Für die Leseratten - Der Bücherthread - Teil 2

  • Ich darf nicht „Druckfrisch“ gucken. Nachdem mir die Oktoberfolge die „Bibliothek des Wahnsinns“ als zusätzliches Weihnachtsgeschenk eingetragen hat (das Budget war eigentlich schon mehr als überspannt), stieß mich die Novemberfolge darauf, dass es nach fast 40 Jahren „Always coming home“ von Ursula K. Le Guin erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt. Muss sein, da führt kein Weg dran vorbei.

    Ich darf nicht „Eat, read, sleep“ hören. Das ist immer schlecht fürs Konto.

  • Bin ich froh, dass ich keine Podcasts höre... Der Thread hier reicht schon vollkommen (und Estandia darf meiner Meinung nach keine Rezensionen mehr veröffentlichen... Ich könnte grad jedes der letzten Bücher direkt kaufen |) )

  • Zuletzt gelesen: "Stella Maris" von Cormac McCarthy (Ich glaube, du hattest dazu schon was geschriebe jennja ? )



    Hier handelt es sich ja sozusagen um den "Begleitroman" zu "The Passenger". Mir hat es aber tatsächlich besser gefallen als "The Passenger". "Stella Maris" gehört zu jenen Büchern, von denen ich wünschte, sie wären mindestens doppelt oder dreifach so lang. Der ganze Roman besteht nur aus Unterhaltungen in direkter Rede zwischen der weiblichen Protagonistin, Alicia Western, und ihrem Psychiater. Die Gespräche finden in der Einrichtung Stella Maris für Menschen mit mentalen Problemen statt.

    Alicia Western ist 20 Jahre alt und ein hochbegabtes Mathematikgenie. Seit früher Jugend wird sie immer wieder von "Gestalten" (als "personages" werden die von ihr eingangs bezeichnet) besucht, allen voran vom "Kid", einem kahlköpfigen Wesen mit Flossen anstelle von Händen, der für Alicia "Show-Akte" aufführen lässt und merkwürdige Reden über Gott und die Welt schwingt, ständig Redewendungen falsch zitiert und Alicia mit allen möglichen Name anspricht, nie aber mit ihrem richtigen. Somit steht bei Alicia die Diagnose der paranoiden Schizophrenie im Raum, doch so richtig schlau wurde man bisher nicht aus ihr. In den Gesprächen mit ihren Psychiatern beschreibt sie hochkomplexe mathematische Fragestellungen, hinterfragt den Begriff der Realität, und versucht, möglichst nicht über ihren geliebten älteren Bruder Bobby zu sprechen. Sie blickt auf ein schon bislang bewegtes Leben zurück, denn ihre Eltern arbeiteten unter anderem am Manhattan Project mit, also an der Schaffung der Atombombe, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Hiroshima und Nagasaki zerstörte und für unsagbares Leid sorgte.


    Für mich hat McCarthy hier einen wahren Geniestreich geschaffen. Ich bin nun so gar keine Mathematikerin oder Physikerin, aber Alicias Gedankengänge empfand ich teils auf fast bestürzende Weise als schlüssig und nachvollziehbar, ihr Ringen mit der Frage nach - ja, nach was? Realität? Wahrheit? Verständnis ?, verpackt in fast monologartigen Abhandlungen über Topologie, Sprache, das Unbewusste, ist zutiefst bewegend und fordert dem Leser höchste Konzentration ab, denn McCarthy stattet seine Protagonistin mit einem erstaunlichen Wissen aus, welches sie aber nicht vor ihren eigenen Dämonen retten zu können scheint.


    Für mich ein literarischer Genuss und eines meiner Lesehighlights des Jahres.

  • Danke, das klingt interessant und ich schleiche schon eine Weile darum herum.

    Habe etwas „Sorge“, dass mich der Schreibstil (nur direkte Rede) nerven könnte.

    Ich fand's zumindest im englischen Original in der Hinsicht echt okay. Man gewöhnt sich irgendwie schnell dran. Es ist ja auch ein relativ kurzes Buch, steckt aber nichtsdestotrotz voll schwerer Kost. Ich bin fasziniert.

  • Ich hatte Stella Maris zuerst gelesen, dann erst den Passagier, wobei es ja andersrum eigentlich "richtiger" gewesen wäre, und dann habe ich Stella Maria noch ein zweites Mal gelesen, mir hat es auch besser gefallen als der Passagier. Und ja, ein literarischer Genuss trifft es ziemlich gut. Das wäre so ein Buch, das ich immer mal wieder lesen würde, wenn ich etwas Anregendes lesen und eine zeitlang im Kopf eines anderen sein will, ohne dass eine richtige Geschichte drumherum aufgebaut sein muss. Zwar hat die Protagonistin selbst eine Geschichte, ja, aber der Roman ist ja keine Geschichte oder Erzählung im strengeren Sinn. Und das macht ihn für mich so zeitlos und ergibt eine tolle Beschäftigung für den Kopf.

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