Wo her kommt der Welpen Blues ?

  • Nen Blues zu haben hat mit der Überforderung bei Hundehaltung nichts zu tun.

    Ich bringe hier aber mal ein, es gibt einen Unterschied zwischen "überfordert sein" und "sich überfordert fühlen".


    Gerade an den "Heultagen" ist mancher Mensch näher an dem Gedanken: "Habe ich es richtig gemacht, bin ich befähigt dazu - oder war es eine falsche Entscheidung?" deutlich näher als zu Zeiten, wo die "Seele in Balance" ist.

    Da fühlt mensch sich unfähig, weil da mal gerade der Blick auf das verstellt wird, was eigentlich gut bewältigt wird, und "kleine Problemchen" (in Anführungszeichen, weil jede/r Probleme eben auch unterschiedlich empfindet, auch tagesformabhängig) auf einmal wie ein großer, unüberwindbarer Berg vor einem zu stehen scheinen.

  • Ja, ne ist klar,

    Vor ein paar Seiten bittest du noch darum, die Diskussion nett und sachlich zu führen, und kurze Zeit später haust du solche Kommentare raus? :ka:


    Meiner Meinung nach kommt es bei diesem Thema, wie bei so vielem Anderen, auf das Einfühlen in andere Menschen an. Empathie eben. Ich habe dein Problem nicht, aber ich höre dir zu, versuche zu verstehen, wie es dir geht und gebe vielleicht noch den einen oder anderen Tipp. Freundliche Aussprache ist dabei auch in geschriebenem Wort gut zu verstehen.


    Das jetzt mal ohne alle Vergleiche, was jetzt was genau ist und wie man es nennt.


    Mit Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und dem Versuch, auch mal über den eigenen Tellerrand zu sehen, kommt man weiter...


    Daher auch vielen Dank an @Rübennase für den tollen Beitrag, den ich gerne 1000x liken möchte.


    Ansonsten gilt für mich, nicht nur in diesem Bereich: Wenn man keine Ahnung von etwas hat (oder es sich nicht vorstellen kann), einfach mal Klappe halten.

  • Ich glaube, Überforderung mit all den Folgen ist absolut kein neues Phänomen. Das gabs schon immer, wird es immer geben.


    Dem Zeitgeist unterworfen ist der gesellschaftliche Umgang damit, die Wahrnehmung, in vielerlei Hinsicht.


    Wenn ich mal vergleiche, wie die Welt für mich aussieht und für meine Mutter...

    Heutzutage darf man über Probleme sprechen und Schwächen zugeben.

    Meine Mutter hatte niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte, wenn sie überfordert war, ob mit den Kindern oder unserem Hund. Für mich war/ist/wäre es normal, den Austausch und Hilfe zu suchen, ob mit Freundinnen, in Foren oder sogar professionelle Hilfe aufzusuchen. Das Stigma "Versager" gibt es nicht mehr in dem Ausmaß.

    Meine Mutter beneidete mich z.B. oft darum, dass ich nicht so alleine mit allem dastand mit Kleinkind, wie sie damals.

    Dass manchen, die noch ein bissel tougher aufgezogen wurden, ein zuviel an Schwäche zeigen auch mal übertrieben erscheint, finde ich aber auch ein bisschen verständlich. Und nicht immer ist Trost das richtige, ein "Jetzt reiss dich zusammen" kann auch helfen. Das können Menschen, die den Betroffenen gut kennen, besser beurteilen, weswegen ich immer finde, man sollte Austausch mit echten Menschen suchen, nicht im Internet.

    Das Pendel schlägt vielleicht von "bloss nicht zugeben, dass man überfordert ist" ein bisschen weit in die andere Richtung, aber grundsätzlich finde ich es eine große Errungenschaft, dass man "heutzutage" nicht mehr verbergen muss, wenn man überfordert ist.


    Und: Die Anforderungen sind höher. Meine Mutter hatte das Ziel, dass es den Kindern gut geht. Und dem Hund. Aber meine Eltern hatten durchaus die Einstellung, dass es der Job der Kinder und der Haustiere ist, sich zu verwirklichen, und nicht ihrer. Wenn wir Mist gebaut haben, haben WIR Mist gebaut, nicht sie.

