Hunde ohne Strafe korrigieren?
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Ich bin ein großer Freund von schwarz-weiß-Erziehung. Je nach Hundecharakter und mir nicht so wichtigen Dingen, gibt es auch Graustufen.
Ich bin m.E. fair zum Hund, lobe ihn (je nach Hund verbal, mit Leckerlie oder Spielzeug) wenn es angebracht ist, korrigiere ihn aber auch sofort (i.d.R. bereits im Ansatz des Fehlverhaltens). Das mache ich verbal und/oder je nach Hundecharakter körpersprachlich und selten musste mal bei dem ein oder anderen Hund z.B. die Leine fliegen weil er auf meine verbale Korrektur nicht reagiert hat.
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Nur gibt es ja manchmal Situationen, in denen man den Hund korrigieren muss, zum Beispiel wenn er Essen vom Tisch klaut oder beißt. Als sehr sinnvolle Methode erscheint mir das Ignorieren, zum Beispiel wenn der Welpe forderndes Verhalten zeigt, um z. B. den Futternapf zu ergattern oder seinen Menschen zum Spielen auffordert. Man ignoriert den Hund so lange, bis er sich richtig benimmt und belohnt ihn dann, z. B. mit dem Futternapf.
Jedes Lebewesen teste Grenzen. Das ist unglaublich wichtig um sich in der Welt zurecht und seinen Platz in ihr zu finden
Auch du testest Grenzen - z.B. wenn du eine neue Beziehung anfängst (Freund, Kollege, Partner, ...)
Du lotst vorsichtig aus wie weit du gehen kannst, welche Späße der andere Versteht, welche Meinungen er hat - manchmal tritt man in Fettnäpfchen - manchmal versteht man sich auf Anhieb.
Jedes Lebewesen (Du, Welpe, Hund, Kleinkind, ...) braucht ein verständliches Feedback damit es die Grenze verstehen kann.
Ignorieren gehört nicht dazu.
Einen Welpen zu ignorieren bringt viele Probleme - denn sie brauchen mehr Feedback und Struktur als erwachsene Hunde, um sich in der Welt zurecht zu finden.
Denn die ganze Welt ist neu.
(Damit meine ich nicht nur Korrektur wenn sie Blödsinn anstellen - auch positives Feedback ist sehr wichtig - nicht in Form von Leckerlies - sondern in Form von Interaktionen.
Geimeinsames Spaß haben, positive Ansprache, freundliche Berührung, aufrichtige Neugierde an den "Entdeckungen" des Welpen usw.)
Da sollte/braucht man aber nicht zu verkopft rangehen - das geschieht in der Regel intuitiv, aus dem Bauch heraus.Was ist jedoch mit Situationen, in der die Methode zu Ignorieren nicht funktioniert, z. B. eben dann, wenn der Hund Essen vom Tisch klaut. Da kann man ja schlecht ignorieren und den kleinen Kern mit der Beute davon kommen lassen. Viele Bücher (unter an derem "Welpentraining mit Martin Rütter") sagen jetzt: "Schnauzengriff anwenden! Das ist ganz natürlich für den Welpen, weil er es von der Mutterhündin gewohnt ist. Es werden nur die Methoden der Mutter nachgeahmt."
Bin ich kein Fan von.
Wir sind keine Hunde, wir sind Menschen. Wir kommunizieren wie Menschen, denken und handeln wie Menschen. Jeden Tag.
Warum sollten wir (ausschließlich) beim Strafen wie Hunde reagieren?
Ich bin überzeugt, dass wir Menschen NICHT in der Lage sind, Hündische Kommunikation exakt nachzuahmen. Hunde tun unglaublich viel mit ihrer Schnauze - nicht nur andere Korrigieren. Je nach Dosierung der Kraft übermittelt der Hund eine andere Botschaft. Das können wir Menschen gar nicht korrekt nachahmen.
Missverständnise sind vorprogrammiert.
