Ist Hundeerziehung heutzutage zu verkopft?

  • Für mein Empfinden hat die "moderne Hundeerziehung" eine Menge dazu beigetragen, Hunde besser einschätzen, verstehen und gut und sicher durch das Leben führen zu können. Ob man sich von der Informationsflut verunsichern lässt und jeden Trend mitmacht, oder ob man abwägt, bleibt doch jedem selbst überlassen und ist sicher kein Problem, das ausschließlich Hundehalter betrifft.

    ok, jetzt versteh ich was Du meinst. Aber die unschönen Extreme sieht man heute ja leider immer noch und das sogar im Fernsehen.

  • Du kannst doch täglich in diversen Hundeforen lesen, dass von unerfahrenen und somit "intuitiv handelnden" Haltern das Aufreiten regelmäßig und ausschließlich als Dominanzgeste interpretiert wird. Oder dass Mobbing unter Hunden mit Spiel verwechselt wird. Oder dass das Knurren eines Hundes, der Distanz einfordert, aus Unwissenheit bestraft wird und das Geheule groß ist, wenn der Hund irgendwann nicht mehr warnt, sondern sofort beißt. Oder dass einem Welpen immer wieder das Futter weggenommen wird, damit er lernt, dass er keine Ansprüche darauf stellen darf und anschließend Staunen herrscht, wenn der Hund Ressourcen verteidigt. Oder dass Welpen ausgepowert werden und dann Verwunderung darüber herrscht, dass der Hund irgendwann überschnappt. All das spiegelt eine intuitive Einschätzung des Menschen wider, die eine menschliche Reaktion nach sich zieht, aber absolut nichts mit der Motivation des Hundes zu tun hat.

    Ich denke, dass Deine Beispiele weniger mit Intuition zu tun haben als mit falschen Lehren.
    Derlei Ratschläge kommen eben immer noch ... aus dem Bekanntenkreis, von schlechten Trainern usw.
    Viele Leute lassen sich da "blind" verleiten, statt sich nach Alternativen umzuhören.
    Bequemlichkeit statt Zweifel.
    Funktionierende Intuition hat auch was mit Empathie zu tun. Will ich die Methode XY wirklich für meinen Hund?

  • Wenn DAS für Dich "Intuition ist, dann reden wir über gänzlich verschiedene Dinge!
    Intuition ist NICHT gleich absolute Unwissenheit und Ignoranz des Hündischen im Hund!

    Nö, das hab ich auch nicht geschrieben. Intuition ist für mich das Bauchgefühl, aus dem heraus ich Situationen wahrnehme und Entscheidungen fälle.


    Ein Mensch, der sich einen Hund anschafft, vorher noch nie einen hatte, noch nie großartig in Kontakt mit Hunden bzw Tieren allgemein war, der soll intuitiv wissen, wie man eine Situation richtig einschätzt?
    Nö, dann bitte ein gutes Buch oder ein Trainer, der zB sagt: Guck mal, dein Hund reagiert jetzt gerade so, weil x, das bedeutet, dass y, also solltest du z.


    Ich weiß, für manche Leute ist das nicht denkbar. Aber es gibt 14-, 15-Jährige, die erkennen eine braune Kuh nicht. Die denken, das ist ein Pferd, weil die Kühe auf den Milchpackungen immer schwarzbunt sind. Kein Scherz.
    Und solche Leute sollen dann mit dem idealisierten Bild von Intuition einen Hund führen, der je nach Wohnort an 20, 30 Artgenossen vorbei, mitten in der Stadt leben und all die Dinge, die dazu gehören, mitmachen muss?


    Versteh mich nicht falsch. Ich bin kein verkopfter Typ, ich bin meistens für die Entscheidung aus dem Bauch heraus und ich bin kein Freund der ewigen Erziehungsbücher (hab mir genau eines geholt und dann 3 Wochen nach spontanem Hundekauf mal reingeguckt) und ich bin wirklich kein Wattebauschewerfer. Aber ich trau mir das eigentlich auch zu. Hätte ich Probleme, die ich selbst nicht lösen könnte, hätte ich zumindest die Möglichkeit Hilfe zu finden. "Früher" gab es da nun nicht so tolle Trainer und unterschiedliche Ansätze.

  • Ein Mensch, der sich einen Hund anschafft, vorher noch nie einen hatte, noch nie großartig in Kontakt mit Hunden bzw Tieren allgemein war, der soll intuitiv wissen, wie man eine Situation richtig einschätzt?
    Nö, dann bitte ein gutes Buch oder ein Trainer, der zB sagt: Guck mal, dein Hund reagiert jetzt gerade so, weil x, das bedeutet, dass y, also solltest du z.

    So jemand kann einen guten Trainer/ein gutes Buch doch auch nicht von einem schlechten unterscheiden.
    Woher auch?

