Für die Leseratten - Der Bücherthread - Teil 2

  • Mieko Kawakamis "Brüste und Eier" beendet. Typisch japanisch, viel Action darf man nicht erwarten (ich hab tatsächlich noch keinen japanischen Roman gelesen, den man als actionreich bezeichnen kann...), aber die Thematik ist interessant, gut aufbereitet und mit einem für mich befriedigendem Ende. Gerade als frischgebackene Mutter, die aber nie aktiv den Kinderwunsch gespürt hat, gab es einige interessante Gedanken.


    Ein bisschen seltsam fand ich, dass es quasi aus zwei nicht zusammen gehörenden Teilen besteht. Im zweiten Teil wird nur sporadisch auf den Ersten eingegangen und erzählerisch haben sie eigentlich nichts miteinander zu tun.


    Insgesamt eine durchwachsene Empfehlung. Manchmal langatmig, besonders gegen Ende recht interessant. Man muss - wie immer - den japanischen Erzählstil mögen, und die Thematik ist sehr speziell, bringt aber einige diskutierbaren Gedanken zum Kinder kriegen.

  • Sebastian Fitzek - Der Heimweg


    Jules vertritt einen Kumpel bei der ehrenamtlichen Arbeit am Begleittelefon, einem Service, den Menschen wahrnehmen können, wenn sie sich auf einem Weg alleine unwohl oder bedroht fühlen. Was er nicht ahnt, dass just an diesem Abend Klara anrufen wird, die der feszen Überzeugung ist, dass an diesem Abend ihr Leben enden wird, weil ein Serienmörder sie bedroht.


    Ich mochte die letzten Fitzek Romane, dieser hier war mir dann aber doch fast etwas zu viel oder sollte ich sagen, zu amerikanisiert... Es ist alles noch ein bisschen mehr, ein bisschen extremer, ein bisschen dramatischerm einfach ein bisschen über der Linie.

    Hinzu kommt, dass man den Twist spätestens ab der Hälfte zu ahnen beginnt, wenn man Fitzek ein wenig kennt. Ich hatte zwar mit dem Wer nicht recht, aber das Was war mir ab der Mitte bereits klar. Es ist halt nicht besonders klug, den gleichen Twist mehrfach zu verwenden.

    Auch bin ich es zur Zeit einfach müde und ein wenig leid, dass Gewalt gegen Frauen oftmals der einzige Plotinhalt ist.


    Spannend war es in weiten Teilen trotzdem. Allerdings werd ich jetzt erstmal etwas Fitzek Pause machen. Vielleicht waren die drei Romane in recht kurzer Zeit dann doch einfach zu viel.


    Note 3,9

  • Direkt hintendran - Krankenhausaufenthalte sind schon praktisch - Kazuo Ishiguros "Damals in Nagasaki". Es ist jetzt mein drittes Buch von ihm, und ich stelle fest, ich mag seinen Stil wirklich gern. Die Art zu Schreiben ist eine angenehme Mischung aus dem japanischen und dem westlichen Stil, und ich komme da immer sehr gut rein. Als nächstes steht auch direkt "Klara und die Sonne" auf dem Plan.


    Zum Buch: Mir hat der Einblick in das Leben in Nagasaki, kurz nach dem zweiten Weltkrieg gut gefallen. Gerade die Vermischung von alter japanischer Tradition und westlichen Einflüssen fand ich interessant, und gerade die Rolle der Frau würde hier nochmal behandelt.


    Verwirrend fand ich die Rahmenhandlung, die in der Gegenwart spielt. Sie hatte für mich kein richtiges Ende. Keinen Punkt, eher nur ein Semikolon. Und in der Vergangenheit


    Insgesamt hat es mir gut gefallen, ist aber meines Erachtens nicht ganz so rund wie "Was vom Tage übrig blieb" oder "Alles was wir geben".

  • Hallo,


    kennt ihr Michael Paul? Sein neues Werk heißt Versteckt im Schwarzwald.


