Für die Leseratten - Der Bücherthread - Teil 2
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Claire Fuller – Bitter Orange / Bittere Orangen
"Im Sommer 1969 geschehen zwei Dinge im Leben von Frances Jellico, die sie zum ersten Mal Freiheit und Selbstbestimmung empfinden lassen: Ihre dominante Mutter stirbt, und sie erhält den Auftrag, für das Lynton Herrenhaus ein architektonisches Gutachten zu schreiben. Frances löst ihre Londoner Wohnung auf und richtet sich für einige Wochen in Lynton ein. Die einzigen Bewohner des einsamen Hauses sind Cara und Peter, das Hausmeisterpaar, zu dem sie rasch eine enge, komplizierte Beziehung entwickelt. Denn Cara macht sie zu ihrer Vertrauten, während Frances sich zunehmend zu dem undurchschaubaren Peter hingezogen fühlt. Das Ende dieses Sommers besiegelt ein Ereignis, das für Frances den Rest ihres Lebens auf tragische Weise beeinflussen wird."
Ein gediegener slow-burn Thriller, mit einer dunkeln psychologischen, schwer im Hintergrund mitschwingenden, Note. Es scheint Fuller's Art zu sein, mehr aufzubauen als einzulösen. Man vermutet immer "etwas mehr", die Ereignisse sind immer "etwas grusliger", man interpretiert in mehrere Richtungen, doch am Ende bleibt die Erzählung eine kleine Geschichte ohne große unglaubwürdige Abschweifungen, ich mochte es sehr.
Frances erzählt ihre Geschichte des Sommers einem ehemaligen Pfarrer, der sie am Sterbebett besucht und ihr ein Geständnis über das entlocken möchte, was wirklich geschehen ist. Frances ist allein durch ihren desolaten Zustand unzuverlässige Erzählerin, doch langsam merkt man, dass sie sich absichtlich widerspricht, ausweicht und schweigt. Frances ist, wie Cara, ein faszinierender Charakter, gerade die Beziehung zu ihrer Mutter, die sie lange gepflegt hat, war unglaublich interessant, da hätte ich gern noch mehr von gelesen. Überhaupt fand ich die toxischen Dynamiken sehr spannend.
Erforschte Themen sind Einsamkeit und Isolation, unzuverlässige Erinnerungen und Wahrheit, Besessenheit und Begehren, Schuld und Verantwortung, Täuschung und Manipulation, Verfall und der Lauf der Zeit.
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Samanta Schweblin – Seven Empty Houses / Sieben leere Häuser
"Die sieben Häuser in diesen sieben Geschichten sind seltsam. Es fehlt eine Person, eine Wahrheit oder eine Erinnerung; einige Räume sind verlockend, andere nicht greifbar, wieder andere leer. Doch in Samanta Schweblins spannungsgeladenen, visionären Erzählungen schleicht sich immer wieder etwas hinein: ein Geist, ein Kampf, Eindringlinge, eine Liste mit Dingen, die man tun muss, bevor man stirbt, die erste Begegnung eines Kindes mit der Dunkelheit oder die Fehlbarkeit der Eltern. In jeder Geschichte gibt es Wendungen, die verunsichern und überraschen: Schweblin geht nie den erwarteten Weg, sondern gräbt unter die Haut und enthüllt surreale Wahrheiten über unser Gefühl von Heimat, von Zugehörigkeit und über die Zerbrechlichkeit unserer Beziehungen zu anderen."
Diese Thalia-Beschreibung der englischen Version passt ziemlich gut. Ich fand Fever Dream zwar eher mittelmäßig, hatte aber Potenzial, diese sieben Kurzgeschichten schlagen im Ton in die gleiche Kerbe, ich fand sie durchweg gut und abwechslungsreich. Ich mag dieses unangenehme, wenn man eigentlich nicht weiterlesen möchte. Die längste Geschichte handelt über eine alte Dame, die (u.a.) von ihrer Nachbarin terrorisiert wird, aber eigentlich ist alles ganz anders und zudem echt traurig. Hauptthemen sind räumliche Angst, psychologische Verzerrung, Minimalismus und Horror.
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Ach witzig, das hab ich auch grad gelesen.
Ich mochte von Samantha Schweblin "Hundert Augen" am liebsten.
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Ich lese jetzt „Schlehengrund“ von Anna-Maria Caspari. Das ist der dritte Teil einer Eifel Trilogie rund um das Dorf Wollseifen. Besonders den ersten Teil habe ich verschlungen und mich danach selber etwas mit der Geschichte von Wollseifen beschäftigt. Das ist super spannend. Der dritte Teil spielt in der jungen Bundesrepublik, als Wollseifen Sperrgebiet und später Truppenübungsplatz wird.
Die ersten Kapitel laden sich leicht weg.
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Ach witzig, das hab ich auch grad gelesen.
Ich mochte von Samantha Schweblin "Hundert Augen" am liebsten.
