Mein Mann-das rote Tuch...

  • Hallo!


    Ich muss jetzt erstmal weiter ausholen...


    Seit knapp zwei Wochen gehört zu uns die kleine Lucy.

    Die junge Dame (13 Monate) hat leider schon einges mitmachen müssen.

    Sie kam mit 12 Wochen nach Deutschland (stammt aus Kroatien). Aufgrund einer Fehlvermittlung wurde sie als Welpe an eine alte Frau abgegeben, die komplett überfordert war mit dem Tier. Sie konnte nicht mal Gassi gehn mit ihr, das haben angeblich verschiedene Schüler/Nachbarn etc gemacht.

    Nach einiger Zeit hat die Frau das doch eingesehen, dass das nichts für sie ist und gab sie ins örtliche Tierheim. Diese wiederum waren so voll belegt, dass die kleine nach ein paar Tagen an eine andere Tierschutzorganisation weitergegeben wurde. Anschließend kam sie in eine Pflegefamilie, von der wir sie geholt haben.

    Was in den ersten Lebenswochen passierte, weiß man nicht so genau. Aber auf jeden Fall sind ihr Männer im Allgemeinen nicht geheuer, und der Tierarzt der Pflegefamilie hat festgestellt, dass sie anscheinend schon mal an der Milz operiert wurde, er vermutet aufgrund eines Risses.

    Also hab ich die Schlussfolgerung gezogen, dass sie anscheinend von einem oder mehreren Männern misshandelt wurde.


    Sie ist generell sehr scheu und schreckhaft. Hat sich aber schon relativ gut eingelebt und bessert sich täglich. Die ersten zwei Tage war schon vollalarm wenn sich irgendwo in der Wohnung eine Tür geöffnet hat zum Beispiel.


    Jedenfalls ist es so, dass sich mein Mann in der Wohnung nicht bewegen kann ohne dass sie ihn ankläfft oder anknurrt. Aber nur wenn ich oder die Kinder zuhause bzw drinnen sind. Wenn er alleine in der Wohnung ist mit ihr, ist gar nichts.


    Auch draussen macht sie keinen Mucks bei ihm. Lässt sich auch von ihm an der Leine führen oder spielt mit ihm.


    Wir haben es jetzt erst mal so gemacht, dass nur mein Mann sie füttert. Dabei frisst sie ihm auch aus der Hand. In der Wohnung allerdings immer nur in 'Fluchtstellung', draussen geht sie ganz normal hin, holt sich ihr Leckerli und lässt sich sogar streicheln von ihm.


    Kaum zuhause, geht das gebelle von vorn los...

    Dabei weicht sie nicht von meiner Seite und versteckt sich hinter mir.

    Ich beachte sie momentan so gut wie gar nicht (auch wenns echt schwer fällt...) damit sie eine Bindung zu ihm aufbaut (weil da bekommt sie ja Streicheleinheiten und Futter)


    Wenn ich in der Wohnung unterwegs bin klebt sie an mir. Wenn ich sie ins Körbchen schicke, geht sie rein und bleibt bis ich nicht mehr in Sichtweite bin und schwupps, ist sie wieder bei mir.


    Mir ist bewusst, dass sie vermutlich mit starken Verlustängsten kämpft. Aber ich hab auch den Eindruck, dass sie sich der Rangordnung nicht bewusst ist. Es scheint immer so, als ob sie mich beschützen möchte, wobei es ja umgekehrt ist.


    Das ist mein erster 'Angsthund' bzw auch der erste aus dem Tierschutz. Meine vorherigen beiden waren beides deutsche Hunde, die mit 12 Wochen zu mir kamen. Diese 'Probleme' sind Neuland für mich, daher hoffe ich, dass der ein oder andere ein paar Tipps und Tricks fpr mich hat ?


    Lg

    Claudi mit Lucy


    P.S.: sorry für den immens langen Text ?

  • Natürlich kann sein, dass ein Hund misshandelt wurde und deshalb Männerangst entwickelt. Viel häufiger bei Hunden mit schlechter Sozialisierung ist aber wahrscheinlich genau die schlechte Sozialisierung schuld.


    Persönlich halte ich wenig davon, sich zu stark auf "Was der Hund alles mitgemacht habe muss" zu konzentrieren. Teilweise ist eher das nichts mitgemacht haben der Auslöser bzw. kann Mitleid dazu führen, dass man im Pinzip fest steckt und nicht weiter kommt, weil der Hund ja arm ist.


    Natürlich ist ein Hund, der in Angst lebt, auch irgendwie arm, aber Ziel sollte sein, dass er möglichst immer weniger arm wird.


    Dass Hunde anfangs Stress mit dem Mann im Haus haben, ist nicht so selten.


