Leinenaggression - Ursache und Lösung !!
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Mit großem Interesse hab ich die Beiträge zu diesem Thema gelesen und ich würde mir wünschen, ich könnte die Tipps auch nur halbwegs umsetzen.
Mein Willy ist eigentlich ein absoluter Schatz. Das heißt, wenn wir beiden alleine sind !! Er ist voll auf mich fixiert und befolgt mittlerweile fast alle gelernten Kommandos perfekt.
Wenn da nur nicht die anderen Erdenbewohner wären !!
Sowohl Artgenossen als auch fremde Zweibeiner bringen ihn regelmäßig zur Raserei. Entspannte Spaziergänge sind nur möglich auf Strecken und zu Zeiten, wenn keine anderen Spaziergänger, Jogger, Fahrradfahrer, Hunde unterwegs sind. Dann ist es auch problemlos möglich, Willy abzuleinen. Der leiseste Ruf, der kleinste Pfiff und er steht neben mir. Sitz, Platz, Bleib, Warten, diese Befehle werden bedingungslos ausgeführt. Einzig der Befehl "bei Fuß" sitzt noch nicht bombenfest. Und das meist, wenn wir gerade erst losgelaufen sind und er nicht schnell genug vorankommen, schnüffeln und markieren kann. Wenn er sich nach etlichen Metern dann etwas abreagiert hat, funktioniert auch dieses Kommando einigermaßen.
Taucht aber ein anderes Lebewesen auf, ist es meist mit dem Spaß vorbei. Das heißt: Nicht immer. Von 100 Personen dürfen geschätzt 98 an uns vorbei ohne Radau. Und dann sind da noch die anderen beiden, bei denen er komplett austickt. Ob mit oder ohne Hund, das ist dann kein Spaß mehr. Er hängt in der Leine bellt wie ein Verrückter und erwürgt sich fast. Sollte ich es schaffen, ihn an den betreffenden Personen vorbei zu zerren, kann es sein, dass er versucht, vor mir vorbei zu schnellen um die betreffende Person noch schnell in die Wade zu beißen (in seiner Vorgeschichte gibt es schon etliche Beißvorfälle). Ich habe dann alle Hände voll zu tun, den doch recht großen und kräftigen Hund zu halten. Wenn er sich abreagiert hat, hab ich dann sofort wieder ein Lamm an der Leine.Die gleiche Art auszurasten zeigt er zu Hause, wenn fremde Leute zu Besuch kommen. Da gibts dann zur Vorsicht den Maulkorb und die Hausleine und den strengen Befehl auf dem Platz zu bleiben. Er bleibt zwar liegen, lässt aber den Besucher nicht aus den Augen. Wenn es ganz dick kommt, müssen sich Hund und Besucher in getrennten Zimmern aufhalten. Entspannung Fehlanzeige.
Willy kommt aus Spanien, wurde mit 3 Monaten (hier in Deutschland) schwerst misshandelt und in einem dunklen Kellerloch gehalten, sein erster Aufenthalt im Tierschutz folgte, dann noch eine schwere OP, dann Licht am Ende des Dunkels: eine gute Seele hat sich seiner angenommen und ihn aus dem Tierschutz herausgeholt. Willy war damals ca. 4 Monate alt. Leider hat es das Schicksal auch dann nicht gut mit ihm gemeint, denn aufgrund einer schweren Erkrankung konnte seine Besitzerin sich kurze Zeit später nicht mehr wirklich um ihn kümmern. Spaziergänge und somit Kontakt zu fremden Leuten, anderen Hunden, Geräuschen, Gegenständen, Fahrrädern,....waren nicht mehr möglich. Gassigehen und Auslauf waren nur im eigenen Garten möglich. Nach ersten Verhaltensauffälligkeiten als er in die Pubertät kam, musste er regelmäßig weggesperrt werden, wenn Besuch kam. Diese Phase dauerte mehrere Jahre, während deren seine Besitzerin sich immer weniger um ihn kümmern konnte aufgrund der fortschreitenden Erkrankung. Nach deren Tod landete Willy nach einem kurzen Gastspiel bei einer Pflegestelle (dort gab es Beißvorfälle mit Familienmitgliedern und dem vorhandenen Hund) wieder im Tierschutz.
Ich habe mich entschlossen, ihm seine letzten Jahre ein Zuhause zu geben, mit allem, was eine Hundeleben so ausmacht (eine gezielte Diät, um seine multiplen Allergien in Schach zu halten, täglich 3 Spaziergänge, Spielen, Schmusen, Toben, Erziehung, .........). Aber seine (Angst-)Aggressionen machen unser Zusammenleben nicht gerade einfach.
