Junghund springt und verbeisst sich heftig in Ärmel (Frust? Überforderung?)

  • Hallo,


    nun möchte ich doch einen eigenes Thema starten, da ich hier zwar viele andere Gespräche über die Beißhemmung bei Welpen gelesen habe, aber es unsere aktuelle Trainingsbaustelle doch alles nicht ganz trifft... Ich versuche, euch ein umfassendes Bild zu malen und wäre dankbar, wenn sich jemand die Zeit für den Roman nimmt ;)


    Grundsätzlich geht es um folgendes Problem: Ria, mein 5Monate junger Dt. Schäferhund Teenie, war schon als Welpe ein richtiger Kampfzwerg. Alles musste attackiert werden, überall hinterließen die spitzen Beißerchen Spuren, ein reines „Quietschen“ hat sie NULL beeindruckt sondern nur noch mehr angestachelt... Wir haben das mit einer Mischung aus Alternativen anbieten und kurzen Auszeiten ganz gut in den Griff bekommen. Und dann kam der Zahnwechsel... Sie hat wirklich überdurchschnittlich damit zu tun gehabt, hatte teils auch Fieber, schlief schlecht, wimmerte und hatte immer irgendwas im Mund (in Hoch auf Kongs!). Wir sind nun gottseidank bald durch diese Phase durch, aber leider hat sich seit Beginn des Zahnwechsels ein neues Verhalten eingeschlichen, was uns in den Wahnsinn treibt!! Wann immer sie überfordert oder extrem gefrustet ist, macht ihr Köpfchen zu und anstatt – wie wir oft bei anderen Junghunden beobachtet haben – in die Leine zu beissen oder wild herumzuhüpfen oder zu bellen, springt sie an uns hoch und verbeisst sich richtig fest in unsere Ärmel. Jetzt mit Winterjacken geht das ja noch, mit nackten Armen hätte ich wohl blaue Flecken davon. Drinnen passiert es nie, nur draußen. Auffallend ist auch, dass es oft bei unseren Pinkelrunden passiert, vor allem, wenn Nummer 2 fällig ist. Wir gehen wirklich nur direkt vor die Haustür mit ihr und immer auf die gleiche Wiese, sie weiß also genau, was wir wollen und wir wissen genau, dass sie muss. Und trotzdem ist es oft ein riesen Theater bevor sie sich dann löst. Ich meine, dass sie runter und raus muss zum Lösen, das können wir nunmal nicht ändern. Und da wir an einer Straße wohnen, muss es auch an der Leine und in unserer Anwesenheit passieren, wir können sie also nicht einfach alleine in den Garten lassen dafür oder ähnliches.
    Wir haben auf das Beißen und Springen immer mit einem scharfen „Nein!“ reagiert, sie am nächsten Zaun/Laternenpfahl festgemacht und uns aus ihrer Reichweite entfernt und sie ignoriert, bis sie sich beruhigt hatte und es weitergehen konnte (auf die Leine treten half nichts, da ist sie auf die Beine losgegangen; sie festhalten o.Ä. half nix, das hat sie als Spielaufforderung verstanden; sie ablenken oder einen Befehl geben half nix, ihr kleines Hirn ist dann einfach nicht mehr erreichbar). Wir versuchen außerdem, das Verhalten so gut es geht präventiv zu verhindern – man sieht es ihr meistens in der Sekunde vorher schon an – und fragen ein Alternativverhalten ab, was stetig belohnt wird, wenn sie es denn zeigt. Phasenweise wurde es schon viel besser, verschwand völlig und plötzlich ist das Verhalten wieder da, als ob ihr wieder eingefallen ist, dass ihr das Spaß macht. Und wir haben Sorge, dass wir es doch nicht richtig angehen und es sich einschleifen könnte. Sie ist mittlerweile einfach schon sehr groß (25kg) und stark und es macht uns vermehrt Sorgen, dass es mehr als „nur eine Phase“ sein könnte oder wir uns nicht durchsetzen können gegen den Teenagerwahnsinn... :muede:


