Mein Hund glaubt, er sei ein Biber ...

  • Hallo Leute,


    Ich bin Fossi und bin neu hier im Forum. Meine Frau und ich sind Biologen und arbeiten im chilenischen Teil von Patagonien, wo wir auch mit unseren beiden Kindern und 5 Hunden leben. Wir haben ein Haus mit 1ha Grundstück auf dem Land, welches die Hunde fast komplett durchstreifen können. Die Hunde werden im Hofhundstil gehalten, d.h. das Haus ist tabu (nicht nur wegen der Flöhe, die hier auch gerne auf Menschen gehen), aber sie haben Hundehütten und Liegematten im Carport. Letztere werden bevorzugt. Unsere Hunde sind bunte Mischungen die wir vor dem Verhungern als junge Hunde oder Welpen von der Strasse gerettet haben. Unser Ältester hat viel von Golden Retriever, ist aber leider unbehandelbar an Krebs erkrankt und wird jetzt, solange er noch keine offensichtlichen Schmerzen hat, auf seine letzten Tage noch etwas verwöhnt.


    Unser Neuzugang ist nicht von der Strasse, sondern ein „Geschenk“ von ein paar Nachbarn weiter, weil das Mädchen dem er gehört hat sich aus Zeitgründen nicht genug mit ihm beschäftigen konnte, worunter der Hund so litt, dass er als Welpe etliche Krankheiten bekam. Er ist eine Border Collie – Berner Senner Mischling, hat aber offenbar das Temperament des Border Collies während er körperlich eher nach Berner Senner kommt. Bei uns hat er sich gut erholt, ist aber unser schwierigster Hund wegen seines Temperaments. Obwohl die anderen Hunde viel Zeit im Spiel mit ihm verbringen hat er noch so viel Energie und Spieltrieb, dass er alles zerkaut und zerfetzt was sich ihm bietet. Selbst Streicheln geht schnell in ein Beißspiel über. Bis jetzt war das noch einigermassen unter Kontrolle und unser Garten und Carport waren noch nie so aufgeräumt wie jetzt, aber jetzt kommt ein neues Problem dazu. Er macht jetzt einen auf Biber…Wir haben an der Grundstücksgrenze einen kleinen Wald und innerhalb einer Woche hat er 7 der grössten Bäume im unteren Teil schon entrindet (und das sind beachtliche Stämme!), 5 davon rundherum so dass diese Bäume sterben werden. Offenbar macht es ihm Spass grosse Rindenstreifen abzuziehen. Bis jetzt hat es nur eine Wildbaumart erwischt (wahrscheinlich mit der angenehmsten Rinde) aber wir haben grosse Angst um unsere vielen Obstbäume und die Spielbäume der Kinder. Ausserdem würden wir den Wald gerne behalten…


    Wenn man ihn auf frischer Tat ertappen würde, dann könnte man ihn schimpfen und so erziehen, aber da das offenbar hauptsächlich am frühen Morgen passiert, wenn ihm langweilig ist weil die anderen Hunde (und wir auch) noch schlafen, fällt das aus.


    Als Sofortmassnahme haben wir ihn nun über Nacht an der ausziehbaren Leine. Wir wollten auch Maulkorb probieren, aber das ist aussichtslos. Erstens ist das alles andere als einfach den unserem Bruno anzulegen und ausserdem ist er nach 30 Sekunden wieder ab… Ausserdem wäre das schrecklich für ihn auf Dauer.


    Wir haben zusätzlich zum normalen Zaun einen elektrischen Hundezaun (Kabel in der Erde) um die Grundstücksgrenze, der mit den Halsbändern funktioniert. Ich hatte schon überlegt diesen Zaun um alle wichtigen Baumgebiete zu erweitern, aber dann würde sich das Revier unserer Hunde extrem verkleinern, da unsere Bäume sehr verteilt sind…


    Ich habe nun Hasengitter gekauft, das ich um die dicksten Bäume wickeln will, aber alle Bäume so zu schützen wäre uferlos. Alleine an Obstbäumen haben wir 40.


    Was ratet ihr uns? Geht das wieder vorüber, wenn er älter wird? Kann man ihn irgendwie so erziehen, dass er das nicht mehr macht? Gibt es übelschmeckende Abwehrmittel, die ich an die Bäume schmieren könnte und die sich nicht sofort bei Regen abwaschen?


    Für Tipps und Anregungen wäre ich sehr dankbar.


    Liebe Grüsse aus dem spätsommerlichen Patagonien,


    Fossi

  • Was ratet ihr uns? Geht das wieder vorüber, wenn er älter wird? Kann man ihn irgendwie so erziehen, dass er das nicht mehr macht?

