Der "gefährliche" Hund Teil 2

  • *Sascha*

    Zitat

    Das würde allerdings in der Konsequenz bedeuten, dass Tiere eigentlich nicht mehr zu halten sind, da sich ein Tierhalter nicht darauf verlassen kann, dass er keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat, wenn er seine Tiere sachkundig und unter allgemein üblichen und anerkannten Sicherungsmaßnahmen hält und erzieht.

    Ich finde diese Aussage übertrieben.

    Es liegt mir auch fern gewisse Rassen zu diskriminieren. Jedes Lebewesen ist ein Individuum. Es lässt sich aber eben nicht verleugnen dass unterschiedliche Rassen unterschiedliche Veranlagungen und körperliche Eigenschaften mitbringen.


    Natürlich kann von Nachbar links der kleine Begleithund verzogen und sogar aggressiv sein und der Staff vom Nachbarn rechts ein "Engel", der in seinem ganzen Leben niemals jemandem ein Haar gekrümmt hat. Egal ob Mensch oder Tier und für den ein ganzes Leben nur mit Mauli und an kurzer Leine ungerecht und traurig gewesen wäre.


    Aber genau wegen solcher Vorfälle kommt es doch er erst dazu! Warum genau muss man denn unbedingt mit drei Malinoise oder Amstaffs gleichzeitig spazieren gehen?

    Große, triebige Hunde die eine Rudeldynamik entwickeln können sind eine ganz andere Kategorie als ein Malteser.

    Und das sollte den Haltern bewusst sein.


    Auf ein Auto übertragen: Jedes Auto ist eine Gefahr. Eine Gefahr die verstanden und toleriert wird. Aber ein alter, kleiner Ford Ka ist für andere weniger gefährlich als ein Hyundai Tucson SUV oder gar ein LKW. Das sehen Versicherungen usw mittlerweile auch so. Habe ich ein Auto muss ich Rücksicht nehmen, ich sollte möglichst mit angepasster Geschwindigkeit fahren, natürlich ohne einen Tropfen Alkohol oder gar Drogen und am besten auch nicht übermüdet. Hält sich nicht jeder dran aber wer sich daran nicht halten will und andere mutwillig gefährdet wird bestraft. Erst Recht wenn was passiert. Aber auch da werden immer wieder Urteile gefällt die nur schwer zu begreifen sind.

    Ich für meinen Teil bin mir bewusst dass ich mit meinem Auto andere gefährde und auch ich mal jemanden totfahren könnte. Passiert mir so etwas möchte ich mir keine Vorwürfe machen müssen dass ich ein Glas Bier getrunken habe oder 80 statt 70 gefahren bin. So einfach. Hoffentlich passiert mir das niemals aber für mich muss es dafür bei einem Vorfall strengere Strafen geben.


    Und bei Hund oder Pferd usw sehe ich das genauso. Die Tiere sollen und müssen nicht per se grundlos gefesselt und geknebelt werden. Aber warum müssen es im eng besiedelten öffentlichen Raum dann drei große, kräftige Hunde auf einmal sein? Natürlich darf man sich ein ganzes Rudel von Dobermännern halten aber warum kann man dann denn nicht auch konsequent verstehen dass man sich dann auch wirklich Zeit für sein "Hobby", seine "Familie" nehmen sollte. Dann geht man halt einzeln mit den Hunden. Oder man machts halt wie beim Auto fahren: "Ein Bier wird schon gehen! Oder zwei" Dann nimmt man halt die zwei am wenigsten, triebstarken Tiere gemeinsam mit zum Spaziergang. Oder doch alle drei? Wenn aber was passiert, dann sollte man auch die Verantwortung übernehmen und einsehen dass es härtere Strafen geben muss als wenn man mit einem Malteser unterwegs gewesen wäre. Wahrscheinlich wäre die Joggerin dann nämlich noch am Leben. Mich ärgern diese Rechtfertigungen so. Genau wie Autofahrer die mit ihrer dicken Karre fahren als ob sie nicht wissen dass der alte Kleinwagen ohne Airbags von Fahranfänger den kürzeren bei einer Kollision ziehen wird. Andere Menschen können aufpassen. Sie können Bögen um Menschen mit Hunderudel laufen. Aber irgendwann hört es auf. Und es hört da auf , wo sich drei triebstarke, kräftige Hunde losreißen können, meterweit zu einer anderen Person gelangen können und diese zerfleischen können. Punkt. Dann muss man zu zweit gehen, dann muss jeder Hund einen gut sitzenden Maulkorb tragen....

