Die große kleine Leserunde: „Das Schneemädchen“ von Eowyn Ivey
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Die englische eBook-Version vom Schneemädchen kann man sich bei openlibrary.org kostenlos und legal für zwei Wochen ausborgen. Falls das wen interessiert
Nachtrag: Die Version, die man sich da herunterladen kann, ist furchtbar formatiert. Die haben offenbar kein Originalmanuskript hochgeladen, sondern irgendeinen Trümmerhaufen, der durch OCR-Software generiert wurde. Voller Erkennungsfehler und seltsamer Formatierungen und sehr lästig zu lesen, ich kann's nicht empfehlen. Besser Geld ausgeben und Papier dafür kriegen.
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Hi
Schau mal hier: Die große kleine Leserunde: „Das Schneemädchen“ von Eowyn Ivey* Dort wird jeder fündig!
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Mich trennen noch ca. 20 Seiten bis zum Buchende, aber klar ist schon, dass ich es nicht behalten werde...
Im letzten Drittel wird für mich endgültig die Grenze zum Kitschroman überschritten: Aus dem feenhaften Wesen, dem unwirklichen Schneemädchen, das angeblich kein Feuer verträgt (so lässt sich Mabel von Garrett versprechen, nie ein Feuer zu entzünden), da es sonst zerfließt o.ä. (s. Märchen), wird ein Teenager mit sexuellen Gefühlen, schließlich eine Mutter und „Ehefrau“ - letzteres sogar trotz Hochsommer.
Zuvor widmet das Waldmädchen sich der Aufzucht eines Huskywelpen, was wieder mal zeigt, dass man für Hundehaltung keinerlei Ahnung und kein artgerechtes Futter (bekam der Kleine immer nur Frischfleisch?) braucht. Hauptsache, Halterin und Hund mögen Schnee.Dann entwickelt das fast irreale Wesen recht irdische Gelüste, wird überraschenderweise schwanger, muss heiraten, bekommt ein Kind. Nun, das passiert auch „echten“ Jugendlichen, die eventuell aber immer noch besser zur „Menschenaufzucht“ geeignet sind als dieses Elfenwesen, dessen Kochkünste mehr als gewöhnungsbedürftig sind, außer man würde abnehmen wollen (was dem Jungehemann passiert). Und Faina als Hausfrau, in einem Blockhaus wohnend, Ackerbau und Viehzucht treibend, ein Neugeborenes versorgend, kann man sich nicht vorstellen. Dementsprechend verschwindet die junge Frau auch vor der Hochzeit ständig im Wald, kümmert sich um nichts, taucht nur sehr sporadisch auf.
Auch Jack und Mabel sind bestürzt, dass ihr kleines Mädchen nicht mehr existiert, dass der Zauber des Märchenbuches gebrochen ist. Mabels Alpträume lassen ahnen, dass Faina sich nicht im Sonnenlicht auflösen wird (was sie erwiesenermaßen auch nicht tut), sondern dass etwas anderes passieren wird.
Wäre die Autorin doch nur bei einem Genre geblieben, ob nun Märchen, Fantasy, Roman über den Überlebenskampf im unwirtlichen Alaska. Die Vermischung von harter Realität, Traumwelten, Märchenelementen, durch Traumata verzerrte Wahrnehmungen irritiert nicht nur, sondern stört mich immens.
So, heute Abend noch das Ende...
Übrigens: Warum werden Mabel und Jack stets als „alte Leute“ bezeichnet: Sie sind Anfang 50, die Todgeburt ist erst 10 Jahre her (zu Buchbeginn). Auch zu Beginn des 20. Jts. war man damit kein Greis, keine Greisin. Aber das sollte ja kompatibel zum russischen Märchen sein, in dem von einem alten Paar die Rede ist. -
Marabea Zum Altersthema: Das Buch spielt ja in den 1930ern, gut, da war die Lebenserwartung natürlich auch schon höher als im Jahrhundert davor, trotzdem habe ich den Eindruck, dass Menschen mit Anfang 50 damals schon eher als "alt" galten denn heutzutage. Gerade durch die schlechtere medizinische Versorgung, die häufig vorkommenden Existenzängste und das Fehlen moderner Annehmlichkeiten, alterten die Menschen ja auch einfach etwas früher... Kenne ich so auch von bäuerlicher Verwandtschaft auf dem Lande, die ihren Lebtag körperlich hart gearbeitet haben mit vergleichsweise wenig Komfort.
