Angst - Panik - deprivierte Hunde - Vorgehensweisen, Erfahrungen etc.

  • Eigentlich stimmt das auch gar nicht zu 100%, dass zu wenige Verknüpfungen im Gehirn entstehen bei einem deprivierten Hund. Es ist viel mehr so, dass neben den zu wenigen sinnvollen auch zu viele fehlerhafte bzw. unvollständige Verbindungen entstehen oder ungünstige (hemmende), die dann später nicht mehr "gelöscht" bzw. ersetzt werden können, was bei normaler Entwicklung geschieht. Das Gehirn kann sich nicht vernünftig reorganisieren, es entstehen keine effizienten/optimalen "Schaltkreise".
    Gleichzeitig sind die Hunde hochsensibel und das Gehirn reagiert auf jeden kleinsten Reiz. Deswegen sind solche Hunde auch viel schneller gestresst und können das dann in unterschiedlichsten Verhaltensweisen zeigen.
    Viele reagieren auf bestimmte Sachen extrem, aber in der Regel haben sie ein unterschwelliges permanentes Stressproblem, was einfach an einer Entwicklungsstörung im Gehirn liegt. Die meisten finden dann auch da alleine nicht raus, auch nicht nach der 1 Mio. Wiederholung.
    Mein Hund z.B. hat es ja jetzt nach 7 Jahren immer noch nicht geschafft in unruhigen Situationen ohne die Krallen auszufahren auf glatten Böden zu laufen. Das ist auch etwas was man dem Hund schlecht beibringen kann. Natürlich fällt er hin wenn er das macht und er kann das einfach immer noch nicht langsam und koordiniert, weil ihn das sofort stresst, er ruft Schema X ab ("Oh Gott ich rutsche, Krallen ausfahren, damit ich Halt bekomme..") statt einfach ganz normal zu laufen. Da kann ich jetzt noch 100 Stunden langsam üben oder ihn einfach drüber zerren, das wird er in diesem Leben nicht mehr lernen. Aber in jedem Fall würde drüber schleifen die Sache noch 1000x schlimmer machen. Da freue ich mich lieber über den Fortschritt, dass er es innerhalb von 2-3 Jahren gelernt hat sich zu Hause frei auf Laminat zu bewegen und ich keine Inselteppiche mehr auslegen muss, weil der Boden Lava ist. :headbash:
    Aber es liegt sicherlich an mir und nicht an seiner Deprivation. Auch all die anderen Halter machen etwas falsch. Vielleicht sollte ich den Hund beim nächsten mal weiter schleifen und ihm dabei sagen, dass das alles nicht so schlimm ist und er sich nicht so anstellen soll.

  • @habanera Wir reden hier von Dingen die erforscht und bestätigt wurden, also auch Erfahrungen die viele gemacht haben.
    Ausnahmen von der Regel gibt es immer, da sagt Ja niemand was gegen.
    Du bist eben spirituell veranlagt und glaubst daran dass das Unmögliche möglich gemacht werden kann.
    Macht ja nichts, im Gegenzug sprechen andere eben aus ihrer Eigenen Erfahrungen.
    ;)

  • Weshalb soll ich dann davon ausgehen, dass etwas zwingend sein muss, wie es irgendjemand einmal FEST-gestellt hat???????????????????????????

    Satzzeichen sind keine Rudeltiere!

    Ich ignoriere die Wissenschaft nicht - für mich ist sie lediglich nicht alleine ausschlaggebend und ich lasse zu, dass es etwas gibt, das mit Wissenschaft nicht erklärt werden kann ;) Ist doch spannend, auch etwas zuzulassen, das es wissenschaftlich gar nicht geben darf... Das Leben ist für mich stets viel mehr als dieses wissenschaftlich erklärt werden kann.

    Wer sagt Dir, dass für "die anderen hier" Wissenschaft alleine ausschlaggebend ist?


    Ich z.B. glaube an vieles zwischen Himmel und Erde und an Dinge, die nicht beweisbar sind.
    Aber ich glaube an viele (nicht belegbaren) Dinge, an die viele glauben, nicht, nur weil es eben grade Trend ist.


    "Zulassen" tue ich vieles und viele andere User hier sicherlich ebenfalls (wer würde sonst an die Freundschaft des Hundes glauben ;) )
    Aber deswegen ignoriere ich nicht Fakten!
    Und deswegen stelle ich keine begründeten infausten Diagnosen in Frage (von wegen "unheilbar krank").


    Das Leben besteht aus Dingen die nachweisbar und / oder sichtbar sind und aus anderen, versteckteren Dingen.


