Gewalt im Namen der 'Resozialisierung'

  • Wäre es nicht sinnvoll, das Video und die Diskussion darum auszukoppeln?


    Alleine die Ausgangsfrage ist ja schon ein sehr weites Feld - da ist eine Trainerdiskussion zumindest meiner Meinung nach sehr irreführend.

  • Warum ist Gewalt im Umgang gegenüber aggressiver/vermeintlich aggressiver Hunde eigentlich ein doch relativ aktzeptierter Weg?

    Weil da sehr viele unterschiedliche Komponenten zusammenfließen, die das individuelle Meinungsbild (inclusive Empfinden) beeinflussen.


    Um nur mal einige Wenige zu nennen:


    - die empfundene Machtlosigkeit dem Hund gegenüber

    - der Leidensdruck, den solch ein Hund für seine/n Besitzer bedeutet, und die daraus manchmal resultierende "Der Zweck heiligt die Mittel"-Philosophie

    - die Befürwortung von "Gewalt kann nur mit Gewalt beantwortet werden" (Bootcampmethoden)

    - Unwissenheit (Alphatheorien, Dominanztheorien, nur mal als Stichworte)

    - Leichtgläubigkeit

    - der individuelle Wunsch, Macht ausüben zu können

    - Empathielosigkeit

    - der Wunsch nach einfachen Lösungen

    - Bequemlichkeit

    - Angst

    - Prestige


    ....

  • Manchmal muß man mit dem Hund zusammen an seine Grenzen gehen und sie zusammen überschreiten, um ihm zeigen zu können, dass etwas nicht so schlimm sein muss, wie er es sich vorstellt.

    Das beginnt man aber anders, sollte es zumindest anders beginnen und zwar beim HF und nicht gleich den Hund mit allem überrollen. Und das ist m.E. jetzt auch kein Fall, wo man sagen müsste, geht nicht anders, jetzt sofort musst Du dort durch.


    Das sieht mir, ehrlich gesagt, einfach nach einer Kopie der CM Technik aus, so eine Form von massiver Konfrontationstherapie. Jaha, die hat auch so ihre Erfolge, aber so völlig unvorbereitet würde ich das nicht empfehlen und ist i.d.F., also bei einem Unsicher- eher Angstaggressiven Hund nicht geraten. Das muss man m.E. sehr langsam angehen, wenn der HF schon seine persönliche Rolle ausgetauscht hat. Und dann braucht man es in der Regel meistens nicht einmal mehr. Aber es dauert halt ...

  • Wie gesagt, bei dem Video kann ich nicht mit reden. Da fehlt mir privat im Alltag einfach der Umgang mit solchen Hunden.

  • was ist denn mit "klarer ansage" gemeint?
    Viele schreiben das immer, aber wie sieht das aus?
    Ist das ein wütendes und lautes anschreien, ein Leinenruck mit lauter stimme, oder was ganz anderes?


    wahrscheinlich ist der Thread schon viel weiter, aber ich antworte darauf trotzdem mal, weil ich das bei meinen Hunden durchaus verwende..


    es ist bei mir weder anschreien, noch Leinenruck. Es ist einfach eine bestimmte Art von Anschauen. Sehr präsent, Blick direkt auf den Hund, dazu entsprechende Körpersprache die dem Hund sagt 'ich meine das VERDAMMT ernst'..

    ich berühre den Hund dabei nicht und kann das auch komplett leise machen...


    das ist hier so das, was ich mit 'klarer Ansage' meine.

  • Wie gesagt, bei dem Video kann ich nicht mit reden. Da fehlt mir privat im Alltag einfach der Umgang mit solchen Hunden.

    Ach so, also ich sprach über diesen Hund im Video. Dachte, das wäre der Hauptbezugspunkt, durch TE gesetzt: Dieser Hund, dieser Ansatz mit dieser Trainerin.