    Egal ob vorher auffällig oder nicht.

    Ich gehe auch nicht mit einem großen, kräftigen Pferde nur mit einem dünnen Halfter gesichert über viele Straßen. Auch jeder verantwortungsvolle und gute Reiter weiß dass man auch mit Trense und Kandare sanft reiten kann. Ich muss nicht im Pferdemaul rumreißen oder die Sporen einsetzen bis die Flanke blutig ist. Aber im öffentlichen Raum ist es gut, wenn was passiert, dass man die Möglichkeit hat das Pferd so durch eindrehen usw zumindest zu versuchen wieder unter Kontrolle zu bringen. Auch wenn das dann nie nötig wird.

  • Das würde allerdings in der Konsequenz bedeuten, dass Tiere eigentlich nicht mehr zu halten sind, da sich ein Tierhalter nicht darauf verlassen kann, dass er keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat, wenn er seine Tiere sachkundig und unter allgemein üblichen und anerkannten Sicherungsmaßnahmen hält und erzieht

    Ich sehe darin kein Problem, im Gegenteil, ich finde das richtig.


    Als Hundehalter finde ich es absolut in Ordnung, dass ich strafrechtliche Konsequenzen fürchten muss, wenn mein Hund andere Menschen verletzt oder gar tötet, weil man mir in dem Moment Fahrlässigkeit oder grobe Fahrlässigkeit vorwerfen wird. Jetzt habe ich als Hundehalter diverse Möglichkeiten, das Risiko, dass andere zu Schaden kommen, zu minimieren. Sei das nun durch die Wahl der Rasse, durch Sicherung mit gut sitzenden Maulkorb, Spaziergang nur mit einem Hund statt mehreren... Der Hundehalter selbst hat die Möglichkeit, sich weitgehend vor Konsequenzen zu schützen. Zumindest grobe Fahrlässigkeit kann man selbst ausschließen, einfache vermutlich nicht. Mit dem Risiko muss man eben leben, wenn man einen Hund holt, der Potential hat, jemanden ernsthaft zu verletzen.

    Oder man entscheidet sich, ein höheres Risiko einzugehen, ohne Maulkorb, mit einer Gruppe oder auch einzelnem Hund, dem man körperlich nicht gewachsen ist, der Schadenspotenzial mitbringt... Der Jogger, dem ich auf meinem Spaziergang begegne, hat keinen Einfluss darauf, ob ich meine(n) Hund(e) unter Kontrolle habe. Einzig der Hundehalter kann und muss das verantworten. In dem Wissen, dass man strafrechtliche Konsequenzen tragen muss, wenn etwas passiert, bekommt vielleicht doch der ein oder andere problematische Hund einen Maulkorb auf oder wird nicht in die Menschenmenge geschleppt. Wenn man sehr risikoavers ist, sollte man dann eben einen Hund wählen, der körperlich gar nicht in der Lage ist, schwer zu verletzen, auch davon gibt es genügend Auswahl, oder eben gar keinen Hund halten. Aber dann sollte man auch kein Auto fahren.

  • Ein mehrmonatiger stationärer Aufenthalt spricht nicht gerade für eine Bagatell-Erkrankung.

    und eine Familie hat einen geliebten Menschen für immer verloren.


