Hunde ohne Strafe korrigieren?

  • Hallo Zusammen blushing-dog-face

    Meine Familie uns ich überlegen nun schon seit einiger Zeit, einen Hund bei uns aufzunehmen. Mittlerweile haben wir uns viele Rassen angeschaut, mit einigen Züchtern telefoniert und so einige Bücher über Hundeerziehung gelesen. Vielleicht wird es in einem Jahr klappenheart-eyes-dog-face

    Jetzt also zu meiner Frage:

    In den Büchern, die ich gelesen habe, habe ich die verschiedensten Meinungen und Methoden zur Hundeerziehung gehört. Besonders zu dem Thema "Korrektur". Grundsätzlich bin ich gegen Bestrafung und die sogenannten negativen Verstärker und würde am liebsten nur durch positive Verstärkung, Lob und Belohnung erziehen. Nur gibt es ja manchmal Situationen, in denen man den Hund korrigieren muss, zum Beispiel wenn er Essen vom Tisch klaut oder beißt. Als sehr sinnvolle Methode erscheint mir das Ignorieren, zum Beispiel wenn der Welpe forderndes Verhalten zeigt, um z. B. den Futternapf zu ergattern oder seinen Menschen zum Spielen auffordert. Man ignoriert den Hund so lange, bis er sich richtig benimmt und belohnt ihn dann, z. B. mit dem Futternapf. Was ist jedoch mit Situationen, in der die Methode zu Ignorieren nicht funktioniert, z. B. eben dann, wenn der Hund Essen vom Tisch klaut. Da kann man ja schlecht ignorieren und den kleinen Kern mit der Beute davon kommen lassen. Viele Bücher (unter an derem "Welpentraining mit Martin Rütter") sagen jetzt: "Schnauzengriff anwenden! Das ist ganz natürlich für den Welpen, weil er es von der Mutterhündin gewohnt ist. Es werden nur die Methoden der Mutter nachgeahmt." Aber kann man das überhaupt so vergleichen? Was meint Ihr zu dem Thema "Die Methoden der Mutter nachahmen"? Versteht der Welpe überhaupt, dass der Mensch gerade versucht, die Hundemutter zu spielen und merkt, dass sein Verhalten falsch wahr oder führt es nur zu Verwirrung und Angst vor dem Halter, der dem Welpen plötzlich über dem Fang packt, obwohl er sich nur ein Stückchen Futter holen wollte?

    Außerdem ist es ja oft für den Hund auch eine Bestärkung, wenn der er merkt, dass er nur Futter klauen muss und schon lassen seine Menschen alles stehen uns liegen und spielen ein lustiges Fangspiel mit ihm. Ihr seht schon, ich bin schon völlig verwirrt von den ganzen Meinungen.

    Wie reagiert Ihr in solchen Situationen und bringt/ habt eurem Welpen beigebracht, was er darf und was nicht? Ich würde mich sehr über ein paar praktische Tipps freuenblushing-dog-face

    Viele Grüße,

    Rosi

  • Vorab, negative Verstärkung hat nichts mit Strafe oder Korrektur zu tun. Es ist und bleibt eine Form der Verstärkung (Belohung) egal wie viele möchte gern Hundetrainer den Begriff falsch verwenden.

    Ohne Abbruch - und dabei handelt es sich bei 90% der sogenannten Strafen - wirst du nicht weit kommen.

    Und nein, Abbruch/Strafe wie auch immer man es nennen will führt nicht zu einem ängstlichen, unsicheren Hund, so lange man fair dabei ist.


    Ignorieren klingt schön, ist aber nur so lange toll, wie ein Verhalten nicht entweder selbstbelohnend ist (Futter stehlen zB steht da ganz oben auf der Liste) oder schlucht gefährlich für Hund oder Umwelt ist. Natürlich kann ich es ignorieren, wenn der Hund am Stromkabel nagt. So löst sich das Problem auch, wenn auch auf eine Art und Weise, die den meisten Hundehaltern nicht gefällt.

    Wenn du den Hund vor dem Schnauzgriff erst einmal quer durch die Wohnung jagen musst, ist es eh schon egal, dann ist der Zeitpunkt für den Lerneffekt ohnehin schon verstrichen.


    Ja, es ist modern, sich zu wünschen, dass man alles rein positiv und demokratisch und freundschaftlich regeln kann. Es gibt durchaus Hunde, mit denen das auch funktioniert. Verlassen würde ich mich nicht darauf. Die Lerntheorie sieht vier Möglichkeiten zur Verhaltensformung und Änderung und man sollte sich nicht von Anfang an zwei Beine und einen Arm auf den Rücken binden, in dem man drei Formen davon kategorisch ablehnt.

    Zumal es meist ohnehin nur Wortklauberei ist. Auch das so hoch gelobte Ignorieren ist Strafe und wiegt oftmals wesentlich schwerer und führt schneller und tiefer zu Angst und Unsicherheit, als die anderen verpönten Varianten.