    Wenn da der Border Collie verstärkt durchkommt, dann braucht der Hund eine sinnvolle Beschäftigung/Aufgabe.

    Die hat er ganz offensichtlich im Moment nicht, so sucht er sich anderweitige Betätigungen.


    Kommen die Hunde auch mal vom Grundstück, oder werden sie ausschließlich dort gehalten?

  • Hallo Ghandi,

    Wie alt ist denn der Neuzugang?


    Ich denke, dem ist einfach langweilig und er hat eine für sich sinnvolle Beschäftigung gefunden.

    Sicher sind wir uns nicht. Angeblich war er 4 Monate als wir ihn von den Nachbarn bekommen haben, aber wir vermuten er war eher jünger. Dann wäre er jetzt 8 Monate -X.

    Das ist klar, dass er das aus Langeweile macht. Diese Diagnose haben wir auch schon gestellt. Er hat ja auch wahrscheinlich keine Ahnung welchen Schaden er anrichtet. Aber wie könnte eine Beschäftigungstherapie aussehen die sich realistisch mit unserem Leben und unseren Verpflichtungen vereinbaren lässt?


    Grüsse,

    Fossi

  • Aber wie könnte eine Beschäftigungstherapie aussehen die sich realistisch mit unserem Leben und unseren Verpflichtungen vereinbaren lässt?

    Bei manchen Rassen lässt sich das nicht vereinbaren.


    Entweder, man stellt das Leben und den Alltag (zumindest zum Teil) auf den Hund ein - oder man muss sich eine Rasse suchen, die besser zu den gegebenen Voraussetzungen passt. :( :


    Das ist traurig, ist aber leider bei Rassen, die hohe Ansprüche stellen, meist so.



    Wie alt sind eure Kinder?

    Vielleicht könnten die zumindest so Kleinigkeiten wie Tricktraining o.ä. übernehmen, damit der Hund eine gewisse "Grund-Beschäftigung" für den Kopf hat - und ihr könnt dann vielleicht eure Zeit noch für "ernsthafte" Arbeit nutzen?


    Was auch noch wichtig ist:

    Zu viele Reize sind für manche Hunde (und den Border Collie würde ich definitiv dazu zählen) nicht gut.

    Die drehen dann immer weiter auf, kommen nicht mehr zur Ruhe, fordern immer mehr usw.


    Deshalb ist es wichtig, dass solche Hunde zwar eine sinnvolle und artgerechte Auslastung haben - aber den Rest der Zeit auch genug Ruhe und Schlaf haben.

  • Wie sieht es denn mit den Zähnen aus, sind die schon durchgewechselt? Habt ihr da mal einen Tierarzt drauf schauen lassen? Es gibt für den Zahnwechsel spezielles Spielzeug zum Kauen.


    Ansonsten, den Hund beaufsichtigen. Es gibt sicherlich Ungezieferhalsbänder (Seresto, Scalibor) und Spot Ons die die Flöhe töten und fern halten. Ich denke, dass würde ich in jedem Fall umlegen. Flöhe sind keine tolle Sache, auch nicht für die Hunde selbst.

    Aber wie könnte eine Beschäftigungstherapie aussehen die sich realistisch mit unserem Leben und unseren Verpflichtungen vereinbaren lässt?


    Eine sinnvolle Beschäftigung in diesem Alter wäre für mich Sozialisierung, Familienleben und Ruhe halten lernen. Letzteres unter anderem auch weil "nach Müde kommt doof".


    Aber ich glaube, eure Hunde sind in der Regel eher auf sich allein gestellt oder? Da ist natürlich eine Kontrolle der Aktivitäten und vor allem Aktivitätszeiten schwierig. Und so wie ich den Eindruck habe, hast du nicht vor deine Hunde mehr in euer Familienleben zu integrieren? Bei mir wären die Hunde z. B. immer bei mir, vor allem wenn ich im Garten unterwegs bin. Hundehaltung bedeutet nun mal auch Zeit in ein Lebewesen zu investieren, erst recht wenn nicht alles wie am Schnürchen läuft.

  • Unbeaufsichtigt Maulkorb ist ein NoGo und den Hund jetzt mittels Strom "erziehen" zu wollen, ebenfalls. Die Lösung ist eigentlich ganz einfach: Hund nicht unbeaufsichtigt raus lassen (es gibt Flohmittel, das ist also kein Argument) und das Verhalten dann abbrechen, wenn es gezeigt wird.


    P.S.: Außerdem hat das nichts mit "Biber" zu tun, sondern ist normales hündisches Verhalten bei z.B. Stress oder Langeweile/Unterforderung.

  • arbeitet mit dem Hund. Beide ursprungsrassen brauchen einen Job.

  • Hallo Leute,

    erst mal Danke für die vielen Antworten.

