Labrador Collie Mix Gernegroß, Angsthase und seine überforderten Halter

  • Keine große Hundedichte werde ich hier nirgendwo finden. Manchmal glaube ich, dass hier mehr Hunde als Menschen wohnen. Sie sind überall, besonders die Tretminen.

    In dem Alter bin ich mit meinem halt einfach mit dem Auto alle 2 Tage bisschen rausgefahren.
    Mach ich eh oft.


    Vielleicht könnt ihr mit dem auto oder Fahrradanhänger bis zum Waldrand fahren?

  • Ok, es ist ein Colliemix und nicht alle Collies drehen gerne mal hol.


    Aber mich erinnert das alles sehr an Geordy-Junghund. Deshalb würde ich all diese Gruselgeschichten von Schilddrüse und Deprivation erstmal ganz weit wegschieben. Manchmal reicht es auch, einfach total reizoffen in falscher Umgebung zu sein. Die läufige Hündin tut dann den Rest dazu.


    Es klingt so, als hättest du kein Auto zur Verfügung. Dann such dir in den Kleinanzeigen einen gebrauchten Fahrradanhänger, notfalls auch noch ein gebrauchtes Rad. Für die Strecke zum Wald wird das schon reichen. Nimm den einfach so gut es geht auch für Pipirunden aus diesem Stadtstreß mit all den Hunden raus. Mache im Wald eine Mischung aus Bewegung und "wir gucken uns die Welt an". Nimm ein Buch mit. Du kannst ein paar ruhige Dinge abfragen, wenn sein Kopf das hergibt. Aber lass die Hochpuscherei mit Zergel und Balli. Und wenn er fordert, dann lies halt ein bißchen. Kannst ihm auch was vorlesen.


    Das soll ja nicht für immer so bleiben. Aber im Moment wäre das mein Weg.

  • So, erstmal vielen Dank für die vielen hilfreichen Tipps und die offenen Ohren! Hier meine Problemchen niederzuschreiben hat mir echt geholfen, die Situation anders zu bewerten und klare Gedanken zu fassen. Weiterhin steht mittlerweile ein Angebot meiner Mutter im Raum, dass sie den Hund übernimmt, wenn es für uns und ihn nicht geht. SIe wohnt auf einem ehemaligen Bauernhof, wenig Verkehr, riesiges für ihre eigenen und Pflegehunde sicher eingezäuntes Grundstück – kurz: der Hundehimmel.


    Ein kurzes Update:
    Im großen und ganzen ist es mittlerweile okay. Es geht drei Schritte vorwärts, dann wieder 2 (manchmal 4) zurück und schließlich doch wieder voran. Wir gehen mittlerweile auf eine kleine Wiese hier um die Ecke, die von anderen Hundebesitzern gemieden wird, da man dort eigentlich nicht mit Hunden hin darf, aber mein Hund löst sich vorher, ich habe Kotbeutel sichtbar an meinem Leckerliebeutel und die Kinder auf dem Spielplatz direkt nebenan freuen sich, wenn sie den Hund beobachten können. Dementsprechend auch die Eltern, die dann 15 Minuten Pause haben. Wo kein Richter... ;) Wir schrauben das Programm GANZ langsam hoch und gehen seit 3 Wochen jeden Sonntag mit einem von meinen Schwiegereltern geliehenen Auto in den Wald. Wir haben uns einen Fahrradanhänger besorgt, aber wegen der Panik vor Fahrrädern, ist er von dem Teil mehr als nur gegruselt. Ich habe Fahrrad und Anhänger ins Wohnzimmer gestellt und einfach mal stehen lassen. Mittlerweile fordert er das Rad zum Spielen auf, aber der Anhänger ist ihm noch immer suspekt. Wir haben einfach mal so getan, als wäre das Rad im Wohnzimmer das normalste auf der Welt und hatten mit dieser Strategie ausnahmsweise erfolg. Das Rad ist Fest an der Wand verschraubt, also kann da auch nichts passieren und alleine ist er im Wohnzimmer auch nie. Er hat den Wald so sehr mit dem Auto verbunden, dass er mittlerweile jedem ähnlichen Fahrzeug mit sehnsüchtigem Blick hinterherschaut und freiwillig ins bisher so gehasste Auto einsteigt, denn Auto = Wald = YEAH! Also können wir uns mit dem Anhänger viel viel Zeit lassen. WÄhrend ich das schreibe liegt er völlig entspannt und eingekuschelt hinter mir auf der Couch und das obwohl das Fenster offen ist und draußen ein Laubbläser läuft. Ich bin mehr als glücklich mit den letzten 1,5 Monaten.



