Motivationsideen für unsicheren früh kastrierten TSH
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Hallo,
seit Oktober letzten Jahres habe ich meinen ersten Hund Hope. Sie stammt aus einem ungeplanten Wurf in Moskau, also kein Straßenhund, und wurde im März 2018 geboren, jetzt 18 Monate alt. Hope wurde durch eine Tierschutzorganisation mit 4 Monaten kastriert und mit 6 Monaten nach Deutschland gebracht.
Hier lebte sie 4 Wochen auf einer Pflegestelle als ich sie besuchte und mit nach Hause nahm. Sie lebte recht frei tagsüber mit ca 10 anderen Hunden auf einer Pferdekoppel, wo sie sich frei bewegen konnte und über Nacht kamen die Hunde ins Haus. Sie war in dem Rudel sehr zurückhaltend aber zeigte keine Angst bei Kontaktaufnahme und war auch neugierig (sie sprang direkt in den Kofferraum und zwei weitere Hunde gleich hinterher ). An einem Ohr hatte sie eine frische Kerbe, ich denke da wurde sie einmal vom Rudel zurechtgewiesen.. Nach ungefähr drei Wochen packte sie eine ordentliche Leinenaggression aus. In der Hundeschule in der Junghundegruppe spitzte sich das soweit zu, dass wir in den social walk mit anderen assozialen Mitglieder () gewechselt haben, um nicht mehr auf einem kleinen Platz zusammenzustehen sondern draußen mit mehr Abstand und Ablenkung agieren können. Sie zeigt ein unsicheres Verhalten bis zur Aggression nach vorne, springt in die Leine und keift um sich. Am Anfang bekam ich ordentlich blaue Flecke an den Oberschenkeln, weil ich versuchte mich zwischen Hope und den Auslöser zu stellen, Blickkontakt zu unterbrechen statt sie von hinten wegzuziehen. Durch die social walks konnten wir den Abstand zum Auslöser deutlich reduzieren und die Frusttoleranz ausweiten.
Mittlerweile ist sie bei unbekannten Hunden zwar noch angespannt und grollt oder wufft etwas, aber lässt sich gut ablenken oder zum weitergehen animieren. Soweit kaum noch problematisch. Bei bekannten Hunden ist sie allseits beliebt, es wird mit dem richtigen Gegenüber getobt, wobei sie sehr wild spielt mit vollen Körpereinsatz und den anderen Hund auch gerne angedeutet in die Kehle beißt. Der andere Hund hat aber noch nie (!) nur einen Kratzer abbekommen oder geweint. Sie macht es also doch recht zart und so einige Kandidaten scheinen darauf auch zu stehen .
Wir wohnen im eher ruhigen Stadtzentrum und ich übe mit Hope immer mal wieder (einmal wöchentlich) kurz über die viel befahrene vierspurige Straße zu gehen. Ich nehme sie am Kurzführer am Geschirr nah bei mir und versuche es als ganz normal zu etablieren. Sie klemmt sofort bei jeglichen etwas lauteren Autos, Motorräder, LKW usw den Schwanz ein. Ganz schlimm sind alle möglichen lauten Knallgeräusche wie Fehlzündungen und Baustellenkrach. Sie versucht einfach nur wegzukommen und braucht mehrere Minuten um sich einigermaßen wieder zu beruhigen. Ich gehe mit ihr zügig an eine ruhigere Stelle, knie mich zu ihr hin, lege meine Arme um sie und quatsche eher beiläufig Sachen zu ihr. Tendenziell bleibt sie weiterhin sehr unsicher in solchen Situationen, auch direkt vor der Haustür. Es bessert sich nicht wirklich. Ich brauche einen anderen Ansatz als nur kurzes konfrontieren und es als normal und ungefährlich zu zeigen, schön zu füttern usw.