Nutzen wir also "unsere Art" - den Verstand -
und machen uns Gedanken, wie wir für den Welpen faire, deutliche und verständliche Grenzen setzen.
Und das kann jeh nach Hund, jeh nach Halter und jeh nach Situation ganz unterschiedlich aussehen.
(Es bringt nichts, sich über das Wie Gedanken zu machen, bevor der Hund eingezogen ist - Hunde funktionieren nicht nach Schema F)
Wie reagiert Ihr in solchen Situationen und bringt/ habt eurem Welpen beigebracht, was er darf und was nicht? Ich würde mich sehr über ein paar praktische Tipps freuen
Der Tipp der mir zu Beginn am meisten geholfen hat war:
"Behandle deinen Hund so, wie du dein Kind behandeln würdest!"
Auch mein Kind muss ich erziehen. Es darf kein Essen auf den Boden schmeißen oder bei rot über die Ampel gehen.
Es soll Ruhzeiten einhalten, sich im Restaurant benehmen können und Bücher angucken anstatt sie zu zerreißen.
Wie erreiche ich das? Hoffentlich nicht durch Strafen, Druck oder ignorieren - und auch nicht dadurch,
dass ich mir noch vor der Geburt Gedanken darum mache, wie ich am besten was übe und wie ich das Kind korrigiere wenn es mal Blödsinn anstellt
Das erreiche ich durch eine Bindung, eine echte Kommunikation, durch Strukturen und Konsequenz.
Dass erreiche ich, indem ich Bedürfnisse befridige (Nach Sicherheit, Struktur, Nahrung, Rückzugsmöglichkeit, Anregung, Ruhe, ...)
und ein Lebensumfeld schaffe, indem sich mein Kind seiner Entwicklung entsprechend verhalten kann.
Dass erreiche ich, indem ich meine Ansprüche auf die Fähigkeiten des Kindes anpasse (von nem 1-Jährigen erwarte ich nicht, dass es sich im Restaurant benehmen kann - von einem Welpen der die 1. Woche da ist, erwarte ich nicht dass er "Nein" kann oder meine komplette Körpersprache versteht)
Dass erreiche ich, indem ich mein Kind beobachte und reflektiere - was braucht es? Was will es mir mit seinem Verhalten sagen? Was kann ich tun um für mein Kind eine schwierige Situation angenehmer zu gestalten?
Das alles kann man gut auf Welpen/Hunde übertragen.
Jedoch muss man dazu genau wissen, "wie Hunde ticken" - wie sie kommunizieren, welche Bedürfnisse sie haben, wie sie lernen, usw.
Denn um seinen Hund nicht zu vermenschlichen muss man wissen, in welchen Punkten er sich in seinem Verhalten vom Menschen unterscheidet.
(Allzu oft werden negative, menschliche Eigenschaften in Hunde interpretiert "Der will mich ärgern, der will der Boss sein, der macht das mit Absicht" und so wird ein Verhalten komplett missverstanden und die Beziehung leidet meist enorm.
Und allzu oft werden Hunde NICHT artgerecht behandelt, weil man Angst vor einer Vermenschlichung hat:
z.B. den Welpen in der ersten nacht alleine - getrennt vom "Rudel" schlafen zu lassen, weil Hunde ins Schlafzimmer oder gar ins Bett zu lassen Vermenschlichung ist - dabei ist Rudelanschluss für Hunde mindenstens genauso wichtig (wenn nicht sogar wichtiger) wie für Menschen.
Oder Hunde nicht auf die Couch zu lassen weil das angeblich Vermenschlichung ist ... betrachtet man es genau, entspricht es genau den Bedürfnissen von Hunden (nicht nur von Menschen) auf der Couch zu liegen. Ein erhöhter Ruhplatz für guten Überblick erfüllt das bedürfnis nach Sicherheit - weich und vor Zugluft geschützt zu Ruhen ist für die meisten Säugetiere wichtig - nicht nur für den Menschen.