    Ein bisschen mehr Hintergrundinfo braucht ihr vermutlich noch: Ria kam ohne besonders auffälligen Hintergrund zu uns, verlässliche Züchterin, wuchs bis sie 10 Wochen alt war mit anderen Hunden, Mutter und Geschwister auf und wir haben sie gut sozialisiert. Sie hat vor nichts Angst, ihr Problem ist eher das zur-Ruhe-kommen, sich beherrschen und Frustration aushalten können. Daran arbeiten wir primär, nicht etwa an Tricks. Eine Box hat uns z.B. unglaublich geholfen, damit sie auch mal schläft und nicht immer hin und her tingelt. Sie würde am liebsten den ganzen Tag entdecken, raufen und toben, aber je mehr sie das tut, desto überdrehter und unausstehlicher wird sie. Wir persönlich denken, dass ihr Schnappverhalten vor allem als Stressabbau/Frustventil/Übersprungshandlung dient und legen daher besondere Fokus darauf, ihre Frustrationstoleranz zu erhöhen (auf Essen warten, draußen auf der Parkbank sitzen und beobachten statt toben, mit ihrem Spielzeug spielen und es wieder weglegen ohne dass gespielt wird, Leckerlies , die vor ihr liegen erst auf Kommando essen dürfen und und und). Das kombinieren wir damit, dass wir ihr Programm heruntergefahren haben, weil sie immer noch sehr schnell überfordert wirkt mit Umweltreizen. Uns ist definitiv aufgefallen, dass sie eher diese Ausraster bekommt, wenn sie einen aufregenden Tag hatte oder schlecht/wenig geschlafen hat. Ihr übliches "Programm" war als Welpe eigentlich nur draußen an derselben Stelle lösen und alle zwei Tage sind mir mal für 10min an einen neuen Ort und haben ihr die Welt gezeigt (Menschen, Autos, andere Hunde, Autofahren, Tierarzt, ...). Danach immer ein voller Ruhetag ohne was Neues. Ihre Spaziergänge sind nun mit 5 Monaten länger geworden, aber nie länger als 20 bis max. 30min pro Tag. Auch wird dann nicht immer an einen neuen Ort gegangen und nicht immer mit anderen Hunden getobt, sondern oft sitzen wir auf einer Bank, schauen uns alles an oder machen ruhige Suchspiele mit ihr. In der Wohnung wird sie nicht immer bespaßt, sondern wir trainieren kurz und dosiert, spielen hier und da, und machen dann wieder unser Ding, nach etwa 2h wach sein schläft sie dann auch schon wieder - mal freiwillig unterm Schreibtisch, mal verdonnert in ihrer Box. Ich wüsste also ehrlich gesagt kaum, wie wie ihr Programm noch mehr herunterfahren sollten! Falls jetzt jemand sagt, sie müsse einfach MEHR ausgelastet werden, kann ich mich klar dagegen aussprechen, das haben wir versucht und es hat alles nur noch schlimmer gemacht. Hundeschule haben wir derzeit pausiert, unsere Trainerin meinte auch, dass Ria sehr überdreht scheine, erstmal wieder zur Ruhe kommen und den Zahnwechsel überstehen solle. Unsere Trainerin hat viel Erfahrung mit Hütehunden, erzählt uns immer davon, dass dieses Frust-nicht-aushalten-können ganz typisch sei am Anfang und hat ähnliches Beiß-Verhalten schon einmal bei einem jungen Malinois erlebt, bei dem die Besitzer darauf reagiert haben wie wir und bei dem hat es sich dann schließlich ausgewachsen...


    Abschließend noch etwas zu uns selbst: Wir wohnen in einer ruhigen Vorstadt und mein Partner und ich kümmern uns gemeinsam um die Kleine. Ria ist nicht unser erster Hund und wir haben Erfahrung mit der Rasse. Allerdings ist sie unser erster Welpe und wir merken, dass das ne ganz andere Erziehungskiste ist als bei einem erwachsenen Hund... :D Wir erziehen gewaltfrei, belohnen und bestärken alles Gute (Clickern auch viel), ignorieren Quatsch, unterbinden aktiv nicht-tolerierbares Verhalten (z.B. durch Auszeit in ihrer Box, verbale Zurechtweisung, körpersprachliches Eingrenzen etc.), versuchen zu ruhig, konsequent und fair zu bleiben wie möglich. In den meisten Situationen zeigt Ria sich klar unterwürfig, sehr lernwillig und akzeptiert die von uns aufgestellten Regeln und wir sind insgesamt super zufrieden mit ihrem Trainingsfortschritt - nuuuuuur diese wilden Sprungbisse scheinen sich irgendwie eingeschlichen zu haben :ka: und wir wären sehr, sehr dankbar für weitere Tipps oder auch Erfahrungsberichte von Leuten, die ähnliches bei ihrem Welpen/Junghunden erlebt haben.