Mein Problem mit ihr ist jetzt folgendes, dass sie trotz positiver Hundebekanntschaften und wenig lauten Geräuschen seit drei Monaten regelrecht zum Spazieren gehen überredet werden muss. Ihre ganze Körperhaltung verändert sich schon zuhause beim Griff zur Leine und Anlegen des Geschirrs. Teilweise dauert es mehrere Versuche sie vor die Tür zu kriegen. Ich gehe immer wieder zu ihr zurück und animiere sie mitzugehen, ermunterne Worte, fröhlich und nicht traurig oder bemitleidend, Keks vor die Nase halten etc. Sie wirkt fast depressiv oder als ob draußen der Schrecken wartet. Auch dann draußen hat sie nach kurzem Pipi den Drang wieder nach Hause zu wollen. Ich glaube durch das Üben an der Straße hat sie den Spaß am Spaziergang verloren. Wie kann ich ihr mehr Sicherheit geben und sie in solchen angstbehafteten Situationen weniger sich selbst überlassen? Gibt es andere Trainingsweisen? Und was mach ich bloß Silvester mit ihr?
Ich habe versucht möglichst verständlich das letzte Jahr kurz zu beschreiben, weil ich mir gut vorstellen kann, dass mehrere Faktoren wie frühe Kastration und resultierende Unsicherheit, bis zum 7. Monat kein festes Zuhause oder Bezugsperson mit reinspielen.
Liebe Grüße, Alina
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Hast Du die Möglichkeit mir ihr an ruhige Plätze in die Natur zu fahren und da mit ihr Gassi zu gehen?
Dass sie mal runter kommt und nicht immer in Erwartung von Lärm und lauten Geräuschen ist und einfach wieder Lust am schnüffeln und erkunden hat.
Wir haben auch eine ängstliche Hündin aus dem Tierschutz. GsD leben wir recht ländlich und ich konnte sie gut dosiert mit Straßenlärm vertraut machen, da hatte sie am Anfang auch große Panik (auch vor Autos etc.)
Mittlerweile geht es, aber in der Stadt wäre sie trotzdem nicht glücklich.
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Hallo
eine hübsche Maus ist das. Ich hab hier auch eine Maus, die Straßenverkehr früher mit Paniktunnel und blinder Flucht quittiert hat und teils heute noch quittiert. Jetzt ist sie 3 Jahre bei uns.
Ich stimme Oleniv erstmal zu - und habe eine Frage an Dich, die vielleicht erstmal etwas komisch klingt: Du machst sehr viel mit ihr. Gibt es da Druck von Außen - sprich: Ist es möglich, dass sie mal irgendwann in naher Zukunft diese Straße laufen muss - ready or not? -
Ich würde dir mal raten ein Tagebuch zu schreiben, wo du schreibst wie es gelaufen ist, wie stark ihre Angst ist etc. Eventuell macht sie größere Fortschritte als du denkst.
Eventuell macht die auch eine Plateau Phase durch. Passiert öfters als man denkt
Vielleicht zeigt sie mit den Unwillen raus zu gehen, dass ihr alles im Moment zu viel ist. Ich würde es als Anlass sehen zu entschleunigen, Hundebgegnungen und Spaziergang zu minimieren. In Foren und sozialen Medien hört man zwar nur von Hunden die überdrehten wenn sie überfordert sind aber es gibt auch die die mit nicht Kooperation reagieren.
Außerdem würde ich den Hund mal beobachten ob umarmen wirklich so hilfreich in Situationen von Angst ist. Manche können das nämlich gar nicht ab.
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Ich würde an deiner Stelle paar Sachen überlegen.
- Muss sie über diese Straße?
Eventuell stresst du sie mit dem Kurzführer zusätzlich ?
- Wieviel Action und Hundebegnungen und Training habt ihr über die Woche?
Grad ängstliche / unsichere Hunde brauchen nach einem aufregenden Tag immer auch
Tage zum verarbeiten .