  • Nö, der Hund versteht nicht, wenn du den Schnauzengriff anwendest, denn der weiß genau, dass du kein Hund bist und schon gar nicht seine Mutter. ;)


    Wenn der Hund Dinge tut, die er nicht tun soll, sage ich deutlich das Wort, das ich als Abbruch einüben möchte, und pflück den Zwerg dort weg. Dann kapieren die Kleinen recht schnell, was verboten ist.


    Übrigens ignoriere ich grundsätzlich kein unerwünschtes Verhalten, denn ich finde es fairer, dem Hund zu sagen, was er da gerade falsch macht, als ihn ewig in der Luft hängen und rumprobieren zu lassen. Einzige Ausnahme: Er nervt, um Aufmerksamkeit zu bekommen oder ich merke, dass er das erwünschte Verhalten gerade einfach nicht leisten kann. Dann versuche ich, ihn aus der Situation zu nehmen und ihm darüber wegzuhelfen.


    Wenn der Collie sich z.B. total hochfrustet, weil mein Großer die uralte Labbihündin begrüßen darf und er nicht (zu wild, zu frech), dann halte ich die Leine kurz und ignoriere sein Jammern und Motzen, belohne aber, sobald er ruhig ist. Korrektur käme in dem Moment nämlich nicht an in seinem Teenagerschädel.

  • Ich bin ganz ehrlich - ich hab mir das genauso schön theoretisch ausgemalt wie du. Immer schön positiv, motivierend, freudig.


    Tjoar, heute Mittag hab ich meine Hündin (10 Monate) im allerschönsten Kasernenton ins Haus zitiert. Davon gab es einen Abbruch für einen Pöbelversuch am Zaun. Madame sieht das oft nicht so mit dem Positiven, Motivierenden und Freudigen. Ich probiere nicht mehr den Hund zu überzeugen sich selbst für das Richtige zu entscheiden - sondern ich gebe vor, was ich haben will und was nicht.


    Meine Hündin bekommt von mir klares Feedback - positiv wie negativ. Wie die Situation es eben erfordert. Ich höre da auf mein Bauchgefühl und mache mir viel weniger Gedanken als am Anfang.

  • Ich habs ehrlich gesagt nicht so mit Begrifflichkeiten und verwende sie auch gerne mal falsch. Ich könnte zum Beispiel "negative Verstärkung" höchstwahrscheinlich nicht korrekt erklären, ohne selbst nachzuschlagen.


    Ich habe mich irgendwann einfach davon frei gemacht mit dem Hund nach Definitionen von Begrifflichkeiten zu arbeiten. Ich erziehe und führe intuitiv und ja, z.B. ein "Abbruch" kam bei mir sehr häufig zum Einsatz. Einfach weil ich viele Jahre verhaltensoriginelle Hunde an der Seite hatte und auch heute noch habe. Diese haben immer einen eng gesteckten Rahmen gebraucht und konsequente Führung. Wenn jemand von ausserhalb draufschaut, würde ich oft zu sagen bekommen ich bin zu "streng". Mag sein, aber meine Hunde brauchten das um sich wohlzufühlen, sicher zu agieren und adäquat reagieren zu können.


    Was helfen mir die ganzen Thesen und Ansätze, wie Du sie nennst, wenn sie nicht zu meinem Hund passen. Die Gründe können vielfältig sein. Schlechte Aufzucht, negative Erfahrungen in der Vergangenheit, rassebedingte Eigenschaften, etc.

    Es gibt zahlreiche Hunde bei denen wirst Du mit einem ausschliesslich "positiven und belohnenden" Ansatz nicht weit kommen. Spätestens wenn die auszuführende Handlung für die der Hund sich entscheidet selbstbelohnender ist als alles was Du ihm anbietest. Und bis Du herausgefunden hast was reizvoller für Deinen Hund sein könnte als z.B. das Reh zu hetzen, ist das Ding schon durch.


    Ich finde es auch zigmal toller meine Hunde zu loben und mit.. äh.. wie heisst das.. positiven Verstärkern zu arbeiten. Aber ausschliesslich war bei mir nunmal nicht drin. Natürlich möchte ich lieber Erfolgserlebnisse belohnen können als unerwünschtes Verhalten abzubrechen und umzulenken, aber auch bei all dem vorausschauenden führen, war das nicht möglich.

  • Ich finde diese ganze Ignoriererei hochgradig unfair dem Hund gegenüber, regelrecht gemein. Versetz dich mal in dessen Lage: Woher soll der arme Kerl denn da wissen, was gerade anliegt, was er tun oder lassen soll, wenn er kein Feedback bekommt und sozusagen in der Luft hängengelassen wird.?


    Ich habe sowohl den Welpen als auch den Erwachsenen immer notfalls deutlich gesagt oder klargemacht, wenn ich irgendwas nicht möchte - und bei einer gewünschten Reaktion ebenso deutlich klargemacht, wie toll diese Reaktion und der ganze Hund doch ist.