    Jetzt bin ich allerdings an einem "neuen" Problemchen angekommen: Leinenführigkeit.
    Ich weiß, das klingt nach einem Luxusproblem, wenn man bedenkt, was der arme Racker schon so hinter sich hat und wieviel er schon gelernt hat, aber ich glaube, dass es der Schlüssel zu allem weiteren ist. Mit meinen anderen Hunden habe ich das bisher stets so gehandhabt, dass ich sobald sie nach vorne sind, eine Drehung gemacht habe und das ging dem Hund irgendwann so auf die Nerven, dass er mir gefolgt ist. Für unseren aktuellen Schnuckel ist das aber purer Stress. Selbst in der Wohnung oder im Wald, ist das nicht sein Ding. Er will mich führen, er will mir die Welt zeigen und manchmal ist er dazu auch in der Stimmung/Lage und er findet es super, wenn wir in die Richtung gehen, die er vorschlägt. Bis ihm die Richtungen ausgehen oder er sich gruselt und er mir mehr oder weniger die Führung überlässt. Dennoch ich finde keinen rechten Weg, ihm zu erklären, dass die Leine etwas gutes ist. Wir haben ihm mittlerweile die Leine auch in der Wohnung stundenweise angelegt und spielen dabei beruhigende Musik, alle Fenster zu und manchmal gibt es dazu Kuscheleinheiten, aber seine Reaktion auf einen Richtungswechsel ist und bleibt alle 4 Pfoten auf den Boden und seinen Körper entgegen dem Zug ins Geschirr zu legen. Das geht so weit, dass ich ihn über den Boden schleifen muss, wenn eine tatsächliche Gefahrensituation erwäschst, weil er stehenbleiben möchte, um z.B. Autos zu beobachten. Bremsen scheint in Mannheim jedoch verboten zu sein und Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer wurde aus der STVO gestrichen, denn das stört nur beim Fahren. ;) Aber mal von arschigen Autofahrern abgesehen: Auch in anderen Situationen versucht er sich mit dem Dampfhammer durchzusetzen. Ob aus Angst oder weil eine besonders interessante Hundedame sich 2 Schritte außerhalb des Leinenradius gelöst hat, ist letztlich egal. Einfach stehenbleiben führt dazu, dass er sich hinsetzt mit der Leine auf vollem Zug. Ein Tipp einer Hundetrainierin war ihn zu blockieren, aber nachdem sie mir erklärt hat, was das ist, habe ich ihr gekündigt. Ich mache sicher keine schnelle Handbewegung oder schiebe mein Knie vor meinen ängstlichen Hund, um ihm den Weg zu versperren. Mit dem Clicker klappt es auch nicht so recht, denn die Verbindung Leine und Panik war von Anfang an verfestigt. Er wurde wohl mit einer Schlaufe eingefangen und findet das entsprechend grausam, wenn etwas auch nur ganz zart an ihm zieht. Absetzen und zart Zug auf die Leine aufbauen, Belohnung, wenn er sitzen bleibt, klappt mittlerweile drinnen und in Ruhe im Wald/auf der verbotenen Wiese gut, aber kommen, wenn ich rufe, ist für unseren Hund eher ein Vorschlag, wenn er etwas gruseliges/interessantes sieht. Was insgesamt natürlich okay ist, ich will ja keinen Robohund, aber in Gefahrensituationen wäre es super, wenn er an meiner Stimme spürt, dass es wichtig ist. Ich habe aktuell das Program, ihm Kommandos in unterschiedlichen Lautstärken zu geben und je lauter desto besser die Belohnung. Das klappt recht gut, aber halt auch nur, wenn keine Ablenkung da ist. Habt ihr noch ein paar geniale Tipps, die ich mit ihm probieren könnte? Vielen Dank schonmal!

