Für die Leseratten - Der Bücherthread - Teil 2

  • Gestern Nacht fertig gelesen: "Conversations with Friends" von Sally Rooney.


    Was soll ich sagen? Ich kapiere den Hype um sie einfach nicht :ka: Ich verstehe nicht, was genau an "Conversations with Friends" so bemerkenswert sein soll und warum dem Roman eine Tiefgründigkeit und Vielschichtigkeit nachgesagt wird - die habe ich nämlich überhaupt nicht wahrgenommen. Ja, Rooney kann sicherlich ganz gut schreiben, wobei ich das Buch jetzt auch in sprachlicher Hinsicht nicht weiter bemerkenswert fand - aber in "Conversations with Friends" fehlt mir komplett die tiefere Botschaft, ich empfand es als reine Unterhaltungsliteratur, sicherlich mit einem gewissen Anspruch, aber das war's auch schon. Absolut kein weltbewegendes Werk, das lange nachhallt, sondern eher "joa, okay, und nun?"

    Schon allein die Handlung ist recht dürftig und klischeebeladen: Da ist eine 21-jährige Studentin, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird. Sie hat ein schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern - insbesondere zu ihrem alkoholkranken Vater -, lässt sich mehr oder weniger so dahintreiben und weiß nicht wirklich, wer sie ist. Okay, Identitätssuche und familiäre Probleme sind ja eigentlich ganz spannender Stoff für einen Roman, aber Rooney macht aus dem Material einfach nicht viel. Hauptstrang der Erzählung ist überhaupt die Affäre der Protagonistin mit einem verheirateten, um 11 Jahre älteren Mann, und hier driftet das Buch für mich wirklich ins Unrealistisch-Hollywoodmäßige ab: Nick selbst ist natürlich ein unwahrscheinlich gut aussehender, aber mäßig erfolgreicher Schauspieler, den Depressionen plagen, selbstverständlich aus gut situiertem Hause. Ach ja, und seine ein paar Jahre ältere Frau ist eine erfolgreiche Fotografin und Schriftstellerin, natürlich ebenfalls sehr attraktiv und kultiviert, und die Protagonistin und ihre beste Freundin Bobbi, die ebenfalls außergewöhnlich schön ist (quelle surprise!) und noch dazu trotz fehlender Lebenserfahrung extrem wortgewandt und schlagfertig, freunden sich zunächst lose mit diesem Paar an, wobei zwischen der Ich-Erzählerin und Nick schon bald die Funken sprühen, obwohl man als Leser*in nicht wirklich nachvollziehen kann, was die beiden großartig aneinander finden.

    Natürlich kann man das Buch als eine Art Analyse der fieberhaften Sinnsuche und Willkürlichkeit und Identitätspolitik des Spätkapitalismus verstehen, aber das scheint mir ein zu wohlwollender Blick auf "Conversations with Friends" zu sein. Die Protagonistin bleibt das ganze Buch hindurch ziemlich platt, auch ihre Ziellosigkeit und ihre Schmerzen lassen merkwürdig unberührt. Die anderen handelnden Personen wirken ohnehin eher wie Karikaturen. Bobbi ist ja ein ganz interessanter Charakter, aber auch hier gelingt es Rooney nicht wirklich, ihr Leben einzuhauchen.

    Und wenn man das Buch als eine Geschichte zwischenmenschlicher Beziehungen und ihrer Tücken versteht? Nun, klar kann man das, aber selbst dann ist es nicht außergewöhnlich. Die Dialoge zwischen den Charakteren sind einfach nicht wirklich überzeugend, zumal ohnehin fast alle eher wortkarg sind und nie wirklich "echte" Konversation machen. Ja, natürlich bleibt auch im wahren Leben oft vieles ungesagt oder hinter Plattitüden verborgen, aber dies pointiert darzustellen, gelingt Rooney ebenfalls nur sehr ansatzweise. Ab und zu gibt es dann Gespräche über aktuelle Themen wie Asyl oder Kapitalismus oder Monogamie, aber auch da entsteht keine Sogwirkung, keine "Conversation with Friends", die wirklich amüsiert oder berührt oder zum Nachdenken anregt.

    Rückblickend betrachtet wirkt der Roman eher wie ein Potpourri an Themen, die Rooney zusammenschmeißt, um am Ende ein Werk zu schaffen, dem leider sehr Substanz und Dichte abgehen. Zumindest gelingt es ihr aber in Ansätzen, eine Atmosphäre der Trostlosigkeit und Ausweglosigkeit zu entwerfen, die irgendwie typisch zu sein scheint für unser Zeitalter, trotzdem bin ich der Meinung, sie hat sich mit dem Stoff einfach übernommen und nichts von Bedeutung daraus gemacht.

  • Das klingt total öde mit diesen ganzen typischen Archetypen und Klischees... ich hätte das Buch wahrscheinlich nicht durch geschafft. Spätestens bei der zweiten Person die ach so toll ist und hübsch und haste nich gesehen, hätte ich das Buch wohl weggeschmissen.

    Hut ab für deine Geduld.

  • Danke. Naja, es ist sehr dünn (im Englischen knapp über 300 Seiten) und liest sich halt recht flüssig, von daher wollte ich's doch gerne fertig lesen. Vielleicht gebe ich Rooneys anderen beiden Werken irgendwann noch eine Chance, aber jetzt reicht es mir erstmal damit. Die Erwartungen sind halt auch entsprechend hoch, wenn man ständig nur Lob und positive Kritiken mitbekommt.