Ich nehme das als Empfehlung für die Bücherchallenge
Es klingt genau nach dem "bisschen mehr", was ich gern von ihr lesen würde
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Dann bin ich gespannt, obs dir gefällt!
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Tiffany McDaniel - "Betty"
Basierend auf der Lebensgeschichte ihrer Mutter hat Tiffany McDaniel diesen Roman geschrieben. Die Protagonistin Betty, aus deren Sicht erzählt wird, ist eines von mehreren Kindern des Paares Landon und Alka. Da Betty in den 1950ern geboren wird, ist ihre Kindheit in den 1960ern geprägt von den damals vorherrschenden Vorurteilen gegenüber Native Americans - denn Tiffanys Vater Landon stammt von den Cherokee ab und ist darum ein gesellschaftlicher Außenseiter. Bettys Mutter Alka ist eine Weiße, die von den Dämonen ihrer eigenen Vergangenheit verfolgt wird. Zu ihrem Vater Landon sieht Betty auf, sie liebt die zahllosen Geschichten, die er ihr erzählt und wie er immer wieder auch die Legenden des Cherokee-Stammes mit ihr teilt. Diese Kreativität und diesen Einfallsreichtum gibt Landon an Betty weiter, die dadurch die Armut und Ausgrenzung in ihrer Kindheit und Jugend übersteht. Am Fuße der Appalachen in Ohio erleben Betty und ihre Geschwister eine ungewöhnliche Kindheit, ganz nahe an der Schönheit der Natur um sie herum einerseits, doch andererseits sind sie auch mit erschreckender Gewalt und äußerst düsteren Familiengeheimnissen konfrontiert, zu deren Hüterin Betty bereits in jungen Jahren wird.
"Betty" ist harter Tobak - eine derart dramatische Familiengeschichte hatte ich zunächst gar nicht unbedingt erwartet, war jedoch schnell gefesselt von McDaniels erstaunlicher Erzählkunst und auch von Bettys Geschichte an sich. Als Leserin lebte, litt und liebte ich mit - und mehrmals blutete mir dabei fast das Herz. Gute Romane bleiben im Gedächtnis - sehr gute Romane vor allem im Herzen. "Betty" ist daher unbedingt lesenswert und ich empfehle den Roman vor allem Fans von "Demon Copperhead" oder "Fourth of July Creek" (dt. "Montana") wärmstens weiter.
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Nancy Tucker – The First Day of Spring
"Chrissie Banks ist 8 Jahre alt und die Beste in allem. Sie weiß wie man Süßigkeiten klaut, ohne erwischt zu werden, kennt die besten Verstecke beim Spielen und kann die längsten Handstände. Sie bleibt auch am längsten draußen und kann machen was sie will, denn mit einem abwesenden Vater und einer Mutter, die ihr weder Essen noch Aufmerksamkeit gibt, ist Chrissie ein zutiefst vernachlässigtes Kind. Ein Kind, dass mit aller Gewalt nach Ansprache, Zuwendung und Kontrolle sucht. Und so tötet Chrissie den kleinen zweijährigen Sohn einer Nachbarsfamilie. Noch Tage danach verspürt sie das ersuchte Gefühl von Macht und Überlegenheit und das Geheimnis gibt ihr die Illusion besonders zu sein – 15 Jahre später versucht Julia, Mutter einer fünfjährigen, so gut wie es eben geht ihr Leben und das Kind auf die Reihe zu bekommen. Als das Telefon anfängt zu läuten, wächst in Julia die angst, der Anrufer weiß wer sie ist und was vor all den Jahren passiert ist. In einer Kurzschlussreaktion setzt sie alles aufs Spiel ..."
In einer abwechselnden dualen Perspektive wird hier die Geschichte von Christine Banks erzählt, die gleich auf der ersten Seite des Buches den zweijährigen Steven tötet. Tucker verwendet einen rauen, beunruhigenden Ton, der die Denkweise eines Kindes einfängt, das die Tragweite seiner Handlungen nicht ganz begreift und dadurch kommt es immer wieder zu bitterbösen Situationen, gerade gegenüber Stevens Schwester und den Eltern. Niemand weiß, was Chrissie getan hat und lange schwelgt sie in dem Gefühl unbesiegbar zu sein. Julias Zeitleiste ist ebenso interessant, zutiefst verunsichert versucht sie mit Routinen und Regeln, das Wohlergehen ihrer Tochter sicherzustellen, als Molly sich aber ihre Hand bricht, weiß Julia, dass jetzt das Sozialamt kommt und ihr Molly wegnehmen wird.
Für mich ein nahezu perfekter Mystery-Thriller. Die zweite Hälfte wird sogar noch besser als die erste es schon ist. Die erforschten Themen sind
- Vernachlässigung und die Auswirkungen von Kindheitstraumata - Chrissies Erziehung ist geprägt von Vernachlässigung, Hunger und emotionaler Verlassenheit. Ihre Handlungen entspringen einem tief sitzenden Bedürfnis nach Kontrolle und Aufmerksamkeit.
