Das Leben der Verona ... ein Traum endet

  • Hallo,


    Ende August. Eine schwere Zeit, seltsame Zahlenkombinationen.


    An einem 26. 8. stirbt Dino. An einem 27. 8. kommt Jimmy zu uns und

    er stirbt an einem 28.6. An einem 28.8 stirbt Verona, meine große Hunde-

    Liebe.

    Es war der 28. 8. letzten Jahres, als Verona uns verließ. Ich wollte ihr einen

    Nachruf schreiben, es ging aber nicht.

    Ich wusste, wenn sie gehen wird, wird es einer meiner traurigsten Tage sein.

    Seltsamerweise empfand ich aber nur eine sprachlose Leere.

    Vielleicht sogar etwas Erleichterung, nun da sie zum ersten Mal seit vielen

    Jahren ohne Schmerzen war und ich ohne Sorgen ihretwegen.


    Seit Freitag ist's wieder mal ganz schwer, wenn ich an sie denke...


    Verona, mein Wunderhund.


    Ja, ich weiß. Jeder Hund ist etwas Besonderes und für seinen Halter einmalig.

    Aber Verona hat wirklich ein kleines Wunder vollbracht. Ein ganz Großes gar

    für mich. Etwas was mein Leben verändert hat.


    So kam sie zu uns:


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    Aufgrund dieses Bildes habe ich mich in sie verliebt und sie aus Griechenland

    zu uns einfliegen lassen.

    Jung, Bildschön, frech, stur, liebenswert und ihr Leben lang ein treuer Partner

    unseres Jimmy. Sie waren unser Dream-Team.


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    All die Jahre gab es nicht ein mal Streit zwischen den beiden. Kein Knurren, kein

    Neid. Sie fraßen sich gegenseitig die Näpfe leer. Es herrschte Eintracht und Vero

    bemutterte ihren Jimmy wo es nur ging.



    Sie kam zu uns und sie war zuhause.

    Drei Monate später geschah es dann:


    Wir wollten in Urlaub fahren. Veronas erster Urlaub. In die Normandie sollte es

    gehen. Das Auto war fix und fertig gepackt. Unser Gepäck im Dachkoffer, die

    Rückbank umgelegt und zusammen mit dem Kofferraum des Kombi hatten

    Jimmy und Vero ein schönes großes Reiseabteil.

    Fraule wollte noch eine Pipi-Runde mit den beiden gehen, ich sollte noch etwas

    schlafen, denn die Fahrt ist eine Lange.


    Plötzlich schreckte ich auf. Hörte schreckliche Schreie. Rannte zum Fenster

    und da kam auch schon die Karawane der Mühseligen.

    Unsere Nachbarin hatte den Jimmy an der Leine. Fraule hatte Verona an der

    Brust und hielt sie nach oben. Während Vero mit den Hinterläufen noch selbst

    tapfer laufen konnte, baumelte ihr rechtes Vorderbein haltlos hin und her.


    Vero hatte den Hund unseres türkischen Nachbarn gesehen, war aus dem

    Geschirr geschlüpft und über die Straße gerannt, wo gerade unser serbischer

    Nachbar mit dem Auto längs kam und sie erwischte.


    Wir verluden Verona ins Auto und fuhren zu unserem Tierarzt. der offene

    Bruch wurde notfallmäßig versorgt, dann fuhren wir zur Tierklinik wo Verona

    operiert wurde.

    Zuhause entluden wir das Auto, der Urlaub war vorbei, bevor er begonnen

    hatte. Das Urlaubsgeld floss der Tierklinik zu und wir verbrachten die freien

    Tage zuhause als Krankenpfleger für das Verönchen.


    Am folgenden Wochenende saßen wir gelangweilt im Wohnzimmer. Ich

    stöberte im DogForum. Fraule schaute Fern. Die Sendung 'Vermisst' lief

    gerade. Verona und Jimmy schliefen.

    Mit einem Ohr hörte ich der TV-Sendung zu. Dort suchte eine Frau ihren

    Vater. Er war englischer Soldat und in Deutschland stationiert gewesen.

    Kurz nachdem die Frau geboren wurde, ging der Vater zurück nach England und

    die Mutter wollte nicht aus Deutschland weg und mit der Zeit brach der Kontakt

    zum Vater ab.


    Als ich das so hörte, musste ich plötzlich an meinen Vater denken. Er war

    englischer Offizier gewesen und als der Krieg vorüber war, heuerte er bei

    militärischen Abwehr an und kam auf der ganzen Welt rum.