    Wie ich vorgehen würden. Hm... ich habe schon das an mir kleben von Anfang an nicht zugelassen.


    Damit Dein Mann sich auch bewegen kann und Hund zur Ruhe kommen lernt, würd ich, aber da kann man wohl darüber streiten, den Freiraum des Hundes erst mal sehr begrenzen.


    Lebt nicht jeder in so nem BabygitterFortKnox wie wir, aber das war immer der erste Schritt, der neue Hund kriegt nicht gleich die ganze Wohnung, sondern nur seinen Platz und darf langsam mehr Freiheiten haben, wenn er schon damit umgehen kann.


    Vermutlich, aber kein Profitipp, nur läufts bei ums so, da ich ohnedies Hauptbezugsperson bin und der letzte Neuzugang auch männerängstlich ist: Mann machte gar nichts mit ihm. Mann lebte einfach sein normales Leben und Hund durfte von seinem Platz aus zusehen und merken, dass Mann ihm gar nix will.

    Erste Kontaktaufnahme kam vom Hund. Nach... 5 Wochen, glaub ich.

  • Zwei Wochen sind für einen (Angst)Hund gar nichts, was die Gewöhnung an neue Menschen betrifft.


    Meine Bonny findet Männer (mich anfangs auch, übrigens) auch gruselig. Sie knurrt oder bellt nicht, sondern möchte einfach nicht in die Nähe und geht lieber auf Distanz.

    So. Und wie hab ichs als Mann geschafft, ihr zu verklickern, dass sie vor mir keine Angst haben muss?


    Ganz einfach: ich hab sie ignoriert. Futter hingestellt, Hund nicht angeguckt, nicht angesprochen, nix. Nur das nötigste mit/an ihr gemacht, nichts weiter.

    Das Ignorieren alleine reicht idR aber nicht aus, auch die Körpersprache des Menschen ist da wichtig. Nähert euch ihr nicht direkt von vorne, sondern weicht deutlich zur Seite aus. Beugt euch nicht über sie, sondern kniet euch an ihre Seite. Dadurch wirkt ihr weniger bedrohlich, das ist auch für deinen Mann ganz wichtig.


    Mein Vorschlag:

    Dein Mann übernimmt wichtige Hundedinge wie Futter hinstellen, Leckerli fallen lassen, Gassi gehen. Und du darfst weiterhin mit ihr interagieren. Biete ihr Schutz, wenn sie Angst zeigt oder sich vor etwas gruselt.


    Noch wichtiger: scheiß auf "Männer haben sie bestimmt misshandelt". Das Bemitleiden bringt dem Hund nix. Denk da lieber in Richtung "Ok, Männer findet sie halt gruselig". Das nimmt dir und dem Hund den Druck.


    Ich bin mir sicher, dass sie mit der Zeit merkt, dass sie sich vor deinem Mann nicht fürchten muss.

    Meine Bonny ist jetzt seit +-3,5 Wochen bei mir und fordert ab und an schon Streicheleinheiten ein. Ganz einfach, weil sie gemerkt hat, dass mein Rüde keine Angst vor mir hat und ich eigentlich auch nichts besonderes von ihr möchte.


    Ihr schafft das schon. Geht mit Geduld, Humor und Zeit an die Sache ran, dann wird das.

  • Was ich grundsätzlich wichtig find, was aber ev. nicht so deutlich raus kam.


    Ängstlicher Hund hin und her. Deinen Mann wird man nicht ausquartieren können. Der lebt hier, der war vorher da. Der ist Familie.

    Das wäre für mich sozusagen Hausregel Nr. 1. Der Mann darf in der Wohnung seine Dinge tun.

    Auch ein unsicherer Hund darf erst mal kleine Brötchen backen.


    Etwas Rücksicht sicher, aber nicht das ganze Leben umkrempeln und nicht mehr atmen, weil es den Hund stören könnte.


    Nein. Ich würde dem Mann mehr und dem Hund weniger Raum geben.


    Karpatenköter


    Glückwunsch. Hab es nur an der Signatur mitbekommen, dass sich was geändert hat. Schade, Lina war ne Fesche (Aber ich hab vollstes Verständnis, dass nicht immer alles zusammen geht oder um jeden Preis zusammen gehalten werden muss)

  • Ganz ehrlich, ich würde das so nicht machen. Sie ist ja erst ganz neu bei Euch und warum auch immer sie Angst hat, sie wird schon ihre Erfahrungen haben. Sie jetzt, in dieser für sie sowieso stressigen Situation noch zwingen das Futter aus der Hand Deines Mannes zu nehmen und nur von ihm Zuwendung zu erhalten, das macht mir Bauschmerzen. :/


    Biete ihr eine sichere Höhle an (abgehängte Box) in die sie sich jederzeit zurück ziehen kann und wo sie absolut in Ruhe gelassen wird. Ansonsten bau Du zu ihr eine Bindung auf und lass den Mann ganz normal seine Dinge tun. Sie wird schon lernen, dass er ihr nix böses will.


