Bedürfnisorientiert oder kontrolliert? Was traue ich meinem Hund zu?

  • Darf ich mal fragen, wie das alles zustande gekommen ist?

    Ich bin hier ganz ehrlich. Ich habe vieles verpasst, verpatzt und habe mich komplett nicht ausgekannt. Ich hatte keine Ahnung, dass dieser Hund komplett andere Bedürfnisse haben könnte, als mein letzter. Ich habe zwar immer mit Hunden zu tun gehabt, von klein auf. Aber diese ganze Theorie, wie man einen Hund sozialisiert oder der Begriff "Welpenschule" waren fremd für mich. Probleme mit Hunden hatte ich auch bis dato nie.


    Ich denke, dass der Mangel von Aufgaben, Beschäftigung und Regeln, kurz gesagt dazu geführt haben. Es hat auch eine lange Weile gedauert, bis ich die richtigen Tipps anwenden konnte, und ich muss hierbei ehrlich sagen, dass mir weder Hundetrainerin, noch Bücher weitergeholfen haben, sondern Laufband und Clicker. Das eine zum Abbau der angestauten Energie, und das andere um den Geist und Intelligenz zu fördern.


    Ratschläge, "Sie müssen selber ruhig sein, damit der Hund beim Gassi gehen ruhig ist", waren eine Utopie, nur wimmelt das Internet nur von solchen "Ratgebern", die keinen konkreten Schritt dazu oder Anleitung anbieten. Ich konnte auch mit komplett guter Laune rausgehen, jedoch war mein Hund nie ruhig wenn er draußen war. All das hat zu einem sehr hohem Frustlevel auch meinerseits geführt und wenn man noch zusätzlich bei jedem Piep gebissen wurde, hat das auch an der Situation nichts verbessert.


    Aktuell geht es um einiges besser und ich bin auf einem guten Weg, jedoch bin ich größtenteils dabei hängen geblieben, vieles auszuprobieren und zu beobachten was gut funktioniert. Ich schaue mir auch gerne Dinge von anderen Hundehaltern ab, aber ich muss abwägen ob ich es einbauen kann oder eben nicht.



    @Stinkelilly Ja, du hast es richtig verstanden. Natürlich habe ich das ganze nicht so persönlich genommen aber ich habe mich doch in der Tat so gefühlt, als ob ich mich erklären müsste. Finde ich überhaupt nicht schlimm. Mich stört das ja nicht, wenn das jemand für sich SO sieht. Aber ich sehe das, im Bezug auf mich und meinen Hund nun mal nicht so und genau DAS musste klar gestellt werden.

  • Der Hund hat sich nicht einmal die Trainingsleine anfangs anlegen lassen wollen. Bisse waren Tagesordnung, und sowas wie Gelassenheit, waren für mich als auch meinen Hund ein Fremdwort. Aber mit etwas Kontrolle, (zumindest würde ich das so definieren), hat sich vieles beruhigt.

    So einen Crazy habe ich hier auch.
    Anfangs habe ich gedacht, dass ich mich durchsetzen muss.
    Das habe ich schnell gelassen, weil es die Angstbeißerei nur verschlimmert hat.
    Hier hat nur Respekt vor dem Hund geholfen.
    "Ich weiß, dass du Scheiß-Erfahrungen gemacht hast, und ich werde vermeiden, sie zu wiederholen."


    Was die Behandung in der TK angeht: Da muss er regelmäßig hin, weil Cushing-Hund. Morgens abgeben, nachmittags abholen, dazwischen der ACTH-Test.
    Ist so, da muss er durch. Und das TK-Team kommt mit ihm klar.
    Er lässt sich von Fremden nicht anfassen. Wenn ich dabei bin, gibt es kein Geschnappe.
    Die behandelnde TÄ staunt jedes Mal wieder: "Welch ein Vertrauen!"

  • Äh - das trifft alles zu - hängt vom Zusammenhang ab.


    Hunde sind wie Menschen soziale Lebewesen. Sie agieren, sie können Menschen sehr gut lesen, sie haben unterschiedliche Charaktere - sie brauchen unterschiedliche Dinge.


    Ich find es schlimm, wenn man glaubt mit genau einer Umgangsweise richtig zu liegen - man tut den meisten Hunden damit dann Unrecht.


