Beschwichtigung, Übersprungshandlung, oder einfach nur normal?

  • Hi, jetzt mit etwas mehr Zeit: Dein Hundchen wurde viel zu früh von seiner Mutter getrennt und ist auch noch schwer krank gewesen.
    Schön, dass Du Dich seiner angenommen hast und auch genau nachfragst, wie Du ihn besser verstehen kannst :bussi:


    Durch die Krankheit und die frühe Trennung hat er ganz viel verpasst, was die Hundemutter bzw. die Geschwister dem Welpen für das soziale Miteinander eigentlich beibringen. Und wirklich großen Kontakt zu Menschen hat er auch nicht gehabt.


    Dadurch fehlen ihm vermutlich einfach ein paar Möglichkeiten in seinem Verhaltensrepertoire. Bei einer großen Hundegruppe hat wahrscheinlich auch kein Hund die Rolle der „Amme“ übernommen. So dass er schon in einer Phase, in der er noch ziemlich hilflos war, stark auf sich alleine gestellt war.


    Das Beschwichtigen als Überlebensstrategie kann er - und kramt daher wahrscheinlich genau dieses Verhalten in allen Situationen heraus, in denen er sich unsicher fühlt. Mit fremden Menschen, beim Tierarzt ... Und legt noch was drauf, wenn er nicht gleich den gewünschten Effekt erzielt (nicht bedroht zu werden). Und steigert sich richtig da rein.


    Was kannst Du tun: Zuallererst Deinem Hund Sicherheit und einen Ruhepol bieten. Was natürlich nur geht, wenn Du nicht selbst in Anspannung verfällst (leichter gesagt als getan, ich weiß ;) ).


    Erste Maßnahmen sind ein strukturierter Alltag mit genügend Ruhepausen, einen sicheren und ungestörten Platz zum Ausruhen, Ruhe beim Fressen. Genügend Schlaf. Kurze reizarme Spaziergänge in immer der gleichen Umgebung. Langsam erweitern, wenn Du das Gefühl hast, dass er sich sicher fühlt. Trotzdem nicht betüdeln, sondern schon erste „Frusterlebnisse“ langsam einbauen. Wie z.B. das „Alleinbleib-Training“.


    Bis eine grundlegende Sicherheit da ist, würde ich sonst gar keine großen Erziehungsmaßnahmen fahren. Mit kleinen Suchspielchen mit Dir zusammen kannst Du an Eurer Beziehung arbeiten und mit Erfolgserlebnissen und viel Lob von Dir kann er Selbstbewusstsein aufbauen.


    Falls Du noch nicht so viel Erfahrung mit Hunden hast: Schau hier mal in den Körpersprache- Thread. Da geben User viele Tipps zur Körpersprache des Hundes. Es gibt auch gute Bücher dazu - und Seminare.


    Den Tipp, Fremdkontakte zu meiden - bis auf verabredete Spaziergänge mit souveränen Hunden und deren Halter - hast Du ja schon bekommen. Es kann sein, dass er sich von souveränen Hunden einiges abschaut.


    Kennst Du einen gewaltfrei arbeitenden Trainer oder ggf. für später eine gute Hundeschule? Oder brauchst Du Tipps dafür? Wir können hier natürlich grobe Einschätzungen aus der Ferne liefern. Ein Trainer, der Euch als Gespann sieht, kann da noch viel mehr sagen.


    Bei Fragen gerne Fragen :smile:


    Viel Erfolg und lieben Gruß
    Nicole

  • Wir sagen, was "Sache" ist, wenn er sich dran hält ist die Welt wieder in Ordnung.

    Wie sagt ihr ihm, was Sache ist?
    Was passiert, wenn er sich nicht daran hält?


    LG Themis

  • Hey Nicole,
    vielleicht sollte ich mich selbst Konditionieren. Mit Gummiband ums Handgelenk und Schokolade zur Belohnung, wenn die Anspannung kommt...
    Funktioniert doch bestimmt auch bei Menschen :-)


    Wahrscheinlich komme ich um einen (neuen) Trainer nicht drumrum, denn ich möchte nichts machen, was es schlimmer macht. Und ich hatte erst vor 4 Tagen ein Erlebnis mit Loki, dass er nichtmehr vergessen kann.