    In Baden-Baden lernte er meine Mutter kennen und na ja. Ihr wisst schon.

    Das Ganze mit den Bienchen und Blümchen und später kam dann ich dazu.


    Aufgrund seines Jobs herrschte Geheimhaltung über seine Herkunft. Uns

    hat er gesagt, er käme ursprünglich aus Kanada, war Vollwaise seit seiner

    Kindheit und es gäbe keine anderen Familienangehörigen.

    Punkt.

    Er starb schon 1979 und für mich war die Sache mit England damit erledigt.


    Ich weiß nicht warum.

    Als ich das von der Frau hörte, die nach dem Vater forschte, machte ich das

    DF zu, öffnete Google und gab den Namen meines Vaters ein, das Geburts-

    Datum und den Geburtsort.


    Bingo. Ein Treffer.


    In einem Genealogen-Forum in England suchte ein Mann für seinen Cousin

    nach dessen Vater. Gleiche Daten, wie die, die ich eingegeben hatte.

    Der Mann wäre in den 50er Jahren nach Deutschland gegangen und seither

    verschollen.

    Ich schrieb eine Antwort und trug zum Abgleich die Namen der Eltern meines

    Vaters ein.


    Keine Antwort.


    Abends erzählte ich meiner Mutter davon. Sie reagierte sehr einsilbig, schien

    etwas wütend zu sein. Na ja...


    Am nächsten Tag saßen wir nachmittags beim Kaffee.

    Telefon.

    Fraule ging dran, bracht mir den Hörer, sagte: 'Kenn' ich nicht, spricht Englisch.'


    Eine Männerstimme. Ob ich ich sei, ob mein Vater der wäre und ob wir mal da,

    mal dort gewohnt hätten.

    Ich fragte erst einmal, wer denn da dran sei.


    'Oh, entschuldige. Klar. Nicht erschrecken. Ich bin's, Brian. Dein Bruder.'


    Mir zog es den Boden unter den Füßen weg. War geplättet.


    Wir unterhielten uns lange.

    Mein Vater war verheiratet gewesen und hatte einen Sohn, Brian.

    Als er seinen Posten beim MI6 bekam, verließ er die Familie, sagte man würde

    sich nie wieder sehen. Er ging einfach.

    Brian hatte jahrelang versucht ihn zu finden. Stattdessen hat er nun seinen

    Halbbruder gefunden.

    Von meinem Vater lebten noch drei Geschwister. Die Älteste 102 Jahre alt

    und topfit. Und ich habe Familie, Cousins und Cousinen in England und in

    Neuseeland.


    Als das alles raus war, brach meine Mutter regelrecht zusammen. Sie schien

    in Minuten um Jahre gealtert.

    Sie wusste das alles. Vater hatte ihr alles auf dem Sterbebett erzählt und ihr

    das Versprechen abgenommen mir niemals was davon zu erzählen.

    Sie bat mich um Verzeihung, meinte ich müsse sie doch jetzt hassen...


    Nein. Ich war ihr nicht böse. Sie hatte es versprochen. Ist halt so.

    Traurig war ich, ja. Enttäuscht.

    Es ist nicht schön herauszufinden, sein ganzes Leben lang belogen worden

    zu sein. Und mir und Brian fehlen schlicht und einfach 29 Jahre.


    Als mein Vater starb, war ich gerade 18. Hätte ich von meiner Familie in GB

    gewusst, ich wäre nach England gegangen. So sicher, wie das Amen in der

    Kirche.


    Brian und ich sind beste Freunde. Wir haben uns hier und in England getroffen

    und wir skypen jede Woche.

    Das Hauptproblem ist, dass er sehr viel älter ist, als ich. Er ist 84 und sehr

    krank...

    Viele Pläne werden wir nicht mehr zusammen schmieden.


    Für mich war das alles ein großer Zufall. Durch Vero's Unfall waren wir nicht im

    Urlaub, sondern sahen Fern. So fand ich Brian.


    Brian hingegen ist unglaublich abergläubig.

    Er sagt, das war kein Zufall. Das war Schicksal, von unseren Vater gelenkt.


    Wie sonst, soll eine Hündin von der kleinen Insel Aegina in Griechenland

    nach Deutschland kommen, dort einem türkischen Hund nachlaufen und

    einem serbischen Mann ins Auto laufen, damit wir nicht nach Frankreich

    fahren und dafür einen Bruder in England finden?


