Werden Hunde „böse“ geboren?

  • Die Frage ist auch was die TS mit "keine schlechten Erfahrungen gemacht" meint.


    Ein Hund muss um vernünftig sozialisiert zu werden viele Erfahrungen machen.
    Jetzt wird übertrieben Hund A einmal von einem Yorki zum Schein angegriffen, denkt sich 'was war das für ein komisches Ding' und trottet weiter seines Weges.
    Bei Hund B reicht das aber auf Grund anderer Anlagen und gerade sensibler Entwicklungsphase aus um per se erst mal andere Hunde gruselig zu finden. Passiert sowas noch zwei Mal (wie wohl den meisten Hunden im urbanen Raum) geht er vielleicht auf Angriff ist die beste Verteidigung über und will im worst case alle Fremdhunde schreddern. Ähnliches ist mit von Menschen angetatscht werden möglich.


    Dem Besitzer (der das drei Jahre später wahrscheinlich nicht merkt in Verbindung bringt) jetzt einen Vorwurf machen?


    Es gibt denke ich auch die Extremfälle wo miniauslöser reichen um Menschen oder Hunde Scheiße zu finden. Wenn es dann noch Hunde sind die sich schwer kontrollieren lassen und nach vorne gehen und die dann mit ihrer Taktik Erfolg haben, dann kann was zu schlimmen Vorfällen kommen.


    Ein Teil wird vielleicht trainierbar sein. Meine Trainerin hat einen Catahoula Leopard der früher Mensch und Hund ernsthaft beschädigt hat und sich bei ihr komplett unauffällig verhält, es ihr überlässt Fremdhunde zu blocken und Menschen ignoriert. Waren wohl 5 Jahre Arbeit in absolut kompetenten Händen auf dem Land.
    Die Frage ist welches Tierheim das leisten kann und wo man solche Halter her bekommt.
    Ich denke auch nicht dass es bei jedem Hund funktioniert ihn wieder kontrollierbar zu machen.


    Ich glaube schon das es Hunde gibt die beim bemühten Durchschnittshundehalter zur 'Bestie' werden. Meist aber eine Kombination aus schlechter Zucht und falscher Umgebung für den Hund (zb Kangal in der Hochhauswohnung).

  • Ich finde das gerade wirklich hoch interessant. Ich verfolge hin und wieder jemanden der gerade dabei ist einen solchen Gnadenhof aufzubauen. Also die Hunde wurden in seine Obhut gegeben unter der Auflage, dass die Hunde entweder bei ihm sterben wenn sie alt sind oder eingeschläfert werden. Vermittlungen sind ohne Ausnahme ausgeschlossen. Man erfährt auch die Geschichte von jedem einzelnen Hund und das was ihnen widerfahren ist kann man sich einfach nicht vorstellen. Aber das ist die Realität und die gehört genauso dazu deswegen beschäftigt mich dass auch immer wieder.

    Ein Säugetier, welches dieses Verhalten zeigt, entspricht also nicht der von der Natur vorgegebenen NORM, es ist abnormal.

    Würde ein solch abnormales Lebewesen in der freien Natur überhaupt lange überleben oder würde die Natur hier schon von selbst aussortieren und regulieren?
    Versucht der Mensch dann nicht im Umkehrschluss etwas am Leben zu erhalten was dafür gar nicht vorgesehen war (ich möchte wirklich nicht darüber entscheiden wer oder was das recht zu leben hat aber das wäre ja nur die logisch Schlussfolgerung daraus?)

  • Ich denke dass es durchaus von Geburt an verhaltensgestörte Hunde gibt. Z.B. und insbesondere durch Inzucht.
    Das wäre dann wohl das hündische Äquivalent zum menschlichen Psychopaten.