    Ich schildere es mal kurz:
    Ich war an der Schleppleine auf unserer üblichen Route auf den Feldern unterwegs. Felder hielt ich immer für gut, Reizarm und hier nicht überlaufen.
    In einem unaufmerksamen Moment von mir, ist er wohl unbewusst beim schnüffeln unter einem Stromzaun durchgekrochen. Ich konnte ihn allerdings nicht als Stromzaun erkennen (sah nicht aus wie die typischen Stromzäune). Ich hab ihn dann zurückgerufen, aber irgendwie hat er nichtmehr verstanden, dass er sich ducken muss und ist mit seinem Hals gegen das Drahtseil.
    Er hat laut aufgeschrien und ist zurückgewichen. Ich hab dann Leckerchen auf den Boden (damit er sich duckt) und ihn nochmal zu mir gerufen. Hat auch geklappt, bis er sich dann wieder ruckartig aufgerichtet hat und nochmal dagegen kam.
    Er hat so geschrien, dass mir das Blut in den Adern gefroren ist. Ende vom Lied war, dass wir 1,5m auseinander standen und ich nicht wusste was tun. Da läuft ja nie jemand der mir hätte helfen können. Und ich konnte ihn ja nicht loslassen oder irgendwo anbinden um ein Tor zu suchen (seeeehr große Weide).
    Also hab ich den Stromzaun angehoben, bin reingeklettert, hab Loki auf den Arm genommen und den gleichen weg zurück. Dass mir nach gefühlt 10 Minuten Stromzaun halten auch irgendwann die Nerven durchgegange sind, hat die Sache bestimmt nicht besser gemacht.


    Jetzt laufen wir grade immer nur zur Pipiwiese und ein kleines Stückchen weiter, dann setzen wir uns eifnach auf eine Bank und schnuppern in die Luft. Und gehen wieder nach hause. Leckerhen mag er grade draußen nicht nehmen. Das hat ihn schwer getroffen. Gestern wollte ich ihm auf dem Feldweg die Schleppleine anlegen, da ist er richtig zurücjgezuckt.


    Zuhause ist aber alles ganz normal. Auch in der Stadt/an der Straße ist alles normal, nur auf den Feldern hat er nun Angst. Also keine Panik, aber er fühlt sich unwohl.


    Hätte mir jemand vorher gesagt wie unsicher/sensibel er ist, hätte ich mich vermutlich nicht für ihn entschieden, aber jetzt ist er da und ich geb ihn auch nichtmehr her. Der bleibt. Aber ist grade nicht so einfach.


    Falls jemand gute Kontakte in meinem Postleitzahlengebiet hat bin ich natürlich für jeden Tip dankbar und werde auch versuchen alles umzusetzen.
    Wir bekommen das schon hin. Grade ist halt ein bisschen...hmmm... Frustphase. :/ :( :

  • Wie sagt ihr ihm, was Sache ist?Was passiert, wenn er sich nicht daran hält?

    Hmmm... wenn ich ihm (nur ein Beispiel) 3 mal sag' er soll aus der Küche, er aber ein 4. mal in die Küche kommt, weil ich grade Hühnchen brate, sage ich es ihm halt deutlicher. Also were halt ernster. Das ist alles. Eine weitere Konsequenz war dann eigentlich noch nie nötig, da er das gut versteht, wenn es "ernst" wird.
    Falls Du das meintest...


    Meistens versteht er es mittlerweile, wenn ich Anfange von 3 aus abwärts zu zählen. Das hat sich irgendwie so eingeschlichen.

  • Setzt er es dann um, wird er belohnt, aber ich denke, das versteht sich.

  • Hi,


    @Themis ist hier der Profi mit den Trainertipps. Vielleicht da nochmal fragen.


    Das mit dem Stromzaun war wirklich unglücklich, aber da bist Du nicht der erste und nicht der letzte Hundehalter, dem das passiert.


    Für Frustablassen sind wir da ;) Das ist schon ok so. Keine Panik: Auch Dein Hund kann noch ganz viel lernen. Es dauert halt alles etwas länger, weil er echt ungünstige Startbedingungen hat.


