Junghund (Straßenhund) Gassitraining

  • Ich würde mich mal in Sachen Stressanzeichen beim Hund einlesen. Zwar etwas komplex, weil situations- und hundabhängig, was ein Hinweis auf Stress ist und was normal oder Zufall.


    Aber dass er draußen verweigert, "viel schnüffelt", euch folgt (kann er alleine in einem Raum bleiben oder liegen bleiben, wenn ihr Euch im Raum bewegt?) kann Stress sein, ebenso wie das "Nicht hören, Euch nicht wahrnehmen". Bei Hunden mit der Vorgeschichte wär es halt ein Klassiker, dass da zuviele neue Umweltreize sind. Und dann ist das Hirn so voll, dass es auch mit lernen und Aufmerksamkeit schlecht klappt. Die unsichere Reaktion auf Geräusche in der Umgebung, das (zumindest klingt es danach) einfrieren, spricht auch dafür.


    Kann er sich eigentlich außerhalb des Gartens lösen bzw wenn in der Umgebung was los ist? Nimmt er draußen Futter an? (Arbeitet ihr überhaupt mit Futter?)


    Die Pubertät klopft auch langsam an, die macht zusätzlich Kopfchaos.


    Ich denk, wenn es mit dem Rausgehen eher schlecht klappt, würd ich tendentiell versuchen, ihm dort Bewegung zu verschaffen, wo er sich besser fühlt. Leinenführigkeit wär mir erst mal egal. Er lässt sich anleinen - wunderbar! Und wenn trainieren, dann vorerst auch eher in reizarmer Umgebung.

    Falls er so geistig drüber ist, wie gut sein könnte, kann Hund in der Situation schlichtweg schlecht bis nicht lernen.


    Fuß gehen? Wie wollt ihr das aktuell erreichen, wenn nicht mit Zwang und Druck? Und ist das aktuell auch nur irgendwie nötig? Meine Priorität läge darauf, dass er in seinem neuen Lebensumfeld Sicherheit bekommt. Und wenn das heißt, dass man 2 Monate nur die selbe Strecke geht, bevor man mehr versucht.

  • Oh und hat die Trainerin Erfahrung mit Auslandshunden? Es liest sich zwischen den Zeilen so, dass sie keine hat, bzw ein 0815 Programm durchzieht. Wenn dem so ist, ist es vermutlich auch keine passende Trainerin für Eure Situation, denn das Grundthema scheint nicht "Nicht ordentlich an der Leine gehen" zu sein.

  • Bzgl. der Aufmerksamkeit (wo ich anfangen würde, denk ich) - gibt bestimmt zig Möglichkeiten.


    Bei uns hat sich ein "Schau" bewährt, das man natürlich erst ablenkungsarm übt. Und mit reichlich Belohnung, wobei man da durchaus experimentieren kann und soll, was der Hund als Belohnung empfindet. Anfangs bin ich nie geizig, sondern belohne jede Kleinigkeit mit geilem Scheiß. Beim Galgöchen sind das gekochte Nudeln, Palatschinken und Brathuhn. Schnödes Trockenfutter reichte anfangs nicht. Beim Schau will ich, dass der Hund mich ansieht bzw in meine Richtung, ganz streng bin ich da nicht.


    Ein forderungsloses, eigentlich gar nicht mal Kommando ist bei uns "Wer will ein Keks?" Das kommt, wann immer es mir mal einfällt und funktioniert irgendwann meist sogar als eine Art Rückruf. Wer sich mir zuwendet, kriegt was.


    Später finde ich auch mal zuuuuufällig Leckerli und zeig sie dem Hund (meine, das kann aber zusätzlich zu keine Zusammenarbeit mit Menschen gewöhnt, auch anatomische Gründe haben, hatten lange Probleme mit Fingerzeig und erst mal nicht gecheckt, dass ich ihnen quasi als Handsignal was zeig, heute können sie auch dem Finger folgen bzw begreifen den als Anzeiger für irgendwas).


    Für manche Hunde funktioniert Spielzeug besser als Futter, nur dass man Spielzeug dosierter einsetzen sollt und nicht so großzügig sein kann.

  • Wir haben auch begonnen mit dem Kommando "Schau". Dabei soll er uns nur ansehen.

    Beim laufen an der Leine sagen wir das Kommando, er sieht uns an und dann gibt es dicke Lob oder Snack oder Spiel. Bei und funktioniert Spielzeug am Besten.

    Allerdings blendet uns unser Hund nur aus wegen seinen Hormonen.

  • Wow, danke euch allen für die zahlreichen Antworten.


    Zusammengefasst geht der Tenor ja klar in Richtung „typisch Straßenhund“, da unsichere Vergangenheit, etc.