- Schuld und Erlösung - Wie Julia lebt auch Chrissie mit der Last ihres vergangenen Verbrechens. Der Roman geht der Frage nach, ob Erlösung für jemanden möglich ist, der etwas so Schreckliches getan hat.
- Mutterschaft und Angst vor vererbter Gewalt - Julia macht sich Sorgen, dass sie als Mutter ungeeignet ist, da sie befürchtet, dass sie ihre eigenen Schäden aus der Kindheit an ihre Tochter weitergeben könnte.
- Das Urteil der Gesellschaft über kriminelle Kinder - Das Buch wirft schwierige Fragen darüber auf, wie die Gesellschaft Kinder, die schreckliche Verbrechen begehen, betrachtet und rehabilitiert.
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Philip Fracassi - Boys in the Valley
Seit dem grausamen Tod seiner Eltern wächst Peter im katholischen Waisenhaus St Vincent auf. Die alten Priester sind streng, harte Arbeit, Disziplin, Hunger und Strafe sind an der Tagesordnung. Nun ist Peter mit 16 Jahren der Älteste der 30 Waisenjungs und gerade hin und hergerissen, zwischen der Entscheidung, wie sein Leben weitergehen soll. Sein väterlicher Freund, Vater Andrew hofft darauf, dass Peter ebenfalls Priester wird und sie gemeinsam das Waisenhaus leiten werden und die Lebensbedingungen der Kinder dort revolutionieren, weg von den brutalen Methoden der aktuellen Leiter. Aber dann ist da noch Grace und die Aussicht auf eine Zukunft mit ihr.
Doch all das das wir unwichtig, als der Sheriff eines Nachts mit einem Verletzten Zuflucht im Waisenhaus sucht. Der Verwundete übersteht die Nacht nicht, doch mit seinem Tod hält etwas böses in St Vincent Einzug, das immer mehr der Jungen in ihren Bann zieht.
Das Buch hat seine Schwächen. Die instabilen Perspektiven und der ständige Wechsel sind bisweilen etwas anstrengend und die Sprache ist oftmals einfach zu anachronistisch. Ändert aber nichts daran, dass Boys in the Valley eine spannende Geschichte erzählt und über ein gutes Pacing und Timing verfügt. Dass einige der Nebencharaktere auf Grund der schieren Masse etwas blass bleiben und man viele Red Shirts hat, lässt sich bei einer solchen Story leider nicht vermeiden. Wenn einen der religiöse Aspekt - der wirklich eine zentrale Rolle spielt - nicht stört, hat man wirklich eine unterhaltsame Posession Story.
Note: 2,7
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J. K. Chukwu – The Unfortunates
"Sahara geht es nicht gut. Als sie ihr zweites Studienjahr an der Eliteuniversität beginnt, fühlt sie sich wie eine Versagerin: Ihr Körper ist zu kurvig, ihr Liebesleben nicht existent, ihre Familie ist von ihr enttäuscht, ihre Noten sind schrecklich, und, nun ja, die wenigen schwarzen Mitschüler, die sie hat, sterben einfach ständig. Sahara ist kurz davor, sich selbst aufzugeben: Ihre Depression ist, wie sie sagt, ihr einziger „Lebenspartner“. Und diese Erzählung, die die Form einer respektlosen, durchdringenden „Dissertation“ an das Universitätskomitee annimmt, das über sie urteilen wird, soll eine letzte Entfaltung ihrer einzigartigen, unvergesslichen Stimme sein, bevor sie selbst unweigerlich verschwindet und stirbt. Doch im Laufe dieses wilden zweiten Studienjahres und mit der Unterstützung ihrer exzentrischen Gemeinschaft von BIPOC-Frauen wird Sahara schließlich Hoffnung, Antworten und eine unerwartete Erlösung finden.
Ein kantiges, bissig-komisches Debüt über eine queere, halb-nigerianische Studentin, die, wütend und erschöpft vom Rassismus an ihrem Elite-College, sich aufmacht, die Wahrheit über die Unglücklichen herauszufinden - die unglückliche Untergruppe der schwarzen Studenten, die auf mysteriöse Weise gestorben ist. "
Ich hab ein Drittel geschafft und dann abgebrochen, dieses war einfach nicht meins. Ich lese generell nicht gern über häufig betrunkene Studenten, die ihre Kurse nur mit Müh und Not schaffen und fortwährend mit ihrer Depression, die hier als "Lebenspartner" betitelt wird, hadern, wann man sich am besten umbringen sollte ... Die Mixed-Media-Form des Buches hat mich angesprochen, auch die Art, dass es als "Abschlussarbeit" an das Universitätskomitee gerichtet ist, allerdings befinden sich in den hin und wieder recht kurzen Kapiteln dann auch noch Fußnoten, die mich aus dem Lesefluss gerissen haben und manchmal sogar mehr Platz als die eigentliche Geschichte einnahmen.
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