Ella und ihre Baustellen

  • Hallo liebe Dogforum-ianer!:winken:


    Wir sind ein (nicht mehr ganz sooo junges Paar) aus Hessen und haben uns - ihr ahnt es - im Dezember letzten Jahres einen Hund zugelegt. Für mich ist es der erste Hund, mein Freund ist mit einem Familienhund aufgewachsen, der auch hobbymäßig jagdlich geführt wurde.

    Dafür, dass wir uns nach eine halben Stunde mit ihr im Haus direkt für sie entschieden haben, sind eigentlich erstaunlich wenige Probleme aufgetreten. Was Ella toll macht: Sie ist im Haus total ruhig, schläft absolut genug und hat hier keine Probleme mit dem Runterfahren. Sie läuft noch viel hinterher, aber das wird immer besser. Sie ist unglaublich verschmust, offen gegenüber Menschen, dieser Hund kann eigentlich keine traumatische Menschenerfahrungen gemacht haben.. Aufgrund des initialen Verhaltens in der Pflegefamilie (sofort stubenrein und vertraut mit allen Haushatsgeräuschen) ging die Organ davon aus, dass sie wenn überhaupt nicht lange auf der Straße gelebt hat.

    Fotos und einige Facts hier: RE: DNA-Test: Ergebnisse und Fotos


    1. Jagdtrieb


    Es gibt ein paar gute Voraussetzungen:

    - Sie steht fast immer vor, Dauer noch variabel, oft steht sie einfach auch in typischer Haltung mit erhobener Pfote am Wegesrand und guckt in die Ferne. Frage hierzu: Würdet ihr das Vorstehen auch markern, wenn kein Wild in Sicht ist?

    - Sie nimmt Wild wie Hasen, Rehe, Kaninchen, Vögel mMn tendenziell eher auf Sicht, worüber ich öfter gelesen habe, dass es einfacher zu kontrollieren sei? Große Ausnahme hierbei ist das Mäusebuddeln und -suchen, was sie auch teilweise fast zwanghaft tut, heißt, sie hat unterwegs permanent ihre Nase am Boden, steckt sie in jedes Mauseloch. Ich hab das bis jetzt kaum unterbunden, einfach weil es einfacher zu kontrollieren ist als die Hatz nach Rehen und weil sie auch noch nie eine Maus erwischt hat.

    - Sie ist enorm futterorientiert, es gibt wenige Situationen, in denen sie kein Leckerlie nimmt.


    Ich stehe jetzt an einem Punkt, wo ich nicht genau weiß, wie weiter vorgehen. Wir hatten auch schonmal eine Trainerstunde, haben nächste Woche eine weitere bei einer anderen Trainerin, aber ich erhoffe mit mal ein paar Tipps von eurer Schwarmintelligenz.

    Ist das alles viel zu früh für spezifisches Antijagdtrainig? Soll ich einfach weiter am Rückruf, an der Leinenführigkeit arbeiten, basale Dinge tun, wie Aufmerksamkeit auf mich markern und belohnen? Oder würdet ihr schon damit beginnen, Impulskontrolle am Wild einzufangen und Vorstehen belohnen? Ich lese hier immerzu, dass man den Hund vor allem zu Beginn nicht zu viel beschäftigen soll und wenn ich an allen Dingen gleichzeitig arbeiten wollen würde, wären die Spaziergänge ein durchgehendes Geclickere.

    Zweitens: Ich war vor allem zu Beginn der Überzeugung, dass der Hund seine Umgebung jetzt mal komplett in Ruhe und ohne Stress kennenlernen soll. Ich hab mich auf dem ersten Spaziergängen dann auch viel nach ihr gerichtet, hab sie schnüffeln lassen wo sie wolle und sie auch mal im Gebüsch verschwinden lassen. Wir wohnen hier an einen großen Park und meine Spaziergänge sehen aktuell so aus, dass ich mit ihr an der 10 m Schleppleine viel über die Wiese laufe, sie an Bachrändern schnüffeln lasse, sie nach Herzenslust (wie gesagt bis jetzt unerfolgleich) nach Mäusen suchen und buddeln lasse (buddeln,wo es niemanden stört und keine halbmetertiefen Löcher, wie ich sie manchmal sehe). Mittlerweile unterbreche ich das mit eine Lektion Leinenführung von ca 5 bis 10 Minuten, je nachdem wie gut es klappt.. Gut oder schlecht? Soll ich diese Wiesenintermezzos eher erstmal streichen? Meistens ist sie am Anfang des Spaziergangs ziemlich gut gelaunt-aufgeregt und bewegungsdrängig, das normalsiert sich dann irgendwann und manchmal gegen Ende merke ich, wie sie überreizt und wiederrum unruhig wird, dann gehen wir nach Hause



