Für die Leseratten - Der Bücherthread - Teil 2

  • Kevin Wilson – Hier gibt's nix zu sehen / Nothing to see here


    "Lillian und Madison waren ungleiche und doch unzertrennliche Freundinnen im Elite-Internat Iron Mountain – bis Lillian nach einem Skandal unerwartet die Schule verlassen musste. Seitdem haben sie kaum voneinander gehört. Doch jetzt braucht Madison Hilfe: Ihre Zwillingsstiefkinder sollen bei der Familie einziehen, und Madison möchte, dass Lillian sich um die beiden kümmert. Der Haken: Die Kinder gehen spontan in Flammen auf, wenn sie aufgeregt sind. Im Laufe eines schwülen, anstrengenden Sommers lernen Lillian und die Zwillinge, einander zu vertrauen – und cool zu bleiben. Überrascht von den eigenen intensiven Gefühlen und ihrem erwachenden Beschützerinstinkt bemerkt Lillian, dass sie die seltsamen Kinder genauso dringend braucht, wie diese sie brauchen."


    Das Buch wird beschrieben als "mit scharfzüngigem Witz, viel Herz und bestechender Zartheit erzählt Kevin Wilson eine höchst ungewöhnliche Geschichte über elterliche Liebe und Kinder mit bemerkenswerten Fähigkeiten", dem ich nur teilweise zustimmen kann. Die Sprache, das mag evtl. auch an der deutschen Übersetzung liegen, klingt wirklich seeehr nach Jugendliteratur, obwohl die Protagonistin Anfang 30 ist. Der "Witz" findet sich eher in der Wahl von, meist unpassend übertriebenen, rauen Worten, das "viel Herz" beschränkt sich auf die wenigen Sätze, die das Wort Liebe im Kontext der Kinder enthalten. Im Großen und ganzen bleibt das Buch oberflächlich mit einigen ausgesuchten, vom Ton her wesentlich düsteren, aber nicht weiter ausgearbeiteten, Themen. Lillian ist ein interessanter, skurriler, oft wütender Charakter, aber sehr verzeihend gegenüber den Ungerechtigkeiten, die ihr zustoßen und mMn demnach etwas unglaubwürdig, was wohl unterstreichen soll, dass sie ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden hat. Dennoch werden ihr zwei 10-jährige aufgehalst, die einen schweren Start hatten und alle finden das gut, weil jemand anderes die Verantwortung übernimmt, jemand der dem aber noch nicht gewachsen ist.

  • Der Donnerstagsmordclub von Richard Osman

    Bewohner:innen einer Seniorenresidenz ermitteln hier mit viel britischem Witz. Das Genre nennt sich wohl Cozy Crime. Deshalb dürfte es mir gefallen haben, ich mag nämlich keine richtigen Krimis. Hier geht es aber mehr um die Figuren und die sind herzallerliebst. :hugging_face: Leider ist der zweite Teil am Wochenende in mehreren Buchhandlungen bei uns vergriffen gewesen. Sonst hätte ich den direkt drangehängt.


    Stattdessen hab ich noch Reichskanzlerplatz von Nora Bossong gelesen.

    Das Buch ist auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Es handelt von der Frau, die Magda Goebbels wurde. Ich sag mal so, ich hatte mir mehr erhofft. Der Ich-Erzähler wirkt auf mich total distanziert. Das passt auch. Dadurch ist man aber nicht so nah an Magda Goebbels dran, wie man vielleicht denken könnte, wenn man den Klappentext liest. Ich hab es trotzdem an einem Tag durchgelesen. Ist jetzt aber auch nicht so dick.


    Ebenfalls auf der Longlist befindet sich Nochmal von vorne von Dana von Suffrin. Rosa arbeitet die Geschichte ihrer deutsch-israelischen Familie auf. Es ist schon ein paar Wochen her, dass ich das gelesen habe und ich habe mich irgendwie durchkämpfen müssen, auch wenn ich es nicht schlecht fand. Ich denke das lag an den sehr langen Absätzen.

  • Meine letzten Leseerlebnisse:

    "Der Markisenmann" von Jan Weiler - sehr, sehr schön

    "Mimik" von Fitzek - nicht meins, aber immerhin einigermaßen spannend

    "Die Stille ist ein Geräusch" - nicht unbedingt mein liebstes Buch von Juli Zeh, aber soweit okay

    "Das dritte Licht" - verstehe den Hype nicht, fand es sehr nichtssagend

    "Als Großmutter im Regen tanzte" - das war schon wieder eher etwas für mich

    Jetzt: "Das Licht der Birken" - ich mag die Bücher von Romy Fölck einfach megagern :smiling_face_with_heart_eyes:

  • Zuletzt gelesen: "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl


    Eines Tages erhebt sich die verheiratete Dreifachmutter Helene vom Abendbrottisch, tritt hinaus auf den Balkon - und springt in die Tiefe. Sowohl für ihre beste Freundin als auch für ihre jugendliche Tochter hat der Su*zid der Mutter verständlicherweise weitreichende Auswirkungen...