Eventuell wäre es sinnvoller sich langsam an Geräuschquellen ran zu tasten, Autos gucken aus sicher Entfernung z.b ,auch einfach mal irgendwo hinsetzten und einfach gucken lassen könnte helfen. -
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Ich würd in dem Fall hier gar nicht groß rumfragen und auf Ferndiagnosen Anderer hoffen, sondern nen Trainer nach Hause bestellen, der Erfahrung mit deprivierten Hunden hat. Der kann dir zeigen wann und wie genau du den Hund wie belohnen, trösten, oder motivieren kannst. Wenn du zum falschen Zeitpunkt belohnst kanns sein, dass du die Probleme nur schlimmer machst.
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Wenn Du die Hündin am Kurzführer durch die angstauslösende Situation zwingst, setzt Du sie einem gewaltigen Streß aus.
Stell Dir mal ein Kind vor, das panische Angst davor hat, über eine Brücke zu gehen. Wenn die Mutter dieses Kind an der Hand nimmt und einfach über die Brücke zerrt, was glaubst Du wohl, was das mit dem Kind macht? Genauso ist das für den Hund.
An Deiner Stelle würde ich erstmal mit dem Auto irgendwo ins Grüne fahren, wo es schön ruhig ist.
Die Gewöhnung an Angstauslöser funktioniert am besten über langsame (!) Annäherung, nicht mit Konfrontation.
LG,Gisela
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so, ich hab jetzt ein bisschen mehr Zeit. Und rufe hier erstmal weitere Leute mit Kenntnis von ängstlichen Hunden, deren Meinung ich schätzen gelernt habe:
@pinkelpinscher@Cindychill
Es gibt sehr unterschiedliche Ansätze im Umgang mit Angst bei Hund. Die teils einfach auch davon abhängen, was der Hund in seinem Alltag durch die Gegebenheiten einfach können muss - und das ggf. auch noch recht zügig.
Unser Hund wurde in Bulgarien von der Straße aufgegriffen und kam mit ihrer Schwester dort in einen Shelter (aus dem sie auch nicht mehr zurück auf die Straße hätte entlassen werden können). Dort hat sie mehrere Monate verbracht und wurde dann mit Schwester über eine Kooperation der beiden Tierschutzvereine in ein Tierheim bei uns in der Nähe gebracht. Beide Hunde waren im Paniktunnel und nicht ansprechbar. Im Tierheim war auch erstmal gar nicht ansprechbar. Im Lauf der Zeit haben sie aber den Zwinger als Rückzugsort akzeptiert. Gassigänge gab es auch, die aber größtenteils im Paniktunnel.
Ich hab sie genommen, wie sie ist - und einfach kein Ziel gesetzt, wo sie hinkommen muss. In Babyschrittchen haben wir über erste kleine Runden, vorsichtige Kontaktaufnahme, Leckerchenstreuen und einem sehr geregelten Tagesablauf mit ihr gearbeitet. Das klappt bei uns gut weil wir ruhig im Eigentum am Ortsrand wohnen und sie gar nicht sooo viel an Umweltreizen aushalten muss. Sie macht kontinuierlich Fortschritte und fühlt sich mittlerweile superwohl. Aber ein kleiner Stadtbesuch ist immer noch eine Herausforderung - und den gibts auch nur bei einer Handvoll Gelegenheiten zu Trainingszwecken. Dörflichen Verkehr kann sie mittlerweile gut aushalten. Silvester ist gar nicht so das Thema bei ihr.Wenn Stressoren auftreten, achte ich darauf, dass der Spaziergang möglichst mit einer Sequenz endet, in der sie sich frei bewegen kann. Damit sie dabei Stresshormone abbaut und nicht damit in den Ruhemodus geht.
Mein Anspruch ist, dass sie größtenteils ausgeglichen ist und die Stressoren in unserem Alltag gut bewältigt. Unschätzbarer Assistent dabei ist unsere supercoole Althündin. Ich möchte und muss aber nicht jeden Angstauslöser länger trainieren, sondern versuche, eine sehr softe Balance zwischen Training und entspannendem Alttag zu finden. Hundeschule gabs und gibt es nicht. Und auch als „Hundesport“ hat sie (nur) Alltagsstressorenbewältigung. Das scheint ihr gut zu reichen und sie macht es echt super. In mehr als 90% der Zeit habe ich einen fröhlichen kleinen Kobold hier. Der den Rückruf, Sitz und Platz (ohne Bleib), Nein, Bürgersteig, Warte, Körbchen und gib Kussi kann. und seicht spielen, wenns dunkel ist. Mehr nicht. Passt.