    Mein Mitgefühl für die Hundehalterin hält sich in Grenzen geb ich zu

  • Zum Thema Haftstrafe in Hausarrest umwandeln - Dass man das als Normalbürger will (aka nicht als jemand, der im Knast bestimmt gute Kumpel trifft und sich da dann zuhause fühlt), finde ich total normal. Würd ich auch machen, weil ich, auch wenn ich mich schuldig fühlen würde, hätte ich Angst vor‘m Gefängnis.

  • Meine Laien-Meinung dazu (und zwar in Unkenntnis der Urteilsbegründung, also erstmal als falsch anzusehen, und danach aus Deutschland mit wahrscheinlich anderem Verständnis):

    Es obliegt daher dem Gericht festzustellen, welche Sicherungsmaßnahmen im Vorwege angemessen und im Verkehr erforderlich gewesen wären.

    Bis einschließlich diese Satzes teile ich die Argumentation.


    Beim nächsten nicht mehr:

    In diesem Fall kommt das Gericht zu dem Schluss, dass allein die Tatsache, dass die Hundehalterin drei Hunde mit einem Gesamtgewicht von 72kg gleichzeitig ausführte, eine GROBE Fahrlässigkeit begründete.

    Da war noch nämlich noch mehr:

    • Die Hunde waren in offensichtlich unzureichendem Gehorsam.
    • Als Züchterin darf man ihr Kenntnis über das Zugvermögen und prinzipielles Verhalten der genannten Hunde unterstellen.
    • Ansonsten war es keine besondere Situation (also kein auf die Hunde zustürmender Clown, s.o.).


    Mir fallen drei Möglichkeiten einer besseren Sicherung ein, wo jede einzelne denen der Vorfall verhindert oder deutlich entschärft hätte:


    a) Besserer Gehorsam -- Die drei Hunde stürmten auf die Joggerin zu, die Halterin hatte Gelegenheit, sie zurückzurufen (wenn ich das so recht verstanden habe), der Rückruf war aber nicht erfolgreich.


    b) Nur ein Hund -- den hätte die Halterin vermutlich einfacher über Körperkraft halten können, und zusätzlich entfällt das Problem der Gruppendynamik.


    c) Jeder der Hunde trägt eine wirkungsvollen Maulkorb. Wäre dann immer noch sehr ungemütlich für die Joggerin gewesen, aber vermutlich eben nicht tödlich.


    Auch unter diesen Umständen hätte es Möglichkeiten der Verwirklichung der Tiergefahr gegeben, die vermutlich nicht als "Fahrlässig" gewertet wäre

    • Nur einer der Hunde, aber die Leine reißt (etwa aufgrund eines Fabrikationsfehler)
    • Alle Hunde + Maulkörbe, aber diese zerbrechen (etwa aufgrund eines Materialfehlers).
    • Alle Hunde + Maulkörbe, die Frau stürzt und bricht sich den durch Osteoporose brüchigen Hauswirbel.


    Zum anderen kann ich ohne Urteilsbegründung nicht genau erkennen, warum dies nicht als

    Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.

    sondern als

    Grob fahrlässig handelt, wer ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war.

    gewertet wurde. Ich stelle mir vor, dies liegt sowohl an der Rasse (die zusammen mit anderen auffälliger ist als etwa Berner Sennenhunde), als auch daran, dass der Halterin als Züchterin ein höherer Kenntnismaßstab zu legen ist.


  • Ja.


    Die „Gefährdungshaftung“ ist zwar eine haftungsrechtliche Frage, aber der rechtliche Grundsatz der Tiergefahr ist das nicht und lässt sich genau so auf strafrechtliche Ansätze übertragen.


    Ich übe ein Hobby aus, dessen Ausübung der Gesellschaft aus rechtlicher Gesicht ein Risiko zumutet, weil aus rechtlicher Sicht so etwas wie eine allgemeine Tiergefahr besteht.