    Sarah war schon von Kindertagen an Helenes beste Freundin. Doch während Sarah kinderlos blieb und als Krimiautorin Karriere machen konnte, wurde Helene schon recht früh von einem Kerl schwanger, der sie dann mit dem noch ungeborenen Kind sitzen ließ. Später heiratete Sarah erneut, bekam mit Johannes zwei weitere Kinder, zwei kleine Söhne. Dennoch blieben die beiden befreundet, obwohl Sarah zugebenermaßen Helenes Sorgen und Alltagsstressoren nicht immer wirklich nachvollziehen konnte. Aber nun, nach Helenes Tod, fühlt sie sich verpflichtet, der verbleibenden Familie unter die Arme zu greifen. Während Johannes weiterhin arbeiten geht, kümmert sich also nun Sarah um die Wäscheberge, verschütteten O-Saft, Kinderarzttermine und Kita-Eingewöhnung. Dadurch hinterfragt sie zunehmend nach wie vor herrschende gesellschaftliche Rollenverteilungen, ihre Beziehung zu dem jüngeren, hippen Leon, und ihren unerfüllten Kinderwunsch.


    Lola ist nach dem Tod ihrer Mutter zunächst völlig fertig, beginnt, sich selbst Verletzungen zuzufügen und sich auszuhungern. Doch in ihr erwärmt sich glühend ein gleißender Ball der Wut. Schließlich kann Lola diese Wut nicht mehr innendrin behalten, sie bahnt sich ihren Weg ins Außen: Zunächst nur, um sich miesen Typen gegenüber nicht mehr so hilflos zu fühlen, beginnt Lola zusammen mit ihrer besten Freundin Sunny einen Selbstverteidigungskurs. Doch schon bald wird Lola klar, wie allgegenwärtig S*xismus und patriarchale Strukturen und Gewalt an Frauen eigentlich sind, zunehmend kämpferischer und rebellischer gibt sie sich, und als Sunny und sie sich enger mit zwei weiteren Kursteilnehmerinnen anfreunden, müssen sie sich schließlich die Frage stellen, wie weit sie für ihre Ideale einzutreten bereit sind...



    "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl ist ein Buch ganz am Puls der Zeit. Das ist hier insgesamt betrachtet auch relativ gut gelungen, denn es werden viele für Leser*innen aktuelle Fragestellungen und gesellschaftliche Problematiken aufgezeigt, zum Beispiel die ungerechte Verteilung von Care-Arbeit und die ständig an Frauenkörper gestellten Erwartungen. Wie widersetzt man sich all diesen unsichtbaren Zwängen, wie befreit man sich aus all den unausgesprochenen stillschweigenden Verpflichtungen, denen man sich als Frau oft unterworfen sieht? So unterschiedlich die beiden Protagonistinnen Sarah und Lola auch sein mögen, jede von ihnen wird durch Helenes tiefst erschüttert und beginnt, die Welt aus anderer Perspektive zu betrachten. Fallwickl gelingt es meist recht gut, daraus eine relativ glaubwürdige und auch spannende Geschichte zu machen, allerdings gibt es durchaus Passagen, die ein wenig zu trocken für einen Roman daherkommen, auch für ein feministisches Werk der Belletristik. Es wird stellenweise einfach etwas zu viel "Die Welt ist ungerecht und hier und da und dort haben Frauen es immer noch verflixt schwer!" - Nicht, weil dem nicht so wäre, aber ein Roman sollte seinen Leser*innen möglichst wenig aufdiktieren, worüber sie sich zu empören haben. Ich denke, gerade dieser unterschwellige Eifer, die Leser*innen aufzurütteln und ihnen die derzeit bestehenden Ungerechtigkeiten vor Augen zu führen, könnte leider dazu führen, dass sich manche Menschen eher abgeschreckt fühlen und dass man hier eigentlich nur Personen abholen kann, die sich ohnehin längst als Feministinnen betrachten und nach diesen Prinzipien zu leben versuchen. Und das wäre schade, weil der Roman von diesen Passagen abgesehen durchaus berührt und das Zeug hat, hie und da zum Nachdenken anzuregen.



    Leider recht unrealistisch fand ich das Ende des Romans, hier habe ich Fallwickl den Weg, den sie für die junge Protagonistin Lola wählt, einfach nicht abgenommen...

  • Neuer Stoff:


    - Megan Hunter - Die Harpyie

    - Percival Everett - Die Bäume

    - Kent Haruf - Unsere Seelen bei Nacht

    - Geraldine Brooks - Das Pesttuch

    - Alina Herbing - Niemand ist bei den Kälbern

    - Ayelet Gundar-Goshen - Löwen wecken

  • Christina Henry - Looking Glass


    Das dritte und letzte Buch aus Henrys "Alice Chroniken". Vier Novellen aus Alice' Welt.