Mich würde interessieren, ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt, diese tiefsitzenden Verhaltensweisen nach 10 jahren noch in den Griff zu bekommen. Ich habe bereits unzählige Kontakte geknüpft zu hundeerfahrenen Leuten (vom Hundesportpaltz, Hundetrainer, diverse Internetanfragen an Hundetherapeuten, ...), die Antworten waren jedoch weitgehend niederschmetternd und zum Teil total kontrovers. Von mehr Bindung aufbauen bis Erziehung durch Leinenruck, Maulkorb- und Leinenpflicht und der Überlegung, den Hund wieder ins Tierheim abzuschieben war so ziemlich alles dabei. Mit 10 Jahren lernt ein Hund sowieso nichts mehr, musste ich mir anhören. Dem kann ich nicht zustimmen, denn Willy hat schon viel gelernt, seit er bei mir ist. Nur weiß ich nicht, wie ich ihm seine Unsicherheit und seine Ängste nehmen kann. Erschwerend kommt natürlich dazu, dass meine eigene Gelassenheit auch zu wünschn übrig lässt, wenn sich eine entsprechende Situation anbahnt und ich merke, ich habs nicht mehr im Griff, ich bekomm seine Aufmerksamkeit nicht mehr. Und Ausweichen und Bogenlaufen ist halt nicht immer möglich.
Aber Aufgeben will ich nicht. Willy ist noch agil wie ein junger Hund und wird regelmäßig auch als solcher von fremden Personen eingeschätzt. Die sind dann immer total platt, wenn ich ihnen sage, dass er schon ein Senior von 10 Jahren ist.
Anzumerken wäre dann noch, dass er sich mit fast allen Hündinnen und auch mit ein paar Rüden super versteht.
Sein bester Hundekumpel ist beispielsweise ein Rüde (Münsterländermix). Erwähnenswert ist vielleicht auch noch, dass er sich im Dunkeln und vor allen dunkel gekleideten Personen, dunklen Hunden und Gegenständen extrem fürchtet. Wenn im Hausflur das Licht ausgeht, wenn wir auf dem Weg nach draußen sind, geht er keinen Schritt mehr weiter, eher würd ich ihm das Geschirr vom Leib reißen. Erst wenn ich das Licht wieder anknipse geht er weiter. Nachts ist er besonders unruhig. Er steht unzählige Male auf, wandert umher, legt sich mal hier, mal dort hin, kontrolliert, ob ich mich auch wirklich noch in meinem Bett befinde, um sich dann mit einem tiefen Seufzer wieder auf seiner Decke oder in seiner Hütte abzulegen. Hab versucht, ihn mit Zylkene (Tipp vom TA) ruhiger zu bekommen. Hat sehr gut funktioniert, jedoch kann ich es nicht absetzen, ohne dass das Spiel von neuem beginnt. Und ob eine dauerhafte Verabreichung sinnvoll ist, weiß ich nicht.Das hört sich jetzt sicher alles schrecklich an, aber wenn keine Aufregung ins Haus steht ist mein Willy ein wirklicher Schatz, eine Schmusebacke, die es genießt gestreichelt und massiert zu werden. Er fordert nichts ein, ist zufrieden mit dem was er hat und ich ihm biete, freut sich auf sein selbst zubereitetes Futter (da tropft dann schon mal das Maul vor Vorfreude) und lässt problemlos das komplette Pflegeprogramm über sich ergehen.
Das war jetzt ein langer Bericht, aber ich hoffe, dass mir irgendjemand mit Tipps weiterhelfen kann.
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Hallo,
erst einmal möchte ich dir sagen, dass ich es ganz toll finde, dass du so einen schwierigen "Problemhund" bei dir aufgenommen hast, um ihm noch ein paar schöne Jahre zu bereiten.
Da ich mit Basko auch so einige Probleme habe bzw. hatte, kann ich gut nachvollziehen, wieviel Kraft und Nerven dein Willy dich schon gekostet hat.Ich würde dir allerdings empfehlen, einen eigenen Thread zu den Problemen deines Hundes aufzumachen, denn hier geht eure Geschichte vielleicht eher unter.
Ansonsten würde ich dir empfehlen, viel mit positiver Bestärkung, aber auch mit Konsequenz zu arbeiten. Unsichere Hunde brauchen keine Härte/Strenge, aber sie brauchen feste Regeln und einen Menschen, auf den sie sich verlassen können.
Falls du ein wenig Zeit übrig hast , kannst du dich ja mal in den Thread "Zeigen und Benennen" einlesen. Mir hat es bei Basko geholfen, überhaupt "einen Fuß in die Tür zu bekommen".
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