  • Vielleicht versuchst du lieber den hund zu führen, als umgekehrt. Damit ist eigentlich jeder Hund überfordert.
    Leinenführigkeit übe ich wie jeden anderen Trick über shapen, belohnen und verankern. Das ist viel stressfreier als das abwenden und im Grunde unter Bestrafung raten lassen, was den nun evtl richtig ist. Gerade für intelligente Hunde oder sehr sensible Hunde.

  • Danke für den Hinweis, Lurchers. Unter Strafe passiert hier relativ wenig, weil er das eh nicht so recht versteht und auf laute Männerstimmen ängstlich reagiert. Allerdings ist die Methode wirklich eher dämlich. Wieso ist das der Goldstandard in so ziemlich allen Hundeschulen, die ich bisher besucht habe? Wenn ich mal drüber nachdenke, erscheint es mir völlig sinnfrei. Naja, ich korrigiere sein Verhalten mit "ah ah" und wenn er dann ablässt Klicker. In der Wohnung kann er mittlerweile: Hier, SItz, Platz, Fuß, Bett, Rechts und links drehen, Pfote rechts und links, auf den Hinterläufen stehen, seine Vorderbeine auf meine Schultern legen, um mir das Hochheben zu erleichtern, auf einen niedrigen Tisch springen und darauf stehen/liegen/seinen Bauch zeigen (Tierarztsimulation), entspannt an der Leine laufen, Lichtschalter betätigen, durch einen Tunnel laufen, über Hindernisse springen, sowie drunter durch krabbeln, kennt seine 4 Spielzeuge beim Namen und bringt sie mir auf Bitte.
    Aber draußen ist es mir nicht möglich ihn zu führen. Unter 2 Meter Leine geht er nirgendwohin. Lasse ich ihn an der Leine vor, lässt er sich auch korrigieren, führt Kommandos recht sicher aus, schaut sich aber vorher immer um, ob nicht irgendetwas spannenderes oder gruseliges zu sehen ist und das, obwohl ich die Kommandos bewusst immer und immer wieder "einfach so" benutze und diese Verknüpfung damit vermeiden wollte.
    Er schnuppert an einer Hauswand, hebt das Bein ganz leicht, "ah ah", er senkt das Bein, "klick". Und so funktioniert das mit richtig richtig vielen Sachen wirklich gut, aber wenn er an einer Stelle schnuppern möchte oder zu einem anderen Hund will, zieht er da hin und ich kann sagen und tun, was ich will. Wenn er einen anderen Hund sieht, flippt er förmlich aus. Der Tierarzt empfiehlt Kastration, da er den Sexualtrieb als Auslöser für das aktuelle Verhalten meines lieben Doofies sieht.


    Hast du vielleicht ein Video dazu oder könntest mir sagen, wie du das genau anstellen würdest? Ich bin etwas verloren, denn drinnen ist er wirklich der beste Hund, macht jeden Mist und ist so aufmerksam und gelehrig, aber vielleicht braucht er einfach noch ein wenig. Zeit und Ruhe geben war bisher der absolut beste Vorschlag!