    Aber trotzdem ist ein WIRKLICH deprivierter Hund eben ein Hund, der es sein Leben lang schwerer haben wird als andere Hunde!


    Dass Deiner (zum Glück!!!) "nur" ein wenig ängstlich und verunsichert war, ist toll!
    Denn sonst wäre er echt eine arme Kreatur!


    Weil das Universum alleine ihm leider auch nicht hilft.....

  • @pawtastic 'lustig', das mit den glatten Böden ist hier genauso. Waren letztens in einem Ferienhaus mit Fließen mit Holzoptik (entsprechend zum Glück nicht ganz glatt) und ich habe mich gewundert warum er so unsicher läuft (normal macht er auch dieses Rennen, wenn er Fliesen überqueren muss, aber gab halt überall nur Fliesen). Tsja dann ist es mir eingefallen. Das ist eigentlich ein schönes Beispiel dafür dass man mit der eigenen Einstellung nicht heilen kann. Ich habe echt gar nicht daran gedacht, weil es eben nicht die 'typischen' Fliesen waren.


    Ich habe übrigens auch Jahre immer wieder daran gearbeitet. Und dieser Hund macht echt ALLES für mich. Aber da blockiert in ihm alles.

  • Ich finde die Idee dieses Themas "Vorgehensweisen/Erfahrungen austauschen" eigentlich richtig spannend. Vielleicht kriegt der Thread ja noch den Bogen?



    Ich habe Erfahrungen mit einem "Kulturschock"-Hund. Mittlerweile ist er ein komplett unproblematischer Hund (1,5 Jahre alt).


    Herkunft: Russland, Alter: 5,5 oder 6 Monate (eher jünger, gefühlt), "Direktimport"
    Erzählte Vorgeschichte: Mit Geschwistern und Mutter mit 4 Monaten aufgefunden, danach "Pflegestelle" (Bilder und Videos zeigen: Nicht wie eine Pflegestelle hier, aber def. keine "Hundehölle" eher so klassisches old-school-Tierheim.)


    Abgeholt am Flughafen Frankfurt, dort von der Orga direkt ungesichert aus der Box gelassen; zum Auto getragen, etwa 2 Stunden Fahrt.


    Treppe hoch? Keine Chance, also getragen. In der Wohnung: Verschwand er in die Box.


    Es gab an dem Abend ein wichtiges Fußballspiel, das haben wir dann im Wohnzimmer geschaut und ihn einfach gelassen. Kurz vor Abpfiff stand er das erste Mal in der Tür, checken, was wir da so fluchen.


    In der Nacht hat er die ersten Socken geklaut, ins Wohnzimmer gepinkelt. Am nächsten Morgen und den ganzen Tag über verschwand er bei Bewegungen auf ihn zu, direkt in seine Box.


    Gassigehen habe ich tatsächlich erst mal nicht gemacht: Er hatte Angst hochgenommen zu werden - Leine kannte er nicht, er schmiss sich auf den Boden. Zerren wollte ich ihn nicht, hochnehmen habe ich mich nicht getraut (hatte Bedenken, dass er mir in seiner Angst ins Gesicht beißt).


    Die nächsten Tage waren dann eine kontinuierliche Mischung aus: Ihn lassen - und ihn zwingen... am zweiten Tag habe ich ihn runtergetragen, unten an der langen Leine einfach auf dem Bürgersteig stehen lassen und bin weggegangen... da trottete er dann im gehörigen Abstand hinter her.


    Es hat zehn Tage gedauert, bis er die ersten Treppenstufen gelaufen ist, fast 14 bis er sich getraut hat woanders als in der Wohnung zu machen, auch wenn er stundenlang an endlos langer Leine auf ruhiger Wiese saß/lag.


    Aber ich bin in der Zeit komplett normal mit ihm durch die Gegend gelaufen. Er musste Besuch ertragen, im Café sitzen... Ich habe ihn aber überhaupt nicht angefasst, so gut wie nie angeschaut - aber einfach mitgenommen.


    Für uns? War das (und ja, ich sehe da durchaus den Zwang) der perfekte Weg.


    Und... (für alle die es bis hierhier geschafft haben) der Riesenfortschritt kam, als ich nach etwa 2 Wochen das erste Mal bei meinen Eltern war und er auf deren alten Hund getroffen ist.


    Ich war auf Nachbars eingezäuntem Grundstück fürs "Kennenlernen". Nastro sah den alten Hund, lief hin... und von da an hinterher. Ich bin vom Nachbargrundstück zu meinen Eltern gegangen und habe die Leine für die nächsten Tage nicht mehr am Hund gehabt: Wo Oskar lief, trottete Nastro hinterher.