    Nochmal kurz zur Frage von @Themis : Ich bin fast sicher, dass Dein Hund ein „Nein“ nicht versteht. Sondern einfach nur merkt, dass Du gerade etwas brummelig bist.


    Besser ist es, ein Alternativverhalten anzubieten. Z.B. wenn er die Couch anknabbern möchte, ablenken und Kauspielzeug oder Knochen ins Maul stecken. Was sind denn die Situationen, die Du unterbindest?


    Übrigens: Wir haben vor 21 Monaten eine etwa zweijährige Angsthündn aus dem Tierheim übernommen, die von der Straße stammte. Ich hatte aber als Gassigänger schon Erfahrung mit Angsthunden und wusste, was auf mich zukommt.


    Mein Mann nicht - und der hat sich die ersten Wochen auch frustriert komplett ausgeklammert und hat mich alles regeln lassen. Das ist total verständlich, dass man da erstmal nicht so ganz mit klarkommt.


    Abgesehen von Stubenreinheit und Beirufen habe ich die ersten 10 Monate gar nix in Richtung Erziehung gemacht. Allerdings hat sie sich viel von unserer Althündin abgeguckt.


    Sobald sie hier ganz sicher angekommen war, ging ganz viel wie von selbst.


  • Nochmal kurz zur Frage von @Themis : Ich bin fast sicher, dass Dein Hund ein „Nein“ nicht versteht. Sondern einfach nur merkt, dass Du gerade etwas brummelig bist.


    Besser ist es, ein Alternativverhalten anzubieten. Z.B. wenn er die Couch anknabbern möchte, ablenken und Kauspielzeug oder Knochen ins Maul stecken. Was sind denn die Situationen, die Du unterbindest?

    Hm ich denke schon, dass er das "Nein" versteht. Wirklich unterbinden tue ich eben solache Sachen wie Dinge von der Straße essen, anderen Menschen das Gesicht abschlecken, sowas.
    Beispiel: Altes Brot liegt auf der Straße, ich sage "Pfui", sobald ich merke, Ohren und Nase wollen dieses Brot, wenn wir dran vorbei sind - Leckerchen rein.



    Zuhause ist er sehr brav, knabbert nix an, macht halt Junghundtypischen Unfug, will überall reinglotzen und Nase reinhängen, aber nix dramatisches. Da reicht es wenn ich sage "Loki weg" und dann weiß er schon, dass er da nicht ran darf. Ja, es kann sein, dass ich es ihm 3 mal sagen muss, weil er es am nächsten Tag nochmal probiert, aber dann hat er es i.d.R. verstanden. Da habe ich Glück mit ihm zuhause. Er versteht das schon alles sehr schnell. Ich muss meine Treppe nach oben nichtmehr absicher, weil er verstanden hat, dass ich nicht will, dass er dahoch geht. Und das nur, weil ich ihn eben jedesmal wieder runtergepfiffen habe. Auch, dass er nicht auf die Couch und ins Bett darf hat er schnell kapiert - also doof ist der irklich nicht. Ich denke er ist sich nur eben manchmal nicht sicher, ob ich es wirklich ernst meine.

  • Ich denke er ist sich nur eben manchmal nicht sicher, ob ich es wirklich ernst meine.

    Und ich denke, dass du ihn häufig verunsicherst und in seine (Nicht)Reaktionen zu viel menschliches Verhalten hineininterpretierst - Kommunikationsmissverständnisse liegen vor.


    Daher rate ich zum Trainer.

  • Hi,


    ich glaube Dir gerne, dass Dein Hund nicht doof ist :smile: Sind die Wenigsten. Aber ein Hund lernt Generalisiertes nur aus Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung ...


    Meine Lilly wollte anfangs auch alles fressen, was ihr unterwegs begegnet ist. Ein schärferes „Nein“ wollte ich nicht einsetzen, wegen der geschilderten Probleme. Gut funktioniert hat es, sie zu rufen und bei Ankunft gleich ein Megaleckerchen in die Schnute zu schieben. Dann Leine dran und an der unappetitlichen Angelegenheit vorbeigeführt.


    Je weniger Du aktiv verbietest und je mehr Du lobst, desto schneller gewinnt Dein Hund Sicherheit.

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