    Guter Umgang ist der, den der individuelle Hund braucht. Man sollte seinen Hund lesen lernen und nicht eigene, unerfüllte Wünsche auf ihn projizieren.


    Und darum bekommt für mich jeder Hund die Art von Führung, die er braucht. Ich habe noch nie einen Hund gesehen, der "rein positiv" bräuchte und ebenso keinen, der einen Idioten braucht, der sich als Tyrann aufführt und findet, keine Strafe ist Lob genug. Jeder braucht Grenzen - wie die umgesetzt werden ist individuell - jeder braucht Unterstützung und Anerkennung - wofür ist ebenso individuell.


    Darum find ich die Frage für mich ehrlich gesagt als "kann ich keine Antwort drauf geben", weil ich da einfach nicht in einem Schema festhänge.

  • Der Titel hört sich für mich so an, als würde ich meinem Hund zutrauen (selbst-)kontrolliert zu handeln. Oder eben nur Bedürfnisorientiert.


    Aber so wie alle das Thema verstehen: wie immer, die Mischung machts. Ich gehe auf die wesentlichen Bedürfnisse meiner Hunde immer (idR sofort) ein. Auf die nicht so essentiellen (spielen, schmusen) gehe ich nur ein, wenn ich grade will (was ziemlich oft so ist |) ). Gleichzeitig gibt es Situation, in denen ich die volle Kontrolle haben will (muss) und das, falls erforderlich, auch sehr deutlich durchsetzte. Da ist kein Raum mehr für ein Bedürfnis meiner Hunde.
    Lexi zB würde beim Spazieren super gerne alle anderen Spaziergänger gegen die Bäume stellen. Das wäre ihr "Bedürfnis", welches immer von mir kontrolliert wird.
    Solche Situationen sind aber selten.


    Mir kommt es jedenfalls so vor, als wären die Hunde, die oft auch Bedürfnisorientiert handeln (dürfen) irgendwie die "lustigeren, fröhlicheren" Hunde. Da vergleiche ich jetzt allerdings wirklich nur meine und den vom Nachbarn. Der Nachbar ist der Typ 100% Kontrolle. Und obwohl ohne (körperliche) Gewalt wirkt der 2jährige Viszla einfach nur gehemmt. Er traut sich nicht auch mal etwas wilder zu spielen oder zu zergeln und spielt auch nicht mehr mit sich selbst. Nach außen wirkt er perfekt erzogen und das wird er auch sein. Der Nachbar wollte ein Hund der immer unauffällig ist und das ist er denke ich auch. Ich finde das irgendwie furchtbar langweilig.
    Mir gefallen einfach Hunde die auch von sich aus was anbieten, deutlich besser als solche die das (an erzogen) nicht tun.

  • Darum find ich die Frage für mich ehrlich gesagt als "kann ich keine Antwort drauf geben", weil ich da einfach nicht in einem Schema festhänge.

    Ist deine Beschreibung, dies vom individuellen Hund abhängig zu machen, nicht durch den Begriff "bedürfnisorientierte Kontrolle" erklärt?


    Ich versuche den Bedürfnissen meiner Hunde so viel Raum wie möglich zu geben.
    Alles geht aber nicht, und wo ich über Lernen (des individuellen Hundes) keine intrinsische Motivation beim Hund bewirken kann, etwas im "meinem" Sinn zu machen, übe ich Kontrolle aus.
    Diese Kontrolle besteht ja aus mehr als nur den aktiven, direkten Handlungen meinem Hund gegenüber: Ich kontrolliere z. B. ohne dass es irgendeiner "Maßnahme" den Hunden gegenüber bedarf die Umwelt, indem ICH die Bereiche auswähle, in denen ich mit meinen Jungs die Spaziergänge mache.


    Dabei orientiere ich mich an dem Bedürfnis "Freilauf" meiner Hunde.
    Amigo rennt z. B. gerne, es ist für mich äußerst beglückend, diesem Hund bei seinem Bewegungsdrang zuzusehen.
    Dazu benötige ich aber einen Bereich, bei dem ich die Wege gut einsehen kann.
    EIN Auswahlkriterium, um der Verantwortung der Kontrolle meinem Hund gegenüber gerecht zu werden.
    Merken tun meine Hunde davon nix, die sind glücklich im Freilauf.


    Kontrolle ist es dennoch.