    Die erste handelt von Alice kleiner Schwester und ihrem ersten Kontakt mit der Alten Stadt. Die zweite und letzte Geschichte begleitet Alice und Hatch auf der Reise durchs Land und erzählt von den Gefahren, die dort lauern und in der Dritten gibt es einen Rückblick, wie Hatch Hattie kennenlernte.


    Die Stories eins, zwei und vier sind unterhaltsam, auch wenn es vier etwas an Spannung mangelt, weil man eigentlich weiß, wie es enden wird, da Alice es vorweg nimmt. Die Story zu Hatchs Vorgeschichte fand ich einfach nur langweilig. Es würd über fast 100 Seiten lang die Vorbereitung auf einen Kampf und der Kampf selbst beschrieben. Es fügt dem Charakter keine neuen Aspekte hinzu, nichts was nicht schon über Hatch gewusst hätte.

    Die anderen drei Novellen sind leidich spannende Unterhaltung und das Buch bietet einen Abschluss der Geschichte von Alice und Hatch.

    Kein Must Read, aber wenn es bei reBuy und Co mal günstig zu haben ist, kann man durchaus mal reinlesen, wenn man die anderen beiden Bände mochte.


    Note:3,3

  • Hester Musson – The Beholders


    Juni 1878, England. Aus der Themse wird der leblose Körper eines nur wenige Monate alten kleinen Jungen gezogen. Es ist der Sohn des allseits bekannten und hoch geschätzten Parlamentsabgeordneten Ralph Gethin. Der Fall macht Schlagzeilen.


    Vier Monate zuvor beginnt Hausmädchen Harriet Watson ihre Stelle in Finton Hall, dem Gethin-Haushalt. Sie ist fasziniert von dem Landsitz und seinen seltsamen Besitztümern, mehr aber noch ist sie von ihrer Hausherrin Clara Gethin eingenommen, die manchmal ihre wunderschöne Singstimme im Haus ertönen lässt. Clara ist, laut allen anderen Angestellten, aber unberechenbar und übellaunig, kümmert sich weder um ihren Mann noch den kleinen Sohn, verabscheut diesen gar zutiefst. Harriet hat schwer zu kämpfen in dem Haushalt, in dem die Angestellten sie meiden und mobben und offenbar auch Clara nicht passende Angestellte einfach aus dem Haus und auf die Straße wirft.


    Doch irgendwie passen die Erzählungen und Beobachtungen für Harriet nicht so recht zusammen. Sie erlebt Clara anders, vor allem aber Ralph Gethin. Und eines Nachts geschehen Dinge, die Harriet ganz schnell aus dem Haus und auf die Straße treiben...


    Erzählt in Form von Harriets Tagebucheinträgen und einigen Briefen wie Zeitungsartikeln, wohnt man hier den täglichen Aufgaben eines Hausmädchens bei, die keinen leichten Stand bei den Hausangestellten hat. Vor allem durch die Briefe der Mutter wird deutlich, welche gesellschaftlichen Zwänge außerdem auf Harriet als 18/19-jährige Frau lasten. Man weiß von Seite 1 an, dass Clara's Sohn tot aufgefunden wird und man versucht zu verstehen, wie was warum, je näher Harriets Tagebucheinträge diesem Datum kommen. Am Ende ist alles ganz anders als vermutet und man erkennt nach und nach die Verquickungen und auch die Folgen für alle Beteiligten. Das Buch schneidet ein paar sehr dunkle Themen an, da ist der Mikrokosmos "Herrenhaus-Haushalt" mit seinen sozialen Hierarchien noch das kleinste Problem. Insgesamt eine spannende aber schaurige Erzählung über Macht und Lust und Zerstörung und die Leichen, über die man geht und Opfer, die man bringt, um am Ende des Tages noch in den Spiegel schauen zu können.

  • T. Kingfisher - A House with good Bones


    Auch wenn Sam sich auf den Aufenthalt bei ihrer Mutter freut, geht ihr der Satz ihres Bruders nicht aus dem Kopf "Etwas stimmt nicht mit Mum."

    Und schon beim Betreten des Hauses merkt Sam, dass etwas dran ist. Ihre Mutter hat nicht nur die gesamte Deko auf die Zeit zurückgesetzt, als das Haus der Großmutter gehörte, sie wirkt verängstigt und betet vor dem Malzeiten. Zudem bemerkt Sam schnell, dass im wundervollen Rosengarten des Hauses kein einziges Tier zu leben scheint. Keine Biene, keine Ameise, kein gar nichts. Und dann sind da noch die Rabengeier, die sich rund um das Haus tummeln und es nicht aus den Augen zu lassen scheinen.


    Nachdem die letzten Bücher doch eher enttäuschend waren, brauchte ich mal wieder etwas Gutes und auf Kingfisher ist einfach verlass.

    Ich mag ihre Erzählstimme und ihre einzigartigen Einfälle im Bereich des Gruselromans. Auch hier wieder spannend und morbid und absolut unterhaltsam.


    Note: 1,8

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