Problematische Verknüpfung Schreien=Beute

  • Dann versuche ich nochmal zu rekapitulieren.

    Der Hund reagiert auf Edgeschossfenster, weil er dort aus Erfahrung Katzen vermutet.


    Genauso wie beispielsweise ein Hund der auf dieser einen Wiese schon immer Kaninchen getroffen hat, also grundsätzlich diese dort erwartet.

    Da reicht ein kleiner Restgeruch zur Verdachtsbestätigung, kann auch schon länger her sein, der Mensch kriegt das jedenfalls nicht mit, weil er weder etwas sieht noch hört.

    Die Erwartung ist aber da, die Anspannung auch. Entsprechend wird ein zusätzlicher Sichtreiz wie "Kleinhund im Dunkeln" erstmal als potentielles Kaninchen verknüpft, Hund hetzt los und erkennt erst als er näherkommt durch den stärkeren olfaktorischen Reiz, dass er einem Irrtum unterlag und stoppt.

    Ja, aus dem Hetzen heraus. Jetzt klar worum es mir geht?


    Ohne den Erfahrungswert ("Auf der Wiese waren schon immer Kaninchen") und den Kaninchenrestgeruch von ein paar Minuten vorher, als sie noch auf dieser Wiese saßen, hätte der Hund nicht angefangen zu hetzen. Der Mensch, der das erste Mal mit dem Hund da langgeht , hätte sch nur gewundert, weil er wenn überhaupt nur einen Kleinhund im Dunkeln gesehen hätte, was kein Problem gewesen wäre, weil der Hund bei Kleinhunden nicht ins Beutefangverhalten kippt.

    Dass er trotzdem zu hetzen anfing lag also an etwas, dass Mensch nicht wahrnehmen konnte.


    Übertragen auf den Erdgeschossfensterhund wäre also relevant inwiefern der Hund ohne den Erfahrungsreiz "Erdgeschossfenster" und ohne den Reiz "Katzengeruchspuren" (von denen man in der Stadt im Wohngebiet meist ausgehen kann) auch isoliert auf diese Schreie reagiert- also z.B. auf einem Hundeplatz (da dürfte man eher keine Katzen erwarten).

  • Nochmal bezogen auf das Wiesenbeispiel:

    der Mensch, der da das erste Mal mi dem Hund entlanggeht und den Kleinhund gesehen hat, hätte fälschicherweise daraus herabgeleitet, dass der Hund nun mit dem Sichtreiz "Kleinhund" jage.



    Hoffentlich ist das Argument nun klarer.

  • wow...


    Ja, jetzt ist es mir klarer und seh ich ähnlich.


    Rein auf den "Beutegeräuschfaktor" bezogen, bedenkst Du, denk ich, den Punkt Konditionierung nicht.


    Der Hund, der auf hasenzugähnliche Geräusche reagiert, verwechselt das Geräusch natürlich nicht mit einem echten Hasen. Nachdem hierzulande keine echte Beute gejagt wird, weiß der so sozialisiert Hund ohne echte Jagderfahrung ja nicht mal, wie ein Hase schreit. (Auch wenn es ne genetische Komponente geben dürfte, und schrille Schreie und Quietschen für viele Hunde grundsätzlich spannend sind)

    Aber es löst einen "Da kommt was massiv lustbesetztes" Reiz aus.


    Ich sitze nicht im Kopf vom Junior. Ich weiß also nicht, wie exakt seine Vorstellungen von was (Hase) KatzeBeute ist, aussehen, nur, wie es nach außen wirkt.

    Und ich kann mir vorstellen, dass unter der Katzen-Fenster Verknüpfung noch zusätzlich ein "schrille Schreie gleich Beute" liegt, das er aus seinem Arbeitseinsatz kennt.


    Womöglich ist deshalb die Fensterverknüpfung so relativ intensiv ausgefallen. Weil es ihm womöglich mehr Hormone in die Birne schießt, als einem Hund, der nie wirklich gejagt hat.


    Mutmaßung meinerseits.


    Ich bin froh, dass er zwar eindeutig jagdlich motiviert auf Baby hören reagierte, aber noch ansatzweise ansprechbar war. Hätt er sofort den "gekippten" Hetzblick gehabt, wäre ich noch alarmierter.


    So halte ich das im Prinzip für verhältnismäßig einfach trainierbar (bloß wie genau weiß ich noch nicht) , falls er nicht noch zufällig weitere blöde Verbindungen herstellt. Womöglich triggert aktuell wirklich nur die Fenstersituation irgendwas und er reagiert abseits davon zwar offensichtlich, aber regulierbar bzw auf den Irrtum aufmerksam machbar, oder sogar gar nicht. Aber das weiß ich noch nicht, war noch nie.


