Wo her kommt der Welpen Blues ?

  • Ich denke auch das kommt aufs Alter an. Ich bin 20, ich hatte vorher noch nie annähernd so viel Verantwortung. Ich hätte auch definitiv noch kein Kind und die ersten 1-2 Wochen fand ich es absolut schrecklich, einfach auch mein Bauchgefühl zu hören. Inzwischen mache ich das und alles ist einfacher.

    Jemand, der 50 ist und schon sehr viel mehr Lebenserfahrung hat es da wahrscheinlich leichter. Und ich denke auch, dass es das nur beim ersten Welpen so extrem gibt.

  • Danke!


    So "normal" wie das oft im DF angepriesen wird finde ich das nämlich auch überhaupt nicht.

    Ein (psychisch) gesunder erwachsener Mensch sollte von dem Gefühl plötzlich für einen Hund Verantwortung tragen zu müssen nicht so überwältigt werden dass er davon einen Nervenzusammenbruch bekommt, seinen Alltag nicht mehr gewuppt bekommt, usw . Dass man mal kurz die Nerven verliert, ja, aber als Dauersituation und das auch noch als normal bezeichnen, nein.

  • Dreierrudel ich bin auch fest überzeugt, dass Menschen, die Kinder großgezogen haben, eher keinen Welpenblues bekommen!

    Leider ist dem nicht so. Bei keinem der Kinder hatte ich die "Heultage". Beim Welpen hat es mich total von den Socken gerissen.


    Natürlich informiert man sich vor der Anschaffung des Hundes. Selbstverständlich, oder? Ich persönlich bin auch nicht mit der Erwartung herangegangen alles muss perfekt laufen. Bei mir war ein großer Punkt: "Welpen schlafen 18 bis 20 Stunden". Ja, vielleicht, wenn ich 18 bis 20 Stunden daneben sitze. Sobald sich jemand bewegt hat, war Welpi wieder wach. Und: Wir waren gerade 2mal Pipi? Egal, ich puller trotzdem nochmal. Da darf man sich schon auch mal richtig mies fühlen. Es braucht halt ein paar Tage um da rein zu wachsen. Mir tat der Austausch mit den Haltern der Wurfgeschwister gut. Und eine Frau auf der Straße die einfach meinte "es wird besser".

  • das ist ein ziemlich einfacher psychologischer Effekt - man beschäftigt sich "heutzutage" mit solchen Vorhaben wie Welpenanschaffung wesentlich intensiver und oft schon laaaange vorher. Insofern hat man ein "Projekt", um das sich alles dreht und den Tag im gewissen Sinne ausfüllt. Zumindest die gedankliche Beschäftigung - und je perfekter man es machen möchte, desto intensiver ist die Vorbereitung.

    Finde den Effekt alles andere als einfach, sondern für recht komplex und der Welpenblues ist nur ein Zipfelchen dieses Zeitgeistet. Empfinde es nicht so, dass man sich wesentlich intensiver vorher damit beschäftigt, zumindest nicht so, wie es angemessen wäre. Eher das Gegenteil, es werden Informationen sehr, sehr selektiv gesammelt, solche die einem die Wunschvorstellung bestätigen.


    Klar, dann kann man sagen, wenn man 50 Stunden nette und lustige Hundevideos geschaut hat, Werbetexte für Rassen ... schöne Geschichten, Herzschmerzseiten, wie "Hund rettet ... ", jow, dann hat man viel Zeit mit dem Thema Hund verbracht. Aber kann man es dann wirklich intensive Vorbereitung eines Projekts nennen? Fällt das nicht mehr unter die Befriedigung eigener Wunschträume? Also ein Wunschtraumerfüllungsprojekt? Däh, und logisch, mit einer solchen Lebenseinstellung wirkt Normalität immer wie ein schwarzes Loch (sehr, sehr unattraktiv, wie eine Naturkatastrophe).


    Insoweit, sehe das eher so:

    Steigende psychische Labilität und schwindende Frustrationstoleranz bei den Menschen.

    Die Leute können immer weniger damit umgehen, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es sich ausgemalt haben und solche unerwarteten Dinge können immer schwerer kompensiert werden. Sieht man auch in anderen Bereichen des Lebens immer häufiger.


    Die Leute fühlen sich von allem, das sie nicht 100% unter Kontrolle haben komplett überfordert und wandeln dann erstmal am Rande des Nervenzusammenbruchs, bis sie sich langsam an die neue Situation gewöhnt haben oder einfach aus der Situation fliehen.