    Jetzt lese ich ein Buch, was soweit ich mich erinnere, Du empfohlen hast Stachelschnecke : "Laufen" von Isabel Bogdan. Bin gespannt.

  • Ich fühle mich weichgeklopft und werde mir dank eurer regelmäßigen positiven Erwähnungen jetzt wohl auch diese Knochenuhren auf meine Liste packen...


    Abgeschlossen: "Das Volk der Bäume" von Hanya Yanagihara


    Dies ist der Vorgänger zum wesentlich bekannteren "Ein wenig Leben" und im direkten Vergleich mein Favorit.

    Eine an eine wahre Geschichte angelehnte Story, die das Leben, das Forschen und die charakterlichen Abgründe und Abartigkeiten eines Nobelpreisträgers der Medizin thematisiert.

    N. Perina forscht auf einer (fiktiven) mikronesischen Insel an der rätselhaften Langlebigkeit der indigenen Bevölkerung herum und entfesselt dabei auf mehreren Ebenen zerstörerische Kräfte.

    Die Frage, ob Kunst und Künstler getrennt betrachtet werden müssen/sollten erweitert sich hier auf die Wissenschaft, denn Perina ist ein menschlicher Totalschaden.

    Die Art und Weise, wie in diesem Buch die Forschung und Erfolgsgeschichte des Mediziners parallel zu seiner menschlichen Bankrotterklärung entrollt wird, fand ich bemerkenswert gut gelungen. Eigentlich ist bereits nach den ersten paar Zeilen klar: Der Protagonist ist kein Sympath, keine Identifikationsfigur, aber er lässt sich auch nicht unmittelbar und vorbehaltlos hassen - zumindest anfangs nicht.

    Das schafft über immerhin 800 (?) Seiten ein Spannungsfeld und einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Längen gab es, aber nie so ausgereizt, dass es fad geworden wäre. Dazu ist der üppige, dichte Schreibstil auch einfach zu bestechend. Ein Stakkato an Bildern, Stimmungen und zwischenmenschlichen Macht- und Moralspielchen.


    Absolut lesenswert.


  • Kann ich so unterschreiben :nicken:

  • Bei mir sind heute drei 'Neulinge' eingezogen.


    Benjamin Myers- Offene See

    Ursula Poznanski- Shelter

    Luisa Francia- Der weibliche Weg zur wilden Kraft


    Alle drei zum sofortlesen, obwohl Bücher wie von Luisa Francia für mich eher zu Sachbüchern zählen- und Sachbücher müssen aus Prinzip nicht wieder ausziehen. 'Shelter' und 'Offene See' sollen aber gar nicht auf dem Langzeit SuB wandern. Wenn ich 'Shelter' dann gelesen habe habe ich abgesehen von 'Layers' alle Jugendromane von Poznanski gelesen, und es gibt nicht einen den ich schlecht fand. 'Erebos 2' überzeugte mich nicht so ganz (nicht so wie der erste Teil) und 'Elanus' fand ich stellenweise etwas schwächer, aber alle anderen sind mir nachhaltig freudig in Erinnerung geblieben. Ich glaub das ist echt eine Autorin bei der ich blind kaufen kann. Ich mag einfach die guten Ideen, die mit soviel Frische umgesetzt werden. Man fliegt einfach durch durch die Bücher. 'Offene See' habe ich auf meinen Streifzügen entdeckt und wurde ohne Empfehlung gekauft. Ich habe auf die Art schon Perlen gefunden- aber natürlich auch Mist. Ich bin gespannt, aber der Klappentext liest sich interessant.


    Zitat


    Der junge Robert weiß schon früh, dass er wie alle Männer seiner Familie Bergarbeiter sein wird. Dabei ist ihm Enge ein Graus. Er liebt Natur und Bewegung, sehnt sich nach der Weite des Meeres. Daher beschließt er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, sich zum Ort seiner Sehnsucht, der offenen See, aufzumachen. Fast am Ziel angekommen, lernt er eine ältere Frau kennen, die ihn auf eine Tasse Tee in ihr leicht heruntergekommenes Cottage einlädt. Eine Frau wie Dulcie hat er noch nie getroffen: unverheiratet, allein lebend, unkonventionell, mit sehr klaren und für ihn unerhörten Ansichten zu Ehe, Familie und Religion. Aus dem Nachmittag wird ein längerer Aufenthalt, und Robert lernt eine ihm vollkommen unbekannte Welt kennen. In den Gesprächen mit Dulcie wandelt sich sein von den Eltern geprägter Blick auf das Leben. Als Dank für ihre Großzügigkeit bietet er ihr seine Hilfe rund um das Cottage an. Doch als er eine wild wuchernde Hecke stutzen will, um den Blick auf das Meer freizulegen, verbietet sie das barsch. Ebenso ablehnend reagiert sie auf ein Manuskript mit Gedichten, das Robert findet. Gedichte, die Dulcie gewidmet sind, die sie aber auf keinen Fall lesen will.

  • Uff, jetzt möchte ich das Buch "Das Volk der Bäume" auch unbedingt lesen, das klingt ja interessant!

    Jetzt bin ich total irritiert, weil ich felsenfest überzeugt war, das Buch auf deine Besprechung in diesem Thread hier hin auf meine Liste gepackt zu haben... :skeptisch2:

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