    Da habt ihr bestimmt auch recht. Wie lange der Hund auf der Straße lebte ist unklar, vermutlich in etwa 6 bis 10 Wochen. Dann weitere zwei Monate Shelter und eben jetzt zwei Monate bei uns.


    Ich verstehe, dass wir Vertrauen schaffen sollen - aber wie? Wie gesagt, im häuslichen Umfeld ist er wie ausgewechselt. Ob spielen, rangeln oder einfach nur kuscheln/streicheln; er lässt alles mit sich machen und hat da auch vor Gästen keine Angst o. Ä. Ebenso kann er aber auch relativ problemlos für einige Stunden in seinen Rückzugsorten verweilen, etwas dösen, schlafen, etc wenn es mal ruhiger ist.


    Auch weil es zuhause gerade so gut läuft dachte ich, dass wir ihn nun langsam an draußen gewöhnen wollen. Ich frage mich, wie wir hier am besten draußen üben? Wie gesagt, sobald wir aus dem Haus sind blendet er uns 100% aus:


    Wenn ich aus dem Haus in den Garten seinen Namen rufe, kommt er sofort. Mache ich das draußen, 3m neben ihm stehen, erfolgt keinerlei Reaktion.

    Besonders ausgeprägt ist dies dann eben wie gesagt bei externen Geräuschen wie Menschenstimmen oder zB Gerüchen der Nachbarshunde.

    Wie gehe ich hier mit ihm um? Lasse ich ihn ausnahmslos gucken/warten bis ER entscheidet weiterzugehen? Gebe ich einen Impuls? Oder Rede ich ihm gut zu, etc.?

    Anfangs haben wir versucht jedes „Weitergehen“ direkt mit Leckerli zu belohnen. Wenn wir das durchziehen, verfüttern wir aber locker mal 30 Leckerli pro 100m - das ist keine dauerhafte Lösung und wir haben das nach einigen Tagen reduziert. Versuchen natürlich viel mit Lob/akustischer Begeisterung zu arbeiten (sehr zur Belustigung der Nachbarschaft haha :) ) als Alternative.


    Wir werden versuchen nun ein/eine Trainer/Trainerin zu finden, welche ggf etwas mehr Erfahrung mit Strassenhunden hat.


    Gerne würden wir dem kleinen alles Vertrauen geben was er braucht - wir wissen, wie ihr sicherlich merkt, nur teilweise nicht mehr wie.


    VG

  • Anfangs haben wir versucht jedes „Weitergehen“ direkt mit Leckerli zu belohnen. Wenn wir das durchziehen, verfüttern wir aber locker mal 30 Leckerli pro 100m - das ist keine dauerhafte Lösung und wir haben das nach einigen Tagen reduziert. Versuchen natürlich viel mit Lob/akustischer Begeisterung zu arbeiten (sehr zur Belustigung der Nachbarschaft haha :) ) als Alternative.

    Eine dauerhafte Lösung nicht, aber hey ein Anfang. Ich würde da kleinschrittiger denken, z.B. 50 m einfache Strecke und zurück. Wenn das gut läuft wird die Strecke "schrittchenweise" ausgebaut und die Leckerligabe langsam reduziert. An "normales" Spazierengehen ist da erstmal nicht zu denken, für Euren Hund ist das eine große Aufgabe.

    Wie schon oben geschrieben würde ich in die Natur gehen Schleppleine dran und den Hund sich bewegen und Hundedinge tun lassen. Da wäre erstmal mein Ziel nicht der Gehorsam.

    Das beschriebene Aufmerksamkeitstraining im vertrauten Rahmen anfangen und kleinschrittig nach draussen verlagern.

    All das braucht Zeit, wirklich viel Zeit und es fällt uns Menschen so unheimlich schwer da nicht zuviel zu erwarten.


    Vielleicht bekommst Du hier von Usern einen Tip zur Trainersuche, ich drück Euch die Daumen!

  • Zitat

    Zusammengefasst geht der Tenor ja klar in Richtung „typisch Straßenhund“, da unsichere Vergangenheit, etc.

    Nein. Weil er die besonders relevanten Entwicklungsphasen, das besonders wichtige "Sozialisierungsfenster" wahrscheinlich großteils in nem Shelter, vielleicht nur in einem Raum oder Zwinger verbracht hat, nicht auf der Straße.

    Also eher "Shelterwelpe", ein Hund, der wahrscheinlich sehr wenig kennt, vorallem Umweltreize

  • @pinkelpinscher

    Einverstanden, das trifft es in der Tat etwas besser ;)


    Wir werden auch heute wieder weiter raus fahren und „auf dem Land“ versuchen ungestört zu gehen.