    Er kommt zu einer Wohnzimmerlesung bei einer Freundin von mir. Sie hat mich dazu eingeladen. Ich bin total gespannt. Ist allerdings noch etwas hin (im Juli).


    Bin total gespannt.


    lg

  • So, gerade habe ich Juli Zehs Debutroman "Adler und Engel" zu Ende gelesen. Gut 20 Jahre ist es her, dass der bekannten deutschen Autorin mit diesem ambitionierten Erstlingswerk der Durchbruch gelang. Völlig verständlich, auch wenn meine erste Reaktion nach Beginn der Lektüre eher Widerwille wsr, was vor allem an dem schwer zugänglichen Protagonisten Max liegt, einem jungen Juristen mit Schwerpunkt auf Internationalem Völkerrecht und einem Kokainproblem. Der Roman setzt an dem absoluten Tiefpunkt von Max' Leben ein, nachdem seine Freundin Jessie sich selbst erschossen hat. Was zunächst nach einer reinen zwischenmenschlichen Tragödie klingt, hat jedoch viel umfassendere Dimensionen, denn wie im Laufe der Lektüre klar wird, handelt es sich beim Vater der Toten um eine große Nummer im internationalen Drogenhandel, der seine Tochter schon in jungen Jahren für sich arbeiten ließ - und erfolgreich rekrutierte das eigentlich eher einfältige Mädchen dann auch Schulkameraden wie eben ihren damaligen Schulkollegen Max für "Jobs".

    Doch etwas ist furchtbar schiefgelaufen, und Max und Jessie sehen sich zunehmend verfolgt, hoffnungslos in die Ecke getrieben - was in Jessies Selbstmord und Max' totalem Zusammenbruch mündet.

    An diesem absoluten Tiefpunkt seiner Existenz begegnet der zunächst sehr paranoid wirkende Max der abgeklärt wirkenden jungen Radiomoderatorin Clara, die zusätzlich zu ihrem Brotberuf auch studiert und ihre Abschlussarbeit über den schwer kokainabhängigen Max schreiben möchte. Diese beiden ungleichen Charaktere landen schließlich gemeinsam in Wien, wo Max und Jessie sich einst nach Jahren ohne Kontakt wiederbegegneten und das Disaster quasi seinen Anfang nahm - und, wo alles, davon ist jedenfalls Msx überzeugt, auch enden wird...




    Max ist kein besonders sympathischer Protagonist, doch Juli Zeh gelang es schon damals, einen Charakter sehr überzeugend und dicht zu poträtieren. Ihr Roman liest sich beinahe wie die Verfolgungsjagd in dem Buch selbst, nicht zuletzt dadurch so fesselnd, dass man als Leser stets mit der Frage konfrontiert ist, was ist Fiktion und existiert nur in Max' drogenvernebeltem Hirn, was ist Paranoia, was ist Realität? Den Absturz des Protagonisten zeichnet Zeh fast schmerzhaft gekonnt in ihren Worten, was oftmals anstrengend zu lesen, aber zugleich sehr packend in seiner düsteren Hoffnungslosigkeit ist. Der Roman schwankt zwischen unglücklicher Liebesgeschichte, Politthriller und Gesellschaftsroman und es gelingt ihm, all die dafür benötigten Elemente auf sehr mitreißende Art zu vereinen. Es ist keine "Feel Good" - Literatur, sondern überwiegend kalt, hart und verstörend, aber zugleich übt der der Roman eine Faszination und Sogwirkung aus, die selten ist.

  • "Klara und die Sonne" beendet. Hat mir wieder sehr gut gefallen. Die Gedanken der KF waren überzeugend, die Handlung interessant, und die Welt würde sich lohnen, erneut dort vorbei zu schauen. Da gibt es bestimmt noch viel zu entdecken.


    Was mir aber an Ishiguro besonders gut gefällt, ist, ich nenn es mal, der Respekt vor dem Leser. Da wird nicht seitenlang die Welt erklärt, sondern dem Leser zugestanden, dass er auf natürliche Weise sich ein Bild macht. Erklärungen sind eigentlich nicht vorhanden, es wird tatsächlich aus dem Blickwinkel des Protagonisten erzählt, mit seinem Vorwissen. Gefällt mir gut, da kann man sich selbst vieles Denken und eine eigene Version der erzählten Welt bauen.