Und ganz allgemein: Ich finde es superspannend, hier von Euren Eindrücken, Interpretationen und Überlegungen zu lesen. Auch wenn die Interpretationen oftmals kritischer ausfallen als meine Ansicht zum Buch - ich mag es ja sehr gern -, finde ich das sehr faszinierend.
Gerade die Gedanken zur "Funktion" des Schneemädchens im Buch fand ich sehr erhellend.
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tinybutmighty : Ja, das hast du schon recht - zumal das harte Leben in Alaska wohl auch zum schnelleren Altern beiträgt. Ich hatte nur den Eindruck, dass diese Angabe aufgrund des Märchens „passend“ gemacht wurde. Esther und George sind vermutlich in demselben Alter wie Mabel und Jack und werde dennoch nicht als alte Leute bezeichnet - und sie wirken auch nicht so. Grundsätzlich ist das wohl sekundär.
Schön, dass du das Buch weiter mögen kannst (warum auch nicht?). Das ist gerade das Faszinierende an Literatur: Dass sie so unterschiedliche Seiten in uns zum Klingen bringt - oder eben auch nicht.
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Natürlich mag ich das Buch weiterhin Das ist einfach persönlicher Geschmack und mMn vor allem etwas Emotionales. Wie sagte Kafka noch gleich? "Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns".
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Ich kannte es doch noch nicht (oje, mein Gedächtnis) und habe nur wenige Seiten...bis S. 65.
aber ich mag es schon sehr wegen der Sprache, der genauen und doch knappen Beschreibungen, dieser Lakonie und bis jetzt tut mir Mabel einfach so leid....das Schneemädchen wurde nun gerade gebaut und ist verschwunden. Die Kälte, die Landschaft, die Tiere, uff.Ich bin sehr gespannt und recht schnell in das Buch "hineingefallen". Wenns jetzt nicht noch zu absurd wird, keine Ahnung, aber bislang finde ich es sehr gut.
Drei Übersetzer (hat man eher selten) haben da wohl tolle Arbeit geleistet.
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tinybutmighty : Nun ja, dein Zitat aus Kafkas Briefen steht aber in einem Kontext, der besagt, dass man laut Kafka nur Bücher lesen solle, die einem wehtun (die „uns stechen und beißen“), uns schmerzen wie der Tod eines geliebten Menschen, uns das Gefühl von Einsamkeit und Lebensüberdruss empfinden lassen.
Nun, dies teile ich nicht und halte es auch nicht für ein Zeichen psychischer Gesundheit...
Das „Schneemädchen“ erzeugt bei mir keine Gefühle dieser Art, denn...
... nach dem anfänglichen Betroffensein über die Härten des Alltags von Jack und Mabel, Mabels emotionale Situation, Jacks Verzweiflung nach dem Unfall, der ihn ans Bett fesselt u.ä, erzeugt fast das ganze letzte Drittel bestenfalls Irritation, wenn nicht gar Unwillen weiter zu lesen, der dann aber überging in Zufriedenheit durch ein für mich überzeugendes Buchende, das sich wieder in der Realität bewegt.Dass Faina sich in der Zivilisation nie wohlfühlen würde, dass sie ihrer Verantwortung als Mutter und Ehefrau bzw. Hausfrau nicht gerecht werden könnte, war eigentlich klar. Dass auf die schwere Geburt eine Infektion mit hohem Fieber folgte, ist realistisch. Dass sie in jener letzten Nacht - wie ein wildes Tier, das sein Ende spürt und sich verkriecht - „fortgeht“ (Euphemismus für „sich umbringen“), sich also nackt bei fast Minus 30 Grad und Schneefall wegschleicht, überzeugt ebenso.