    Aber das als böse zu betiteln :ka:

    Dem muss ich zustimmen. Wir haben derzeit so einen Fall im Tierheim sitzen. Drei Welpen aus einer Beschlagnahme, insgesamt wurden 26 Hunde dort rausgeholt, die allesamt derart ingezüchtet waren, dass es ein Graus ist. Vermutlich ist der gesamte Bestand irgendwann aus zwei oder drei Hunden entstanden.
    Zur Verdeutlichung: In einem anderen Tierheim sitzen auch Hunde aus dieser Beschlagnahme, eine Hündin hat dort noch geworfen, alle Welpen kamen tot und stark deformiert zur Welt.


    Einer der inzwischen Junghunde (Geburtsdatum irgendwann im Juni 2018) ist eine kleine Kackbratze. Er hat schon sehr früh seinem Wurfbruder in wirklich heftigen Attacken das Ohr zerbissen, griff von Anfang an jeden anderen Hund an, verteidigt den Menschen, der mal kurz die Leine hält, bis aufs Blut vor anderen Hunden, wenn er mal von etwas abgehalten werden soll, fährt er auch rum und hackt in Menschen...
    Inzwischen hat er gelernt, dass es Hunde gibt, bei denen er besser kleine Brötchen backt, weil die keine Angst vor ihm haben. So greift er eine ihm komplett unbekannte, aber körperlich und mental eigentlich überlegene erwachsene Hündin, die er zum ersten Mal gesehen hat, hemmungslos an und springt ihr direkt an die Kehle. Die Hündin hat panische Angst und flieht. Einen sehr souveränen Rüden ähnlicher Gewichtsklasse sieht er nur und bellt kurz, haut dann aber selber ab. Das wird mal ein sehr kompetenter Mobber, wenn die zukünftigen Besitzer nicht sehr aufpassen.
    Bei meinem Rüden hat er sich noch nie was rausgenommen, der macht einfach mit seinem ganzen Auftreten klar, dass das bei ihm nicht läuft.


    Die beiden Geschwister sind komplett anders, der kleine Rüde ist ein aufgeweckter, netter, etwas nerviger Jungspund, der erstmal mit jedem klarkommt, und die Schwester ein echter Sonnenschein. Gleiche Anlage, gleiche Aufzucht, und einer wird ein Satansbraten, während die anderen beiden total normal im Kopf sind.
    Bei besagtem Hund ist mit ziemlicher Sicherheit im Kopf irgendwas falsch verdrahtet.
    Das Wort "Böse" würde in meinen Augen aber wieder Moral voraussetzen, deshalb tue ich mich schwer, genau diesen Begriff zu verwenden.


    unterm Strich sollte es heißen, dass es Hunde gibt die ohne jemals misshandelt oder geschlagen worden zu sein eben Hunde und Menschen töten.


    Ja, gibt es. Ganz sicher. Aber auch hier würde ich wieder unterscheiden wollen. Es kommt durchaus häufiger vor, dass Hunde in fehlgeleitetes Jagdverhalten kippen und wenn sie dabei einen Artgenossen oder einen kleinen Menschen (hier trifft es ja meistens Kinder) tödlich verletzen, ist das für mich keine gesteigerte Aggression in dem Sinne, in dem wir sie alltagssprachlich verwenden. Einen Hund, der Beute tötet, würde man ja nicht so bezeichnen. Natürlich ist der Ausgang für die Opfer trotzdem der gleiche, sind sind tot, aber die Bewertung wäre für mich eine andere. Ein artgenossenaggressiver Hund wäre anders zu sichern als einer, der fehlgeleitetes Beuteverhalten zeigt, letzterer wohl eher noch stärker.

  • Ich muss gestehen, böse, bösartig, böswillig.... das sind für mich Begriffe in der Thematik Hund nichts zu suchen haben.
    Die moralisch-ethische Komponente, die dabei mitschwingt, ist zu wertend und (vor)verurteilend. So etwas erwarte ich höchstens in den Boulevardmedien und nicht in Diskussionen mit Hundetrainern


    Abnormales Verhalten ist nicht gut und nicht böse, es ist eben abnormal.
    Aber leider liegt es den meisten Menschen wesentlich besser zu werten und zu urteilen als rational zu benennen.