    M.E. verliert sich der Realitätsbezug mehr und mehr. Man holt sich die Informationen selektiv, nach Gefallen (vorrangig) aus dem Internet (in zunehmender Tendenz) und irgendwann, so mein Eindruck, hat sich das Gefühl gefestigt: Das ist die Realität (bzw. so soll sie aussehen). Dabei dienen eine schier überwältigende Anzahl von Selbstdarstellungen ausschliesslich der Selbstdarstellung und dem Einheimsen, der vielen :herzen1::cuinlove::gut::bussi:

    Dazu ist es halt nötig, nur von sich die besten und schönsten Szenen darzustellen und das soll ja auch den Wunsch und die Vorstellung generieren, dass andere sich das auch für sich so wünschen (Probleme, ah gehhh ... was falsch machen ... ah watt, das ist was für *räusper* Versager ...) und so zeichnet sich mehr und mehr, ein völlig verzerrtes Bild von Realitäten.


    Wer tatsächlich mit schnöder Normalität dagegen anstinken möchte ("ah, wah, wie langweilig, ein RL-Nerd"), ein sog. ABER ausspricht, das ist ein Kritiker, ein Miesmacher und somit ein böser Nerd. Eigentlich ist jede Realität böse, erst recht, wenn man von ihr eingeholt wird (oder solches droht). Et voila, Welpenblues: "Hilfe, es lebt und macht Pipi. Das sah in youtube aber ganz anders aus".


    Das merkt man an allen Fronten, nahezu in allen Threads, vorrangig solche über Erziehungsprobleme. Mehr (und das ist schon nicht mehr ungefährlich), als zu sagen: "Wir empfehlen einen Trainer" ist immer häufiger gar nicht mehr möglich, denn alles andere wird als persönlicher Angriff gewertet. Wobei man auch bei diesem Satz Gefahr läuft, dass es so aufgefasst wird, denn wer einen Trainer in Anspruch nimmt, hat es nicht drauf. Es mangelt an Resilienzen in vielen Bereichen. Man darf quasi nur noch über rosa Einhörner sprechen ... wenns trotzdem schief geht, tut es ja regelmässig, weil es dem RL (und so einem realen Welpen) am Popo vorbeigeht, wie Mensch sich die Welt malt, dann übergeht man das am besten oder bedauert sich gegenseitig, ein Opfer von "falschen" Realitäten geworden zu sein ...

    Ich glaube, dass das Phänomenen daher kommt, dass man heutzutage absolut überinformiert ist!

    Du meinst, mit Traumszenarien über eine heile Welt in der ein jeder immer der tollste ist, dem nur die schönsten Sachen passieren? Klar, auf diesem Sektor werden die Menschen eindeutig überinformiert.

  • So "normal" wie das oft im DF angepriesen wird finde ich das nämlich auch überhaupt nicht.

    Es wird aber leider zur Normalität ... und ich sehe das mit Bedenken (und natürlich sind wir nicht die einzigen, die eine solch gesellschaftliche Entwicklung mit Sorge betrachten).

  • Ein (psychisch) gesunder erwachsener Mensch sollte von dem Gefühl plötzlich für einen Hund Verantwortung tragen zu müssen nicht so überwältigt werden dass er davon einen Nervenzusammenbruch bekommt, seinen Alltag nicht mehr gewuppt bekommt, usw .

    Exemplarisch deinen Kommentar herausgegriffen:

    Ich fühle mich fachlich nicht in der Lage zu beurteilen, was "normal" ist und was "krankhaft". Finde es dagegen spannend, dass das hier so viele können? |)


    Ich kann beide Seiten nachfühlen/nachvollziehen, unabhängig davon, ob man diagnostizierte psychische Probleme hat oder nicht. Daran würde ich aber pauschal keine Eignung als Hundehalter oä. knüpfen.


    Meine Vermutung liegt eher darin, dass die Anforderungen, v.a. die Öffentlichen, an jemanden wie einen Hundehalter (oder auch eine frischgebackene Mutter, Welpenblues kommt ja anscheinend vom Begriff "Babyblues") sowohl gestiegen als auch öffentlich demonstriert werden, alles dank Internet/Social Media, wo sich jeder andere möglichst fehlerfrei und perfekt präsentiert. Dadurch entstehen Erwartungen, die kaum erfüllt werden können (niemals bellender Hund im Mietshaus etc.). Und dann, glaube ich, verzweifelt ein HH entweder an den eigenen und/oder an fremden Erwartungen, was in diesem Fall eben auch öffentlich demonstriert wird.