    Also als Biologe ist mir natürlich klar, dass das nichts mit Biber zu tun hat, sondern mit Langeweile, dass war nur der "Reisser" in der Überschrift.


    Ausgesucht haben wir uns den Hund nicht. Wir haben ihn übernommen weil er kein anderes Zuhause fand und dort wo er war wegen Auslaufmangel und Vernachlässigung jämmerlich zugrunde gegangen wäre. Gedanken zur Rasse hatte ich mir schon gemacht und gehofft, dass er vom Temperament zwischen den beiden Rassen liegen würde. Hunde die nicht reinrassig sind, sind hier in Chile fast nicht zu vermitteln. Insofern ist wieder weggeben auch keine Alternative. Ich denke sowieso, dass es hier kaum ein Zuhause gäbe wo er "artgerechter" gehalten würde oder mehr Aufmerksamkeit von seinen Besitzern erfährt. Hier in Chile hat man Hunde, meist als Wachhunde oder als Statussymbol, aber man kümmert sich nicht darum. Selbst berühren oder gar streicheln ist eher die Ausnahme, da noch vor nicht all zu langer Zeit Echinococcus ein echtes Problem hier war. Insofern sind unsere Hunde mehr ins Menschenrudel integriert als die allermeisten Hunde hier.


    Mit "Strom erziehen" tun wir auch nicht, aber wenn ein Hund hier rumstreunert und Schafe verfolgt ist der schnell mal erschossen und 400m Zaun permanent hundedicht zu halten, besonders wenn man auch mal ein paar Tage weg muss, ist nicht so ganz einfach. Da denke ich ist der elektrische Hundezaun, der erst vibriert, dann einen Warnton abgibt und nur bei noch weiterer Annäherung einen Schlag versetzt, der im Vergleich zu einem Weidezaun ein Witz ist, die bessere Lösung.


    Wenn wir draussen sind, was bei uns oft der Fall ist, sind die Hunde bei uns. Genauso wenn die Kinder draussen spielen. Ins Haus nehmen ist keine Option. Fünf mittelgrosse Hunde im Haus ist unmöglich. Da sind die Flöhe noch das kleinere Problem. Ausserdem würde sich die Zerstörung wahrscheinlich nur ins Haus verlagern, denn die Langeweile und der Kautrieb sind damit ja nicht behoben. Ganz davon abgesehen finde ich die Haltung von mittleren und grossen Hunderassen im Haus keinesfalls artgerechter als sie draussen mit Auslauf zu haben.


    Ja, die Hunde sind die meiste Zeit mit sich beschäftigt, so wie bei den meisten Hundebesitzern, die einer Arbeit nachgehen und nicht Förster oder Polizisten sind.

    So ganz häufig scheint das "Biber"-Verhalten auch nicht zu sein, denn sonst hätte ich hier im Forum oder sonst im Internet schon mal was darüber gefunden, aber ja, dass das eine Reaktion auf Langeweile und natürlicher Spieltrieb ist, ist uns auch klar. Nur wie lenkt man den von den Bäumen weg? Unser Leben komplett umzustellen um den Hund von den Bäumen abzulenken ist keine realistische Lösung. Wir versuchen in der gegebenen Situation das Beste für Hund UND uns zu finden. Ich kann jetzt auch nicht Schäfer werden nur um dem Hund das zu geben wofür er eigentlich gezüchtet wurde.

    Das Grundstück und wir tolerieren ja auch viel und über die Höhlen die hie und da mal gegraben werden, oder umgebissener Baumnachwuchs sehen wir gerne weg. Aber die Entwaldung der alten Bäume ist jenseits der Schmerzgrenze.


    Tierarzt war schon 2 Mal da, wegen Impfung und Chip-Implantat, aber zu den Zähnen hat er sich nicht geäussert. Könnte das Verhalten nach Zahnwechsel evtl. nachlassen?


    Was sind denn eurer Meinung/Erfahrung nach Beschäftigungen die einerseits nicht einen Grossteil des Tages beanspruchen und andererseits genug Beschäftigung für den Hund bedeuten, so dass er nicht mehr "Rinde erbeuten" will. Wir hatten auch schon daran gedacht uns ein Geschwister aus dem Wurf zu holen, damit Bruno einen gleichaltrigen und ähnlich ausdauernden und geschalteten Spielgefährten hätte, denn offensichtlich sind die Speilzeiten mit uns und den anderen Hunden nicht ausreichend. Die Geschwister haben aber wahrscheinlich inzwischen entweder alle Besitzer, sind jetzt Strassenhunde oder leben nicht mehr.


    Also, über REALISTISCHE Ideen zur Lösung des Problems würde ich mich sehr freuen.


    Grüsse,

    Fossi

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