  • Für uns? War das (und ja, ich sehe da durchaus den Zwang) der perfekte Weg.

    So wie es sich liest aber ein "dosierter" Zwang, oder?


    Es wurde ja von vielen hier geschrieben, dass es GANZ ohne Zwang und Stress nicht immer geht, aber dann eben vernünftige "Dosierungen" die den Hund nicht "um sein Leben kämpfen" lassen, sondern einfach tierfreundlicher zum einen und im Sinne des Lernvermögens auch deutlich sinnvoller sind.

  • Mal so nebenbei, wo findet man wissenschaftliche arbeiten und Fakten zum Thema Deprivation beim Hund? Auch gerne diese, auf die sich hier berufen wird.


    Gute Quellen, immer gern gesehen.

  • Nach meiner ganz persönlichen Erfahrung: Ganz ohne Zwang geht es schlicht nicht...zumindest in ein einigen Bereichen.


    Wenn ein Hund der felesenfesten Überzeugung ist, außerhalb seiner Box lauert der Sensenmann auf ihn, so werde ich ihn nicht vom Gegenteil überzeugen indem ich ihn in seiner Box "in Ruhe" sitzen lasse. Wenn ich den Hund aber durch leichten Druck dazu bringe die Box zu verlassen und er dann dort merkt: Hey..mich frisst hier keiner! Kann das den Hund ernorm weiterbringen.
    Wichtig ist überall die richtige Dosis. Ein Hund der total in Panik ist, ist nicht Aufnahmefähig und wird somit auch nicht mehr registrieren, dass alles halb so wild ist. Man braucht ein Auge für das was der Hund "ertragen" kann und diese Grenze gilt es immer weiter zu verdrängen.
    Ziel ist es dass der Hund "den Kopf eingeschaltet lässt" und sich mit Dingen die ihn ängstigen beschäftigt anstatt in kopflose Panik zu verfallen. Dazu gehört es auch manchmal den Hund zu Dingen zu bringen die er nicht will...also Zwang. Aber natürlich auch vieeel Lob, Geduld und Ruhe.
    Mogli ist auch heute noch der Held wenn er sich zb mit einer Absperrkette oder einer im Wind wehenden Plastiktüte beschäftigt..diese also freiwillig beschnüffelt und dann gelassen weitergeht. Ich weiß welch gigantischer Schritt das für ihn ist. Aber hätte ich ihm nicht klar gemacht dass wegrennen einfach keine sinnvolle Lösung ist, würde er immernoch nicht wissen, dass diese Dinge absolut keine Bedrohung darstellen.
    Meiner Meinung nach kann man einem Hund nur helfen die Angst zu überwinden, indem man ihn in die betreffende Situation bringt bis zu dem Punkt wo er sie aushalten kann und ihm dann hilft die Situation zu meistern.
    Vom Bedauern wird es eben leider auch nicht besser. Ich habe mir oft gewünscht Mogli erklären zu können, dass ihm VERDAMMT NOCHMAL NIEMAND ETWAS BÖSES WILL ...es tat weh seine Panik zu sehen...es war hart ihm anfangs fast nicht helfen zu können..manchmal wollte ich ihn schütteln vor Verzweiflung.
    Aber wir haben es geschafft...er hat gelernt, dass ich ihn nur in Situationen bringe die er auch überstehen kann. Diese Arbeit hat dazu geführt dass wir eine sehr enge Bindung zueinander haben...vielleicht sogar noch stärker als zu Zera, die immer unkompliziert war

  • Meiner Meinung nach kann man einem Hund nur helfen die Angst zu überwinden, indem man ihn in die betreffende Situation bringt bis zu dem Punkt wo er sie aushalten kann und ihm dann hilft die Situation zu meistern.

    Das haben so ziemlich alle hier geschrieben, dass es ohne Zwang und Stress kaum machbar ist, weil der Hund sich in einer bestimmten Stufe eben NICHT mehr von selber aufmacht und in "ungefährlichen Momenten" seine Umwelt erkundet.


    Aber: Wie Du selber ja bemerkt hast: Die Dosis macht das Gift!


    In vernünftigem Maß ist dieser zwang heilsam, bringt den Hund seiner Umwelt näher und er lernt, seine erweiterte Welt zu verstehen.
    In Überdosis löst er Panik aus, verhindert das Lernen und ist einfach dem Tier gegenüber unfair.

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