    Er kann ihr ja gern mal ein tolles Leckerchen geben oder ein tolles Kauteil, aber im Moment ist sie quasi gezwungen im Dauerstress zu leben.


    Bei uns war es am Anfang auch schwierig mit Leni und meinem Mann. Sie war auch sehr zurückhaltend (hat aber nicht so stark reagiert wie Eure Lucy) und hat sich an meine Fersen geheftet. War auch ok und inzwischen hat sie ihn sehr gern und kuschelt ganz viel mit ihm. Fremde Männer sind aber immer noch gruselig.


    Hab Geduld und macht es ihr so stressfrei wie möglich, das kommt schon alles mit der Zeit. :smile:

  • wir haben eine box in der Wohnung. Inzwischen hat sie auch gemerkt, dass die gar nicht so schlecht ist, eben weil sie ihre ruhe hat und geht auch freiwillig rein.

    Wenn wir essen oder nachts muss sie halt rein, ob sie in dem Moment will oder nicht.


    Mein Mann ignoriert sie auch meistens. Er lobt sie halt wenn sie auf ihn zukommt, wenn er ihr ein Leckerli gibt. Und vielleicht kams falsch rüber, aber er füttert sie nicht komplett aus der Hand. Eigentlich stellt er ihr wortlos das Futter hin, wir haben es jetzt nur mal getestet, ob sie das futter auch aus der hand frisst.


    Ich weiß auch, dass die paar Tage jetzt noch lange nicht ausreichend sind um eine gute Bindung aufzubauen, aber ich hätte halt gerne Erfahrungen/Ratschläge auf was ich bzw mein mann gezielt achten sollen, damit sie merkt, dass sie in der Rangordnung ganz unten ist und er ihr nichts böses will.

    Das in die knie gehen, nicht von oben her streicheln etc machen wir sowieso. Das war auch schon bei meinen andern beiden Hunden so. Doch dieses verhalten ist mir eben komplett neu. Und mein Mann hat es bisher noch nicht mitgemacht wie es ist einen 'neuen' hund zu haben. Er lernte meine lilly erst kennen als sie schon 4 jahre war...

  • Lass ihn ruhig mal mit ihr alleine. Die finden sich.

    Dein Mann muss nur normal sein. Sie kapiert ihn ...

    Sperrt ihr sie in die Box?

  • Hi,


    ich bin müde und schreib morgen mal etwas ausführlicher dazu. Heute erstmal so viel dazu: Diese Rangordnungsgeschichte würde ich erstmal völlig beiseite schieben. Euer Hund kratzt nicht an irgendeinem Rang - sie ist verunsichert und weiß nicht, wo ihr Plätzchen ist. Das geht auch nicht von heute auf morgen, dass sie das findet.


    Ein wenig Begrenzung gekoppelt mit stabilen Strukturen tut ihr jetzt, denke ich, sehr gut. Die Kindertürgitter sind da ein super Hilfsmittel, haben wir auch genutzt.


    Wichtig ansonsten für die erste Zeit:


    - Ihr Ruheplatz ist soweit wie möglich auch ihr Ruheplatz, da sollte sie nicht gelockt oder bedrängt werden. Notwendigkeiten wie anleinen und wegführen zum Gassi würde ich da neutral/freundlich ohne großes Getue erledigen.


    - „Goodieregen“ - also zufälliges Fallenlassen von Leckerchen in Hundenähe - wenn Hund beobachtet - und dann Weggehen würde ich dem Locken zur Handfütterung in der ersten Zeit vorziehen.


    - Deinem Hund quasi dauerhaft Sozialkontakt zu Dir zu entziehen, damit sie sich Deinem Mann zuwendet: Wäre nicht meine Strategie. Eher würde ich den Hund tatsächlich dahingehend räumlich begrenzen, dass er Dir eben nicht überall hin folgen kann und einfach auch mal in Ruhe beobachten lernt. Aber wenn sie denn schon bei Dir ist, dann sollte sie da auch Zuwendung bekommen. Sonst ist ja auch Dein Verhalten für sie völlig unberechenbar, so wird das nix mit der Sicherheit.


    Hast Du hier schon den Angsthundethread gefunden? Wenn nicht, verlinke ich den - aber morgen, Morpheus ruft.

  • Zitat

    Wenn wir essen oder nachts muss sie halt rein, ob sie in dem Moment will oder nicht.

