Wachverhalten im Haus - Unsicherheit oder territorial?
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Hallo,
ich bräuchte mal ein bisschen "Brainstorming" zum Thema (territoriales) Wachverhalten und Melden im Haus.
Der aktuelle Stand:
Kira wohnt seit Ende Februar bei uns, damals ca. 1-jährig, Labbi-Mix, Wanderpokal, unbekannte Herkunft.
Wir wohnen mit meinen Schwiegereltern in einem Haus, jeder hat eine Etage + gemeinsames Treppenhaus. Generell ist es relativ hellhörig, die Wohnungstür hat einen milchigen Glaseinsatz, man sieht und hört also, wenn jemand im Treppenhaus ist. Unsere Etage ist die untere, ebenerdig bzw. tlw. Souterrain zum Garten und zu den Nachbarn hin. Man hat vom Wohnzimmer aus den perfekten Blick auf die Nachbargrundstücke neben und über uns.
Das Probem ist, dass Kira im Haus meldet
- wenn sie Stimmen außerhalb unserer Wohnung hört (also auch, wenn der SchwieVa laut lacht oder lauter telefoniert)
- wenn jemand im Treppenhaus ist (reaktiv auf Licht, Schritte, Türen)
- wenn sie die Nachbarn im Garten nebenan sieht
- wenn Nachbarn 100m weiter auf dem Balkon stehen und Kira sie sieht
- wenn eine Autotür hörbar zuschlägt
- wenn Hunde bellen
- wenn sie zwei Grundstücke weiter am Straßenrand Fußgänger, Radfahrer oder Hunde sieht (auf "unsere" Straße hat sie im Haus keinen Einblick, weil unsere Hauptaufenthaltsräume auf der Rückseite des Hauses sind)
Wenn wir im Garten sieht, meldet sie nur Fußgänger auf der Straße; Nachbarn im Garten werden registriert, aber so lange sie nicht direkt am Zaun sind, werden sie ignoriert, genauso wie Hundegebell (außer direkt vor dem Haus, da ist sie dann angespannt). Kira ist im Garten jederzeit abrufbar.
Bei den Schwiegereltern in der Wohnung, wo sie oft nachmittags ist, verhält sie sich genauso. Sie sind nur verständlicherweise davon genervt, vor allem, dass Kira anschlägt, wenn sie an unserer Wohnungstür vorbei gehen.
Was machen wir:
Mit unserer Trainerin haben wir ein strenges Deckentraining aufgebaut, da ihr Grundproblem anfangs war, dass sie zu wenig Ruhe gefunden hat. Dadurch sind zwar die Trigger nicht weniger geworden, allerdings flippt sie nicht mehr kopflos aus, sondern bellt bewusst und lässt sich 50% auch abbrechen (ich rufe sie, lasse sie absitzen und belohne sie). Bei der anderen Hälfte der Fälle bellt sie weiter, teilweise steht sie vor mir und bellt mich an oder rennt zwischen mir und der "Quelle" hin und her. Manchmal reagiert sie auch auf ein Nein, brummelt dann aber weiter.
Wenn sie auf ihrer Decke liegt, wacht sie weniger, aber ich kann sie schlecht den ganzen Tag auf einem Ort liegen lassen. Wenn ich natürlich merke, dass sie aufmerksamer ist und nicht döst, schicke ich sie bewusst auf einen Ruheplatz.
Ansonsten lässt sie sich mit einem Schreckreiz abbrechen (klatschen o.ä.), oder wenn ich den Moment erwische und sie ermahne, bevor sie anfängt, nur habe ich sie nicht den ganzen Tag dauernd im Blick, und mit einem Abbruch oder Anschiss scheint sie es ja nicht dauerhaft zu lernen, sondern lässt es nur in diesem Moment.
Ansonsten managen wir mit Radio/Fernsehen an und geschlossenen Rollos, letzteres kann aber auch kein Dauerzustand bleiben.