  • Versucht der Mensch dann nicht im Umkehrschluss etwas am Leben zu erhalten was dafür gar nicht vorgesehen war (ich möchte wirklich nicht darüber entscheiden wer oder was das recht zu leben hat aber das wäre ja nur die logisch Schlussfolgerung daraus?)

    Ja, dem ist so. In der Hundehaltung genauso wie in der Nutztierhaltung. Das ist das, was man unter dem Begriff Domestikation versteht.

  • Viele, viele auffaellige Hunde wurden nicht misshandelt o.a. Denen wurden einfach 'nur' keine Grenzen gesetzt, sie haben keine Regeln kennengelernt, ihnen wurden nie Entscheidungen abgenommen, sie hatten nie eine gescheite Fuehrung, sie wurden in Situationen gezwungen, die unpassend sind, sie hatten kaum Moeglichkeiten sich zu entfernen, usw. ! Dieses Denken 'genug Liebe und der Hund ist artig' ist in meinen Augen einer der Ausloeser fuer viele Probleme!


    Es gibt Hunde, die so geboren wurden. Ich kenne 3 Hunde, die von Welpenalter an bei Leuten leben, die wissen was sie tun. Und dennoch sind diese Hunde aeh...ja..sagen wir es mal so: Es wird alles abgesichert und das aus sehr guten Gruenden!
    Die absolute Mehrheit der auffaelligen Hunde wurde so gemacht. Allerdings eben nicht wie viele sich das in ihrer Regenbogenwelt (sorry) vorstellen. Also NICHT durch Schlaege o.ae.
    Sondern eben wie oben beschrieben, also eher unbewusst/indirekt. Deswegen hab ich auch gesagt, dass unpassendes Handling + Anlagen zum Knall fuehren. Ich hab extra nicht 'falsche Behandlung' geschrieben.



    Diese Hunde werden mEn nie wieder Hunde die man lockerflockig irgendwo rumstromern lassen kann. Wenn die gelernt haben massiv zu verletzen (und es ist fast immer ein erlerntes Verhalten!), dann bekommt man das mEn nicht zu 100% wieder raus. 100% hat man zwar bei keinem Hund, aber ein Hund der bereits auffaellig geworden ist, ist ein anderes Thema. Auch rechtlich!


    Tja wohin mit solchen Hunden ist eine Frage, die niemand beantworten kann...

  • Ich denke nicht, dass ein Hund "böse", aggressiv oder wie auch immer man das definieren mag, zur Welt kommt.
    Vorausgesetzt, damit ist gemeint, dass der Hund GRUNDLOS (in den Augen des Besitzers) auf Mensch und/oder Tier losgeht.
    Für "böses" Verhalten wie es von der TE anscheinend gemeint ist, gibt es m.M.n. immer einen Auslöser, sei es Schmerz, unzureichende Erziehung usw., wobei falscher Umgang m.E.n der häufigste Grund ist.

  • Aber leider liegt es den meisten Menschen wesentlich besser zu werten und zu urteilen als rational zu benennen.

    Ich glaube nicht, dass das Wort "böse" heute morgen gefallen ist weil es wertend sein sollte.
    So etwas hat ja oft auch mit dem sprachlichen Gebrauch zu tun und ja "böse" (was bei Hunden, und vielleicht hat mich selbst ja das so an der Aussage gestört, unzutreffend ist) ist vielleicht einfach das Wort was schneller im Gebrauch ist als abnormal.


    Vielleicht sollte man im Titel das Wort böse gegen abnormal ändern. Hab den Wortlaut von heute morgen einfach aufgegriffen ohne weiter drüber nach zu denken :fear:

  • Auslöser des Gesprächs, war der Fakt, dass die Hunde die entweder in Einzelhaft im Tierheim sitzen oder gar eingeschläfert werden teilweise in dieser Situation sind weil sie eben so geboren wurden und nicht durch äußere Umstände wie falsche Erziehung oder falsches Umfeld so geworden sind.


