Unfähigkeit der Trainer" verlassen, weil der doch trotz "freudigem Schwanzwedeln" des Hundis sich nicht hat beißen lassen...

  • dass von unerfahrenen und somit "intuitiv handelnden" Haltern das Aufreiten regelmäßig und ausschließlich als Dominanzgeste interpretiert wird.

    Nochmal: Intuitiv und unerfahren sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe!
    Mann kann "unerfahren" genügend Beobachtungsgabe und Empathie besitzen, um eine Handlung des Hundes NICHT als mögliches Ergreifen der Weltherrschaft zu interpretieren und man kann auch schon viel gelesen, gehört und erfahren haben und ist trotzdem der Meinung, ein Hund der rammelt will eben diese Weltherrschaft.

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