Letztendlich ist ihr Verhalten vermutlich ein Symptom für ihre fehlende (Umwelt)Sicherheit und Reizoffenheit, und daran arbeiten wir insgesamt mit der Trainerin (Menschen- und Hundebegegnungen draußen, Hausregeln, Besucher etc.). Ich hoffe naiverweise, dass sich das mit dem Erwachsen werden irgendwann erledigt, will mich darauf aber nicht verlassen. Falls ihr Verhalten einen reinen territorialen Grund hat (und nicht nur reine Unsicherheit ist a la "Achtung, ich wittere Gefahr!"), was die Trainerin vermutet, werden wir das eh nicht komplett wegtrainieren können. Einbrecher bzw. Fremde darf sie gerne mistig finden, aber die Nachbarn auf dem Balkon hinter lichten Bäumen sind wirklich keine Bedrohung...
Wie mache ich also meiner Hundedame klar, dass ich mich kümmere und sie nichts regeln muss?
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Was und wie trainiert die Trainerin denn genau?
Desensibilisiert ihr all die Auslöser und/oder wie sieht das Alternativverhalten aus?
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Falls ihr Verhalten einen reinen territorialen Grund hat (und nicht nur reine Unsicherheit ist a la "Achtung, ich wittere Gefahr!"), was die Trainerin vermutet, werden wir das eh nicht komplett wegtrainieren können.
Wo ist denn da der Unterschied in der Motivation? Das Verteidigen eines Territoriums ist doch nicht anderes als "Ich wittere Gefahr."
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Hier hat das mit Anerkennung immer gut geklappt - also keine strengen Restriktionen a la "Ab auf die Decke" bei jedem Mucks, sondern genau das Gegenteil: Ein kurzes, sinngemäßes "Gut gemacht, Hund, danke. Ab jetzt kümmere ich mich, du kannst Ruhe geben." Sprich: Kurzes Lob, dann freundliches Abwiegeln, auch mal mit Belohnung für schnelles Ruhegeben. So läßt sich auch gleich gut ein Bell-Abbruchkommando einüben.
Dieses "Ernstnehmen" wirkt viel nachhaltiger als dauerndes, für den Hund frustrierendes Deckeln, weil er dabei lernt: Es reicht, wenn ich kurz melde, weil Mensch dann übernimmt. Also alles okay.
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Wie mache ich also meiner Hundedame klar, dass ich mich kümmere und sie nichts regeln muss?
Das klingt jetzt sowas von banal, ist aber einfach der Schlüssel zum Hund in diesem Moment:
Indem Du Dich auch tatsächlich kümmerst. Für den Hund ersichtlich.
Wie?
Indem Du anfangs ruhig ein wenig übertrieben auf den Auslöser schaust, ihn für den Hund ersichtlich "bewertest" und zwar als harmlos.
Wir hatten das damals hier beim Einzug neben einer Kneipe - die tratschenden Raucher spätabends, die halb in unserer Einfahrt standen.
Ich bin mehrere Abende bei jedem Anschlagen der Hunde zum Fenster gegangen, hab rausgeschaut, etwas unglaublich intelligentes wie "Ach, das sind wieder nur die Kneipis, passt schon!" gesagt (Ton und Inhalt helfen uns Menschen dabei, auch wirklich die richige Körpersprache und Ausstrahlung zu haben) und hab die Hundis wieder auf ihre Plätze geschickt.
Das ist bei mehrerererereren Auslösern natürlich anfangs eine anstrengende Liga - aber es spielt sich sehr rasch ein, so dass es ganz bald deutlich (!) weniger wird und irgendwann auch ein gemurmeltes passt schon genügt.
Ähnlich hab ich übrigens auch mit den Kangals im Herdenschutz bei "menschlichem Umfeld-Kram" gearbeitet.
Ansonsten lässt sie sich mit einem Schreckreiz abbrechen (klatschen o.ä.), oder wenn ich den Moment erwische und sie ermahne, bevor sie anfängt, nur habe ich sie nicht den ganzen Tag dauernd im Blick, und mit einem Abbruch oder Anschiss scheint sie es ja nicht dauerhaft zu lernen, sondern lässt es nur in diesem Moment.