  • Ich muss sagen, ich mag diesen inflationären Gebrauch des Wortes "Gewalt" nicht. Wenn "nein" sagen, die Leine auf Spannung bringen und Co schon Gewalt ist, den Hund halb tot prügeln auch auch "nur" Gewalt ist, stellt es das alles irgendwie auf eine Stufe und das ist es selbst beim sensibelsten Hund absolut nicht.

    Oder ist das für die Extremisten hier tatsächlich quasi das Gleiche?

    Ganz kurz hierzu:

    Mir geht es eher so: Ich mag den inflationären Gebrauch von Gewalt nicht, während das Wort "Gewalt" ungern gebraucht werden mag. Vielleicht ist für Extremisten jede Form von Gewalt gleich, allerdings glaube ich nicht, dass es viele solcher Extremisten gibt. Mal eine Antwort von mir als Nicht-Extremist: Ja, Gewalt fängt nach meiner Definition sehr, sehr früh an - und sollte auch als solche beim Namen genannt werden und nicht verharmlosend umschrieben werden. Die Grade von Gewalt sind aber natürlich immens und sehr unterschiedlich in ihrer Qualität.
    ---

    Zum Thema: Ich finde das extrem spannend. Wünschen würde ich mir, dass alles ohne Gewalt geht, allerdings fehlen mir die nötigen Erfahrungen, um zu beurteilen, ob das eine bloße Illusion ist (und Gewalt manchmal in welchem Grad auch immer schlicht notwendig ist) oder ob - und dann vor allem wie - es ohne lösbar wäre.
    Ich lese hier mal sehr gespannt mit. :gut:

  • Die ersten Minuten fand ich völlig ok, um dem Hund zu zeigen, dass seine Reaktion nichts nützt, und auch übertrieben ist. er hätte da ja die Möglichkeit auszuweichen, will das aber nicht.

    Das viele - meistens ja völlig erfolglose - "Nein", was aber trotzdem immer wieder sehr laut und im Kasernenton gebrüllt wurde, fand ich sehr daneben. Man hätte es sich und dem Hund bestimmt wesentlich einfacher machen können mit einem neu aufgebauten Abbruch, der dann auch wirklich sitzt.

    Und etwas positiver gefärbt wäre.


    Es ist ein schmaler Grat zwischen "sich durchsetzen, konsequent sein, Regeln durchsetzen" und "zuviel Druck, Gängeln, psychische Gewalt".

    Es schwankt im Video finde ich ziemlich. Man merkt den Haltern auch an, dass sie Probleme haben, sich souverän durchzusetzen, selbst ruhig zu bleiben. Dass das dann auch entsprechend beim Hund ankommt und seine Probleme eher verstärkt, ist klar.

    Körperlich... der Hund wird den Leinenruck wahrscheinlich kaum bemerken, bei den vielen Muskeln die er hat, und in dem hohen Erregungszustand. Knie war unschön, aber auch hier glaube ich nicht, dass es ihm wehgetan hat. Aber er hat es immerhin wahrgenommen, und sollte ihn aus seinem Tunnel holen.

    Ja, nicht der ideale Weg. Ja, schafft keine guten Grundlagen. Da lief vorher zuviel falsch.



    Was ich persönlich völlig daneben fand, ist das Drohen vom Menschen dem Hund gegenüber. Denn für den Hund ist es nunmal ein Drohen, wenn sich jemand auf ihn zu bzw über ihn beugt. Dazu jemand Fremdes, dermaßen nah und der Hund zwischen dem (aus seiner Sicht) Aggressor und seinen Haltern. Und er muss es erdulden, ohne schrittweise und langsam dahin geführt zu werden :no:

    Für mich sieht das schwer nach Deckeln aus, ohne dass ihm etwas Raum zugestanden wird (Szene am Tisch, Leute setzen sich zu ihm auf die Bank, machen Kniebeugen etc)


    Ich hab ja auch einen Hund zuhause, der mit sowas Probleme hat, und tendenziell nach vorne geht.