    Wenn diese sich mit so tragischen Konsequenzen verwirklicht, dann muss ich mir - auch wenn ich mir die genaue Gefahr nicht hätte vorstellen können - damit rechnen, dass mein Handeln im Vorfeld aus den Kenntnissen im Nachhinein beurteilt wird. Das ist mein Risiko, dass ich trage. Ist aus gesellschaftlicher Sicht völlig legitim, finde ich. Es ist im Preis für mein Hobby inbegriffen. Auch wenn das dann im Einzelfall zu Urteilen führt, die gegen das subjektive Rechtsempfinden verstoßen, weil man sich aus Sicht des eigenen gesunden Menschenverstandes nicht bewusst etwas hat zu Schulden kommen lassen.


    Wie man das Risiko dann bewusst macht und entsprechend steuert, dass ist dann wieder eine individuelle Entscheidung. Da spielen dann so Themen wie Rassewahl, Ausbildung, mehr oder weniger Vorsicht beim Führen, Umfeld … eine große Rolle. Diese Individualität wäre nur durch massive Einschränkungen und ein massives Regelkorsett einzuschränken. Wenn das Regelkorsett nicht so ausgeprägt ist, dann ist die Freiheit größer, aber eben auch das Risiko, eine „falsche“ Entscheidung zu treffen, bei der sich erst im Nachhinein (und vermutlich nur, wenns zusätzlich auch noch wirklich unglücklich läuft) herauskristallisiert, dass sie fatal falsch war.

  • Das würde allerdings in der Konsequenz bedeuten, dass Tiere eigentlich nicht mehr zu halten sind, da sich ein Tierhalter nicht darauf verlassen kann, dass er keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat, wenn er seine Tiere sachkundig und unter allgemein üblichen und anerkannten Sicherungsmaßnahmen hält und erzieht.

    Hmmm, so ganz kann ich dir nicht folgen.


    Ich weiß nicht genau, wie die Richter ihre Einschätzung begründen (weiß ja noch niemand) - im vorliegenden Fall kann man durchaus in Frage stellen, dass die Hunde "angemessen und sachkundig" gesichert waren. Nur 2 mit Maulkorb, Maulkorb hat nicht gehalten, Hund konnte sich losreissen usw. Rasse hin und her - ich denke, da war viel Fahrlässigkeit im Spiel, und die Richter dachten das auch.

    Denken und vermuten darf man außerhalb des Gerichtssaals. Im Gerichtssaal zählen nur beweisbare Fakten. Die Begründung für die Verurteilung nach grober Fahrlässigkeit, die überall in der Presse stand, war eindeutig. Das Führen von drei Hunden mit einem Gesamtgewicht von 72kg, die sie offensichtlich in der Situation, in der dieser Vorfall geschah, nicht kontrollieren konnte.


    Zitat

    Und zweitens muss ja auch erst mal was passieren, bevor man strafrechtlich verfolgt wird. Es geht ja hier nicht um Prävention, sondern um die Verurteilung NACH der Tat. Aus einem Urteil ergibt sich ja nicht automatisch eine neue Gesetzgebung (unser Rechtssystem basiert nicht auf Präzendenzfällen)

    Richtig, die Urteile basieren auf der Gesetzgebung. Nicht andersrum. Für mich hat es jedoch keine Relevanz für die Aussagekraft eines Urteils, ob nur in seltenen Fällen so geurteilt wird oder ob dies regelmäßig passiert.



    Zitat

    Jedem Hundehalter muss klar sein, dass er mit seinem Tier einen Unfall verursachen kann, für den er voll haftbar gemacht werden kann und evtl. auch strafrechtlich belangt werden kann (ich weiß es nicht, ob z.B. Freilauf an einer befahrenen Strasse als Fahrlässigkeit verurteilt werden könnte?). Genau wie jedem Autofahrer usw.

    Das wird dann in jedem Einzelfall verhandelt.