  • Ein Mensch, der sich einen Hund anschafft, vorher noch nie einen hatte, noch nie großartig in Kontakt mit Hunden bzw Tieren allgemein war, der soll intuitiv wissen, wie man eine Situation richtig einschätzt?
    Nö, dann bitte ein gutes Buch oder ein Trainer, der zB sagt: Guck mal, dein Hund reagiert jetzt gerade so, weil x, das bedeutet, dass y, also solltest du z.

    Mir ging es in meinem Beitrag nicht darum, daß jemand mit absoluter Entfremdung zur Natur oder absoluter Unwissenheit und Nichterfahrung am Hund rumstöpselt wie er es grad meint.
    Solchen Leuten hilft übrigens häufig auch kein noch so guter Trainer mehr, denn Empathie, die zur Hundeerziehung notwendig ist, kann man nicht lernen. Wer also so distanziert von allem Leben ist, sollte mE eh kein Lebewesen aufnehmen.

  • Es gibt tatsächlich Menschen, die nichts über Hunde (oder auch andere Tiere) wissen und die dank eines wunderbaren Bauchgefühls perfekt mit Tieren umgehen können.
    Das mag es nicht oft geben, aber zum Beispiel mein bester Freund ist in meinen Augen so ein Mensch. Er hat eine tolle, ruhige Art, er macht intuitiv das Richtige und kann Tipps sehr gut umsetzen. Ich würde ihm jederzeit einen Hund anvertrauen.


    Und es gibt Menschen, die lesen ein Hundebuch nach dem anderen, besuchen Kurse und Seminare, hatten schon mehrere Hunde in der Vergangenheit und trotzdem erreichen sie nie diese Verbundenheit zum Tier und brauchen für viele Dinge viel länger (Training, Vertrauensaufbau, etc.) Was nicht schlimm sein muss, denn lieben und gut behandeln kann man sein Tier trotzdem!

  • @Rübennase genau das.


    Ich kenne zwei Personen (die haben nix miteinander zu tun), die hatten nie ein eigenes Tier und überhaupt keinen näheren Kontakt zu Hunden.


    Beide haben "Hundeverstand".

  • @frolleinvomamt Naja, es gibt heutzutage wohl ein paar mehr Möglichkeiten, sich zu informieren als noch "in den guten alten Zeiten", findest du nicht?
    Mal auf einer sozialen Plattform nachfragen, aktive Hundesportler fragen (wie viele Leute waren früher außerhalb des klassischen Schutzdienstsports im Hundeverein?), im Internet nach Verbänden fragen, das Tierheim oder den Züchter fragen usw usf. Ich zähle jetzt mal nicht alles auf..


    Ich kann da nur aus meiner wenigen Erfahrung sprechen. Als wir damals unseren zweiten Hund holten (1998 war das glaub ich, also nicht sooo lange her) und wir Schwierigkeiten hatten, gab es in 50km Umkreis genau einen Ausbildungswart vom SV, sonst niemanden, der irgendwie mit Ausbildung von Hunden zu tun hat. Der wollte uns den Hund "abrichten". 2Std später war der Mann getackert und der Hund sollte eingeschläfert werden, weil er nach vorn ging bei Bedrängung.
    Wenn ich daran denke, wird mir ganz schlecht. Heute gäbe es ganz andere Möglichkeiten. Und selbst wenn ein Trainingsansatz nicht funktioniert, kann man zumindest einen neuen ausprobieren. Aber ja, früher war alles besser und die Leute heute sind zu doof, mal in einer WhatsApp-Hundegruppe zu fragen, wer ihm bei diesem oder jenem Thema helfen könnte.

  • Ich weiß, für manche Leute ist das nicht denkbar. Aber es gibt 14-, 15-Jährige, die erkennen eine braune Kuh nicht. Die denken, das ist ein Pferd, weil die Kühe auf den Milchpackungen immer schwarzbunt sind. Kein Scherz.
    Und solche Leute sollen dann mit dem idealisierten Bild von Intuition einen Hund führen, der je nach Wohnort an 20, 30 Artgenossen vorbei, mitten in der Stadt leben und all die Dinge, die dazu gehören, mitmachen muss?

    Komischerweise funktioniert es grade bei so Leuten erstaunlich gut. Klar, nicht immer, aber dennoch oft.




    Ich bin übrigens in einem "Hund darf nix, weil Rudelchef!" Umfeld aufgewachsen.
    Übernommen hab ich davon nix.
    Mein Bauchgefühl hat mir schon als 14jährige gesagt das Hunde weder böse, noch doof sind. Sie ähneln kleinen Kindern.