    Heute fordert der Zeitgeist, dass wir uns nicht nur selbst verwirklichen, sondern auch unsere Kinder und Tiere glücklich machen. Und umgekehrt tragen wir die Verantwortung, wenn sie nicht glücklich sind. Der Caretaker hat, finde ich, im modernen Erziehungsbegriff eine enorm große Verantwortung. Und das resultiert wieder in enormen Druck auf die Schützlinge. Blöde Spirale.

    Ich muss mir immer mal wieder sagen: Ich kann nicht alle glücklich machen. Ich bin kein Versager, weil meinem Kind oder Hund oder Pferd mal was quersitzt. Manchmal ist das Leben kein Ponyhof, auch meine Tochter muss mal durch schwierige Phasen durch...

    Der Zeitgeist bürdet einem einen Perfektionismus auf, der unweigerlich zu einem Gefühl des Versagens führt. Finde ich auch nicht immer leicht, damit umzugehen.


    Nicht zuletzt gibt es heute viel mehr Hunde als früher, und viel mehr reine Hobby-Liebhab-Hunde, die perfekt in die Familie passen sollen. Und man bekommt doch nur durch Foren wie dieses mit, dass es die völlig überforderten Besitzer gibt - von denen man ohne Internet gar nichts wüsste. Da ist die Wahrnehmung, der Welpenblues sei ein übertrieben häufiges Phänomen, einfach komplett verzerrt. In "echt" kenne ich das überhaupt nicht, nur aus dem Forum. Ohne DF wäre ich nie damit in Kontakt gekommen.


    Was es jetzt für die einzelnen Betroffenen nicht besser macht. Ich finde es nur albern, daraus auf den Zustand der Menschheit zu schliessen.

  • Aber die Ursache. Man kommt mit dem Alltag nicht mehr klar, weil da ein welpischer Welpe ist und man irgendwann nicht mehr weiss wie man damit fertig werden kann.

    Die Frage, die sich mir stellt, ist: Was ist Henne, was ist Ei?

    L. G.

    Na, wenn man sonst keine Probleme im Alltag hat, dann ist der Welpe eben der Auslöser.

    Aber die Ursache. Man kommt mit dem Alltag nicht mehr klar, weil da ein welpischer Welpe ist und man irgendwann nicht mehr weiss wie man damit fertig werden kann. Weil das Tierchein einschränkt, in alles reinbeisst, nicht tut was es soll (:hust:), völlig überdreht und nicht zur Ruhe kommt. Da kommt der Alltag dann zu kurz. Sei es der Haushalt, essen, schlafen, duschen. Alles kommt ins straucheln. Bis man da draussen hat, dass man gerne Struktur im Leben hat und das dann manchmal mit dem Leben kollidiert und dann auch mal zum Problem werden kann, ist die Welpenzeit vorbei und alles kommt wieder zur Ruhe. Muss das behandelt werden? Nicht unbedingt. Nicht wenn es nur in Ausnahmesituationen so ist, bei einer starken Veränderung im Leben.

    Das zu therapieren ist nicht zwangsläufig nötig. Jeder hat mit irgendwelchen Situationen probleme, die einen mehr, die anderen weniger. Solange das aber den Alltag nicht einschränkt sehe ich da keinen Handlungsbedarf. Bzw. auch kein schwerwiegendes Problem welches dringend in ärztilche Behandlung gehört.

  • Genau, weil es so komplex ist, gehören in einem Forum keine Diagnosen gestellt.

    Hat auch noch nie einer gemacht (in den entsprechenden Threads). Das höchste der Gefühle wäre, darauf zu verweisen, ob es evtl. möglich sein könnte, dass jemand Hilfe braucht.


    Die Ausgangsfrage dieses Threads dagegen: Woher kommt der Welpen-Blues.

    Als recht neues Phänomen und ohne Personifizierung. Für mich eine übergeordnete Frage, deren Ursachen ich eher systemisch bedingt vermute.


    Davon haben wir uns m.E. sehr, sehr weit entfernt.