    Damit konnte bis jetzt jeder Welpe/Hund etwas anfangen, und war eben genau nicht verwirrt, weil er einen klaren Rahmen bekam und seine kleine Hundewelt dadurch überschaubar und für ihn sicher war.

  • Schnauzengriff kann bei einem sehr reaktionsschnellen Teilchen auch gründlich misslingen - und ist, wie bereits erwähnt, ohnehin ziemlich unsinnig. Fair, klar, geduldig und grundsätzlich erst einmal liebevoll sein, damit bin ich bei Welpen bisher sehr weit gekommen.


    Meinen Whippet hätte ich mit Rumbrüllerei sicher nicht erziehen können, aber auch er braucht ab und an eine sehr klare Ansage. Recht selten inzwischen, denn erstens kann er mit fast 5 Jahren nun wirklich Gut von Böse unterscheiden und zweitens kennt er mich ganz genau - der spürt das Donnerwetter noch bevor ich Luft holen kann. Und lässt es dann lieber ganz schnell bleiben ;-) Ich habe ihn (als Welpen) nie ignoriert, er soll sich ja an mir orientieren, wie soll das gehen, wenn von mir nichts kommt?

  • Ich möchte meinem Hund gegenüber authentisch sein. Ich bestärke lobend positives Verhalten. Wenn mir aber was nicht passt, kommuniziere ich das ebenfalls.


    Mein Hund ist sehr sensibel. Deutlich kommunizieren kann hier schon nur ein lauteres Räuspern sein. Meine Haltung zählt da trotzdem. Das ist nicht nur Härte.


    Für mich ist das einfach Transparenz im sozialen Zusammenleben. Der Hund kann mich eh immer besser lesen als ich ahne. Da finde ich klare Ansagen nur fair. Ich sammle auch erst so meine Erfahrungen, aber bislang sind wir damit gut gefahren.

  • Ich bin ja auch gerne rein positiv, so vom Grundprinzip her =). Im Sport, beim Üben etc. kennen meine Hunde ein "Schade", heißt einfach: das ist nicht der richtige Weg, um die Supi-Belohnung zu bekommen. Ich sage also in etwas traurigem Tonfall "Schade" und meine Hunde geben sich dann Mühe, es besser zu machen.


    So, das funktioniert so lange großartig, wie sie auf meine Belohnung scharf sind. Sie wollen die, sie wollen alles tun, um die zu bekommen. Das sind Trainingsbedingungen. Ich kann das durchaus auf Alltag ummüntzen, aber nur, wo die Alternative nicht verlockender ist. Denn mein "Schade" heißt nur, du bekommst meine Belohnung nicht. Die Umwelt hält genug andere Belohnungen bereit xD


    Ich finde im Alltag am fairsten, immer nach Möglichkeit die Distanz zum Reiz eher groß zu halten, Alternativverhalten massiv zu belohnen, wirklich mega-Party, wenn der Hund sich umorientiert, aber auch Grenzen zu setzen. Gerade wenn man eher nett unterwegs ist und einen Hund hat, den es halbwegs interessiert, was sein Mensch so will (und das kann man gut über Training in reizarmer Umgebung aufbauen, falls der Hund es nicht mitbringt), dann beeindruckt den das, wenn man doch mal sagt "HEY SO NICHT!!". Aber das darf sein, denn das Vertrauensverhältnis ist da. Und ein Alternativverhalten wird belohnt. Das nimmt ein Hund nicht übel. Wichtig finde ich wirklich das punktgenaue Umschalten, wenn der Hund umdenkt. Hunde kennen keine Strafen im Nachhinein. Aber einen Abbruch, den Vestehen hier auch die Sheltie-Sensibelchen. Die Intensität muss man halt anpassen, am wichtigsten ist meiner Meinung nach aber wirklich, dass man punktgenau den Abbruch setzt und punktgenau wieder lobt. Damit der Hund es verstehen kann.


    Ignorieren finde ich seltenst zielführend.

  • Da du offensichtlich eine eifrige Leserin bist, möchte ich dir ein Buch empfehlen: Sabine Winkler "So lernt mein Hund". Das ist nicht noch ein weiterer Ratgeber, sondern so etwas wie der Generalschlüssel, mit dem du fortan jedes Erziehungsbuch und jeden Hundetrainer, ob live oder im Fernsehen, beurteilen kannst, weil du die Grundlagen verstanden hast, auf der ausnahmslos jedes Hundetraining beruht. Das schafft Klarheit in der Vielfalt der Trainingsratgeber.


    Winkler erklärt so klar wie niemand sonst, was positive oder negative Verstärkung, Strafe und so weiter bedeutet, in welchen Bereichen sie angewendet werden können, was die möglichen Risiken und Nebenwirkungen sind und welche Trainermethoden verstärkt auf dem einen oder anderen Ansatz beruhen.


    Fazit: Im echten Leben wird man nie "rein positiv" erziehen und trainieren können. Aber man kann, wenn man sich seiner Handlungen bewußt ist, sehr weitgehend positiv arbeiten und muß nur äußerst selten strafend korrigieren.


    Dagmar & Cara

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