    Vielen Dank!!

  • Kling schlicht und ergreifend nach einem jungen DSH der keine ausreichende Frustrationstoleranz gelernt hat und auch keinen Respekt vor euch und euren körperlichen Grenzen hat.


    Das

    ignorieren Quatsch

    funktioniert bei selbstbelohnendem Verhalten nicht, wozu anspringen und kneifen gehören, denn sie erreicht ja etwas damit.


    Die Lösung wäre hier relativ einfach... beim nächsten Mal wenn sie es macht gäbe es hier ein Donnerwetter, dass der Hund die nächsten Meter auf dem Bauch daher kommt. Nein, nicht schlagen, sondern verbal und körpersprachlich.
    Für so ein rotzfreches Verhalten gibt es kein Alternativverhalten, keinen Clicker und Keksi.
    Stressreduzierung, Toleranzaufbau... ja, alles nebenher. Aber zu Beginn würde ich ganz einfach klären, dass Körperlichkeit gegen mich absolut keine Option ist und erntshafte Konsequenzen hat.
    Mein Körper ist tabu in allen Lebenslagen und schluss.

  • Danke erstmal für deine schnelle Antwort!
    Ich stimme dir in soweit zu, dass es grenzenüberschreitendes Verhalten ihrerseits ist, das unterbunden werden muss. Sie war wirklich von Anfang an so und hat schon enorme Fortschritte gemacht. Ich würde also schon sagen, dass sie ihre Grenzen lernt, aber sie ist und war noch nie ein Hund, bei dem ein strenges Nein reicht zur Grenzensetzung.


    Verbales Donnerwetter und körpersprachliches Einschränken gibt es durchaus von unserer Seite (hatte ich auch geschrieben), aber das ist so eine 50-50 Sache. Mal hilft es und sie reagiert gut darauf, mal geht sie stattdessen nach vorne und testet weiter. Und das passiert in Situationen, wo sie nach meiner Einschätzung nach schon "so drüber ist", dass sie gar nicht mehr richtig entscheiden KANN. Wie ein bockiges Kleinkind, mit dem man eben auch nicht mehr vernünftig diskutieren kann, sondern es wortlos ins Bett steckt. Und dann hat wirklich immer nur geholfen, sie aus der Sitation zu nehmen bzw. weg von uns. Sprich Leine an Pfosten, zurück wenn lieb, Geschäft erledigen, ab in die Box. Und sobald die Energien sich etwas abgekühlt oder sie geschlafen hatte, ist alles wieder harmonisch.


    Grundsätzlich denke ich daher schon, dass das reine Unterbrechen durchs räumliche Entfernen etwas bringt. Die Frage ist nur, ob wir zu ungeduldig sind mit den bisherigen Erfolgen damit oder ob es vielleicht doch die komplett falsche oder zu laxe Herangehensweise ist, wie z.B. auch du zu denken scheinst...

  • Sprich Leine an Pfosten, zurück wenn lieb, Geschäft erledigen, ab in die Box. Und sobald die Energien sich etwas abgekühlt oder sie geschlafen hatte, ist alles wieder harmonisch.


    Ja, hat nur jetzt fünf Monate lang nicht wirklich was geändert oder?
    Das ist Situationsmangement was ihr da betreibt und kein Training und das:



    aber das ist so eine 50-50 Sache. Mal hilft es und sie reagiert gut darauf, mal geht sie stattdessen nach vorne und testet weiter.

    deutet an, dass sie bereits gelernt hat, dass ihr nachgebt, wenn sie nachsetzt.


    Das hat nichts mit "so drüber, dass sie nicht mehr lernen kann" zu tun. Wäre der Hund mit 5 Monaten bereits so überdreht, dass er diesen Status schon erreichen würde, wäre etwas ganz gewaltig schief laufen und das wäre auch in anderen Bereichen des Alltags zu erkennen.
    Ja, es gibt Hunde die genetisch da eher dazu neigen, manche Vererber geben das gern mal mit auf den Weg, dass die schneller in die Hysterie kippen, aber in dem Alter wäre das schon mehr als bedenklich.


    So wie du es beschreibst, ist es ein Hund, der gerade dabei ist Stück für Stück die Grenzen des Erlaubten vrschiebt.