    Richtig. Jedem privaten Tierhalter in Deutschland ist klar, dass er auch für die Schäden seines Tieres haftbar ist, die er trotz aller Sorgfalt und Umsichtigkeit nicht vermeiden konnte. Vllt liegt auch da der Hase im Pfeffer, da es in Österreich diese Gefährdungshaftung nicht gibt, sondern auch für die Haftung eine Fahrlässigkeit vorliegen muss.
    Zum Thema Strafrecht, ist jedoch auch jedem Tierhalter bekannt, dass er nur dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn ihm eine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden kann.
    Wenn man die Logik dieses Urteils zugrunde legt, dann ist es völlig egal, wo du deinen Hund frei laufen lässt, gerät er auf die Straße, so hat sich ja damit gezeigt, dass du grob fahrlässig gehandelt hast, da du ja nicht in der Lage warst, deinen Hund davon abzuhalten. Genau das ist der Punkt, auf dem ich herumreite. Es gibt immer eine Sicherung, die noch sicherer gewesen wäre, egal wie sehr man vorher schon gesichert hat.




    Zitat

    Ich sehe beim besten Willen für mich nicht das Risiko, dass sich mein Hund losreisst und einen Menschen tötet. Von daher habe ich auch keine Befürchtungen, dass ich deswegen ins Gefängnis kommen könnte.

    Klar, das dachte die Frau auch... logisch. In ihrem Fall hatte sie eben unrecht.

    Sollte ich auch unrecht haben, wird es bestimmt auch in der Zeitung stehen. Und wenn mein Begleithund jemand tötet, ja dann nehme ich die Strafe an. Angst davor habe ich aber nicht.

    Und weil du es für dich für ausgeschlossen hältst, ist es egal? Ich sage, niemand ist davor gefeit trotz doppelter und dreifacher Sicherung und Sorgfalt in eine Situation zu geraten, in der sich die Tiergefahr verwirklichen könnte. Und sei es nur, dass der Hund einen Fußgänger zu Fall bringt, weil er ihm zwischen die Beine läuft.

  • Zitat von leiderHundelos

    *Sascha*

    Zitat

    Das würde allerdings in der Konsequenz bedeuten, dass Tiere eigentlich nicht mehr zu halten sind, da sich ein Tierhalter nicht darauf verlassen kann, dass er keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat, wenn er seine Tiere sachkundig und unter allgemein üblichen und anerkannten Sicherungsmaßnahmen hält und erzieht.

    Ich finde diese Aussage übertrieben.

    Es liegt mir auch fern gewisse Rassen zu diskriminieren. Jedes Lebewesen ist ein Individuum. Es lässt sich aber eben nicht verleugnen dass unterschiedliche Rassen unterschiedliche Veranlagungen und körperliche Eigenschaften mitbringen.


    Unterschreibe ich und hätte dies als Begründung auch für angemessen gesehen. Andersherum hätte ich aber z.B. Ausführungen bzgl. Erziehungszertifikate, Wesensteste etc. als Indiz dafür gesehen, dass die Hundehalterin eben nicht davon ausgehen konnte, dass ihre Hunde gefährlich sind und nicht unter ihrem Gehorsam stehen würden. Eine individuelle Entscheidung des Gerichts, ob und inwiefern eine Fahrlässigkeit vorlag, speziell bei der Sicherung dieser drei Hunde. Dass es aber an diesem Tag zu einem Kontrollverlust kam, ist mMn nicht automatisch Indiz einer Fahrlässigkeit, sondern erstmal nur die Verwirklichung einer Tiergefahr. Aber nur weil sich eine Tiergefahr verwirklicht, liegt nicht automatisch eine mangelnde Sorgfalt vor. Als Tierhalter muss ich mich halt auch darauf verlassen können, dass ich keine Sorgfaltspflichtverletzung begehe, wenn ich z.B. einen Zaun nach Richtlinie stelle, den dann aber mein Tier trotz sorgfältigem Aufbau und Kontrolle doch überwindet. Denn genau das ist eben das, was wir als Tiergefahr, eben die Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens bezeichnen.