    Und ja, auf Termine bei Fachärzten wartet man schon mal, aber deswegen zu sagen, man wartet damit, bis man ein Akutfall ist, ist doch auch komplett kontraproduktiv.

    In erster Instanz ist in Deutschland m.W.n. immer noch der Hausarzt zuständig ... Jener macht eine erste Einschätzung und vll. auch eine erste Diagnose und kann dann empfehlen/entscheiden (wenn nötig), ob ein Facharzt hinzu gezogen werden sollte.

  • Ich weiß nicht - irgendwie hab ich das Gefühl, dass die Diskussion in einer Spirale steckt :???: So ein paar Gedanken, die mir noch gekommen sind:


    - Ich hab von „Welpenblues“ hier im Forum gelesen und habs auch im Bekanntenkreis erlebt. Nach 5 - 6 Wochen war das gegessen und später nie mehr Thema. Schön wärs, wenn das mit ner Depression oder einem Burnout auch so wäre. Ich hab weder persönlich noch hier einen Fall gesehen, der „richtig übel für Halter und Hund“ geendet wäre. Das „Schlimmste“ war es, wenn im Tierschutz einer zurückgekommen sind. Da gabs wiederum bei den meisten persönlich erlebten Fällen andere Gründe als „Welpen- oder Neuhundblues“.


    Was übrigens dem, der im Tief steckt, natürlich erstmal nicht weiterhilft.


    - Zu diesen ganzen Vergleichen mit „früher“ sollte man nicht vergessen, dass „früher“ auch bei Weitem unkomplizierter mit der Regulierung negativer Emotionen verfahren werden konnte. Zumindest von denen, die es sich körperlich leisten konnten. Kumpel, Frau, Kind, Hund oder Katze haben gerade nicht gepasst? Hats „batsch“ gemacht und ein Teil Frust war schon mal weg, ohne dass das jemand großartig problematisiert hätte. Das ist heute zum Glück kein anerkannter Lösungsweg mehr. Aber die Emotionen sind ja trotzdem noch da und suchen sich ihren Ausdruck.


    - Und wenn dieser Ausdruck dann halt mal ein Heulkrampf ist - oder ein Klagen dort, wo man auf ein verständnisvolles Ohr hofft - dann ist das doch in Ordnung, finde ich. Gerade wenn tatsächlich Schlafmangel dazukommt und die allgemeine Belastbarkeit runterfährt, dann ist eine Situation subjektiv empfunden richtig dramatisch, bei der man mit Distanz und aus der Ferne leicht sagen kann, dass das doch total übertrieben ist. Ist es wahrscheinlich sogar auch. Wer gerade ein persönliches Drama fühlt neigt zum dramatisieren. Ist menschlich.


    - Und ich kann mir nicht helfen: Manchmal klingen mir Tipps für professionelle psychologische Unterstützung ein wenig nach: „Jetzt heul hier nicht mir die Ohren voll sondern tu das bei Jemandem, der dafür bezahlt wird.“ (Nebenher vermerkt finde ich es völlig legitim, wenn jemand anmerkt, dass er nicht die Ohren vollgeheult bekommen möchte. Nur heißt das nicht, dass der Andere krank ist oder etwas tiefgreifend nicht bei ihm stimmt. Sondern da ist die eigene Frustrationstoleranz überstrapaziert).


    - Einfach nur zuhören, der eine oder andere praktische Tipp und (bei persönlicher Begegnung) zwei Stück Kuchen und ein paar Stunden Welpensitting scheinen mir für die Mehrheit der Fälle doch die bessere Medizin.

  • Das Pendel schlägt vielleicht von "bloss nicht zugeben, dass man überfordert ist" ein bisschen weit in die andere Richtung, aber grundsätzlich finde ich es eine große Errungenschaft, dass man "heutzutage" nicht mehr verbergen muss, wenn man überfordert ist.