    Ich erhoffe mir aktuell vor allem Anregungen zu diesem Problem, aber der Vollständigkeit noch Ellas weitere Baustellen:


    2. Leinenaggression

    Sie hat kein generelles Problem mit anderen Hunden, ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass sie generell kein Problem mit anderen Hunden hat, mit Ausnahme solcher, die man so tagtäglich auf dem Gassirunden trifft. :tropf: Ella wohnte in der Pflegefamilie mit drei anderen Hunden zusammen, und geht bei uns nach langsamer Eingewöhnung 1 bis 2-mal die Woche in die HuTa, was supergut klappt. (Sie zieht mich morgens zur Tür der HuTa hin, ich bin wirklich überzeugt davon, dass sie uns deutlich zeigen würde, wenn sie das negativ stressen würde..)

    Auf den Spaziergängen hat es sich so entwickelt: In den ersten Tagen hatte sie deutliche Angst, Bürste aufgestellt und Rute eingekniffen. Ich weiß nicht, ob es an diversen Erfahrungen lag (während des abendlichen Spaziergangs ist eine Huskyhündin mehrfach in sie reingerempelt) aber irgendwann hat sich das gewandelt und nun pöbelt sie andere Hunde an. Ihre Körperhaltung dabei ist offensiv, sie zieht an der Leine hin und würde auch hinrennen, wenn man sie ließe. Einige Male, als ich nicht auf die Leinenlänge geachtet hatte und ein Hund unverhofft hinter der Ecke lauerte, ist sie sofort hingespurtet unter Ausnutzung der vollen Schleppleinenlänge und hat ihn keifend verbellt. Das waren Hunde, mit denen sie normalerweise gar nicht in Kontakt gekommen wäre ( Weg hätte sich nicht gekreuzt). Irgendwie krieg ich das nicht ganz zusammen damit, dass jeder davon ausgehen würde, dass sie Aggression eine Angstaggression ist.. Wie dem auch sei, ich kenne und befolge die meisten Tipps (Leinenkontakt vermeiden, Bögen laufen etc..) Die Trainerstunde nächste Woche haben wir hauptsächlich deswegen,.


    3. Unterwegs ist sie ständig auf der Suche nach Futter - wenn sie nicht gerade jagen geht. Mal abgesehen von der Gefahr, die durch Giftköder droht, frisst sie auch unappetitiliche Dinge wie Menschen- und Hundescheiße. Sie kennt unser Abbruchsignal mittlerweise, rennt aber mittlerweile auch mit der Trophäe im Maul weg, wenn man sie nicht gleich zu packen kriegt. Ein einziges Mal ist sie freudenstrahlend mit einem vergammelten Brötchen zu mir gallopiert und hat es mit vor die Füße geworfen. Hab sie natürlich doll gelobt, ist seitdem aber leide nicht wieder vorgekommen. Ich belasse es hierbei erstmal bei Augen offen halten und permanent auf ihr. Sie legt auch gerade noch etwas an Gewicht zu, evtl. gibt es sich dann von selbst.



    Ich bedanke mich schonmal für Tipps und Anregungen. :smile:

  • Schönes und Schweres - zeigt Eure Rumänen - schau doch mal hier rein, es gibt ja allerhand Foris, die einen Auslandshund haben. (irgendwie klappt es mit dem Link nicht, gib es in die Themensuchfunktion ein)

  • Ich liefere mal den Link nach :smile:


    Schönes und Schweres - zeigt Eure Rumänen


    Ein wirkliches Bild habe ich von Eurer Ella noch nicht. Deshalb wäre mein Tipp einfach mal ins Blaue hinein: Entspannt Euch und gebt Euch und ihr Zeit. Sie ist noch mitten im Ankommen und Ihr seid noch mitten beim Kennenlernen. Du hast Dich, glaube ich, schon über ganz vieles schlau gemacht. Das ist toll und hilfreich, kann einen aber auch gewaltig unter Druck setzen.


    Das, was Du beschreibst, klingt für mich alles sehr „normal“. Die Abstauberei kannst Du auch vielen hiesigen Hunden schlecht abgewöhnen. Bei einem früheren möglicherweise Selbstversorger noch umso schwerer. Da war ich mit meiner Dame auch erstmal eher locker.