    Zitat

    Natürlich kann von Nachbar links der kleine Begleithund verzogen und sogar aggressiv sein und der Staff vom Nachbarn rechts ein "Engel", der in seinem ganzen Leben niemals jemandem ein Haar gekrümmt hat. Egal ob Mensch oder Tier und für den ein ganzes Leben nur mit Mauli und an kurzer Leine ungerecht und traurig gewesen wäre.

    Aber genau wegen solcher Vorfälle kommt es doch er erst dazu! Warum genau muss man denn unbedingt mit drei Malinoise oder Amstaffs gleichzeitig spazieren gehen?

    Große, triebige Hunde die eine Rudeldynamik entwickeln können sind eine ganz andere Kategorie als ein Malteser.

    Und das sollte den Haltern bewusst sein.

    Das stimmt. Habe ich auch in keinster Weise bestritten.




    Zitat

    Auf ein Auto übertragen: Jedes Auto ist eine Gefahr. Eine Gefahr die verstanden und toleriert wird. Aber ein alter, kleiner Ford Ka ist für andere weniger gefährlich als ein Hyundai Tucson SUV oder gar ein LKW. Das sehen Versicherungen usw mittlerweile auch so. Habe ich ein Auto muss ich Rücksicht nehmen, ich sollte möglichst mit angepasster Geschwindigkeit fahren, natürlich ohne einen Tropfen Alkohol oder gar Drogen und am besten auch nicht übermüdet. Hält sich nicht jeder dran aber wer sich daran nicht halten will und andere mutwillig gefährdet wird bestraft. Erst Recht wenn was passiert. Aber auch da werden immer wieder Urteile gefällt die nur schwer zu begreifen sind.

    Ich für meinen Teil bin mir bewusst dass ich mit meinem Auto andere gefährde und auch ich mal jemanden totfahren könnte. Passiert mir so etwas möchte ich mir keine Vorwürfe machen müssen dass ich ein Glas Bier getrunken habe oder 80 statt 70 gefahren bin. So einfach. Hoffentlich passiert mir das niemals aber für mich muss es dafür bei einem Vorfall strengere Strafen geben.

    Es ist strafrechtlich völlig irrelevant, ob du einen Menschen mit einem Ford Ka oder einem LKW tötest. Strafrechtlich interessiert nur deine Sorgfaltspflichtverletzung interessant. Hast du aber dein Auto z.B. direkt aus der Werkstatt geholt, die Bremsen wurden überprüft und an der nächsten Kreuzung versagen die Bremsen. Da liegt dann eben genau keine Fahrlässigkeit vor.


    Zitat

    Und bei Hund oder Pferd usw sehe ich das genauso. Die Tiere sollen und müssen nicht per se grundlos gefesselt und geknebelt werden. Aber warum müssen es im eng besiedelten öffentlichen Raum dann drei große, kräftige Hunde auf einmal sein? Natürlich darf man sich ein ganzes Rudel von Dobermännern halten aber warum kann man dann denn nicht auch konsequent verstehen dass man sich dann auch wirklich Zeit für sein "Hobby", seine "Familie" nehmen sollte. Dann geht man halt einzeln mit den Hunden. Oder man machts halt wie beim Auto fahren: "Ein Bier wird schon gehen! Oder zwei" Dann nimmt man halt die zwei am wenigsten, triebstarken Tiere gemeinsam mit zum Spaziergang. Oder doch alle drei? Wenn aber was passiert, dann sollte man auch die Verantwortung übernehmen und einsehen dass es härtere Strafen geben muss als wenn man mit einem Malteser unterwegs gewesen wäre. Wahrscheinlich wäre die Joggerin dann nämlich noch am Leben. Mich ärgern diese Rechtfertigungen so. Genau wie Autofahrer die mit ihrer dicken Karre fahren als ob sie nicht wissen dass der alte Kleinwagen ohne Airbags von Fahranfänger den kürzeren bei einer Kollision ziehen wird. Andere Menschen können aufpassen. Sie können Bögen um Menschen mit Hunderudel laufen. Aber irgendwann hört es auf. Und es hört da auf , wo sich drei triebstarke, kräftige Hunde losreißen können, meterweit zu einer anderen Person gelangen können und diese zerfleischen können. Punkt. Dann muss man zu zweit gehen, dann muss jeder Hund einen gut sitzenden Maulkorb tragen....