    Mir ist die ganze Theorie ziemlich schnuppe.
    Aus dem einfach Grund weil das, was heute richtig ist, übermorgen schon wieder revidiert wird weils neue Erkenntnisse gibt. Und zwar egal ob in der Hunde- oder Kindererziehung. Was vor 2 Jahren der Hit war wird heute als alter Hut bezeichnet.
    Das Körpersprachengedöns find ich ziemlich fragwürdig, wir Menschen haben nur den Bruchteil an Sinnen und stehen immer außerhalb. Wenn mir ein Mensch die Körpersprache des Hundes in allen Einzelheiten erklärt frag ich mich einfach: Woher diese Sicherheit das A immer A ist? Aus meiner nun doch langjährigen Erfahrung raus ist A durchaus auch C, K oder auch mal V.
    Wir haben doch nur unsere Augen, kriegen niemals jede Nuance mit und das Geruchsfeld fehlt uns völlig. Ist son bisschen als ob ein Italiener jetzt alleine Isländisch lernt, das nem Japaner beibringt, der bringts nem Australier bei, der erklärts nem Mongolen und der dann dir.
    Kann man sich denken wieviel dabei rumkommt.


    Hunde sind einfach nur Hunde.
    Die sind nicht blöd. Die kennen uns und denen können wir nicht viel vormachen. Darum ist Authenzität so wichtig. Ich kann säuseln was ich will, wenn ich innerlich sauer bin wissen das die Hunde.
    Ebenso wissen sie wenn ich versuche streng zu sein, obwohl ich ihr Verhalten eher zum Lachen finde.
    Die schmollen nicht tagelang weil wir mal unfair waren. (Es sei denn man hat ne Diva, die machen sowas ja aus Prinzip) Und die sind auch nicht so dämlich das sie nach 20 Sekunden nicht mehr wissen was grade passiert ist. (Meistens)


    Hunde sind nicht perfekt. Wir sind nicht perfekt. Ist doch schön!




    Ich hab ja nun ziemlich unerzogene Hunde. Rückruf vielleicht 75%, Superrückruf gibts garnicht, Sitz, Platz, gib Pfote. Das wars. Kein Bleib, Kommandos werden selbstständig wieder aufgelöst, Fußgehen kennen sie nicht, Leinenführigkeit ist auch eher mangelhaft.
    Aber für mich sind sie genau so völlig okay. Ich hab mir ja bewußt Rassen ausgesucht die nicht viel brauchen an Arbeit, die stur sind und eben nicht für mich das Atmen einstellen. Hab ich alles schon gehabt und auch genossen. Aber das mag ich halt nicht mehr für mich haben.
    Lustigerweise kann ich meine unerzogenen Köter überall mit hinnehmen. Restaurant, Altenheim, Fußgängerzone, Innenstadt, Hauptbahnhof... Ganz ohne Training.
    Oder so wie die letzten Tage: Erst 4 Stunden Autofahrt, dann kurzes Beinevertreten, ab in die Wohnung und Ruhe halten. Täglich ins Altenheim, für Stunden bei Oma sitzen. Erster Freilauf erst nach 3 Tagen, ansonsten nur kurzes Leinengassi von 15 Minuten.
    Die Jungs sind total ruhig, haben alles toll mitgemacht und ich muss mir keinerlei Gedanken machen. Ganz ohne Trara, Heititei, Clicker, Theorien, Stress, oder was da sonst noch rumschwirrt.
    Einfach nur meine Hunde, die ich kenne und denen ich vertraue. Immer. 100%.
    Obwohl ihr Gehorsam weit weg von 100% ist. Das tut meinem Vertrauen in sie keinen Abbruch.


    Und es tut mir einfach so leid wenn ich sehe das vielen dieses Vertrauen fehlt. Selbst nach Jahren mit dem Hund. Zuviel Theorien im Kopf, nicht mehr genug Platz für die Freiheit die Vertrauen braucht.

  • @Czarek Heute genau wie früher gibt es Leuten, denen nicht zu helfen ist. Entweder weil sie sich keine oder zu viel Gedanken machen. Heute wie früher gibt es Leute, die ihren Hunden ein gutes Leben ermöglichen.
    Ich glaube der Anteil derer, die es heute aufgrund der "Möglichkeiten, sich zu informieren" besser machen, ist soooo groß nicht.


    (Ich fände auch mal spannend "früher" zu definieren: 50er? 2000er? 70er?)


    Vor allem, weil gerade diese Informationen nun wirklich im Fluss sind.
    Ich war das letzte Mal vor etwa 13 Jahren häufiger online und habe nach Tipps/Anregungen geschaut. Glaub' mir, die Forenmeinungen von damals wären hier und heute "Randerscheinungen" um es mal vorsichtig auszudrücken.


    Ich bin sicher, dass etliches, das hier jetzt der "neue heiße Scheiß" ist, in 13 Jahren genauso so überaltet wirkt.

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