    Ob es wirklich häufiger vorkommt, dass jemand einen "blues" hat? Ich vermute es ist ähnlich wie mit Nachrichten über Kriminalität. "Gefühlt" ist die Welt krimineller geworden, tatsächlich sinken die Zahlen aber eher. Es kommt einem nur so vor, da man nicht mehr nur die Regionalzeitung liest, sondern per Facebook, Newsportal etc. von Dingen erfährt, die am anderen Ende der Welt passieren.

  • Nebenbei: ich finde es gut, dass über das Thema, zu dem es ja anscheinend genug Gesprächsbedarf gibt, ein eigener Thread aufgemacht wurde.
    Finde ich besser als das bisherige, mMn unnötige OT-Schreiben in Neuling-Threads.

  • ich glaube auch das es eine Form von welpenblues vorher gab, es aber durch das ganze mediatum heutzutage präsenter ist.


    Ich glaube auch, das mit einer Vorgeschichte in psychischen Erkrankungen das Gefühl häufiger auftauchen kann bzw von den Personen die Situation anders wahrgenommen wird.


    Ich hatte bei Lennox einen leichten welpenblues, obwohl nicht der erste Hund und auch nicht der erste welpe unter meinen fittichen. Allerdings hat sich das ganze bei mir zügig erledigt da ich durch meine Depressionen etc damit umzugehen weiß.


    Ich habe es aber auch schön erlebt das "gesunde" Personen diese Gefühle hegen und länger daran zu knabbern haben gerade da solche Gefühle neu sind und nicht wissen wie sie es umleiten.


    Für mich selbst war es wenn ich es beschreiben muss ein beklemmendes Gefühl das ich aber auch nicht näher beschreiben könnte. Es lag weder an zu hohen Erwartungen oder erziehungsfragen und In sehr vielen Dingen war lenny ein absolut pflegeleichter welpe. Ich hatte das ganze ja ein paar Monate vorher schon ohne diese gefühlsregung. Es war einfach nach ca 1 Monat nachdem er da war da.


    Bei neuhundehaltern kann ich mir vorstellen das vieles mit einer zu großen erwartungshaltung die sich nicht erfüllt verknüpft ist, da Freunde, bekannte, Medien einem wunderbar vorgeben wann was zu sein hat und sich das theoretische nicht uneingeschränkt in die Praxis übernehmen lässt. Teilweise sind es auch vllt versagensängste alles zu versauen oder aber auch eine Art Zwangsgefühl das man am Anfang trotz Vorbereitung nicht mehr so walten kann wie man möchte.

  • Ich denke auch das kommt aufs Alter an. Ich bin 20, ich hatte vorher noch nie annähernd so viel Verantwortung. Ich hätte auch definitiv noch kein Kind und die ersten 1-2 Wochen fand ich es absolut schrecklich, einfach auch mein Bauchgefühl zu hören. Inzwischen mache ich das und alles ist einfacher.

    Jemand, der 50 ist und schon sehr viel mehr Lebenserfahrung hat es da wahrscheinlich leichter. Und ich denke auch, dass es das nur beim ersten Welpen so extrem gibt.

    Ich war um bei 50 als Jette bei uns einzog und sie war auch nicht unser erster Hund. Ihr Vorgänger hatte nichts gelernt als er einzog. Trotz seines Alters von ungefähr einem halben Jahr fingen wir auf dem Stand eines Welpens an.

  • Teilweise sind es auch vllt versagensängste alles zu versauen oder aber auch eine Art Zwangsgefühl das man am Anfang trotz Vorbereitung nicht mehr so walten kann wie man möchte.

    Stimmt, Versagensängste hatte ich auf zwei Ebene: Einerseits vor meiner Familie, das arme Tier wieder abzugeben wenn es nicht klapp. Anderseits wegen dem Hund, dass ich doch nicht dieses Geschöpf leiden lassen kann, nur weil ich zu inkompetent bin und sie dann rumreiche.


    Ich glaube auch, je engere das eigene Leben gestrickt ist, desto schneller kommt es zum Welpenblues. Ich musste beispielsweise nach meinem Urlaub wieder arbeiten. Plan A Bürohund scheiterte (Chef dagegen - etwas blauäugig gedacht, das geht schon), Plan B HuTA scheiterte (sie wollte nonstop dort ausbrechen und war deshalb nicht erwünscht) und Plan C zuhause bleiben scheiterte (sie konnte nicht alleinbleiben). Plan D vereitelte dann zudem der damalige Partner (keine Fremden ohne Anwesenheiten in die Wohnung, für Gassisupport). Ich zitterte also zum ersten Arbeitstag hin und es quälte mich total, wie ich das alles unter den Umständen hinbekommen soll. Deadlines sind schlechte Ratgeber.

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