    Ich kontrolliere auch Begegnungen. Meine Hunde dürfen einfach nicht grundsätzlich überall hinlaufen.
    Bei uns hat sich bewährt dass ich ihnen sage, wenn ich eine andere Vorgehensweise möchte.


    Sage ich nichts, dürfen sie nach eigener Vorstellung handeln.


    Ich kontrolliere welche Hunde meine Hunde kontaktieren dürfen.
    Als Welpe waren das ganz wenige, ausgewählte Hunde. Auch Welpen müssen Erfahrungen sammeln, aber ich habe die Kontrolle darüber, WELCHE Erfahrungen sie sammeln.


    Wo ich tatsächlich nur REAGIERE ist, wenn die Nase meine kleine Jagdsau ins Unterholz zieht... da habe ich unterschiedliches Management, das von der einfachen freudigen namentlichen Ansprache über ein strengeres Abrufen bis hin zum positiven Superabbruchsignal (was bei Amigo nichts anderes als die freudige Aufforderung zum Apport ist) reicht.


    Ich halte gerne die Umwelt im Auge, beachte die Bedingungen und agiere dementsprechend.


    Bin ich jetzt ein Kontrollfreak?

  • Ob du es glaubst oder nicht, eine Therapie war für einie Jahre meine wöchentliche Begleiterin, jedoch kann man da nichts wegtherapieren, ich müsste in der Hinsicht mir jeden Tag was stecken lassen, um mich abzuhärten. Das wäre in dieser Hinsicht die einzige Lösung.

    Da hast du ja sehr viel arbeit investiert um Dinge, die in deinem Leben schief gelaufen sind aufzuarbeiten.
    Sieh dir deiner Erfolge an und vielleicht kann jemand anderes deinen Hund beim Tierarzt betreuen, oder der Tierarzt macht das ganz ohne dich.
    Dann geht es eben nicht anders.
    Wenn du in Ohnmacht fällst, oder erbrichst ist ja keinem geholfen.
    Ich wünsche dir ehrlich, dass du immer mehr lernst deine persönlichen Schwierigkeiten zu überwinden.


    Für alle, die über meinen ersten Ohnmachtsanfall lesen wollen:

    Ach menno, da hattest du als kleines kind aber wirklich sehr invalidierende Erlebnisse. Das prägt natürlich. Deine Bedürfnisse sind übergangen worden und so wie sich das liest, ist daraus ein ganz starkes Kränkungserleben gewachsen. Und das zu durchbrechen, kann mitunter nicht mehr heilbar sein.
    Vielleicht musst du damit einfach damit leben und dein Verhalten managen, bzw, hier Vorsorge für deinen Hund, der ja wiederum auf dich angewiesen ist, treffen, um ihn nicht geanauso im Regen stehen zu lassen, wie du es mal erfahren hast.


    Ich finde hier hilft nur Klarheit und Konsequenz. Und die kannst nur du in solche Situationen reinbringen, mit akurater Absprache vorher.

  • @Hundundmehr
    Es klang so, als sei das hier ein "entweder oder". Ich halte nix mehr von den ganzen Begrifflichkeiten - versteht ohnehin jeder etwas anderes drunter.


    Ich setze Grenzen, wo ich oder mein Hund sie brauchen, ich gebe so viel Freiraum wie möglich - dadurch ermöglicht, dass mein Hund Grenzen kennt (und zwar durchaus "ist mal ok und mal nicht"), ich baue meine Hunde auf, wo sie es brauchen, ich deckel sie, wo sie sich sonst durch Egopolitur ein Pseudo-Selbstbewusstsein aufbauen.


    Ich lebe am liebsten ohne eingreifen zu müssen und lebe das auch die meiste Zeit - nichtsddestotrotz braucht es eine Grundlage, auf die ich zurück greifen kann, wenn es dem Wohl des Hundes, anderer Lebewesen oder mir selbst geht.


    Und weil ich da eben nicht eine "Schablone" auf alle Hunde lege, sondern sowohl die Technik als auch die Verstärker und die aufbauenden Elemente dem Hund anpasse, gibt es für mich einfach kein "entweder oder". Es braucht ja auch jeder Hund unterschiedlich viel Führung und Begrenzung oder eben auch andere Elemente.