    Egal ob vorher auffällig oder nicht.

    Ich gehe auch nicht mit einem großen, kräftigen Pferde nur mit einem dünnen Halfter gesichert über viele Straßen. Auch jeder verantwortungsvolle und gute Reiter weiß dass man auch mit Trense und Kandare sanft reiten kann. Ich muss nicht im Pferdemaul rumreißen oder die Sporen einsetzen bis die Flanke blutig ist. Aber im öffentlichen Raum ist es gut, wenn was passiert, dass man die Möglichkeit hat das Pferd so durch eindrehen usw zumindest zu versuchen wieder unter Kontrolle zu bringen. Auch wenn das dann nie nötig wird.

    Du widersprichst dir, wenn du einerseits sagst, dass man sein Tier nicht fesseln und knebeln muss, auf der anderen Seite aber forderst, dass mit großen triebstarken Hunden nur einzeln, mit Leine und Maulkorb gegangen werden sollte. Für mich ist ein Hund ein Individuum und auch das Hund/Halter-Gespann immer individuell zu betrachten. Individuell kann das Gespann von Halter und freilaufendem Malteser deutlich gefährlicher sein, als drei gut geführte und erzogene Cane Corsos, so als Beispiel. Und auch die Wahrscheinlichkeit, dass drei Cane Corsos seltener in einem solchen Gehorsam stehen, als dass ein kleiner Malteser umsichtig an der Leine und im Freilauf geführt wird, ändert eben nichts daran, dass die Fälle strafrechtlich individuell betrachtet werden müssen und keine pauschale Fahrlässigkeit oder Sorgfalt unterstellt werden kann.

  • Zitat von Camillo09
    Zitat

    Das würde allerdings in der Konsequenz bedeuten, dass Tiere eigentlich nicht mehr zu halten sind, da sich ein Tierhalter nicht darauf verlassen kann, dass er keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat, wenn er seine Tiere sachkundig und unter allgemein üblichen und anerkannten Sicherungsmaßnahmen hält und erzieht

    Ich sehe darin kein Problem, im Gegenteil, ich finde das richtig.

    Als Hundehalter finde ich es absolut in Ordnung, dass ich strafrechtliche Konsequenzen fürchten muss, wenn mein Hund andere Menschen verletzt oder gar tötet, weil man mir in dem Moment Fahrlässigkeit oder grobe Fahrlässigkeit vorwerfen wird. Jetzt habe ich als Hundehalter diverse Möglichkeiten, das Risiko, dass andere zu Schaden kommen, zu minimieren. Sei das nun durch die Wahl der Rasse, durch Sicherung mit gut sitzenden Maulkorb, Spaziergang nur mit einem Hund statt mehreren... Der Hundehalter selbst hat die Möglichkeit, sich weitgehend vor Konsequenzen zu schützen. Zumindest grobe Fahrlässigkeit kann man selbst ausschließen, einfache vermutlich nicht. Mit dem Risiko muss man eben leben, wenn man einen Hund holt, der Potential hat, jemanden ernsthaft zu verletzen.

    Oder man entscheidet sich, ein höheres Risiko einzugehen, ohne Maulkorb, mit einer Gruppe oder auch einzelnem Hund, dem man körperlich nicht gewachsen ist, der Schadenspotenzial mitbringt... Der Jogger, dem ich auf meinem Spaziergang begegne, hat keinen Einfluss darauf, ob ich meine(n) Hund(e) unter Kontrolle habe. Einzig der Hundehalter kann und muss das verantworten. In dem Wissen, dass man strafrechtliche Konsequenzen tragen muss, wenn etwas passiert, bekommt vielleicht doch der ein oder andere problematische Hund einen Maulkorb auf oder wird nicht in die Menschenmenge geschleppt. Wenn man sehr risikoavers ist, sollte man dann eben einen Hund wählen, der körperlich gar nicht in der Lage ist, schwer zu verletzen, auch davon gibt es genügend Auswahl, oder eben gar keinen Hund halten. Aber dann sollte man auch kein Auto fahren.