    Um vielleicht einmal unsere Gedanken zu erläutern; wir haben natürlich erst einmal kein Problem wenn der Kleine selbst erkundet, macht was er will, etc.

    Von vorherigen Hunden gingen jedoch immer eher nach der Devise, dass „er sich nichts falsches angewöhnen soll“, d. h. eben zB dauerhaftes Ziehen nicht zur Normalität werden soll und wir dementsprechend unterbinden.


    Wie ihr ja aber sagt, dürfte dieser Gedanke bei unserem Hund jetzt schon drei Schritte voraus sein.

  • Zitat

    Wenn ich aus dem Haus in den Garten seinen Namen rufe, kommt er sofort. Mache ich das draußen, 3m neben ihm stehen, erfolgt keinerlei Reaktion.

    Besonders ausgeprägt ist dies dann eben wie gesagt bei externen Geräuschen wie Menschenstimmen oder zB Gerüchen der Nachbarshunde.

    Wie gehe ich hier mit ihm um? Lasse ich ihn ausnahmslos gucken/warten bis ER entscheidet weiterzugehen? Gebe ich einen Impuls? Oder Rede ich ihm gut zu, etc.?

    Anfangs haben wir versucht jedes „Weitergehen“ direkt mit Leckerli zu belohnen. Wenn wir das durchziehen, verfüttern wir aber locker mal 30 Leckerli pro 100m - das ist keine dauerhafte Lösung und wir haben das nach einigen Tagen reduziert. Versuchen natürlich viel mit Lob/akustischer Begeisterung zu arbeiten (sehr zur Belustigung der Nachbarschaft haha :) ) als Alternative.

    Ihr habt den Fokus in meinen Augen sehr auf "wir müssen so und so spazieren gehen". Vielleicht - wie gesagt, ich nehme anhand der Eckdaten an, dass Euer Hund ein draußen sein, Umweltgeräusche, Straßenverkehr etc einfach nicht kennt, sein Gehirn solche Reize nie verarbeiten und einordnen musste/konnte - kann er es einfach noch nicht.


    Müsst man vor Ort sehen. Aber es klingt ein bisschen so.


    Um spazieren gehen zu können, sinnvoll, so dass der Hund was davon hat, muss er mit seiner Umwelt einigermaßen zurecht kommen. Hier würd mich nochmal interessieren, ob er sich außerhalb des Gartens löst. Für Euch wär auch seine Körpersprache insgesamt interessant.


    Was Belohnung ist, entscheidet im Grunde der Hund. Verbales Lob hilft bei einem Hund, der wenig am Menschen orientiert ist, womöglich nix und ist insgesamt nicht das richtige Mitte für vielr Hunde bzw den harten Anfang (Meine Interpretation aus Menschensicht isr, dass Hunde nicht nur erst mal ihren Namen lernen müssen, sondern auch "Lob" verstehen und die dazu gehörige Körpersprache. Ich hatte bei meinen Auslandshunden ohne große Erfahrung mit Menschen zusammen zu arbeiten, anfangs über eine ganze Weile den Eindruck, der Hund hat keine Ahnung, dass mein affiges Getue sich auf Handlungen von ihm bezieht. Ein körpersprachlich untermaltes Nein ging schneller.)

    Grad wenn der Hund draußen auf Durchzug und Autopilot geschalten ist, plus als ein Anzeichen für einen starken inneren Konflikt auch einfriert (so interpretier ich das stehen mit eingeklemmter Rute und Schauen und nix mehr machen. Müsst man bestimmt auch sehen) wenn da Reize (Stimmen, Bewegungen usw) sind, dringt man grundsätzlich schwer oder nicht durch. Am ehesten noch mit etwas richtig, richtig lohnendem - aus Hundesicht. Da wäre ich null sparsam. Und wenn das sauteure Bioleckerli aus der Hundemanufaktur nicht ist, was der Hund in dem Moment nehmen kann, sondern ne alte Semmel, dann gibt es halt alte Semmelstücke. Der Hund vollbringt da womöglich gerade eine geistige Höchstleistung aus seiner Warte betrachtet. Wenn er sich mir trotzdem zuwendet, ist das nen Managernonus wert.


    Ich sag es mal etwas plakativ: Den Hund 100 Meter dauerhaft belohnen ist keine Lösung? Naja, aber ohne kommt ihr auch nicht weiter. Mit habt ihr immerhin die Chance, dass Hund das irgendwann sogar cool findet und Euch wahr nimmt. Das löst das Zugproblem vorerst nicht. Nur ohne Euch wahrnehmen löst man es auch schwer.

    Futter oder sonstige - vom Hund als hochwertig empfundene - Belohnung kann Emotionen längerfristig ins positive verändern.