Abbruch und/oder Anschiss lassen den Hund ja letzten Endes auch hilflos zurück - der weiss ja dann immer noch nicht, was er stattdessen tun soll.
Ein anschlagender Hund hat ja immer die Motivation, auf etwas aufmerksam zu machen.
Verbietet man ihm das einfach nur, ohne ihm "Bewertungshilfe" zu geben, ist das so, als wenn man als einzig Sehender unter Blinden auf eine Schlange auf dem Weg aufmerksam machen will und die blinden Kumpels sagen einem nur, dass man endlich die Klappe halten soll. Die vermeintlich Bedrohung ist ja trotzdem noch da.
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Wo ist denn da der Unterschied in der Motivation? Das Verteidigen eines Territoriums ist doch nicht anderes als "Ich wittere Gefahr."
Für mich ist es ein Unterschied, ob sie wacht, um uns/das Haus zu beschützen, oder ob sie reagiert, weil sie sich selbst bedroht fühlt. Jedenfalls interpretiere ich das so.
Z.B. reagiert sie stark darauf, wenn sie eine Autotür zufallen hört. Ich behaupte mal folgendes mit meinem Nicht-Wissen über klassische Hof/Wachhunde: bei einem bewusst territorial veranlagten Hund erwarte ich, dass er die Grundstücksgrenzen erkennt und Gefahren richtig einschätzen kann bzw. lernt. In 95-99% der Fälle bedeutet eine zugeschlagene Autotür bei uns, dass niemand das Grundstück bzw. das Haus betritt. Kira kann das aber anscheinend nicht generalisieren.Vielleicht verknüpft sie als Wanderpokal damit eine schlechte Erfahrung (abgeholt werden etc.), aber das ist nur ein Gedanke.
Was und wie trainiert die Trainerin denn genau?
Am Wachverhalten? Aktuell gar nichts bzw. nicht konkret.
Was wir machen ist Deckentraining und Hausregeln im Haus, Impulskontrolle durch kontrolliertes Spielen und ansonsten draußen Hunde- und Menschenbegegnungen, kontrollierten Kontakt, Leinenführigkeit etc.
Wie gesagt, das Melden ist ja nicht die einzige Baustelle, aber ich erhoffe mir ein paar Erfahrungsberichte von anderen HH mit Hunden, die ähnlich reizoffen, umweltunsicher o.ä. sind und sich ähnlich verhalten.
Desensibilisiert ihr all die Auslöser und/oder wie sieht das Alternativverhalten aus?
Ich habe kein konkretes Konzept, um mit ihrem melden umzugehen. Manchmal reicht ein lautes Nein, meist springt sie ja auf, während ich koche, lese etc., dann rufe ich sie zu mir, lasse sie absitzen und "runterkommen" und belohne sie ruhig.
Die Trainerin hat nach einem Gespräch gestern nochmal zum Abbruch per Schreckreiz geraten, falls Kira "übertreibt", allerdings kann ich dann in Hochzeiten alle 5min abbrechen und dann verliert der Schreckreiz irgendwann seine Wirkung, befürchte ich.
Ich spreche das Thema beim nächsten Training am Samstag an, es hat aber aktuell keine hohe "Priorität". -
Ich arbeite bei Milly auch über "Bestättigung" wenn sie meldet.
Ich sag dann "ist gut, habs gehört", tätschel ihr gegebenfalls noch mal den Kopf und dann ist gut.
Allerdings filtert Milly schon selber gut. Es werden wirklich nur komische / ungewöhnliche Geräusche gemeldet.
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Ums nochmal zu betonen: ein Abbruch durch einen Schreckreiz o.ä. ist nichts, was ich gut heiße und unbedingt möchte, sondern ich wollte nur beschreiben, was wir aktuell ausprobieren bzw. was annähernd zum Hund durchdringt.
Indem Du anfangs ruhig ein wenig übertrieben auf den Auslöser schaust, ihn für den Hund ersichtlich "bewertest" und zwar als harmlos.