  • Ich bin gerade bei der Neuerscheinung "Von oben fällt man tiefer" von Anne Bandel.

    Der Titel ist ja schon mal genial.

    Eigentlich steht bei dem Buch bei "Wanderkrimi". Bis jetzt ist aber noch nichts von Krimi zu lesen. Dafür habe ich mich schon köstlich amüsiert. So amüsiert habe ich mich schon lange nicht mehr bei einem Roman.

    Wie kommt man nur auf so eine Idee?


    Theophil Kornmeier ist eine seltsame Type. Zudem kommt noch dazu, daß er scheinbar nicht darüber hinwegkommt, daß sein Bruder als Kind in den Bergen vor seinen und den Augen der Eltern abgestürzt ist. Seine Therapeutin hat ihm dazu geraten, den Unfallort nochmal aufzusuchen, sich dem zu stellen.

    Da er aber null Ahnung vom Bergwandern hat, sucht er sich eine geführte Alpenüberquerung - zu seinem Leidwesen mit anderen Teilnehmern - aus.

    Diese Wandergruppe ist aber die reinste Chaostruppe.

    Man kann immer die Gedanken der einzelnen Teilnehmer lesen, was sie über die anderen denken und so. Das ist sehr amüsant (nur die Gedanken einer jungen Frau sind eher traurig).

    Schon nach ein paar Tagen haben sie sich ziemlich in der Wolle.

    Weiter bin ich noch nicht.


    Und laut Inhaltsangabe soll sich dann noch in den Bergen ein Mörder herumtreiben.

  • Was mir aber an Ishiguro besonders gut gefällt, ist, ich nenn es mal, der Respekt vor dem Leser. Da wird nicht seitenlang die Welt erklärt, sondern dem Leser zugestanden, dass er auf natürliche Weise sich ein Bild macht. Erklärungen sind eigentlich nicht vorhanden, es wird tatsächlich aus dem Blickwinkel des Protagonisten erzählt, mit seinem Vorwissen. Gefällt mir gut, da kann man sich selbst vieles Denken und eine eigene Version der erzählten Welt bauen.

    Das trifft es super! Toll in Worte gefasst.

    Ich mag dieses Gefühl, dass man der Geschichte irgendwie langsam "auf die Schliche" kommt, immer wieder hier und da Hinweise entdeckt - auch wenn viele Fragen offen bleiben.

  • Ania Ahlborn - Brother


    Michaels Familie ist nicht wie andere. Sie sind Kannibalen und auch Michael muss als jüngster Spross bei der Jagd auf Frauen helfen. Doch schon von jeher hat Michael das Gefühl, nicht wirklich dazu zu gehören. Er will weg, weg von seiner brutalen Mutter und seinem sadistischen Bruder. Nur seine Schwester, für deren Schutz er sich verantwortlich fühlt, hält ihn in der Familie. Doch dann lernt er eines Tages Alice kennen und für ihn steht fest, es muss sich etwas ändern, damit er bei ihr sein kann.


    Horror rund um Hinterwäldler Kannibalen Familien gibt es viele. Ein Roman in dem man allerdings nicht auf Seiten der Opfer, sondern auf der eines der Familienangehörigen steht, ist selten und dieser ist dazu noch verdammt gut gemacht. Die Geschichte der Familie und vor allem Michaels enthüllt sich erst nach und nach und mit jedem neuen Kapitel findet man neue Hintergründe und Verknüpfungen heraus, die in kleinen Häppchen ein immer vollständigeres Bild zeichnen. Ja, nicht jede Enthüllung ist wirklich eine Überraschung, manche ahnt man schon vorher, aber das tut der Spannung keinen Abbruch.

    Hinzukommt, dass der Stil angenehm und flüssig zu lesen ist und die Charaktere wirklich interessant und glaubhaft gestaltet wurden.


    Note: 2,4

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