    Ich finde, jeden Hundehalter sollten die Bedürfnisse seines Hundes interessieren und er sollte sie wo er kann auch erfüllen. Aber die eigene Freiheit hört auf, wo sie andere stört und manchmal muss man (egal ob Hund oder Mensch) auch "einfach mal so" zurückstecken können.

  • Hundeerziehung: Führung, Dominanz oder Laisser-faire... eure Meinung interessiert mich! :)

    Es gibt ja wesentlich mehr in der klassischen "Führungsrolle".
    Es gibt ja auch noch Kooperation.
    Und die Rolle des "Führenden" muss auch ausgefüllt sein. Mit eingener präsens, mit Klarheit, mit Individualität.
    Nicht jeder Mensch hat eine natürliche Autorität. So eine Ausstrahlung ist natürlich hilfreich, aber nicht alles.
    Wer natürliche Ausstrahlung und viel Sachverstand um die Dinge einer guten
    "AN-Führung", eines guten Führungsverhaltens und natürlich hier auch HUNDEVERSTAND, bzw. Wissen um das Wesen des Hundes, hat, der wird nicht viel diskutieren müssen, weil Hund sich gerne anpasst.


    Wer als menschlicher Hundeführer, seine aufgezwungene Führungsrolle nicht ausfüllt, und sich unsicher in den eignenen Zielen ist, dem folgt kein Tier gerne.
    Und je eigensinniger oder problematischer der Hund selbst ist, sei es aus rassebedingter Konstelation oder aufgrund traumatischer Erfahrung, desto weniger wird das Zusammenleben passen.


    Das gute ist: man kann lernen! Mensch muss allerdings den ersten Schritt machen.
    Und leider wird hier der Mensch oft ungerecht und will das Tier unterdrücken, brechen..ect...und das kann bei einem schwachen menschlichen Anführer nur in die Hose, bzw in die Gewalttätigkeit abrutschen.


    Oder der Mensch reflektiert sich frühzeitig und lässt sich helfen, den Hund über Umwege (Tricks wie hinten laufen oder Fuss mit angucken, Z und B und noch vieles mehr) auszubilden und wächst dabei selbst.
    Und dann ist TARA...der Mensch plötzlich irgendwann ein guter Hunde"AN"führer. Und es funktioniert.

  • Wenn es ein "entweder-oder" war (was möglich ist, von mir aber so nicht aufgenommen wurde), dann würde ich das maximal als eine Provokation ansehen, bei der ich die Wahl habe auf diese einzugehen oder nicht :D


    Ich bevorzuge da ein "...oder nicht", und die meisten Antworten hier zeigen ja auch, dass hier immer eine sehr individuelle Mitte gesucht wird.


    Als Ideal sehe ich an: So viel Bedürfniserfüllung wie möglich, so wenig Kontrolle wie nötig.


    Das Ideal vor Augen, halte ich es da eher frei nach Laotse: Der Weg ist das Ziel :smile:



    Aber die eigene Freiheit hört auf, wo sie andere stört und manchmal muss man (egal ob Hund oder Mensch) auch "einfach mal so" zurückstecken können.

    Das empfinde ich auch als normal.

  • Ich glaube es kommt vielmehr darauf an, dass Bedürfnisse geäussert werden dürfen und Gehör finden, als dass jedes Bedürfniss eines Einzelnen sofort erfüllt werden kann.


    So wie @Montagsmodell es beschrieben hat, kann die Antwort ja durchaus NEIN sein.


    So ist das Leben. So ist die berühmte "Frusttoleranz".


    Um das mal auf Welpenverhalten runterzubrechen ein Beispiel:


    Welpen haben natürliches Explorationsbedürfnis. Mensch hält Welpen in der Wohnung, Welpe geht auf Erkundung.


    Jetzt hat Mensch wieder einige Optionen: immerwährende Wiederholung nutzloser Verbote, wie zum Beispiel die leidigen: Nackenpacken, Schnauze zuhalten, "böses" NEIN...und so weiter oder Klarheit und Anlernen von NEIN in Hundesprache und Kooperation in der Führung des Tieres mit Einschränkung der Explorationsmöglichkeit und Bedürfniserfüllung über Herstellung von Bereichen und Möglichkeiten für das Tier in der Wohnung seinen natürlichem Bedürfnis dennoch nachgehen zu können, ohne alle Schuhe aufzuessen und alle Kabel durchzubeissen.

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