Ich will nicht sagen dass jeder Hund ins Bett und Couch muss.
Ich möchte nur nicht, dass man die "Vermenschlichung" als fadenscheinigen Grund vorschiebt und vor allem dass man die Bedürfnisse seines Hundes erkennt.
Und diese (wenn es eben nicht Bett und Couch sein sollen, was völlig OK ist) anderweitig befridigt.
Regenmantel beim langen Regenspaziergang ist ja auch oft noch "pfui! Vermenschlichung!".
Was wäre denn typisch Hund beim Regen? - sich einfach Schutzund eben NICHt nass zu werden und ne Krankheit zu riskieren
Ach, jetzt schweife ich ab ...
Ich empfehle dir als Vorbereitung auf einen eigenen Welpen NICHT Bücher über Methoden, Lerntraining, Erziehung usw. zu lesen.
Ich empfehle dir Bücher, die dir aktuelles Wissen über das Lebewesen Hund vermitteln.
(das Einzige was ich gelesen habe und empfehlen kann:
es gibt aber siche rnoch mehr)
Mir hat der Ratschlag übrigens ganz konkret in einer Situation geholfen:
Ich war Anfänger, mein Hund fing an Nachts ab und zu zu bellen.
Ich bekam den Ratschlag "unterbinde das Bellen, er sollte lernen dass er das nicht darf, Nachts im Mietshaus - korrigiere ihn im Ansatz"
Ich bin froh dass ich ihn nicht befolgt habe - ich habe überlegt, wieso er bellt - herausgefunden dass es Unsicherheit/Wachen war - also habe ich ihm Sicherheit vermittelt und ihm gezeigt, dass ich alles regle, dass er sich darum nicht zu kümmern braucht.
Ich habe - wie beim Kind - nicht das Symptom unterbunden, sondern an der Ursache, am Bedürfnis (nach Sicherheit) gearbeitet.
Keine Woche hats gedauert und das Bellen war Geschichte und ist seitdem nie wieder ein Thema gewesen.
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Meine Erziehung sieht so aus:
Ich bestärken erwünschtes Verhalten mit Lob, Leckerli, Aufmerksam usw. Individuell an den Charakter des Tieres angepasst.
Ich unterbinde unerwünschtes Verhalten möglichst schon im Ansatz. Deutlich aber angemessen und so dass es das Tier versteht.
Ein Sensibelchen braucht man nicht körperlich maßregeln durch wegschubsen etc. Bei einem kleinen Panzer....
Fair ist auch wenn man statt nur das Verbot durchzusetzen von dem Hund eine Alternative einfordern kann.
Ignorieren:
Tue ich nur wenn es dazu dient Aufmerksam zu bekommen.
Als Beispiel: Hund mir schmeißt Spielzeug auf den Schoß. Ich verbiete das, wende mich ab. Ich merke der Hund versteht das. Er tut es wieder. Ich ignoriere das, weil auch ein "Nein" etc eine Interaktion ist. Als nächstes fängt Hund an die Tischdecke zu zerstören. Guckt mich dabei frech an. Ich schnappe mir kommentarlos den Welpen. ( Körperliche Korrektur) Auch nicht gerade super sanft und binde ihn an seinem Platz an wo er nichts kaputt machen kann. (Ignoriere ihn)
Gefahr beim Ignorieren:
Die Technik Ignorieren wird bei Tiertrainern häufig nur deshalb verwendet weil man körperlich nicht (mehr) in der Lage ist zu maßregeln/nichts entgegenzusetzen hat. Elefanten, Eisbären, Tiger...
Ein Orcatrainer hat aber auch erklärt:
Ignorieren löst enormen Frust aus. Man muss damit rechnen dass die Stimmung danach kippt.