    Jagdtrieb ist für einen Hund ebenfalls recht normal und Pöbelei an der Leine ist auch nicht ungewöhnlich.


    Mach Dir mal eine Liste, was Dein Hund schon kann, und was er (nach unten priorisiert) möglichst noch lernen sollte. Und mit was ihr im Zweifelsfall auch leben könntet. Guck Dir Deinen Hund an, wie realistisch das ist, was er mag und womit er sich eher schwer tut. Und dann fangt gaanz langsam bei einem an.


    Das draußen alles spannend, auch „überreizend“ und interessant ist - in dem Augenblick auch viel interessanter als Ihr ;) - ist logisch. Mit zunehmender Bindung und wenn Ihr eine Beschäftigung mit viel gutem Teamwork gefunden habt ist die Chance groß, dass sich da noch eine ganze Menge tut. Wenn Ihr schon am Anfang sehr viel Druck aufbaut wird die Spannung eher noch gravierender.


    Magst Du schreiben, wo in Hessen Ihr wohnt (Grüße aus dem MKK :winken:)?

  • Beim Thema Jagdtrieb kann ich nichts beitragen.


    Zur Leinenaggression: Offensichtlich gebt ihr ihr nicht genug Individualdistanz. Auf der Straße haben Hunde viel Platz, um auszuweichen. Angeleint sitzt der Hund in einer "Falle". Das Problem haben viele Hunde, die mal auf der Straße waren. Gibt schnell mal auf die "Fresse", wenn man als Hund nicht genug Abstand hält, besonders wenns um Futter geht. Da ihr sie an der Leine nicht genug geschützt habt (kein Hund darf reinknallen, niemals, abwehren üben!), funktioniert ihre Taktik mit Abstand und Demut nicht. Angriff ist also die einzig mögliche Verteidigung.


    Ihr habt das Problem quasi selbst geschaffen. Lasst es sich nicht einschleifen und arbeiten ab sofort effektiv dagegen, dann habt ihr vielleicht Glück und müsst das nicht monatelang abtrainieren. Meine Hündin kam sofort mit Leinenagression zu mir, hat ein 3/4 Jahr gedauert, das aus ihr rauszubekommen. Das Buch "Leinenrambo" von Sabrina Reichel könnt ihr euch dafür zulegen. Wichtigste bis dahin: Hundekontakt an der Leine meiden und großflächig ausweichen, damit euer Hund kapiert, dass ihr sie schützt. Freilaufende Fremdhunde aktiv abwehren. In dem Zustand eurer Hündin reicht Bogenlaufen übrigens nicht mehr. Schau ab wann sie anfängt zu reagieren. Tretet einen Meter zurück. Genau das ist der Abstand, den sie aktuell benötigt. Keinen Zentimeter weniger, selbst wenn es 40 Meter oder mehr sind.


    Trainiert bitte nur mit positiver Bestärkung. Sollte der Trainer mit negativen Mitteln arbeiten. Sagt nein und wechselt ihn. Weg zum Erfolg und vielmehr Klicker und Futter. Hund sieht Hund, du klickerst, wenn sie nicht bellt und Futter rein. Darum benötigt ihr auch ihren aktuellen Wunschabstand. Das funktioniert nämlich nur, solange sie einen Hund ansehen kann, ohne auszurasten. Bellt der Hund, wird auch nicht gemeckert sondern kommentarlos das Weite gesucht. Sie hat Angst, wenn man da noch schimpft, mit Wasser sprüht oder sie mit lauten Geräuschen nervt, erreicht man nur eins: Sie lernt, dass andere Hunde noch blöder sind als so schon gedacht. Ziel ist aber, ihr zu zeigen, dass mit anderen Hunden schönes passiert, z. B. Leckerchenregen.


    Zum Futter auf Wegen: Möglich, dass deine Hündin eine Weile gehungert hat (weil sie das Straßenleben nicht kannte, nicht gut Futter fand und evtl. sogar von einem Hund eine auf den Deckel bekam, als sie mal was gefunden hatte). Es gibt ein sehr, sehr langwieriges Training dagegen. Alternativ mit Maulkorb raus, damit sie nichts aufnehmen kann. Ich hatte ehrlicherweise keine Lust auf dieses Training, bin mir auch unsicher, ob meine Hündin darauf anspringt. Sie war länger auf der Straße und hat in der Prägungszeit einfach gelernt, dass es gut ist, sich von Restmüll zu ernähren. Schwer rauszubekommen... Meine Taktik ist aufpassen, aber hier liegt auch nicht so extrem viel rum.

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