    Jeder Hund hat das Potential einen anderen Menschen ernsthaft zu verletzen. Es reicht, wenn er jemandem zwischen die Beine läuft. In diesem Fall ist natürlich die Emotionalität höher, weil die Hunde angegriffen und eine Frau zerfleischt haben. Einfach nur schrecklich und sowas von undenkbar, für wohl fast jeden Hundehalter, ganz egal welcher Rasse. Trotzdem muss die Schuld der Hundehalterin an diesem Vorfall ermittelt werden. Wenn sie wusste oder geahnt hat, dass ihre Hunde Jogger jagen könnten, dann muss das ermittelt werden, es reicht nicht, das einfach anzunehmen. Und wenn sie ihre Hunde nicht sicher führen konnte, dann wäre eben das auch zu ermitteln. Natürlich kann ein Gericht wie in diesem Fall auch grundsätzlich zu dem Schluss kommen, dass das Führen von drei Hunden gleichzeitig mit einem Gewicht von >72kg eben grundsätzlich grob fahrlässig ist. Dann ist das so. Und jeder der in Österreich drei Hunde mit einem Gewicht von mehr als >72kg führt, sollte dies einstellen, denn ein solches Verhalten ist unabhängig von der Rasse und dem Erziehungsstand der Hunde grob fahrlässig. Und damit würde sich jegliche Diskussion, dass die eigenen Hunde aber ja Begleithunde wären, erübrigen.


    Und nein, ich bin ganz klar eben nicht dafür, dass ein Tierhalter verschuldensunabhängig strafrechtlich verfolgt wird, wenn sich die Tiergefahr verwirklicht. Jeder Landwirt kann und muss sich exkulpieren können, wenn er Tiere mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hält und versorgt. Ein Landwirt kann dies sogar zivilrechtlich (Haftung). Eine strafrechtliche Aburteilung von Tierhaltern, deren Tiere z.B. einen sorgfältig nach Richtlinie gestellten und gepflegten Zaun überwunden haben. Das hat für mich nichts mehr mit Schuld und Recht zu tun.


    Das Problem ist doch, es gibt immer eine Möglichkeit noch sorgfältiger zu sein und noch mehr Sicherungen vorzuhalten. Es kann aber nicht das Ziel sein, eine Kuh in einer Voliere zu halten, um jeglichen Ausbruch zu verhindern und sollte sie daraus entkommen, zu behaupten, der Stahl der Voliere wäre nicht massiv genug gewesen. Genau das bedeutet ja inhaltlich eine Tiergefahr, das unberechenbare Verhalten eines Tieres. Egal wie gut alle Sicherungen waren, es kann trotzdem zu einem Unfall mit einem Tier kommen. Deswegen gibt es z.B. Richtlinien für den Bau und die Kontrolle von Zäunen für verschiedene Tierarten. Auch hier heißt es nicht, oh, das Tier ist über den Zaun gekommen, also war der Halter wohl grob fahrlässig, sonst wäre das ja nicht passiert. Deswegen kann für mich allein die Tatsache, dass eine Sicherung in einem konkreten Fall versagt hat, nicht allein begründen, dass ein Fahrlässigkeit vorlag. Nicht wenn die Sicherungen bisher in vergleichbaren und anderen Situationen als völlig angemessen und ausreichend bewertet wurden/werden. Dann muss es eine konkreten Grund geben, warum die Sicherung in diesem speziellen Fall eben nicht ausreichend war bzw. dies vor dem Vorfall einem sachkundigen Tierhalter bereits offensichtlich hätte sein müssen. Das ist die Definition von Fahrlässigkeit, die du ja auch so herausgesucht hast.

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