    Und die 50:50 Chance würde er hier gar nicht bekommen, da gäbe es bereits beim ersten Versuch ein dermaßenenes Donenrwetter, dass er es kein zweites Mal mehr wagt.
    Vor allem müsst ihr lernen zu agieren und nicht erst dann zu reagieren, wenn euch der Hund schon im Arm hängt. Dann ist es nämlich bereits zu spät und ihr braucht wesentlich mehr Druck, um den Erfolg zu übertönen.
    Schon im Vorfeld wenn der Hund gerade dabei ist loszulegen, abr noch bevor er wirklich in Aktion ist, müsst ihr agieren und die Kette abbrechen, bevor sie beginnt.


    Sonst nimmt es für den Hund den gewöhnten Verlauf und das Spiel beginnt wieder von vorne.

  • Gibt mir natürlich zu Denken, was du sagst und wir werden nochmal stärker darauf achten, wie präsent wir in den Momenten reagieren. Ich stimme dir total zu, dass der Ansatz vor allem präventiv sein muss, weil es sonst echt eine Dominosteinkette ankippt. Mit "agieren, bevor es losgeht" meinst du, sie quasi streng vorzuwarnen, es zu lassen, sonst krachts oder wie würde das genau aussehen bei dir...? Klingt erstmal leichter gesagt, als getan, aber das liegt natürlich auch an der Natur eines Chatforums...

  • Ihr müsst agieren, bevor der Hund es tut.
    Wie ihr es macht, ist erst mal egal. Ihr müsst nur lernen, den Moment zu erkennen, bevor der Hund auslöst und es an dieser Stelle abzubrechen.
    Aktuell gibt der Hund den Weg in der Situation vor. Er agiert, ihr reagiert. Er kontrolliert die Situation und ihr folgt und das müsst ihr ändern.


    Ihr könnt es mit Ansprache versuchen, damit der Hund merkt, ihr habt die Situation erkannt, ihr gebt den Weg vor und ihr bestimmt, was in der Situation angemessen ist und was nicht.


    Ihr solltet immer Hinterkopf behalten, euer Hund ist erst 5 Monate alt. Wenn er die Aktion "Frauchen/Herrchen annagen" als Lösungsstrategie erst einmal richtig etabliert, wird es später, wenn in der Pubertät und nach der Geschlechtsreife weitere potentielle Frustquellen hinzukommen können, erst richtig interessant und es dann noch zu unterbinden könnte unter Umständen sehr unschön werden.

  • Ja, das sehe ich genau so, weshalb mir das Verhalten ja auch mehr und mehr Kopfschmerzen macht. Es muss umgeleitet/ausgetauscht/verboten werden, bevor sie es fest ins Repertoire aufnimmt und als zukünftig großer Hund ist das einfach umso inakzeptabler... Wir arbeiten weiter dran und werden deine Ratschläge berücksichtigen, danke erstmal.


    Was mir noch sehr helfen würde, wären Erfahrungsberichte von Leuten, die ähnliches durch haben: wie lang ging das, was hat geholfen, wie ist der Hund heute drauf? Weil vor allem dieses Ausrasten, wenn sie eigentlich aufs Klo muss (und wir ja schon unten sind und ihr nicht mehr wirklich weiter helfen können dabei...) habe ich noch nicht bei anderen Hunden erlebt... Wir gehen im Schnitt alle 2h mit ihr runter und wann immer sie ansagt, es liegt also eher nicht daran, dass sie total ausrastet, weil sie so dringend muss...

  • Ich würde darauf achten, dass ihr nur ruhige Dinge mit ihr macht, bei denen sie nicht hochdreht.


    Ansonsten: Solche Mätzchen verbiete ich. Und zwar massiv! Hochdrehen ja, passiert bei einem jungen Hund mal... Aber sorry, das am eigenen Menschen auszulassen geht einfach nicht! Da muss hund ein anderes Ventil finden...

  • Auf jeden Fall! Aber genau hier ergibt sich meine drängende Frage: Verbieten ist das eine, aber kann ich nicht auch aktiv ein Alternativverhalten anbieten/antrainieren!? Dass mein Jungsp(h)und von alleine auf ein besseres Ventil kommt - fraglich. :???: Also was und wie konkret könnte ich ihr eine andere Verhaltensweise antrainieren und die ungewünschte austauschen?

  • Gehorsamstraining. Du hast einen Gebrauchshund, dem macht Arbeiten Spaß, also nutz es. (sry bin in Eile deswegen erst einmal nur so kurz)

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