    Das ob sie will oder nicht KÖNNTE in naher Zukunft die Box sehr unbeliebt machen. Positiv belegt ist sie damit jedenfalls nicht vollumfänglich. Vorallem wenn geschlossen.


    Ihr habt sie jetzt seit 2 Wochen. Das ist eine Zeit, in der viele neu aufgenommene Hunde noch im "Zombiemodus" sind und sowieso alles mit machen.


    Bzgl. "Rangordnung"

    Auch wenn ich zb nicht in Rangordnung denke, sondern hm... egoistisch, so wie es momentan läuft, jedenfalls der knappen Beschreibung nach, ist Hund ja wenn ihr da seid, der, der quasi bestimmt, was Mann darf (Nichts).


    Insgesamt würde ich auch sehr darauf achten, mit ihr noch gar nicht groß was zu unternehmen. Mehr als pinkeln gehen kann anfangs schon zuviel sein. Spielen kann man später noch viel und oft mit Hund.

    Ankommen ist ne riesen Anpassungsleistung.


    Hat sie zb vorher schon mal mit Kindern zusammen gelebt und sind Eure noch jünger? Allein das Gewusel und der Kindergeräuschpegel, ne neue Umgebung, alles neu, vieles zum ersten Mal, da schmort einem ja das Hirn durch als Hund, wenn man das noch nicht gut kennt.

    (Stress macht unsichere Hunde zb tendentiell auch ängstlicher)


    Geduld. Ruhe. Geduld. Ruhe. Nix machen. Geduld. (Und ich bin wie gesagt ja pro nachdackeln unterbinden und Hunden anfangs nicht die ganze Wohnung zur Verfügung stellen. Besondes unsicheren. Viel zu viele neue Dinge und Möglichkeiten, statt Regeln und Rituale, die Halt geben. Was streng wirkt, hilft vielen Hunden eher zur Ruhe zu kommen. Ein paar klare Regeln. Wie "Das hier ist jetzt mal Dein Platz. Mehr machen wir hier (jetzt) nicht."


    Es kann "Verlassensangst" sein, Dir ständig zu folgen - oder schlichtweg: "Ich halt mich auf dem neuen Planeten mal an den, der am wenigsten gefährlich aussieht und wo ich mir die größeren Chancen ausrechne, das Entführungsdrama zu überleben. Ich hab zwar keine Ahnung, was das alles hier soll und was die von mir wollen, aber die scheint sich hier etwas auszukennen."


    Mir nicht nachlaufen dürfen (eher können. Ich erinnere an BabygitterFortKnox) und mal einen Ruheplatz haben, wo nix passiert, nix gefordert wird, war und ist eine der Haupthausregeln. Etwas, an das Hund sich relativ schnell halten kann, obwohl er vielleicht noch ne Menge gar nicht versteht. Ein erstes: Passt, richtig gemacht, alles gut.


    (Ich weiß, dass andere das anders handhaben und weniger streng sehen. Ich find nachlaufen nicht unterbrechen kontraproduktiv, auch wenn es später um Alleine bleiben lernen usw geht.)


    Alleine das dürfte ja schon den Mann anbellen etwas minimieren. Ihr lebt ja vermutlich nicht in einer Einraumwohnung.

  • Ich unterstreich auch nochmal: Vergiss das mit der Rangordnung! Deine Hündin will dich ja nicht beschützen, sondern sie sucht Schutz bei dir. Und das ist eigentlich schon mal toll, dass sie dir soweit vertraut.


    Zwei Wochen sind ja noch gar nix. Schraubt die Anforderungen mal deutlich runter.


    Ich habe auch eine ängstliche Auslandshündin. Fremde Menschen findet sie anfangs ganz gruselig. Erzwingt man dann Kontakt (also zB indem man versucht sie zu streicheln oder zu füttern) verschlimmert das die Lage nur, weil sie sich dann bedrängt fühlt. Und gerade was das Futter betrifft, ist dann der Hubd in einem Konflikt. Da ist einerseits das Futter, eine überlebenswichtige Ressource, andererseits muss man dafür zu dem gruseligen Menschen hin, weil der das Futter hat - entspannt fressen geht auf diese Weise ja gar nicht.


    Dein Mann sollte sich ganz normal verhalten und Lucy gar nicht groß beachten. Klar kann er mal nebenbei ein Leckerli auf sie zurollen lassen, beim Gassi ihre Leine halten, ruhug loben - aber nix machen, was sie in einen Konflikt bringt.


    Meine Hündin jedenfalls verliert ihre Angst am schnellsten, wenn der Mensch sie einfach links liegen lässt. Dann wird sie am schnellsten zutraulich und macht irgendwann von sich aus den 1. Schritt.

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