  • Danke für den Hinweis, Lurchers. Unter Strafe passiert hier relativ wenig, weil er das eh nicht so recht versteht und auf laute Männerstimmen ängstlich reagiert. Allerdings ist die Methode wirklich eher dämlich. Wieso ist das der Goldstandard in so ziemlich allen Hundeschulen, die ich bisher besucht habe? Wenn ich mal drüber nachdenke, erscheint es mir völlig sinnfrei. Naja, ich korrigiere sein Verhalten mit "ah ah" und wenn er dann ablässt Klicker. In der Wohnung kann er mittlerweile: Hier, SItz, Platz, Fuß, Bett, Rechts und links drehen, Pfote rechts und links, auf den Hinterläufen stehen, seine Vorderbeine auf meine Schultern legen, um mir das Hochheben zu erleichtern, auf einen niedrigen Tisch springen und darauf stehen/liegen/seinen Bauch zeigen (Tierarztsimulation), entspannt an der Leine laufen, Lichtschalter betätigen, durch einen Tunnel laufen, über Hindernisse springen, sowie drunter durch krabbeln, kennt seine 4 Spielzeuge beim Namen und bringt sie mir auf Bitte.
    Aber draußen ist es mir nicht möglich ihn zu führen. Unter 2 Meter Leine geht er nirgendwohin. Lasse ich ihn an der Leine vor, lässt er sich auch korrigieren, führt Kommandos recht sicher aus, schaut sich aber vorher immer um, ob nicht irgendetwas spannenderes oder gruseliges zu sehen ist und das, obwohl ich die Kommandos bewusst immer und immer wieder "einfach so" benutze und diese Verknüpfung damit vermeiden wollte.
    Er schnuppert an einer Hauswand, hebt das Bein ganz leicht, "ah ah", er senkt das Bein, "klick". Und so funktioniert das mit richtig richtig vielen Sachen wirklich gut, aber wenn er an einer Stelle schnuppern möchte oder zu einem anderen Hund will, zieht er da hin und ich kann sagen und tun, was ich will. Wenn er einen anderen Hund sieht, flippt er förmlich aus. Der Tierarzt empfiehlt Kastration, da er den Sexualtrieb als Auslöser für das aktuelle Verhalten meines lieben Doofies sieht.


    Hast du vielleicht ein Video dazu oder könntest mir sagen, wie du das genau anstellen würdest? Ich bin etwas verloren, denn drinnen ist er wirklich der beste Hund, macht jeden Mist und ist so aufmerksam und gelehrig, aber vielleicht braucht er einfach noch ein wenig. Zeit und Ruhe geben war bisher der absolut beste Vorschlag!

    Um Himmelswillen bitte keine Kastration in dem Alter. Kurz gesagt, ist der Hund weder körperlich noch geistig ausgewachsen und kann bei einer Kastration psychisch auf dem Level bleiben. Vom unausgereiften Hormonspiegel mal abgesehen. Und natürlich entdeckt er seine Umwelt und lässt sich leicht ablenken. Wie viele Teenager sitzen denn jeden Nachmittag ohne Handy und Entertainment zuhause, machen Hausaufgaben und Lernen ;) ?

  • Meine Lieben Tierfreunde,

    ich möchte mich nochmal ganz herzlich für die vielen Hinweise bedanken und gleichzeitig ein Update geben: Wir haben den kleinen Kerl dann mit 16 Monaten kastriert und sein Verhalten hat sich sehr verändert. Er hat sich danach nämlich endlich für Menschen interessiert und war dadurch dann auch trainierbar. Wir können mittlerweile ohne Panikattacken so ziemlich alles tun. Es geht fast schon so weit, dass er zu selbstbewusst ist, denn er hat kürzlich versucht einen Aufsitzrasenmäher, während er über die Wiese fuhr, genauer zu inspizieren, was zwar einerseits für uns sehr erfreulich ist, wenn wir bedenken, wie er früher darauf reagiert hätte, aber eben sehr gefährlich. ;) Wir fahren Fahrrad, gehen in einen Hundepark (in dem er einer der beliebtesten Hunde und Spielpartner für Mensch und Tier ist), gehen wöchentlich in den Wald und können sogar in Restaurants essen gehen. Von der Innenstadt wäre er sicherlich noch immer überfordert, aber die setzt ja selbst uns Menschen zu. Dementsprechend halten wir uns davon einfach fern – einkaufen kann ich schließlich auch alleine. Er mag noch immer keine Straßenbahnen und darin fahren auch nicht, aber toleriert es, achtet auf uns und verhält sich ruhig. Er ist sehr kuschlig, seinen Haltern sehr zugewandt und insgesamt ein wahrhaft toller Hund. Unser Hund ist glücklich, ich bin froh über das Ergebnis und wie unermüdlich der kleine Kerl mitgemacht hat, ist einfach erstaunlich.

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