    Das nehme ich doch schon ein wenig anders wahr, eher schon wieder auf dem Rückzug. Gerade in der virtuellen Welt, finde, man wird förmlich von perfekten Welten von ewig erfolgreichen Menschen erschlagen. Einiges davon spiegelt sich m.E. auch im DF wider. Es gibt kaum noch Erziehungsproblem-Threads. Wenn Probleme, dann werden sie zwischen anderen Themen, oft in allgemeinen Threads quasi versteckt angesprochen. Und das wäre für mich i.Ü. auch eine logische, leicht zeitversetzte Konsequenz von folgendem:

    Heute fordert der Zeitgeist, dass wir uns nicht nur selbst verwirklichen, sondern auch unsere Kinder und Tiere glücklich machen. Und umgekehrt tragen wir die Verantwortung, wenn sie nicht glücklich sind. Der Caretaker hat, finde ich, im modernen Erziehungsbegriff eine enorm große Verantwortung. Und das resultiert wieder in enormen Druck auf die Schützlinge. Blöde Spirale.

    Ich muss mir immer mal wieder sagen: Ich kann nicht alle glücklich machen. Ich bin kein Versager, weil meinem Kind oder Hund oder Pferd mal was quersitzt. Manchmal ist das Leben kein Ponyhof, auch meine Tochter muss mal durch schwierige Phasen durch...

    Der Zeitgeist bürdet einem einen Perfektionismus auf, der unweigerlich zu einem Gefühl des Versagens führt. Finde ich auch nicht immer leicht, damit umzugehen.

    Eben! (und dort vermute ich auch die Ursachen)

    Nur kann sich nicht leider jeder immer mal wieder sagen, dass man das nicht schaffen kann, diesen Perfektions- und Erfolgsanspruch zu verwirklichen.


    Der gesellschaftliche Druck ist enorm. Und ich empfinde ihn heutzutage als wesentlich höher. Dagegen, wie ich oben schon schrieb, wird mehr und mehr ein auch Schwächen zu haben, einem Versagen gleichgesetzt, dem Zeitgeist nicht stand gehalten zu haben. Das war mal m.E.n. anders, in einer Phase zwischen den 70er und bis ca. Mitte der 90er. Doch hier sehe ich einen Schwund, der mir auch logisch erscheint. Denn im Pefektionsmus, einer perfekten Welt mit hohen Ansprüchen hat Schwäche wenig Platz.


    Und hier unterscheidet sich die virtuelle Welt vom RL, finde ich. Die virtuelle Welt bildet sich m.E. sowohl perfekter als auch ungünstiger für das Zugeben von Schwächen ab, als das RL.

  • Das Pendel schlägt vielleicht von "bloss nicht zugeben, dass man überfordert ist" ein bisschen weit in die andere Richtung, aber grundsätzlich finde ich es eine große Errungenschaft, dass man "heutzutage" nicht mehr verbergen muss, wenn man überfordert ist.

    Das nehme ich doch schon ein wenig anders wahr, eher schon wieder auf dem Rückzug. Gerade in der virtuellen Welt, finde, man wird förmlich von perfekten Welten von ewig erfolgreichen Menschen erschlagen.

    Das mag sein, vermutlich nehme ich das nicht so war, weil ich nicht/wenig auf Facebook oder Instagramm unterwegs bin und nur in genau einem Pferdeforum und einem Hundeforum lese.. Und da gibt es für meine Begriffe ne Menge Probleme zu lesen. (Im Df geht das alles etwas unter zwischen all den Themen, die nichts mit Hunden zu tun haben...)


    Ich glaube, es ist zum großen Teil eine Frage der eigenen, selektiven Wahrnehmung. Durch das Internet lebt heute jeder Mensch in einer eigenen Wahrnehmungsblase, die sich nicht mehr mit der seines physischen Nachbarn überschneidet.

    Früher haben alle am Sonntag zur selben Zeit Tatort geschaut, dieselbe Zeitung gelesen ... wobei ich nicht sagen will, dass ich es schlecht finde, dass das heute anders ist! Ich bin kein Kulturpessimist.


    Ich sehe im "Welpenblues" auch kein Riesendrama oder Zeichen dafür, dass die ganze Menschheit am Leben scheitert. Die übertriebenen Reaktionen auf das "Phänomen" in der eigenen Wahrnehmungsblase scheint mir dramastischer als das Phänomen selbst.

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