    Hach, Brian... :roll:


    Egal wie. Für mich hat sich durch Verona so viel geändert und ich habe

    einiges erlebt und viele Leute kennengelernt. Alles das wäre mir ohne

    Verona fremd geblieben und ich hätte niemals meine Herkunft erfahren.


    Sie ist einfach mein Wunderhund, meine wunderbare Verona.


    Was hatten wir nicht alles für lustige Erlebnisse mit ihr, sie war der Clown,

    wo Jimmy eher stoisch, fast hochnäsig wirkte (was aber täuschte).

    Und beim Essen... :D

    Verona legte ich neben den Esstisch, beobachtete uns. Irgendwann sprang

    sie dann auf und starrte uns an. Dann blies sie leicht die Lefzen auf und zog

    die Nase hoch. Die Lefzen bildeten dann ein Dreieck.

    Dann ging das los. Woo. Woooh! Wooouuuh! :lol:

    Selber Schuld.

    Eines Tages gab es Leber und das Tönchen war seeehr interessiert.

    Ich hielt ihr ein Stück hin und sagte: 'Sag woou!'

    Sie begriff rasch und bekam Leber.

    So schnell hatte ich ihr noch nie was beigebracht. :hust:

    Und das hat sie sich gemerkt.

    Sie war ein tolles Mädchen und sie war der erste Hund, der 'mein' Hund war.

    All die Rüden waren 'Mama'-Hunde. Vero war vom ersten Moment an auf mich

    fixiert.

    Hach. mein Tönlein. :herzen1:


    Leider blieb sie von Unglücken und Unfällen nicht verschont. Im Urlaub rannte

    Jimmy sie um und sie riss sich beide Kreuzbänder hinten ab.

    Das konnte zwar operiert werden, aber infolge dessen bekam sie Arthrose

    und lebte jahrelang nur noch mit Schmerzmitteln.

    Sie bekam überall Lipome und allerlei gesundheitliche Probleme.

    Wenn es irgendwo was gab und es erwischte einen Hund, es traf immer die

    gute alte Vero.

    Aber sie blieb fröhlich, klagte nie (typisch Jagdhund) und war verfressen

    und diebisch bis zum Schluss.


    Als Jimmy ganz plötzlich von einem auf den anderen Tag verstarb, zerbrach

    das liebe Tönchen. Sie wurde richtig depressiv, lethargisch und sie baute

    unglaublich ab.

    Doch sie blühte noch einmal auf, als der ulkige Clown Robin zu uns kam. Sie

    hat ihm alles gezeigt, ihn eingeführt und ihm die wichtigsten Unarten beige-

    bracht.

    Sie war sehr gut mit ihm, hat auch ihn betüddelt, es wurde aber nie so, wie mit

    Jimmy. Sie hat ihm auch gleich unmissverständlich gezeigt, dass junge bekloppte

    Schlappohren nicht mit älteren, steifen Damen spielen dürfen und werden.


    Vor einem Jahr dann. hat sie es genau so gemacht, wie ihr alter Freund Jimmy.

    Sie wurde einen Tag lang schwer krank und am Abend des Tages ließen wir sie

    gehen.

    Beide Hunde starben an einem Darmverschluß infolge unerkannt geblieben Krebses.

    Ist nicht immer von Vorteil, wenn dieses Jagdhundgesindel keine Schmerzen anzeigt.


    Das letzte Foto:


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    Eine Stunde später war alles vorbei.


    Wir werden sie niemals vergessen.


    d3bd1e.jpg


    Danke für alles!



    liebe Grüsse ... ein sehr nachdenklicher Patrick

  • So schön geschrieben Patrick. Mein Beileid zum Verlust deines Seelenhundes. Und was für eine wundervolle Geschichte, wie du so deinen Bruder gefunden hast. Hab doch glatt ein Tränchen verdrückt.loudly-crying-dog-face

  • Oh Mann, was für eine Geschichte. Und wieder einmal der Beleg . es gibt keine Zufälle. Ich wünsche Dir ganz sehr, dass - wenn Du eines Tages den Weg alles Irdischen gehst - nicht nur Deine Hunde auf Dich warten, sondern auch alle bekannten und unbekannten Familienmitglieder. Das wäre doch das schönste Happy End, das man sich vorstellen kann.

  • Eine besondere Familienzusammenführung durch einen besonderen Hund für einen besonderen Menschen :herzen1:


    Es tut gut zu wissen, dass es dich, deine liebe Frau und eure tollen Hunde gibt :bussi:


    Und ja du hast recht, das Jagdhundgesindel ist ein starkes Gesindel, das kaum Schwäche oder gar Schmerzen zeigt ...

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