Das habe ich monatelang gemacht, bevor wir das Thema Abbruch durch die Trainerin hatten. Uund auch jetzt, wenn ich merke, dass sie die Schwiegereltern hört und "lauscht", sage ich erst "ach, das sind doch nur die Schwiegereltern, kein Problem". Trotzdem ist es für sie irgendwann too much und das Bellen geht los.
Wir haben uns auch lange zusammen ans Fenster gestellt und die Nachbarn beobachtet, falls sie sich beruhigt hatte. Dabei fielen dann zufällig Leckerlies in ihre Nähe. Sobald die Nachbarn aber 10min später wieder neu auftauchten, fingen wir von vorne an. Gerade im Sommer war das letztendlich so stressig, dass wir nachmittags das Rollo unten ließen, wenn wir wussten, dass die Nachbarn eine Grillparty machen, oder die Oma im Garten arbeitet und hin und wieder hinterm Zaun zu sehen ist. Und als dann die Tochter täglich mit Sohn und Hunden aufgetaucht ist, haben wir irgendwann das Rollo ganz unten gelassen und machen es nur zum Lüften hoch.
Das ideale Ziel ist natürlich, dass sie die Geräusche einordnen kann, als normal akzeptiert und weiterdöst bzw. das tut, was sie gerade tat.
Das realistische Ziel ist, dass sie vielleicht einmal wufft und dann zu mir kommt und wir zusammen nachgucken. Daher rufe ich sie auch zu mir, wenn sie meldet.
Aber wie versteht ein Hund den Unterschied zwischen "Frauchen ist gechillt, also gibts kein Problem" und "Frauchen ist gechillt, die erkennt die Gefahr doch gar nicht, ich muss sie warnen!"? -
Bei dem was ixabel anspricht geht es um die Motivation: "Wachverhalten" (wie Ressourcensicherungsverhalten) ist angstbasiert, der Hund hat in erster Linie SORGE um etwas. Da ist erstmal egal um wen oder was. Die Therapie dafür ist dieselbe.
Der Hund halt also angst, deswegen funktioniert "anmeckern" nicht langfristig, weil das die angst ja nicht abstellt. Das wird wahrscheinlich auch mit der Grund sein, warum du nicht wirklich Fortschritte erzielst, da sich das Problem samt Symptomen nur verlagert aber nicht mindert.
Mach dir eine Liste worauf dein Hund reagiert und arbeite sie unter dem Aspekt der Desensibilierung ab.
Überleg dir EIN explizites Alternativverhalten, das du bombensicher auftrainierst und danach anfängst in entsprechenden Situationen abzufragen und ordentlich zu belohnen.
Hunde die gern bellen, bei denen macht es z. B. Sinn ihnen etwas zum apportieren zu geben, wer was trägt kann nicht bellen ...
Du wirst vielleicht das Hundeleben lang einen Teil managen müssen und vielleicht auch einige Dinge einfach akzeptieren lernen müssen.
Je eingeschliffener ein Verhalten desto verschwommener die Auslöser und desto länger dauert die Therapie.
Es gibt viel gute Literatur. Ich kann dir z. B. spontan
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Hier hat das mit Anerkennung immer gut geklappt - also keine strengen Restriktionen a la "Ab auf die Decke" bei jedem Mucks, sondern genau das Gegenteil: Ein kurzes, sinngemäßes "Gut gemacht, Hund, danke. Ab jetzt kümmere ich mich, du kannst Ruhe geben." Sprich: Kurzes Lob, dann freundliches Abwiegeln, auch mal mit Belohnung für schnelles Ruhegeben. So läßt sich auch gleich gut ein Bell-Abbruchkommando einüben.
Dieses "Ernstnehmen" wirkt viel nachhaltiger als dauerndes, für den Hund frustrierendes Deckeln, weil er dabei lernt: Es reicht, wenn ich kurz melde, weil Mensch dann übernimmt. Also alles okay.
so hat es bei uns auch funktioniert a la "Danke, ich hab es auch gesehen/ gehört."
Schimpfen, Klatschen etc hat bei uns das Gegenteil bewirkt.
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