    Der wird einfach so geführt und ggf abgeschirmt, dass die Leute möglichst garnicht dazu kommen, ihm bedrohlich zu werden. Und das hat natürlich auch Erfolg gehabt. Max ist mit der Zeit und den "guten" Erfahrungen entspannter geworden, weil er weiß, ich schütze ihn da.

    Und dass viele Leute garnicht schlimm sind. Und dass er ausweichen darf und kann.


    Mit dieser Trainierin kenne ich mich allerdings nicht aus, und kann da nix zu sagen. Es kommt insgesamt einfach für mich sehr auf den jeweiligen Hund und die Umstände an, wie man vorgehen kann. Was für einen Hund komplett daneben wäre, ist für den anderen vielleicht genau das Richtige.

  • Wünschen würde ich mir, dass alles ohne Gewalt geht, allerdings fehlen mir die nötigen Erfahrungen, um zu beurteilen, ob das eine bloße Illusion ist (und Gewalt manchmal in welchem Grad auch immer schlicht notwendig ist) oder ob - und dann vor allem wie - es ohne lösbar wäre.

    Ich schreibe ja eigentlich ungerne in solchen Threads mit, weil ich das Gefühl habe, mich selbst den Hyänen zum Fraß vor zu werfen, wenn ich sage: es geht auf jeden Fall ohne Gewalt.


    Mein Hund ist ein ähnliches Kaliber wie der Cane Corso, nur würde ich mich freuen, wenn er in seiner Aggression weiterhin so kommunikativ, mitdenkend und ansprechbar bleiben würde. Meiner schießt sich gerne ins Nirvana und geht auf alles rundherum los, ist dann nicht mehr ansprechbar. Wie ich vor kurzem erfahren habe, hätte er wegen seiner nicht therapierbaren Aggressionen auch eingeschläfert werden sollen.


    Ich arbeite ohne Gewalt, zumindest so weit es mir als Mensch möglich ist (ich kann meine Emotionen und meine Körpersprache nicht immer so leise halten, dass sie gar keinen Einfluss auf unser Training haben) und wir machen mal größere, mal kleinere Fortschritte.

    Langsames strukturiertes Training ist den meisten Menschen zu mühsam. Es dauert bis man Erfolge sieht, es gibt deprimierende Rückschritte, die Umwelt übt Druck aus, man muss viel leisten. Ein Hund in der heutigen Welt hat zu funktionieren, genau wie wir Menschen.

    Ich sehe das als den großen Knackpunkt.

    Natürlich funktioniert positives Training auch - oder gerade - bei "solchen" Hunden. Allerdings sind die Menschen dafür oft nicht geeignet. Denn es dauert, man sieht die Erfolge nicht so schnell wie beim Training über Gewalt. Man muss kreativ sein und bis das Training greift sehr viel sehr gutes Management betreiben. Und in unserer Gesellschaft, in der Gewalt gegen Schwächere oft noch immer mit "Mir hat das auch nicht geschadet" gerechtfertigt wird, greift man halt schnell zu diesem einfachen Mittel.

    Jedes Training trainiert nicht nur den Trainee, sondern auch den Trainer. Jeder schnelle, kleine Erfolg, den man mit Gewalt erreicht, ist für den Trainer positive Verstärkung - und die ist mächtig...

  • Ich frage das jetzt mal was ist denn Gewalt?


    Gewalt ist doch für jeden einzelnen hier etwas völlig unterschiedliches. Im übrigen versuche ich immer so nett wie möglich zu sein. Allerdings hat mein Lienlingspensionshund von mir auch schon mal eine gewatscht bekommen.

    Schreib ich einfach mal so ehrlich.... Er war dabei mir ins Gesicht zu beißen.. Da bleibe ich nicht nett und trink nen Matetee mit dem...

    Das lief bei mir allerdings unter Selbstschutz.


    Ich lese einfach mal gespannt weiter mit...

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