    Den Junior halte ich für überdurchschnittlich jagdlich interessiert, im Vergleich zu seinen Vorgängern. Aber er ist auch kooperativer.

    Bloß noch nicht vollends vertraut mit den hiesigen Gepflogenheiten. Und Babys kennt er halt auch nicht. Insofern ist erst mal jagdlich interessiert reagieren durchaus eine "normale" Option. Sofern es bei 1x bleibt oder so. Und er nicht grundsätzlich nun auf Säuglingsgeschrei anspringt. Das wäre richtig blöd.



    Bzgl. Kleinhunde und Sichtjäger - das stimmt schon, dass der Hund seinen Irrtum erkennen kann und zb eine Hetzjagd abbricht. Aber es gibt Hunde bzw Momente, wo etwa die Artgenossenerkennung zugunsten des hm... höherwertigen Jagens quasi ausgeschaltet wird. Bei der Dürrekatastrophe, einem Langzeitpflegling war das lange so. Das sah man teilweise von außen. Sichtreizautomatismus abspulen - Artgenossen erkennen - Millisekunde zögern - weiter machen.

    Der Junior zb ist da besser regulierbar oder reguliert sich besser selbst. (Ist aber auch nicht 1000% kleinundsicher)


    .

  • Alles, was passiert, wenn man dem Junior Schrei- und Quiekgeräusche vorspielt ist übrigens: Das Kind kommt angewatschelt und fragt "Kann ich das Spielzeug sehen?"

  • Rein auf den "Beutegeräuschfaktor" bezogen, bedenkst Du, denk ich, den Punkt Konditionierung nicht.

    Kann sein, aber ich glaube einfach nicht, dass der akustische Reiz so isoliert verknüpft ist, da dürfte olfaktorisch und natürlich auch geschmacklich beim Jagderfolg eine ganze Menge laufen.

    Vielleicht kann es auch daran liegen, dass ich einen vergleichsweise stark nasenorientierten Hund habe, der sein Urteil immer olfaktorisch absichert und der Schreie mit Kampfhandlung/Gefahr assoziiert, bzw. Quietschen beim Spiel ignoriert.

    Auf Tonaufnahmen wird z.B. auch "nachgerochen" und für irrelevant befunden.

    Deswegen würde ich da nicht mit arbeiten, sondern angeleint in Krabbelstubennähe gegenkonditionieren.

  • wow...


    Doch, ich bin mir relativ sicher, dass es grad bei Sichtjägern eine rein akustische Verknüpfung gibt.


    Sie riechen natürlich auch gut, keine Frage, aber allein das Hirn ist anders aufgebaut, als bei anderen Typen. Tendentiell zugunsten der optischen Wahrnehmung. Sie sehen auf Distanz besser, als andere Hunde und haben ein größeres Blickfeld. Dafür sind sie im Nahbereich optisch schlechter drauf und tun sich zb wesentlich schwerer mit Fingerzeig und ähnlichem.


    Was das riechen betrifft, dürfte das schon sehr stark untergeordnet sein. Leckerli finden und solche Dinge mussten alle Second Hand Windhunde die ich hatte, bisher erst mal lernen, wo andere Hunde sofort wussten, was Sache ist und wo.

    Sie lernen es so nicht. Raus aufs Feld. Was sehen. Jagen. Packen. Töten. Zurück zum Ausgangspunkt kommen. Mehr kennen die nicht.


    Also nicht, dass sie es physiologisch gesehen nicht können, es spielt nur weniger eine Rolle. Das mag bei Hunden, die anders aufgewachsen sind, anders sein. Junior und Co. waren und sind (aus menschlicher Sicht und im direkten Vergleich zu anderen Hundetypen) "nasenblöd" und zb relativ wenig an Spuren interessiert. Wohingegen Knacken im Gebüsch sofort interessant ist. Und Bewegungsreize auf Distanz halt.

  • Bzgl. Krabbelstube zum Üben: er lebt mit Kleinkind, geht mit zum Kindergarten oder an Spielplätzen vorbei. Das juckt ihn null. Von Anfang an nicht.


    Er hat ausschließlich auf die Tonlage "Neugeborenes" reagiert.


    Das einzige "Übungs"Neugeborene das mir einfällt, wo ich sage, das ließe sich abgesichert und abgesprochen austesten, wie er reagiert, lebt mit dem Erdgeschosskater zusammen. Die Verknüpfung will ich aber gerade nicht. Wir bräuchten ein katzenfreies.

  • Überlege gerade, ob die Verknüpfung nicht auch just daher kommen könnte, dass grad an unserer Haustür Erdgeschosskater mit Schreibaby lebt. Ich war bisher immer auf den Kater konzentriert. Das Baby hört man im Hintergrund oft, aber nicht allzu deutlich.