Für Mabel und Jack kommt dies einem zweiten Verlust eines Kindes gleich, der ihnen fast das Herz bricht. Aber da ist ja noch der kleine Jack... -
Ach mei, für mich persönlich bedeutet das Kafka-Zitat einfach, dass ein Buch berühren soll, etwas in mir auslösen, mich gedanklich hinterher noch beschäftigen. Muss man doch jetzt nicht so auf die Goldwaage legen, so oft, wie dieses Sätzlein inzwischen zitiert wird.
Ich fibde wie gesagt die verschiedenen Interpretationen des Buches hochinteressant, aber das ändert ja nichts dran, wie ich das Buch für mich persönlich empfinde.
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Bin bis S. 195 und es fasziniert mich schon sehr.
Ich habe über eine Eurer Interpretationen nachgedacht, ob Faina real ist oder eine Projektion, ein Wunsch, entstanden aus Trauer und Stille und Weite und und und...und ich bin mir noch gar nicht sicher.Faszinierend finde ich eben genau diesen Wechsel und dass mich das Buch ans Grübeln bringt, das schätze ich grundsätzlich. Ich mag die Figuren, nun auch Jack und die resolute Esther.
Die Episode, als das Mädchen Jack den toten Vater zeigt erscheint sehr real, das Detail mit dem Rotfuchs wiederum nicht- und wißt Ihr was: hier ist vorhin ein solcher einmal quer übers Grundstück geschnürt und ich dachte kurz, ich muss!! das Buch weglegen, kann doch wohl nicht sein.
Dabei ist das hier zwar nicht täglich so, kommt aber vor und der prächtige Kerl hat sich auch schnell wieder verzupft. Etwas spooky kams mir aber vor, dabei neige ich nicht zu sowas.
Nun lese ich weiter, bislang mag ich das Buch sehr, auch stilistisch.
Noch eine Frage, die wir in anderem Zusammenhang hatten, es interessiert mich nur:
wieviele Seiten hat das Buch im Original, einige lesen es doch so?
Meine Ausgabe als deutschsprachiges TB hat 456 ohne Danksagung und Zitatnachweise.
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Ich muss zugeben, dass ich den Schreibstil teilweise sehr schön finde: Die Landschaftsbilder sind nicht nur anschaulich, sondern auch poetisch. Hier liegt für mich die Stärke dieser Autorin, die ja auch in Alaska lebt. Der Leser spürt (fast) den tiefen Schnee, den heulenden Sturm, die herumfliegenden Schneeflocken; er sieht (TV-Natursendungen über Alaska sei dank) die Winterwelt in den Bergen vor sich - und freut sich über die Wärme des eigenen Zuhauses.
Einige Fragen zum Inhalt bleiben offen für mich...1. Wie haben die Großeltern und Jack es geschafft, ein zweiwöchiges Baby am Leben zu halten? Mit etwas gesüßtem Tee (so die „Erstversorgung“) wird das nicht möglich gewesen sein. (s.S.444)
2. Ist es wirklich möglich, nur in Winterkleidung und in eine Decke gehüllt, eine Nacht bei fast Minus 30 Grad unbeschadet zu überstehen? (Mabel auf einem Stuhl neben Fainas Lager). (s. S. 443)
3. Wieso findet Jack im Blockhaus der jungen Leute erst nach Fainas Verschwinden/Tod eine alte Fotographie, die er vor 15 Jahren das erste Mal sah und die Fainas Mutter mit Faina als Säugling zeigt? Wenn er diese schon so lange kannte, hätte er längst seiner Frau davon berichten können, dass dieses merkwürdige Kind ganz reale Eltern hat und demnach nichts Übernatürliches/Märchenhaftes an seiner Existenz zu finden ist. (s. S. 447f)
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