    Es geht auch nicht darum, einen Hund bis ans Lebensende vollzustopfen, bis man ihn rollen kann, aber die ersten Übungsschritte und überhaupt lernen können so zu pushen, dass Hund was davon hat. Macht beiden Seiten das Leben leichter.


    Auch wenn manche ohne Leckerli arbeiten, warum diese Chance verbauen

    . Euer Hund nimmt draußen ja scheinbar sogar Futter an. Hey, das ist großartig. Das können etliche Hunde anfangs nicht. Da habt ihr schon nen riesen Startvorteil.



    Wahrscheinlich habt Ihr Euch das alles etwas anders vorgestellt. Arbeiten kann man aber nur mit dem Istzustand, nicht mit der Idealvorstellung.


    Ihr habt keinen Hund, der aus Idealbedigungen stammt, sondern einen, der womöglich Entwicklungsdefizite mitbringt in dem Sinne, dass er nicht so aufgewachsen ist, all die Fertigkeiten im Ansatz zu entwickeln, die er im neuen Leben braucht.

    Das macht ihn nicht schlecht, nur passt dazu nicht jedes vorgefertigte Konzept, manchmal muss man auch improvisieren und oftmals seine Ansprühe im Moment sehr drastisch zurück schrauben.


    Hat Euer Hund Hundekontakte? Habt ihr die Möglichkeit zb mal Gassirunden mit einem ruhigen, netten Hund aus dem Bekanntenkreis zu probieren?


    Vielleicht könnt ihr auch mal spazieren sitzen, statt spazieren gehen? Eure gemeinsame und seine neue Welt anschauen mit viel viel Extrawurst oder sonstwas.


    Und dazwischen eben in Ruhe, im Haus, im Garten so Aufmerksamkeitssignale wie "Schau" einführen bis sie gut sitzen und Stück für Stück draußen eingeführt werden können.



    Ein Trainer den interessiert, warum Euer Hund nicht weiter geht und wie er sich draußen bewegt, wie er auf welche Reize reagiert, wär, denk ich, die bessere Wahl, als Leinenführigkeit durchziehen wollen um jeden Preis.


    Vielleicht liegen die Dinge auch anders, als ich reininterpretiere, das muss man meistens alles direkt sehen. Es wäre halt sehr naheliegend, dass da aktuell zuviel Erwartungsdruck da ist, für das was Hund überhaupt schon leisten kann.

  • Huhu, erstmal Glückwunsch zu eurem Zuwachs.


    Ich hatte mit meiner Rumänin ähnliche Problemchen. Allerdings war sie schon älter und bereits einige Jahre in Deutschland.

    Auch sie wollte einfach nicht Gassi gehen, bzw. mal ja, mal nein. Verstanden habe ich dieses Verhalten zuerst nicht, aber der Hund hört, sieht und riecht Dinge, die wir bewusst gar nicht wahrnehmen. Für den Hund ist es erstmal neu und/ oder beängstigend.

    Wenn ihr im Haus und Garten bereits gut zurechtkommt, dann klappt das andere ganz sicher auch bald.

    Nur Geduld.

    Das euer Hundchen so an der Leine zerrt, kann durchaus instinktiv sein. Die ganzen Reize, das Neue.( Augen und Ohren zu und weg):flucht:

    Ist wahrscheinlich noch etwas viel. Er hat ja auch noch keine Ahnung, das Gassi gehen etwas tolles ist.

    Wenn ihr so was vorhabt, dann lieber auf eine ruhige Wiese setzen und warten, bis er sich "öffnet", also entspannt. (Natürlich ohne Druck. Wenn nicht, dann noch nicht )


    Lieber erstmal Zuhause Vertrauen aufbauen. Wie oben schon genannt, ist "Schau" (Bei uns "guck") eine gute Trainingseinheit und eine große Hilfe beim Bindungsaufbau.

    Leckerlies verstecken und ihn suchen lassen z.B. bringt großen Spaß und gemeinsamer Spaß verbindet.

    Wir haben auf solche kleinen Spaßeinheiten vermehrt den Fokus gelegt, nachdem ich hier im Forum bzgl. des gleichen Themas sehr gut beraten wurde:herzen1:


    Und auch ich bin ob eurer Trainerwahl skeptisch. Meine würde zuallererst und vor allem anderen, den Hund erklären, also seine (Körper-)Sprache näherbringen. Damit man z.B. Stress und Überforderung erkennen und vermeiden kann. Und dann ganz langsam und im Tempo des Hundes vor die Tür. Kommandos und Erwartungen wären noch lange kein Thema.


    Nur Geduld, das wird schon noch :bindafür:

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