    Okay, die Kleine wird, auch für die Eltern hoffentlich, bald nicht mehr ständig weinen und die Tonlage wird sich ändern. Das Fenster wird bald nicht mehr immer offen sein und vielleicht nutzt sich der Reiz auch ab.


    Bin nur wahnsinnig unsicher, ob ich am Nachbarfenster dran bleiben soll, oder es damit verfestige und schlimmer mache.

  • Ich als Windhundhalter bin auch der Meinung, dass es Geruch nicht braucht um Jagdtrieb auszulösen. Ein Geruch dient er als zusätzlicher Hinweis, dass man jetzt jagen sollte. Selbst wenn er nicht vorhanden ist brettern da einige los wenn der Baumstumpf auf dem Feld aus 500 Meter Entfernung der Form eines Hasen ähnelt. Oder rennen ohne Geruch vorläufig jahrelang hinter einsame Büsche - weil hinter sowas schon einmal (!) Hasen saßen. Genauso knallen vielen auf der Bahn die Sicherung genauso wie bei echtem Wild raus. Oder bei Spielzeug Autos. Oder gar wehenden Papiertüten.


    Daher denke ich kann so eine Verknüpfung auch komplett unabhängig von Geruch zu Stande kommen. Und darüber bekommt man ihn auch nicht raus. Ich würde irgendwie über Optik arbeiten. Babygeschrei (vom Tonband) - zeigen da ist nix außer ein Handy (oder von weitem mit Sicherung echtes Baby).


    So heikel die Fehlverknüpfung ist - dass ein Windhund ohne Hetzjagd ein Baby angreift - weiß ich nicht. Ich will nix beschwören, ich denke es würde eher im Wagen die Katze suchen hinauslaufen (was natürlich auch sehr sehr heikel ist wenn ein großer Hund im fremden Kinderwagen hängt) als über ein Kill Richtung Baby. Aber ich denke der Hund wird wegen Katzen und Kleinhunden ja eh viel gesichert.

  • Ich bin froh, dass er zwar eindeutig jagdlich motiviert auf Baby hören reagierte, aber noch ansatzweise ansprechbar war. Hätt er sofort den "gekippten" Hetzblick gehabt, wäre ich noch alarmierter.

    Das ist gut, aber bietet keine Sicherheit. Ich gehe regelmäßig mit einer Greyhound-Hündin. Ehemaliger Rennbahn-Hund und daher nie im realen jagdlichen Einsatz gewesen. Dieser Hund ist eine Killermaschine, wenn die Maschine anspringt. Es kann sein, dass sie neben einem rumsteht, während die Katze wegrennt und sich nicht mal hochfährt. Hat sie allerdings Lust und sieht Gelegenheit, bleiben von der Katze in Sekundenbruchteilen nur Fetzen übrig. Ist leider kein Witz. Daher ist der Maulkorb bei ihr ein ganz, ganz wichtiger Alltagsbegleiter. Und das wäre er für mich an Deiner Stelle ab jetzt auch. Er tut nicht weh, er kann aber Leben retten.

    Doch, ich bin mir relativ sicher, dass es grad bei Sichtjägern eine rein akustische Verknüpfung gibt.

    Ja natürlich. Und es ist nicht unüblich, dass ein Hund, der "auf Entzug" ist ein immer breiteres Spektrum entwickelt, worauf er reagiert und ihm die Lichter ausgehen.


    Mal ein Beispiel von meinen Koppelgebrauchshunden, die ja mit so was eigentlich überhaupt keine Erfahrungen haben, geschweige denn darauf selektiert sind: Vor Jahren traf ich im Feld einen Mann, der seinen Hund meinte "unterwerfen" zu müssen, weil der zu meinen Hunden wollte. Er warf den Hund auf den Rücken und würgte ihn. Der Hund gab Todesangstschreie von sich. Meine Hunde sind eigentlich sehr geschult in Hundebegegnungen und kenne wirklich viel aus dem Alltag. Sie reagierten auf diese Todesschreie mit Beutefangverhalten. Sie starteten durch und wollten dem Mann sofort helfen die Beute zu töten! Zum Glück mit Bremse drin, denn von der Genetik her wissen sie nicht so recht wie man killt. Sie ließen sich von mir auch sofort wieder wegschicken. Aber ich war wirklich schockiert wie schnell und was das bei ihnen ausgelöst hat. Das habe ich vorher tatsächlich noch nie bei denen erlebt! Weder bei schreienden Katzen, Kindern, Hunden ... aber, sie haben auch noch nie ein Tier in Todesangst schreien gehört, außer Ziegen (die schreien schon rum, wenn man sie einfängt und denen das nicht schmeckt) und da mischen sie sich nicht ein.

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