Deshalb machen die es so: Kommt das Tier einem bekannten Kommando nicht nach, gibt es ein X mit den Armen. Bedeutet das Tier hat einen Fehler gemacht und wird 30 Sekunden ignoriert und bekommt keine primäre Belohnung. Z.B den Lieblingsfisch plus verbales Lob oder vieleicht streicheln/kraulen und mit Wasser abspritzen.
Das Tier lernt aber auch: In 30 Sekunden wird es einen anderen/leichteren Befehl geben den das Tier normalerweise gerne ausführt. Regt es sich nicht über das X auf und gehorcht dem Befehl der dann kommt, dann hat es noch die Chance auf eine sekundäre Belohnung. Die nicht so begehrt ist aber immerhin.
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Hallo nochmal,
vielen Dank für Eure ausführlichen Antworten und das Ihr euch Zeit nehmt, einem Hundeanfänger wie mir ein paar Tipps zu geben:-)
Auch danke für die Buchtipps! "Das andere Ende der Leine" habe ich auch schon gelesen:-)
Vielen Grüße,
Rosi
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Oh ja, ich hab mir das auch sooo schön ausgemalt mit der rein positiven Bestärkung als Erziehung.
Nun hab ich Franz bekommen, und der ist ein Schlitzohr vor dem Herren. Ich habe gelernt der Hund ist blind und taub für jede Farbe und Graustufe - da gibt es nur schwarz und weiß. Ignorieren führt zu Überforderung und Frust und im Zweifelsfall dazu, dass er selbst die Entscheidung trifft (und die sind meistens sehr weit weg von dem was ich für ihn entschieden hätte).
Strafe hat ja erstmal nichts mit körperlicher Gewalt zu tun. Ich finde es fairer ihm zu sagen, dass das jetzt nicht in Ordnung war, als ihn ins Messer laufen zu lassen. Ich musste dann auch erstmal lernen ihn zu lesen und mit ihm zu kommunizieren. Ich habe irgendwie viel erwartet dass Hund "das halt so zu machen hat" ohne ihn konkret anzuleiten in den ersten Monaten. Manch eine Baustelle haben wir davon heute noch, aber das kriegen wir auch hin.
Ich glaube es kommt sehr auf deine Persönlichkeit an, die des Hundes und wie eure Dynamik miteinander ist. Daran zeigt sich dann, welche Art der Kommunikation die richtige ist. Ich würde mich da nicht mehr festlegen im Vorhinein. Ich habe viele wichtige Chancen im Zusammenleben verpasst, weil ich da so erpicht drauf war nix falsch zu machen und bloß nicht mit Strafe zu arbeiten.
Es muss authentisch sein am Ende.
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Schöner Thread - und Antworten, die mir gefallen, weil sie so erfrischend gerade und "uneiernd" sind. Gemessen an manchen Erläuterungen gegenüber Ratsuchenden in diesem Forum finde ich das ... überraschend.
Wir versuchen es bei unserem Terriermix mit bestmöglicher Klarheit in unseren verbalen und körpersprachlichen Mitteilungen an ihn. In beide Richtungen: in die bestärkende und in die korrigierende. Da nicht verwaschen zu sein, ist mitunter anstrengend, zumal hier vier Menschen einen Terrierknilch erziehen. Aber es lohnt sich, stellen wir regelmäßig fest.
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Ich mag den Ansatz, so viel wie möglich positiv aufbauen und Verstärken und sowenig wie nötig (!) über Abbruch/Strafe arbeiten. Ich versuche meinen Hund möglichst in Situationen zu bringen die er bewältigen kann damit ich nicht in so ne Negativspirale gerate.
Auch ich bin recht schwarz/weiss. Ich versuche für den Hund vorhersehbar zu sein. Ich warne vor wenn mir was nicht gefällt. Ich bin aber auch sehr klar wenn ich etwas nicht will und weiss, dass der Hund das richtige Verhalten kennt und ausführen kann. Abbruch ohne dem Hund ein Alternativverhalten auftrainiert zu haben (oder er kennt es sonst) ist nicht viel wert in meinen Augen.
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