Daher meine Frage, ob Du ggf. Druck durch äußere Umstände hast - oder hast Du einfach einen anderes Ziel hast? Da lohnt sich immer ein Blick. -
Danke für eure schnellen Antworten und Ferneinschätzungen
Tatsächlich müssen wir nicht über diese Straße. Wir haben den Park um die Ecke und können weite grüne Strecken an der Oker entlang gehen. Meist machen wir das natürlich auch. Wer will schon an einer lauten Straße spazieren, wenn in der anderen Richtung grüne Wiesen und ein Bad im Fluss warten?!
Ich möchte aber natürlich, dass sie in ihren jungen Jahren solche Situationen kennen lernen und es als unspektakulär abstempeln kann. Gefühlt ist es aber ganz und gar nicht der Fall.
Der Tag sieht meist so aus, dass wir eine große Runde vormittags von ca 45min gehen und dann zwei bis drei kleinere Runden von jeweils 15min über den Tag verteilt. Besonders in den letzten Wochen waren die Spaziergänge deutlich kürzer, eben weil sie nach ein paar Schritten eigentlich wieder nach Hause will. Sogar wenn sie eine wirklich volle Blase hat und mit Erleichterung nach draußen gehen sollte, stellt sie sich an und will nicht raus. Aber alles auch phasenweise mal besser oder schlechter. Für mich nicht begreifbar, woran diese Phasen sich festmachen. Anfangs war die Überlegung von meiner Hundetrainerin, ob es die Junghund Unsicherheitsphase ist, die eigentlich mit 8-10 Monaten üblich ist, aber bei Hope wegen Kastration und Ortswechsel erheblich später auftritt. Ihr Rat war Sicherheit geben und situationsbedingt entweder abwarten, beobachten, Kontakt bieten, beruhigen oder zügig weitergehen, motivieren, belohnen. Funktioniert bei nicht allzu starken Reizen ganz gut allerdings ohne wirklichen Trainingseffekt für mich.
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Ihr Rat war Sicherheit geben und situationsbedingt entweder abwarten, beobachten, Kontakt bieten, beruhigen oder zügig weitergehen, motivieren, belohnen.
Das ist grundsätzlich auch der richtige Ansatz für "normale" Junghunde und ihre Phasen. Bei Deiner Hündin kommen zwei Dinge zusammen, zum einen die unzureichende Sozialisation (die man auch nur bedingt aufholen kann) und die extrem frühe Kastration. Die arme Maus war ja noch ein Baby und hat somit nie die Möglichkeit zu einer selbstsicheren erwachsenen Hündin heran zu wachsen.
Das was Du machst hört sich grundsätzlich gut an. Ich kann nur empfehlen weiter an der Bindung zu arbeiten, Stressfaktoren weitestgehend zu meiden (wenn das nicht möglich ist solltest Du ihr dann Schutz bieten, machst Du ja schon) und im Grunde zu akzeptieren, dass sie ist ist wie sie ist. Über die Jahre kann es sicher noch zu manchen Verbesserungen kommen, aber der Grundcharakter wird sich wohl nicht mehr ändern.
Das hat Phonhaus sehr schön beschrieben, man kann gewisse Dinge nicht aus dem Hund heraus erziehen und sozialisieren, sondern muss nehmen was da ist und damit arbeiten.
Meine Hündin wird auch immer sehr empfindlich auf Geräusche reagieren, hat in manchen Situationen Ängste, die für mich unerklärlich sind, aber ich nehme das eben so hin als Teil ihres Charakters und gut ist.
Alles Gute für Euch.
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