    Wer behauptet, man könne so klar trennen, was Genetik und was Umwelt ist, ist für mich einfach nicht ernstzunehmen.
    Es greifen so viele Rädchen ineinander, dass ist am Ende untrennbar miteinander verbunden.


    Es mag Einzelfälle geben, die auf Grund einer körperlichen oder psychischen Störung nie kontrollierbar sein können. Aber de absolute Großteil aller "Problemhunde" entsteht aus einer Mischung aus Anlagen und unpassender Umwelt.


    Ich könnte auf den Schlag ein dutzend Hunde nennen, bei denen ich Brief und Siegel gebe, dass sie bei anderen Besitzern mit anderer Erziehung und anderer Haltung schon längst ernsthaft gebissen hätten. In irhem jetztigen Umfeld sind die Hunde unauffällig und werden es auch ihr Leben lang bleiben.


    Das hat nichts mit gut und böse zu tun und auch nicht mit gestört. Das ist eine reine Frage der Passung von Analgen und Umwelt. Geht das nicht zusammen, knallt es.

  • Auslöser des Gesprächs, war der Fakt, dass die Hunde die entweder in Einzelhaft im Tierheim sitzen oder gar eingeschläfert werden teilweise in dieser Situation sind weil sie eben so geboren wurden und nicht durch äußere Umstände wie falsche Erziehung oder falsches Umfeld so geworden sind.


    Weiterführend ging es um Resozialisierung und dass dies bei solchen Hunden eben nicht möglich ist (also denen die wirklich einen Schlag weg haben ganz doof gesagt).

    Die Frage ist halt, wie kommen die Hunde in die Tierheime? Die, die regelmäßig in Tierheimen arbeiten/ helfen, werden sicher immer wieder die gleichen "Karrieren" der Hunde verfolgen können mit einem Cocktail aus vielleicht anspruchsvollem Hund (weil zb sehr intelligent oder nicht leicht zu beeindrucken), wenig bis gar keine Hundeahnung, falscher oder nicht erfolgter Erziehung, ungünstig gelaufenen Situationen, die falsches Verhalten bestärkt haben... usw.


    Sind solche Hunde falsch geprägt und haben die verkehrten Lernerfahrungen gemacht und noch dazu die "passenden" Rassemerkmale, ist es schwierig, sie in unserer anspruchsvollen Zivilisation/ Umwelt sicher zu führen ohne dass jemand zu Schaden kommt.


    Die Genetik wollte ich noch zusätzlich einwerfen. Es gibt Hunde, die wurden früher gezüchtet, um zu töten.
    Ratten, Mäuse, Bullen, Hundekämpfe... es gibt eine Reihe Hunderassen, die früher auf eine hohe Schmerztoleranz und wenig Hemmung selektiert wurden.
    Dass solche Hunde bzw. deren Abkömmlinge heute u.U. schlecht Frust oder Provokation durch andere Hunde oder sogar Menschen (Kinder) aushalten können und schneller "austicken", ist eigentlich zumindest genetisch vorprogrammiert, meine ich.
    Es muss nicht zum Tragen kommen, aber wenn der richtige Trigger kommt, kann man nicht ausschließen, dass der Hund drauf anspringt.
    Und wenn dann der Besitzer noch wenig Ahnung hat und/oder das falsche Verhalten bestätigt, sieht bald auch ein Blinder mit Krückstock, wo die Reise höchstwahrscheinlich hingehen wird...


    Bei uns werden solche Kandidaten, die schon geschädigt haben oder bedroht haben, im Tierheim verwahrt, wenn Platz ist. Woanders werden diese Tiere erlöst, um Platz zu schaffen für neue... :( : darüber urteilen, was besser ist, kann ich nicht.


    Egal, warum der Hund so ist, wie er ist, ob durch Zucht oder Erfahrungen, er ist das, was Menschen aus ihm gemacht haben, so oder so.

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