Erst dachte ich, das Mädchen mit Down Syndrom hat Angst. Dann merkte ich, dass es interessiert war und hab ihn hin gelassen. Er hat sich neben sie gesetzt und sich zwanzig Minuten lang umarmen lassen, bis das Mädchen zum Bus musste. "Das war ihr schönster Moment der Wienwoche" sagten die Lehrerinnen.

R. sah gefährlich aus und ziemlich verrückt. Er war nur ein bisschen verrückt und gar nicht gefährlich. Er fand toll, dass sein Bauhelm die selbe Farbe hatte wie der Beißkorb vom Hund und fuhr in voller Verkleidung aus roter Badehose, Gummistiefel und Helm eine Runde mit dem Hund ums Obdachlosenheim. Auf dem Tretroller. Der Hund schmiegte sich an ihn und machte sich nichts aus den motorischen Störungen nach dem schweren Unfall.

Er saß bei alten Häfenbrüdern, Zuhältern und Spielern auf dem Bett und ließ sich streicheln und sorgte für Unterhaltung und das erste bisschen Nähe seit Jahrzehnten.

Im Seniorenheim lies er sich vom Rollstuhl aus spazieren führen.

Als der Anruf kam, dass der alte Herr H. vetstorben war, saß er bis zwei Uhr morgens neben der trauernden Witwe und war einfach da. Das hat sie ihm nie vergessen.

Er ging mit kleinen Kindern an der losen Leine und er ist der Grund, warum im Viertel eine ganze Menge türkischer und arabischer Kinder ihren Eltern in den Ohren liegen, dass sie einen Hund wollen.
Er hat so vielen Kindern die Hundeangst genommen, dass man sie gar nicht mehr zählen kann. Obwohl ihn jeder für einen Dobermann gehalten hat.

Er hat das alles nie gelernt. Er war einfach so.

Ich füttere keine fremden Hunde. Bis ich bemerkte, dass ich einen fremden Hund füttere. Den verbliebenen schwarzen Galgo ausm Viertel.

Beim Spaziergang fehlt einer. Die Blicke streifen suchend seine Lieblingsgebüsche und dann fälllt es mir wieder ein.

Die Hundeecke ist sehr leer, obwohl da Hunde sind. Der Mann macht schon wieder schlechte Witze darüber, dass trotz 1/3 weniger Hund der Gekeiffpegel bei 100% geblieben ist. Würd ich ihn nicht kennen, wär ich sauer. Aber er hat dem Senior zum Abschied noch etwas ins Ohr geflüstert. Er wird mir nie sagen, was es war, aber den einen Wasserfleck im Auge hab ich bemerkt.

Ich hätte den Senior gern zurück. Sein altes Wesen, also das junge eigentlich. Eines, das ewig so bleibt. Aber es wäre nicht geblieben. Was ich mir wünsche ist nicht mehr - und war auch nicht mehr.

Mir fällt erst jetzt auf, wieviel eigentlich für ihn schon geändert und gekürzt wurde, dass es längst nicht mehr so war, wie ich dachte. 3x mal hat er sich hochgerappelt, in den letzten 3 Jahren. Diesmal, waren sich alle einig, kommt kein Hoch mehr.

Er ist vor dem letzten Tief gegangen. Es war zu früh und gerade richtig. Es machte Sinn. Insofern hab ich meinen Frieden damit. Und irgendwann wird das Warten darauf, dass er endlich aus dem Gebüsch raus kommt aufhören. Seine Geschichten allerdings bleiben sowieso.